Interview mit Chrigel Glanzmann von Eluveitie

Ein Interview von Krümel vom 05.09.2007 (16223 mal gelesen)
Obwohl sich die schweizer Folk Death Metal Formation ELUVEITIE derzeit in einem Studio verschanzt hat, um eine neue Scheibe einzuspielen, durften wir netterweise Chrigel - seines Zeichens Mastermind und Sänger des Achters - ein paar Löcher in den Bauch fragen. Lest im Folgenden, was der eidgenössische Volksmusikant zu berichten hat....

Zunächst vielen Dank für die Möglichkeit des Interviews! In der Pagan Metal Szene bzw. in "Insiderkreisen" habt ihr ja schon bereits mit der Debut-MCD "Vèn" und der nachfolgenden Fulllength-CD "Spirit" einen ordentlichen Erfolg erzielt. Auf der Homepage findet man das Schlagwort: "Eluveitie - New Wave Of Folk Metal"... Was meint ihr genau damit?

Chrigel : Eigentlich nichts weiter als eine Stilbezeichnung. Ganz klar bewegen wir uns in der Pagan/Folk Metal Szene und haben dort auch eine große Fangemeinde. Doch irgendwo heben wir uns musikalisch einigermaßen von dem Genre ab. Zwar spielen einige Pagan/Folk Metal Bands nach traditionellen Folkweisen und traditionellen Instrumenten. Aber es gibt sehr wenige, die das in dem Umfang wie Eluveitie tun. Ebenso ist in diesem Genre – abgesehen von Folk-Aspekt – meistens eher etwas roher, blackmetallastiger Metal zu finden. Unsere Metalmusik ist aber eher Melodic Death Metal (Göteborg lässt grüßen) auf einem recht ausgefeilten Niveau und darin schrecken wir auch vor wirklich modernen Einflüssen nicht zurück (was in der Pagan Metal Szene wohl eher etwas verpönt ist). Na ja und so dachten wir uns, dass "new wave of folk metal" unsre Musik gut trifft. :) Wer weiß – vielleicht (hoffentlich) bewegen sich in Zukunft noch mehr junge Bands in diese Richtung und man wird sich eines Tages an uns erinnern, die "new wave of Folk Metal" angefacht zu haben!

Ursprünglich war laut den Infos ELUVEITIE, welche von Dir Chrigel 2002 gegründet wurden, als Studioprojekt vorgesehen. Hattest Du vorher schon eine bestimmte Vorstellung von der Art Musik, die Du machen wolltest oder hat sich das erst im Laufe der Zeit ergeben, klassische Folkelemente mit Flöten, Sackpfeifen etc. und hartem Death Metal zu kombinieren?

Chrigel : Nein, das war von Anfang an ganz klar die Vision. Ich trug diese Idee eigentlich schon seit vielen Jahren mit mir herum. 2002 fand ich dann Leute, welche Lust hatten, das ganze mit mir zu realisieren (sprich: Im Studio einzuspielen).

Und warum ausgerechnet diese Stilrichtung? Zurzeit bzw. seit einigen Jahren gewinnt der Pagan/Folk Metalbereich ja immer mehr Anhänger.

Chrigel : Wie vorhin erwähnt, trug ich den Traum dieser Musik schon sehr lange im Herzen. Warum? Schwer zu sagen. Es war und ist wohl einfach irgendwie "meine" Musik... ich liebe Volksmusik und ich liebe Metal mit jeder Faser meines Seins. :) Dass nun Pagan/Folk Metal nun seit einigen Jahren plötzlich ungemein an Popularität gewinnt, freut mich indes natürlich sehr!

Wie kam es dazu, dass dann doch eine "richtige" Band daraus wurde? Nur weil sich die Debut-Scheibe so gut verkaufte?

