Livebericht Nitrogods |
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Ein Livebericht von Krümel aus Andernach (Juz-Liveclub) - 26.10.2019 (24124 mal gelesen) |
Drei mal Rock'n'Roll auf unterschiedlichste Interpretationsweisen. Dazu ein Line-up, welches mit PSYCHOPUNCH eine uns schon sehr vertraute Band und mit den NITROGODS eine kürzlich begeisterte Rezension für uns bereithielt. Grund genug, in die Metal-Hochburg Andernach zu fahren, und sich dort im JUZ Live Club mal ein etwas alternativeres Programm zu geben. Die Opener MAXXWELL sind mir persönlich bis zum Gig noch gar nicht bekannt. Normalerweise nimmt man die Gelegenheit beim Opener wahr, sich erst einmal entspannt ein Bier zu gönnen, um dann in Ruhe noch ein paar Fotos zu schießen und sich auf die Band einzulassen. MAXXWELL kommen aus der Schweiz und ich rechne nach den ersten Songs mit einer Portion typisch schweizerischen Hardrocks. Ein bisschen heftiger als GOTTHARD, aber insgesamt eine Musik, die sich nicht unbedingt in meinem CD-Regal wiederfindet. Aber das Bier schmeckt und ich gucke mir entspannt in der leider noch recht leeren Halle des JUZ-Liveclubs die Band vom Mischpult aus an. So geht es wohl den meisten, denn das Publikum ist noch sehr zurückhaltend. Doch nach wenigen Songs zeigen die fünf Jungs, dass sie auch noch etwas mehr aufdrehen können. Und: Sie machen nicht den typischen Fehler eines Openers, der sich vor reserviertem Publikum seinem Schicksal hingibt. Die Band kämpft. Und ihre Waffen sind eine unbändige Spielfreude, eine energetische Bühnenshow und ziemlich viel Sympathie. Die Band ist sehr agil, dreht auch ein paar schnellere Songs aus dem Kreuz. Aber auf der Bühne macht sie absolut alles richtig. Ich müsste sehr lange in meiner über 30-jährigen Konzerthistorie kramen, ob ich schon mehr solcher Opener gesehen habe, die absolut keine Berührungsängste haben und alles aus sich rausholen. Frontmann Gilberto wickelt das Publikum mit seinem gelegentlichen Schwyzerdütsch um den Finger und als er das Publikum bittet, näherzukommen, fressen ihm viele Leute schon aus der Hand. Zu den Songs, die auch einige modernere Einflüsse aufweisen und meine erste Vermutung Lügen strafen, post die Band um die Wette. Gilberto schwingt das Mikro, kommt bis an den Rand der Absperrung ran, macht mit dem Publikum Singspiele und "Whooohooohooo"-Chöre zu einem Titel, der mich von den Gitarrenleads und Gesangsmelodien an frühe MAIDEN erinnert. Die Anziehung funktioniert, und das Publikum drängt immer näher an die Absperrung heran. Im Laufe des Gigs erspielen sich MAXXWELL dann tatsächlich noch ein festes Publikum von über 100 Leuten, die immer begeisterter von der Leistung der fünf Schweizer sind. Als Höhepunkt erklimmt Gilberto während eines Songs sogar die PA am Bühnenrand und singt den Großteil des Titels zwei Meter über dem Publikum. MAXXWELL fahren sich heute mehr als einen Achtungserfolg ein. Auch wenn sie für viele nicht geläufig sind, beweisen sie, dass man mit Enthusiasmus und Schweiß jedes Publikum knacken kann. PSYCHOPUNCH waren für mich immer die Band, bei der ich auf den früheren Summerbreeze-Festivals immer gern mal morgens das erste Bier geordert habe. Ihre Studioscheiben kickten mich allerdings noch nie sonderlich - dies allerdings hat sich mit dem aktuellen Opus "Greetings From Suckerville" geändert. Die Schweden steigen direkt heftig mit dem Opener 'Shut Your Fucking Mouth' ein, während das Publikum gerade