Ein Interview von Dunkeltroll vom 30.04.2021 (24618 mal gelesen)
Band-Jubiläum und ein starkes neues Album: Grund genug, ein Interview mit STEELPREACHER zu führen. Der bestens aufgelegte Preacher (Vocals, Gitarre) nahm sich Zeit für meine Fragen.
20 Jahre STEELPREACHER: Wie ging es damals los bei euch? Dein Bruder (Muskel: Bass, Backing-Vocals) und du hattet vorher ja bereits eine Band namens CLAYMORE?
Preacher: Ja, das war quasi unsere allererste Band und die ging so zwei bis zweieinhalb Jahre lang. Dann haben wir gemerkt, dass wir alle in verschiedene musikalische Richtungen wollten: Mein Bruder und ich, wir wollten es eher oldschoolig haben, jemand anderes wollte in die Prog-Richtung, jemand anders mehr Keyboards und ein Dritter mehr Stoner Rock. Also haben wir gesagt: Wir machen hier 'nen Break und so haben mein Bruder und ich nach einem Schlagzeuger gesucht und ziemlich schnell den Hendrik gefunden, dann ging das quasi los - ohne viel drüber nachzudenken (lacht).
Oldschool trifft es in jedem Fall, aber eine bestimmte Einordnung für euren Sound kann man schlecht treffen, denn der ist eigentlich von Song zu Song jedesmal unterschiedlich.
Preacher: Ja, und das kann man als großes Manko bezeichnen: Ich glaube, damit haben wir uns nicht nur Freunde gemacht, dass wir so einen breiten Spagat machen. Ich sag mal: Zwischen Drei-Akkorde-Bier-Rock'n'Roll und Power Metal und auf den Alben machen wir auch noch mehr Experimente. Da war auch mal was mit Kastagnetten drauf, was dann eher mexikanisch geklungen hat und das wird für viele zu breit gefächert sein. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum wir nie wirklich ein Label hatten, was uns haben wollte, weil wir einfach so breit aufgestellt sind. Wir sind ein Spagat zwischen Hard Rock und Power Metal.
Kann man so sagen: Das geht bei AC/DC los und endet etwa bei GAMMA RAY, und alles dazwischen kann passieren.
Preacher: Genau: Von AC/DC über MOTÖRHEAD, MÖTLEY CRÜE, SAXON, ROSE TATTOO, W.A.S.P. natürlich, und es darf auch ein wenig GAMMA RAY und Konsorten dabei sein.
Wobei das als Song immer super funktioniert und nie eine zu offensichtliche Kopie ist, sondern ihr immer den jeweiligen Stil adaptiert.
Preacher: Nee, um Gottes willen, wir haben ja nicht vor, irgendwas zu kopieren. Aber es ist natürlich so, dass du immer wie deine Vorbilder klingst. Die Musik, mit der du aufgewachsen bist, findet man immer in irgendeiner Form in deinen eigenen Songs wieder. Das ist ja auch kein neues Phänomen: Auch klassische Komponisten haben ihre Lehrer und Vorbilder so gut es ging imitiert und immer was eigenes dabei gemacht.
Was das Ganze wirklich zusammenhält, ist schlussendlich deine Stimme.
Preacher: Oh, das ist ja nett (lacht)!
Muss ja: Alles andere ist so abwechslungsreich, aber deine Stimme bleibt halt deine Stimme.
Preacher: Weil ich halt eben kein Sänger bin (lacht). Ein richtiger Sänger könnte wahrscheinlich mehr variieren, aber ich find es in Ordnung, dass es so wie ein roter Faden durchläuft.
Was, würdest du sagen, war euer schwierigstes Publikum?
Preacher: Das war auf der Tour 2013, da haben wir irgendwo in Bayern gespielt. Da standen zehn bis 15 Sofas im Saal rum, und so ziemlich alle Leute, die da waren, haben auf den Sofas gesessen oder gelegen. Das ist schon geil, wenn du als einziger stehst als Band und musst Leute bespaßen, die sich auf Sofas rumfläzen. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war hinter mir auf der Bühne ein Kachelofen, der auf Hochtouren gelaufen ist. Es waren also gefühlte 50 Grad auf der Bühne - ich hab mir hinten die Beine abgeflämmt. Ist mal was anderes, hatten wir so auch noch nie gehabt (lacht).
