Cirith Ungol - Dark Parade | |
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Review von baarikärpänen vom 18.10.2023 (4279 mal gelesen) | |
BROCAS HELM, MANILLA ROAD und CIRITH UNGOL waren neben einigen anderen Kapellen in den frühen Achtizgern, mal abgesehen von einigen wenigen Fans, doch eher belächelte Acts. Ganz einfach, weil sie zu kauzig waren und kauzig damals schlicht und ergreifend nicht angesagt war. Die einen (MANILLA ROAD) gibt es nicht mehr (RIP Mark Shelton), BROCAS HELM existieren offiziell noch, aber von denen hört man seit "Defenders Of The Crown" aus 2004 gar nichts mehr. Und dann wären da eben noch CIRITH UNGOL. Die sind ein echtes Phänomen, das muss man so sagen. Obwohl ihr "Paradise Lost" 1991 erschien und die Band danach mehr oder weniger auf Eis lag, nahm die Anzahl der Fans nicht ab, sondern wurde immer größer. Da sind jetzt Kids dabei, deren Eltern 1991 noch an alles mögliche gedacht haben, aber bestimmt nicht an eine eigene Familie. Nachdem der umtriebige Jarvis Leatherby (NIGHT DEMON), dessen Tage anscheinend 30 statt 24 Stunden haben, zu den Urgesteinen aus Kalifornien stieß, nahmen CIRITH UNGOL wieder so richtig Fahrt auf. Zuerst eine Live-Scheibe 2019, direkt im nächsten Jahr das grandiose "Forever Black", während Corona dann noch die "Half-Past Human"-EP. Die Kerle scheinen jetzt im hohen Alter ordentlich Blut geleckt zu haben, denn schon während des Corona-Lockdowns starteten die Arbeiten an der neuen Scheibe "Dark Parade", die jetzt endlich erscheint. Keine Ahnung, ob es an Jarvis Leatherby liegt, der den Herren eine Frischzellenkur verabreicht hat, aber CIRITH UNGOL übertreffen sich mit "Dark Parade" schon wieder. "…The black air was alive with the cloudy, semi-visible bulk of shapeless elemental things with eyes… A naked phosphorescent thing which swam into sight, scrambled ashore, and climbed up to squat leeringly on a carved golden pedestal." – “The Horror at Red Hook” H.P. Lovecraft Die Musik von CIRITH UNGOL war auf allen fünf Alben zuvor weit ab von Sonnenschein und Friede, Freude, Eierkuchen. Aber mit "Dark Parade" - das kann man so sagen - haben wir die dunkelste aller UNGOL-Scheiben vorliegen. Das betrifft auch die Texte von Tim Baker, der das oben angeführte Lovecraft-Zitat als Inspiration nennt. Aber auf die Texte gehen wir später noch ein. Wer nun genau am Songwriting beteiligt war, darüber lassen sich im Info von Metal Blade keine 100%-igen Schlüsse ziehen. Es sieht aber wohl so aus, dass Jarvis Leatherby außer ein paar Ideen nichts beigesteuert hat, was ich sehr sympathisch finde. "Dark Parade" ist trotz seiner düsteren Ausrichtung typisch CIRITH UNGOL. Dabei darf man der Band wirklich gratulieren, denn sie schafft es, trotz eben jener gesteigerten Düsternis, unverkennbar zu bleiben. Und vor allem eigenständig. Es mögen zwar im Info Namen wie MERCYFUL FATE oder JUDAS PRIEST als Vergleich fallen, aber damit kann wirklich nur der "Spirit" der Genannten gemeint sein, denn rein musikalisch findet man davon fast gar keine Ähnlichkeiten. Wenn doch, dann ist es wohl dem Umstand geschuldet, dass auch die Genannten nur mit Wasser kochen und ihrerseits wiederum von anderen Acts beeinflusst sind. CIRITH UNGOL fallen auf "Dark Parade" nicht mit der Tür ins Haus, sondern starten das Album mit einem der für UNGOL-typischen schnelleren Songs, 'Velocity (S.E.P.)'. Womit schon jeder, der die Band kennt, weiss, dass wir hier nicht von Uptempo sprechen, wie es für andere Truppen typisch ist. Fist raising und Headbanging sind bei dem Stück garantiert. Der Song dürfte zu einem Highlight bei jedem kommenden Konzert werden, so denn die Ankündigung der Band, künftig auf Konzerte zu verzichten nur eine Ente war. Bereits das nachfolgende 'Relentless' mit seinem fast schon ACCEPT-mäßigen Anfangsriff ändert die Richtung komplett. Ein langsamer Stampfer vor dem Herrn mit einem Chorus, der sich ins Gedächtnis einbrennt, dazu eine wirklich tolle Lead-Gitarre. Was mir besonders gefällt, sind die Riffs mittendrin, die mich an SAINT VITUS erinnern. Direkt im Anschluss folgt mit 'Sailor On The Seas Of Fate' für mich das Magnum Opus von "Dark Parade". Zu beginn eine Verbindung von Epic Metal und Doom, langsam und bedrohlich, was auch an den eindringlichen Strophen liegt. Etwa ab der Mitte nimmt der Song ordentlich Fahrt auf (vor allem Jarvis Leatherby spielt einige wirklich sensationelle Sachen), um nur kurz darauf wieder in das langsame Tempo zu verfallen. Wer meint, damit wäre schon alles zu "Dark Parade" gesagt, der täuscht sich. 