noch an der frischen Luft ist oder am Bier ansteht. Der Punk/Rotzrock der Schweden ist dem eher auf Metal getrimmten Publikum noch ein wenig suspekt und PSYCHOPUNCH leiden wie MAXXWELL unter der noch etwas leeren Halle und den zurückhaltenden Reaktionen. Vor allem etwas käsigere Songs wie 'Last Night' oder 'Sitting By The Railroad' (beide vom eher schwächeren "Smakk Vallery") treffen nicht unbedingt den Nerv des Andernacher Publikums. Die Bühnenshow der vier ist dagegen genretypisch deutlich rotziger und aggressiver als noch bei MAXXWELL. Der Gitarrist verrenkt sich bis zum Umfallen, springt in den Fotograben und nutzt die Barrieren für lärmende Slideguitars. In der Setlist entpuppen sich die neuen Songs erwartungsgemäß als die Hightlights im Programm. Bei 'Crash Landing' können die Kenner des Albums direkt mitsingen, vereinzelt beginnen die Fans einen Solo-Pogo mit sich selbst, was mangels Masse lustig aussieht. In der Setlist beschränken sich die Jungs, die schon über ein Dutzend Alben herausgebracht haben, auf die zweite Hälfte ihrer Schaffensperiode. Die Songs stammen alle aus den Alben der letzten acht Jahre, wobei das Ende des regulären Sets nochmal richtig heiß wird. 'Scream Your Little Heart Out' mit seinem Twist-Feeling geht direkt in die Beine und eine wüste Version von 'I'll Be Home Tonight' schüttelt das Publikum zum Ende nochmal richtig durch und hinterlässt mich mit rauer Kehle. PSYCHOPUNCH legen in meinen Augen einen richtig geilen Gig hin, bei dem aber eine unglückliche Kombination aus Erwartungshaltung des Publikums und der Songauswahl nicht zum durchschlagenden Stimmungserfolg führt. Das eher rockig-metallische Publikum hätte mit mehr flotten Nummern des aktuellen Albums bei der Stange gehalten werden müssen. Als die Band mit erhobenem Bier ermahnt, das Trinken nicht zu vergessen, hoffe ich stark auf den Wirbelsturm 'Raise Your Glass', der aber leider heute ausgespart bleibt. Die rock'n'rolligen Nummern mit dem Fifties-Feeling sind zu stark im Set vertreten, die flotten Gassenhauer zu wenig. Da das neue Album auch gerade erst ein paar Tage auf dem Markt ist, ist es auch leider schwer für viele, direkt richtig einzusteigen. Aber egal - von allen PSYCHOPUNCH-Gigs haben die fünf in Andernach die in meinen Augen beste Leistung abgeliefert. Show gut, Stimme gut, der Großteil der Songs stark. Aber eben nicht für jedermann/-frau. Anfang des Sommers hatte mich das aktuelle NITROGODS-Album "Rebel Dayz" schon sehr für sich eingenommen. Denn Henny Wolters Gitarre, die staubtrockenen Drums von Klaus Sperling und vor allem Bassists Claus "Oimel" Larchers Organ klingen - wie es sich für ordentlichen Rock 'n' Roll gehört - so richtig dreckig; kurz gesagt eben: Dirty, dirty, dirty ... Daher bin ich an diesem Abend natürlich mächtig auf meine Live-Premiere der Truppe gespannt. Wird sie, wie ich es in meinem Review vermutet habe, hier und heute beim zweiten Date der diesjährigen "Rebel Dayz"-Tour ihren Fans viel Spaß bereiten? Das hoffe ich doch, denn bereits während der Umbaupause füllt sich die Halle des JUZ zusehends mit der erwartungsvollen Zuschauerschar. Bevor das Trio aber die Bretter entert, muss natürlich für Fronter Oimel das obligatorische Weizenbier an den Mikroständer geklemmt werden. Nicht, dass der Arme noch trocken läuft ... das wäre höchst unverantwortlich. Als dann alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, wird nicht lang gefackelt und man legt