Und die haben dann auch keine besondere Begeisterung für die Musik gezeigt?
Preacher: Dachten wir: Es lief so, wie man sich das vorstellt, wenn man vor Leuten spielt, die auf der Couch sitzen. Es kam zwar Applaus, aber für unsere Verhältnisse gefühlt keine Stimmung auf. Aber was soll ich sagen: Auf der Tour war das der Abend, an dem wir mit Abstand die meisten CDs und Shirts verkauft haben. Es kam also anscheinend doch an (lacht).
Seit 2018 seid ihr zu viert unterwegs und habt mit dem Andi einen zweiten Gitarristen dazu genommen. Was war die Idee dahinter? Ich denke, das macht sich vor allem live bemerkbar?
Preacher: Live macht es auf jeden Fall Sinn, da man da viel viel breiter klingt. Auf den Alben hab ich vorher einfach beide Gitarren eingespielt, da macht das nicht so den Unterschied. Man muss dazu sagen, dass wir ihn nicht aktiv gesucht haben: Wir hatten 2017 einen Special-Gig gemacht, bei dem wir an die 20 Gastmusiker hatten. Andi war als einer dieser Gastmusiker eingeladen, weil er auf der 'Devilution' ein Solo eingespielt hatte. Ich fragte ihn im Vorfeld, ob er es schaffen würde, sich den Song ganz drauf zu schaffen, und er sagte: "Ja klar, ich kann auch noch mehr", also hab ich ihm einfach drei Songs hingeworfen, die wir zusammen spielen würden. Ein oder zwei Wochen später kam er zur Probe und hatte alle 23 Songs gelernt. Und es war ein Unterschied wie Tag und Nacht: Wenn du zum ersten Mal live deine Songs mit einer zusätzlichen Gitarre hörst, dann wirst du total überfahren, das war der Hammer. Wir haben das Konzert dann so durchgezogen und da wir auch menschlich mit ihm gut klar kamen, haben wir irgendwann einfach gesagt: "Du bist jetzt dabei" und fertig. Zu der Zeit hatte Andi auch noch bei WOLFEN gespielt, wo er inzwischen aufgehört hat, und ist jetzt sozusagen fulltime bei uns dabei, hat aber nebenher noch sein Soloprojekt laufen.
Hat Andi sich auf dem neuen Album auch ins Songwriting eingebracht?
Preacher: Ja, schon. In den zwei Jahren, bevor wir ihn dazu geholt hatten und schon am Songwriting fürs neue Album gearbeitet hatten, gab es eine kleine kreative Flaute bei uns, es ging unfassbar langsam vorwärts, und als er plötzlich mit ein Bord war, war wieder ein ganz neuer Wind dabei. Eigentliche Songideen sind von ihm wenige dabei, was mir aber ganz Recht ist, da das Songwriting seit jeher in der Hand von meinem Bruder und mir liegt. Es war mir wichtig, dass das auch größtenteils so bleibt, damit die Leute nicht sagen: "Das klingt nicht mehr nach STEELPREACHER". Am Workflow hat sich also nix geändert: Mein Bruder und ich liefern die Ideen, die wir dann als Band im Proberaum rund schleifen. Das ist wichtig: Keiner schreibt die Songs am PC, sondern wir machen das gemeinsam, bis alle sagen: "Das klingt gut, das geht ab".
Musikalisch ist auch kein Bruch zu euren vorherigen Alben zu erkennen. Bei seinem Soloprojekt ist Andi ja eher am Frickeln.
Preacher: Ja, man muss ihn schon ab und zu bremsen (lacht).
Wie kam der Albumtitel "Back From Hell" zustande? Ihr wart vorher schon mit dem Teufel einen trinken - was habt ihr in der Hölle noch so erlebt?