Chrigel : Nun, es ist nicht so, dass ich ELUVEITIE explizit als reines Studioprojekt plante. Selbstverständlich hätte ich von Anfang an gerne eine "richtige Band" gehabt. Aber es war lange Zeit einfach unglaublich schwierig, Musiker für sowas zu finden. Heute ist das glücklicherweise komplett anders. Aber wenn Du vor 10 oder 12 Jahren beispielsweise eine Death Metal Band mit Flöte und Dudelsack gründen wolltest, schauten dich die Leute nur an, als ob Du vom Mars kämst. Irgendwann schrieb ich dann eben einfach mal komplett für alle Instrumente arrangiertes Material für eine MCD ("Ven") und suchte mir primär einfach mal Leute zusammen, welche das Liedmaterial wenigstens einfach ins Studio einspielen kommen. Dass diese Demo-MCD dann tatsächlich ein Erfolg wurde, war für alle Beteiligten natürlich überwältigend. Ich selbst hatte natürlich immer noch die Hoffnung, dass aus dem Projekt ELUVEITIE bald mehr als ein Projekt werden würde. Aber so richtig klar abgezeichnet hatte sich die Sache erst, als wir – etwa zwei Monate nach dem Release von "Ven" – die Konzertanfragen kriegten. Da mussten wir uns entscheiden... denn bis dahin hatten wir nicht ein einziges Mal zusammen gespielt (die Instrumente wurden komplett separiert aufgenommen), viele beteiligte Musiker kannten sich nicht mal – das Bandfotoshooting war der erste und einzige Moment, in dem der ganze Haufen mal vollzählig beisammen war! Wie dem auch sei: Den Ausschlag gaben eigentlich eben die Konzerte. Ein paar Leute aus dem Studio Line-Up entschieden sich, mit mir mitzuziehen und aus ELUVEITIE eine Band zu machen. Für die verbliebenen "offenen Stellen" suchten wir darauf hin neue Musiker.

Der Name ELUVEITIE klingt für unsere Ohren sehr exotisch. Wie mir netterweise erklärt wurde, ist dies ein gallischer (früh-keltischer) Ausspruch, wird in etwa "èlwéyti" ausgesprochen und bedeutet "Ich bin der Helvetier". Bist Du bzw. seid ihr sehr heimatverwurzelt?

Chrigel : Ja. Das ist etwas sehr persönliches und die Antwort auf diese Frage würde wohl auch bei allen von uns anders aussehen. Manche sind es mehr, manche weniger. Aber grundsätzlich: Ja – wir sind sehr heimatverwurzelt.

ELUVEITIE besteht derzeit aus 8 Musikern. Wie habt ihr euch zu diesem Lineup zusammengefunden bzw. nach welchen "Maßstäben" suchst Du Deine Mitstreiter aus?

Chrigel : Siehe vorletzte Frage, bzw. Antwort. Das Line-Up kam mit der Zeit zustande. Es gab auch nach unserer letzten CD nochmals einen Line-Up Wechsel. Seither ist es nun jedoch gefestigt und stabil. Wir haben "unsere" Leute gefunden. :) Mitstreiter aussuchen? Grundsätlich müssen natürlich alle mit allen mehr oder minder klarkommen. Aber das wichtigste ist einerseits das musikalische Niveau (welches bei uns nicht gerade tief ist und – viel wichtiger – konstant wächst). Und andererseits die Haltung zum Musizieren – ist jemand bereit, der Musik oberste Priorität zuzugestehen (auch gerade zeitlich... was üben, Konzerte, Tourneen, Studioaufenthalte angeht)? Ist 'ne zentrale Frage.

Wie schafft ihr es, die wahrscheinlich acht verschiedenen Charaktere unter einen Hut zu bringen? Gibt es da oft Probleme untereinander oder herrscht bei euch eher Harmonie?

Chrigel : Hahahahhaha! Wohl gesprochen! Ich glaube, verschiedener könnten die Charaktere in einer Band wahrlich nicht sein! Es ist in der Tat manchmal nicht ganz einfach. Aber es gibt ein Ziel, eine Vision, ein roter Faden, an dem sich alle orientieren – das passt. Aber, es ist auch so, dass wir sehr viele Konzerte spielen, Tourneen machen (mehrere Wochen in einem verdammten Nightliner "zusammengesperrt"), fleißig an neuem Material arbeiten, ect. – sprich: Wir verbringen sehr viel Zeit miteinander. Und auch wenn sich dieses Zusammensein eigentlich immer ausschließlich um die Musik dreht, so wächst man dennoch einfach zusammen. Wir sind heute wohl sowas wie eine Familie (oder besser ein Clan ;) ).

Hauptsächlich komponierst Du, Chrigel, die Musik. In welcher Form bringen sich die anderen Bandmitglieder ein?