'Sacrifice' nimmt den Hörer auf eine weitere Reise mit. Keine Ahnung, was CIRITH UNGOL sich dabei gedacht haben, aber Flamenco-Gitarre, Castagnetten-Klänge (direkt am Anfang) mit so niederschmetternden doomigen Klängen zu verbinden, sowas ist großes Kino für die Ohren, verstörend wie der Film "Ein andalusischer Hund" von Salvador Dali. Es zementiert geradezu die Ausnahmestellung, die CIRITH UNGOL im traditionellen Metal ínnehatten und -haben. 'Looking Glass' ist ein weiteres Beispiel für herausragendes Songwriting. Ein Song, der das ohnehin langsame Tempo immer wieder geschickt nochmals drosselt und dann wieder anzieht. Und es wird sogar noch besser. Der Titelsong, der ebenfalls wieder Doom ist und das schleppende Tempo in Teilen verlangsamt, klingt wie eine Verbeugung von CIRITH UNGOL vor den ersten beiden TROUBLE-Scheiben. Beeindruckend, wie CIRITH UNGOL auch bei den beiden letzten Stücken des Albums, 'Distant Shadows' und 'Down Below', ihrer ab dem zweiten Song eingeschlagenen Linie treu bleiben. DAS ist Finsternis, ohne einen Funken von Licht am Horizont. Vor allem 'Down Below', das mit einem ruhigen Part beginnt, ist ein Track, der den Hörer in einen Malstrom zieht, dann wieder einen ruhigen Part auffährt, nur um danach noch erbarmungsloser zuzuschlagen. Was mich dann zu den Lyrics von Tim Baker bringt. Er selbst sagt, dass er seine letzte "Sword and Sorcery"-Story irgendwann Mitte der 80er gelesen hat und sich seitdem mit seinen Texten den dunklen Seiten des Lebens widmet (also nicht vom CIRITH UNGOL-typischen Cover-Artwork in die Irre führen lassen). Davon scheint es immer mehr zu geben, denn laut Baker gibt er der Menschheit keine allzu große Zukunft mehr, was er mit seinen Lyrics auf "Dark Parade" zum Ausdruck bringen möchte. So ist dann wohl auch das von ihm angeführte Zitat von Lovecraft zu verstehen, der ja dafür bekannt war, die abscheulichsten Monster zu erschaffen (Literaturkritiker sehen diese gerne als Synonym für Missstände oder Ängste). Sieht man sich an, was auf unserem Planeten gerade in den letzten beiden Jahren so passiert ist und passiert, dann kann man nur hoffen, dass Baker nicht recht hat oder zumindest seine Lyrics der erhobene Zeigefinger sind, der uns in letzter Sekunde noch zum Umdenken bewegt. All diese Dunkelheit auf "Dark Parade" wird von CIRITH UNGOL perfekt eingefangen und man mag kaum glauben, dass die Herren, abgesehen von Leatherby, alle bereits im gesetzten Alter sind. Mir fällt im Moment keine Band ein, die seit Ewigkeiten in diesem Bereich in der Szene unterweg ist und es schafft, diese Düsternis und Ausweglosigkeit so beeindruckend aufs Band zu zimmern und dafür nur acht Songs benötigt. "Dark Parade" ist für mich - davon wird mich nichts mehr abbringen - das Album des Jahres. Ich hätte nach dem bärenstarken "Forever Black" mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass CIRITH UNGOL tatsächlich in der Lage sind, ein Album zu erschaffen mit solch einer Intensität. Es sind nicht nur die Vocals von Tim Baker, der wie kein Zweiter diese Verzweiflung in den Texten zum Ausdruck bringt, die CIRITH UNGOL unverkennbar machen. Mit dieser Scheibe haben sich die Kalifornier endgültig ein Denkmal gesetzt und sich unsterblich gemacht. Etwas anderes als die Höchstnote kann es hier nicht geben! Gesamtwertung: 10.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Velocity (S.E.P.) 02. Relentless 03. Sailor On The Seas Of Fate 04. Sacrifice 05. Looking Glass 06. Dark Parade 07. Distant Shadows 08. Down Below | Band Website: www.facebook.com/cirithungolofficial Medium: CD, LP Spieldauer: 44:05 Minuten VÖ: 20.10.2023 |
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