Preacher: Die Themen Teufel und Hölle ziehen sich bei uns ja durch alle Albentitel, und beim sechsten Album wollten wir an diesem Konzept auch nichts ändern. "Back From Hell' haben wir genommen, da es fast sechs Jahre gedauert hat, die Platte rauszubringen. Man kann natürlich ehrlich sein und sagen: Wir sind faule Säcke und nicht schneller in die Gänge gekommen. Aber wenn man sagt, wir waren in der Hölle, klingt das natürlich viel viel cooler. So einfach ist das (lacht). Wie ein Mini-Comeback, ohne weg gewesen zu sein.
Kommen wir zum Opener 'Here For The Beer': Was sind eure Lieblingsclubs uns -kneipen, die ihr jetzt lange nicht von innen gesehen habt? Ich tippe mal, der Florinsmarkt in Koblenz und das JUZ Andernach gehören dazu?
Preacher: Das JUZ Andernach ist ja eine reine Konzert-Location, in die man nicht einfach so zum Bier trinken geht, wobei da eigentlich jedes Wochenende auch Bands spielen. Der Florinsmarkt ist hingegen eine Metal-Kneipe, in der es hin und wieder Konzerte gibt, aber da geht man abends auch einfach auf ein Bierchen hin. Das ist unsere Go-to-Kneipe, in 95 Prozent der Fälle landen wir dort. Wir wissen ehrlich gesagt gerade nicht, wie da die Aktien stehen in Corona-Zeiten: Ob es den noch gibt, ob der noch mal aufmachen wird: Wir sind da gerade am Däumchen drücken. Man weiß ja nicht, wann es weiter geht, und was dann sein wird. Was Auftritte betrifft, ist das JUZ Andernach in den letzten 20 Jahren wahrscheinlich in der Top Drei der geilen Locations, weil man da als Band einfach Freiheiten hat. Man kommt gut auf die Bühne, hat einen geilen großen Backstageraum, es ist sauber, es wird sich um einem gekümmert, das ist in den meisten Locations gar nicht so. Was auch sehr geil ist, ist das Lükaz in Lünen, da denke ich auch gerne dran zurück. Das sind für mich die Top Zwei in Deutschland - für Platz Drei müsste ich schon lange überlegen (lacht). Ich war Ende 2019, als noch keiner wusste, was ein Corona-Virus ist, mit verschiedenen Leuten, auch dem Christian vom Lükaz, in Kontakt und hab gesagt: "Wir haben Zwanzigjähriges anstehen, wir kommen zu euch" - wir hatten ein paar richtig geile Auftritte im Gewehrlauf. Das wäre eigentlich unser Jahr geworden...
Könnt ihr einen Großteil davon wenigstens nachholen?
Preacher: Das ist schwierig, denn die meisten Konzertveranstalter haben ja verständlicherweise gesagt: Wir verschieben unser Festival von 2020 auf 2021 und in vielen Fällen jetzt um ein weiteres Jahr. Wir wären also erst danach wieder dran, also quasi zum 23. Bandjubiläum, ist ja auch doof. Es gibt natürlich immer die Möglichkeit, dass Bands abspringen, daher hoffen wir, nächstes Jahr irgendwo einspringen zu können - vielleicht auf dem M.I.S.E., dem Summernight Open Air oder dem Detze. Auch das Headbangers Open Air war nochmal im Gespräch, das Lükaz - mal gucken, was geht.
Alkohol ist bei euch ein großes Thema - wie gewinnt ihr ihm immer wieder neue Aspekte ab?
Preacher: Weil wir doof sind, uns uns nix Besseres einfällt (lacht)! Nee, es ist so: Jeder benutzt Musik für etwas anderes. Manche Leute wollen eine Message rüber bringen, manche hören sich Musik an, um sich zu beruhigen, manche wollen tolle Künstler hören und die Musik analysieren - wenn man jetzt Jazz mag, zum Beispiel. Für mich ist Musik vor allem der Soundtrack, wenn es mir gut geht. Ich wollte bei STEELPREACHER von Anfang an keine politischen Statements, keine große Ernsthaftigkeit, wobei sich auch die manchmal da rein verirrt, wie bei 'Bad Things Never Last'. Aber im großen Ganzen will ich Musik haben, die einfach unbeschwert ist. Wenn du im Sommer auf 'nem Open Air Festival vor'm Zelt sitzt, mit 'nem Bier in der Hand: Die Musik, die du dann hören willst, wenn du gut drauf bist, die will ich machen. Und da ist Bier einfach nicht wegzudenken.