Chrigel : Wenn ich einen neuen Song geschrieben und arrangiert habe, nehm ich diesen im Heimstudio auf und übergebe ihn der Band. Jede/r Musiker/in arbeitet dann für sein/ihr Instrument die Stimmen aus. Da ist es verschieden – die einen übernehmen 1:1 das, was ich aufgenommen habe, andere arbeiten auf der Basis des Arrangements komplett ihre eigenen Ideen aus.

Wie hast Du bzw. habt ihr die vielen klassischen Instrumente erlernt?

Chrigel : Zuerst, wenn ich korrigieren darf: Folk-Instrumente! ;) Ich mag Klassik nicht. Nicht die Musik als solches (ich meine, Vivaldi, Smetana oder natürlich auch Bach waren einfach verdammte Genies, ganz klar). Aber die Herangehensweise und das Umgehen mit Musik unterscheidet sich HEUTZUTAGE bei Klassik (oder auch Jazz) komplett gegenüber der Volksmusik. Aber wie auch immer: Wie wir die Instrumente erlernten, das ist bei allen etwas verschieden. Sevan (irische Querflöte, Tin Whistle, Sackpfeifen) ist zu 100% Autodidakt. Meri (Fiddle) war an der Jazzschule. Anna (Drehleier, Querflöte) genießt Unterricht der Scuola Cantorum und dem Konservatorium. Ich selbst hatte viele Jahre Unterricht in klassischer (jaja *grummel*) Gitarre und kam so einfach zur Mandola. Flöten/Dudelsäcke erlernte ich autodidaktisch (bzw. in der Folk-Szene).

Ist ELUVEITIE ein Hobby oder eine Passion?

Chrigel : Wenn ich daraus auswählen muss: Eine Passion. Aber eigentlich ist es mehr als das. Und wir hoffen, auch, dass wir alle eines Tages vom Musizieren leben können (was momentan noch nicht der Fall ist).

Zurzeit befindet ihr euch in Schweden, um Euer neues Material einzuspielen. Könnt ihr uns dazu schon etwas mehr verraten?

Chrigel : Ja, im Moment befinden wir uns gerade im Fascination Street Studio in Örebro, wo wir gemeinsam mit Jens Bogren unsere neuen Songs aufnehmen. Die Arbeiten gehen soweit großartig voran. Es ist eine wahre Freude, mit Jens (verantwortlich für beispielsweise die Produktionen der letzten Alben von Amon Amarth, Opeth, Katatonia, Bloodbath, uvm.) zu arbeiten – er ist ein wirklich fähiger Kerl! Allzuviel zu unsern neuen Releases möchte ich noch gar nicht verraten (abgesehen davon, dass es besser sein wird, als alles, was man bisher von uns hörte). Wir arbeiten parallel an zwei Releases – einem "normalen" ELUVEITIE-Album und einem rein akustischen Folk-Release. Es wird also nächsten Frühling einiges von uns zu hören geben!

Aus welchem Grund habt ihr für die Aufnahmen den Norden gewählt? Gibt es in der Schweiz keine geeigneten Studios, um eure Pläne umzusetzen?

Chrigel : Es gibt in der Schweiz schon ein paar wenige wirklich gute Studios. Aber für eine Metal-Produktion würde ich wirklich nicht in die Schweiz gehen. Wir hatten diverse Studios im Visier, doch das Fascination Street war unser Favorit. Wir kennen die Produktionen, die hier realisiert wurden und wussten, dass es DAS Studio für den Sound ist, den wir uns für ELUVEITIE vorstellen.

Wie darf man sich den Studioalltag bei ELUVEITIE vorstellen? Ist alles ordentlich geregelt oder entscheidet ihr spontan vor Ort wer, wie, was einspielt?

Chrigel : Nein, sowas muss auf alle Fälle geplant und strukturiert ablaufen. Besonders wenn man eine CD mit acht Musikern und etwa 15 verschiedenen Instrumenten aufnimmt (Gesänge, Chöre, ect. noch nicht mitgezählt).

Wird es auf der neuen CD auch wieder traditionelle Stücke geben (wie z.B. 'Andro' auf "Spirit")?

Chrigel : Ja, bestimmt! Jedoch werden auch mehr eigene Tunes oder auch einige kontemporäre Kompositionen (von befreundeten Folk-Musikern) darauf enthalten sein.

Wenn ja, wie geht man an die Bearbeitung eines solchen Liedes heran? Meist existieren ja schon verschiedene Versionen; orientiert ihr euch daran oder versucht ihr doch eher unbefangen eine eigene Interpretation der Musik zu kreieren?