mit 'Black Car Driving Man' vom selbstbetitelten 2012er Debütalbum los. Spätestens mit den folgenden aktuellen Stücken 'Rebel Dayz' und 'Breaking Loose' haben die Herren aus Hannover und Stuttgart das Publikum fest im Griff. Denn sie beweisen eindrucksvoll, dass es für einen mitreißenden Rock 'n' Roll-Gig keines großen Tamtams und auch keiner 1000 Mitmusiker bedarf. Man braucht einfach nur drei gestandene Kerle, die jeden Song mit viel Herzblut performen. Schon jetzt gefallen mir NITROGODS noch besser als auf Platte. Live räumen sie - trotz des zugegeben etwas älteren Kalibers - einfach mächtig ab und präsentieren sich so dermaßen lässig, als hätten sie die gesamte Coolness dieser Welt für sich gepachtet (vor allem bei 'At Least I'm Drunk (In Hell)'). Sänger und Bass-Saitenzupfer Oimel nimmt zwischendrin immer wieder große Schlucke seines Weizenbiers zu sich - bestimmt nur mit der Absicht seinen imposanten Resonanzkörper zu pflegen und die knarzige Stimme zu ölen, die stellenweise eine große LEMMY-Ähnlichkeit aufweist. Diese Tatsache ist logischerweise nicht nur mir aufgefallen, denn während einer Ansage meint Oimel dann auch trocken: "Manche Leute sagen uns ja, wir würden sie an MOTÖRHEAD erinnern. Tja, natürlich habt ihr Recht!" - und dann hauen uns NITROGODS 'Damn Right (They Call It Rock 'n' Roll)' aus ihrem 2014er Werk "Rats & Rumours" um die Ohren. In der Mitte des Set nach 'Rancid Rock' legt Felldrescher Klaus Sperling ein schönes Drumsolo ein. Aber damit noch nicht genug des Zwischenspiels. Denn Klaus krabbelt sodann hinter seinem Drumkit hervor und hält ein beeindruckendes Plädoyer gegen Playback und zu moderne Technik, indem er einfach mit einem seiner Drumsticks den Takt und Beat des Sounds weiter vorgibt - völlig ohne technischen Schnickschnack wie ClickTrack oder ähnliches. Das kommt bei den Leuten vor der Bühne supergut an, eben weil es auf eine witzige und ungewöhnliche Art präsentiert wird. Danach haben die NITROGODS weitere Stücke aus ihrer aktuellen, aber auch ganz frühen Schaffensphasen für uns in petto. Insgesamt umfasst die Setlist an diesem Abend sage und schreibe siebzehn Rock-Granaten. Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass der Dreier einfach supercool rüberkommt und alle Zuschauer mitreißt und begeistert? Nein? Dann wird es aber höchste Zeit ... Die Kerle sind einfach Spitzenklasse! Leider, leider, endet mit 'Whiskey Wonderland' und 'Wasted In Berlin' der reguläre Auftritt. Das will allerdings die aufheizte Meute in der Halle so gar nicht akzeptieren und fordert mit vehementen "Zugabe"-Rufen zur Rückkehr auf die Bretter auf. Natürlich lassen sich die Herren nicht lange bitten und legen sehr zum Erstaunen und dann zur riesigen Freude der Zuschauer eiskalt mit 'Ace Of Spades' los. Da gibt es nun endgültig kein Halten mehr in der Hallenmitte: Das Andernacher Publikum kocht und ein ordentlicher Moshpit entsteht, der erst zur Ruhe kommt, als der letzte Hall des an- und abschließenden 'Overkill' verklingt. Da ist es natürlich nicht verwunderlich, dass die Leute ihre Jungs mit einem tosenden Applaus verabschieden. Das hat sich die Band auch mehr als redlich verdient. Was für ein Rock 'n' Roll-Fest! Für mich eindeutig das beste Konzert in diesem Jahr. Und wenn ich so recht überlege, auch eine der besten Live-Shows überhaupt, die ich in den letzten 30 Jahren erleben durfte. Danke NITROGODS! |
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