'When The Iron Calls' würde ich vom Stil her mit STORMWARRIOR vergleichen - kommt das hin?
Preacher: Textlich wahrscheinlich, ja. STORMWARRIOR sind ja total in dieser Wikinger-Kiste drin, und das ist halt eins der typischen Metal-Themen. Wir haben damals ja so ziemlich zeitgleich mit ihnen als eine von drei klassischen Metal-Bands Anfang der 2000er angefangen, wo das eigentlich gar nicht so in Mode war. STORMWARRIOR sind durchgestartet, MAJESTY sind durchgestartet, und wir sind immer noch da, wo wir sind (lacht). Wir haben mal mit ihnen zusammen gespielt, sind auch nette Leute, aber als Inspiration würde ich sie nicht sehen: 'When The Iron Calls' ist einfach ein Power Metal-Song mit Wikinger-Text. Aber mit ein paar mehr Sechzehnteln hätte der auch bei ihnen funktioniert, klar. Wir sind halt im Vergleich wesentlich breiter aufgestellt: Wenn man unsere Musik jemandem empfehlen will, muss man immer sagen: Hör dir mindestens fünf Lieder an, um mal 'nen Eindruck zu kriegen.
Oder am besten gleich das ganze Album. Auf "Back From Hell' ist für mich kein Stinker dabei.
Preacher: Da bemühen wir uns: Wenn wir 'nen schlechten Song hätten, hinter dem wir nicht stehen, würde der nicht auf's Album kommen. Wenn wir 'nen Song haben, der halbgar ist, feilen wir den entweder so lange, bis wir das hinkriegen, oder wir lassen das sein. 'Hammered And Down' von der "Drinking With The Devil" hatten wir so weit fertig, fanden ihn aber alle nur so la la. Den haben wir dann bis auf den Chorus komplett über den Haufen geworfen, bis wir ihn nach drei Jahren innerhalb einer Probe so fertig geschrieben haben, wie er jetzt ist, wie er stimmt. Das Gleiche auch bei 'Titanfall': Das Intro ist bestimmt schon zehn, fünfzehn Jahre alt. Zusammen mit Andi haben wir es jetzt geschafft, da endlich 'nen Song draus zu machen.
Wie blendet man dabei die vorherigen Fehlversuche aus?
Preacher: Das ist erst einmal Überwindungssache, da man ja schon Herzblut reingesteckt und Ideen entwickelt hat. Wir haben es immer so gemacht, dass wir den betreffenden Song über Wochen und Monate gar nicht mehr probiert haben, bis er aus dem Kopf raus war und wir mit einer gewissen Klarheit an einen Neuanfang gehen konnten. Und so hat sich das zum Teil über Jahre hingezogen.
In 'Titanfall' thematisiert ihr die griechische Mythologie - wie kam die Idee dazu zustande?
Preacher: Ich war vor drei Jahren im Urlaub auf Kreta, wo ich diverse mythologische Stätten wie die Wiege des Zeus oder das Labyrinth des Minotaurus besichtigte. Da wir auch schon Songs über das alte Ägypten und Germanien gemacht hatten, bot sich das Thema also an. Zunächst hatte ich eine Idee für einen Song namens 'Prometheus', der aber nicht richtig in die Gänge kam. Als wir dann fast mit dem Songwriting für's neue Album fertig waren, kam mein Bruder mit der Idee für 'Titanfall' an, für den er bereits ein Riff und ein Outro hatte, und wir fingen dann an, beides zusammenzufügen. Im Vergleich zu den anderen straighten Hard Rock-Nummern ist der Song sehr durchwachsen, was auch so gewollt ist: Es ist ein über sechs Minuten langer Power Metal-Song mit Höhen und Tiefen, mit sowohl langsamen als auch bombastischen Parts, der einfach eine Story erzählt. Ich hab auf jedem Album einen geheimen Liebling, der sicher nicht jedem gefällt, aber auf den ich total stehe, und auf "Back From Hell" ist das 'Titanfall'.