Chrigel : Letzteres. Ich denke, genau das macht u.A. auch das Wesen von Volksmusik aus! Es gibt ein Tune, welches irgendwer – jemand wie Du und ich – vor mehreren huntert Jahren mal komponierte. Dieses Tune überdauert die Zeit, es wird von unzähligen Menschen immer und immer wieder gespielt. Aber es lebt auch, es steht nie still. Es verändert sich, seine Interpretation verändert sich mit den Menschen, von welchen es gespielt wird. DAS ist die Seele der Volksmusik, denke ich.

Wie lange werdet ihr insgesamt in Schweden weilen?

Chrigel : Ein paar Wochen.

Wie gehen eure Familien damit um, wenn ihr z.B. jetzt für Aufnahmen längere Zeit weg bzw. zu Touren/Auftritten unterwegs seid? Sehen sie das eher gelassen?

Chrigel : Nun ja, es ist nie ganz einfach. Klar. Aber letztlich ist das eben einfach eine Entscheidung, die man treffen muss. Es ist wie bei einem jeden anderen Job auch, bei dem man öfters (und/oder für länger) im Ausland ist. Für oder gegen so einen Job entscheidet man sich nicht alleine, sondern mit seinem Partner/seiner Partnerin/seiner Familie.

Jetzt im Sommer habt ihr ja einige Festivals in Europa gespielt, welches war das für Euch schönste bzw. beste?

Chrigel : Ich denke, ich spreche hier für alle von uns, wenn ich das Graspop Metal Meeting in Belgien nenne. Niemand von uns war zuvor mal auf dem Festival. Wir wussten nicht so recht, was uns erwartet. Zwar haben wir in Belgien viele Fans, aber wir waren Opener... und um die Uhrzeit hätte es gut sein können, dass wir vor nur 500 Leuten spielten (wobei wir natürlich auch dann alles gegeben hätten! Klar). Deshalb staunten wir nicht schlecht, als wir die Bühne betraten und vor einer Menschenmasse von etwa 10.000 Nasen standen, die uns frenetisch begrüßte und ebenso auch den ganzen Gig hindurch mit uns mitrockte und das Konzert sichtlich ebenso genoss, wie wir selbst. War schon eine feine Sache, dieser Gig!

Ich selbst habe euch auf dem Breeze gesehen und war echt begeistert. Wie übrigens viele andere Leute auch. Hat es euch überrascht, dass bereits am frühen Mittag eine recht große Menge vor der Bühne stand und euch abfeierte?

Chrigel : Am Breeze waren wir nicht sonderlich überrascht, nein – ich glaube, in Deutschland ist unsere Fanbase solide. Was natürlich nicht bedeutet, dass wir die Besucherzahl nicht geschätzt hätten! :) Unsere Hörner seien auf all die wackern Metalheads und Fans erhoben, die trotz Vollsuff am Vorabend um 12.00 Uhr vor der Bühne standen! :D Eigentlich hätten wir auch tatsächlich etwas später spielen sollen, aber leider mussten wir aus organisatorischen Gründen den Slot kurzfristig noch nach vorne (früher) verschieben und konnten glücklicherweise mit einer andern Band abtauschen.

Faszinierend fand (nicht nur) ich, wie Sevan diverse Flöten und Blasinstrumente spielte und dabei gleichzeitig wie ein Derwisch über die Bühne tanzte. Wie schafft er sowas, ohne sich zu verschlucken?

Chrigel : So ganz zwischen Dir und mir – ich hab keinen blassen Schimmer! ;)

Überhaupt scheint ihr sehr großen Wert auf agiles Stageacting zu legen. Seht ihr das einfach als "Show" oder um eure Musik zu unterstreichen oder aber, um einen besseren Kontakt zum Publikum zu erlangen?

Chrigel : Ich denke, es gehört beides dazu (Kontakt zum Publikum ist uns echt wichtig). Aber es ist auch noch etwas drittes: Unsern eigenen Spass! Wir lieben es, zu musizieren und ebenso lieben wir’s dabei abzugehen. :)

Gibt es noch etwas, das Dir/Euch auf dem Herzen liegt und unbedingt noch loswerden möchtet?

Chrigel : Ja – herzlichen Dank an alle Leser für Euer Interesse an ELUVEITIE! Und ebenso herzlichen Dank an Dich für das Interview!

Wir haben zu danken!

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