Ich würde spontan 'Bad Things Never Last' als persönlichen Favoriten nennen, und ...
Preacher: Cool, das freut mich jetzt wirklich zu hören, denn den Song hab ich fast alleine geschrieben, und die anderen mochten den erst gar nicht so. Obwohl er nicht ganz so geworden ist, wie ich es mit vorgestellt hatte, ist er auch ein Liebling von mir, da er einen wirklich geilen, tiefgründigen, fiesen Text hat, der unter die Haut geht. Ich werd in jedem Interview gefragt, ob der von Corona handelt, und die Antwort ist immer nein: Den Song hab ich 2016 geschrieben, und er handelt davon, wie man mitunter von seinem eigenen Gehirn gefoltert wird, Depressionen und so weiter. Also kein Spaß-Thema: Das ist mal kurz die kalte Dusche auf dem Album. Da soll mal einer sagen, wir könnten nicht auch tiefgründig.
... und 'Masters Of The Underground' hat mir heute Morgen einen tierischen Ohrwurm verpasst. Hattet ihr den Ende 2018 schon fertig, als ihr mit DRAGONSFIRE und SECUTOR unter eben diesem Motto aufgetreten seid und davon auch eine gleichnamige DVD veröffentlicht habt?
Preacher: Nee, überhaupt nicht. Das war erst der vorletzte Song, den wir für "Back From Hell" geschrieben haben, in 2020. Ich wollte schon immer so eine langsame Stampf-Nummer machen, mal so richtig einen auf MANOWAR. Ich mach immer erst so 'nen Fuddel-Gesang, singe also einfach Worte, die mir einfallen. Öfter als man denkt, tauchen dabei spontan im Proberaum Textpassagen auf und so war es auch mit 'Masters Of The Underground': Vielleicht, weil wir da gerade die DVD noch mal promoted haben. Aber es passte vom Titel und zum Stil, wie auch das 'All hail to thee!'. Der Text handelt in der ersten Strophe vom Publikum, in der zweiten von Underground-Bands, die sich jeden Abend den Arsch aufreißen, und die dritte Strophe fügt das alles zusammen, so dass Fans und Bands gemeinsam die Masters sind. Dafür haben wir dann auch den Peter von SECUTOR und den Dennis von DRAGONSFIRE als Gastsänger dabei, die die erste und zweite Strophe singen; die dritte hab ich mir dann gegönnt.
Du sagtest eben schon, durch eure breite Aufstellung hätte euch bisher kein Label haben wollen. "Back From Hell" erscheint jetzt aber auf A Chance For Metal Records: Wollte der Jan euch, oder habt ihr ihm euch aufgedrängt?
Preacher: Ich glaub, es hat nie jemand in Frage gestellt, ob wir das machen oder nicht: Wir sind einfach so dicke miteinander. Wir haben auch keinen Vorschuss für die Produktion bekommen, sondern alles gemacht wie bisher, und der Jan hilft uns nun vor allem bei der Promotion und dem physikalischen Vertrieb, sodass die Scheibe jetzt auch bei Saturn oder Nuclear Blast erhältlich ist. Ob das was bringt, ist eine andere Frage, aber er hat uns weder mit Geld überschüttet noch Einfluss auf die Musik genommen. Wir kennen uns schon ewig und haben früher immer aus Blödsinn gesagt, er solle mal ein Label eröffnen. Und als Jan das dann tatsächlich getan hat, war es eine unausgesprochene Tatsache, dass wir dann auch unsere Platte bei ihm raus bringen.
Musstet ihr jetzt größere Stückzahlen der CD produzieren, um so viele Kanäle abzudecken?
Preacher: Nein, im Gegenteil: Es ist ja kein Geheimnis, dass CD-Verkäufe derzeit im Keller sind. Die bewegen sich auf dem Niveau, auf dem Vinyl etwa 1991 war, also ganz unten. Daher haben wir jetzt erstmals eine deutlich kleinere Auflage bestellt, und lassen notfalls nachpressen. Was hingegen deutlich zugenommen hat, sind die digitalen Vertriebswege. Die werfen aber dermaßen wenig ab, dass die Zeiten für kleine Bands wie uns verdammt schwierig sind. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo wir die Kohle für's nächste Album herkriegen sollen. Wenn die Leute unseren Kram nicht kaufen und wir nicht mal wieder Gagen für Veranstaltungen bekommen, können wir in Zukunft nichts mehr aufnehmen.
Vinyl hingegen verkauft sich inzwischen wieder vergleichsweise gut. Habt ihr da was in Planung?
Preacher: Ja, das wird der Jörg Müller von FTWCTP-Records machen: Dem haben wir die Promo von "Back From Hell" gegeben und er hat sofort gesagt, er bringt das raus. Auch farbiges Vinyl, 300er Auflage, aber es wird wohl eher Sommer bis das fertig ist.
Als letzte Frage hab ich euer Jubiläums-Festival auf dem Zettel, das hoffentlich am 13.11.2021 im JUZ Andernach stattfinden kann: Die auftretenden Bands habt ihr ausgesucht?
Preacher: Ja: In 20 Jahren schließt man eben viele Freundschaften. Bereits bei unserem Zehnjährigen haben wir aus den Bands ausgesucht, mit denen wir menschlich am besten klar gekommen sind. Die sechs Bands, die dieses Jahr spielen sollen, sind uns in den letzten zehn Jahren als coole und nette Leute in Erinnerung geblieben, mit denen man immer wieder gerne spielt. Da gibt es natürlich noch weitere, wie IRON KOBRA, BLIZZEN, ALLTHENIKO, PROFET und viele weitere, aber die können natürlich nicht alle an einem Abend spielen.
Und ihr spielt als erstes?
Preacher: Du sprichst mir aus der Seele (lacht). Die Diskussion hatten wir bereits vor zehn Jahren. Ich bin da vollkommen schmerzfrei: Ich spiel da als erster vor null Leuten und dann geh ich da runter, trink Bierchen und guck mir alle anderen Bands an. Da hab ich totalen Frieden mit. Ich werde das den Jungs vorschlagen, dass wir als erstes spielen: Dann können die anderen arbeiten. Ist ja unser Jubiläum, wir wollen ja auch feiern (lacht).
Na ja: Auf dem Flyer steht ihr unten, deshalb bin ich mal davon ausgegangen.
Preacher: Ich wollt mich da nicht nach vorne drängen: Die Bands sind unterschiedlich groß und berühmt, es gibt sie unterschiedlich lange, aber ich hab die Logos auf dem Flyer alle in einer Größe gemacht. Ich versuche das auch auf den Plakaten fürs ACFMF oder Ironhammer, die ich auch entwerfe, so zu handhaben, dass die Newcomer-Band ähnlich groß drauf ist wie der Headliner: Das finde ich nur gerecht.
Mit meine Fragen wäre ich dann durch. Letzte Worte von dir an unsere Leser?
Preacher: Metal Fans sollten sich bewusst sein, in was für einer schwierigen Situation sich Underground-Bands derzeit befinden. Studios und Veranstalter auch, keine Frage. Aber Bands unserer Größe finanzieren sich inzwischen fast ausschließlich über Gagen, da CD- und Shirt-Verkäufe so zurückgegangen sind. Wenn man eine Band gut findet, sollte man irgendwas von ihr kaufen: Sonst ist sie irgendwann weg. Wir haben seit 2004 nichts mehr rein stecken müssen: Wir haben zwar keinen Gewinn gemacht, konnten aber mit den Verkäufen immer die nächste Produktion finanzieren. Das wird sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren ändern, aber vielleicht irre ich mich da auch.