Ein Interview von Eddieson vom 09.08.2019 (35212 mal gelesen)
Das neue DESTRUCTION-Album steht in den Regalen. Vor einiger Zeit klingelte bei Schmier mein Skype-Anruf und wir unterhielten uns über das neue Album "Born To Perish". Der Frontmann zeigte sich gut aufgelegt und so sprachen wir weiter über rückläufige CD-Verkäufe, Streaming, Verspießigung im Metal und SLAYER.
Hallo, Schmier! Entschuldige die Probleme eben, aber da hat mein Rechner etwas gesponnen. Aber jetzt hat es ja geklappt. Wie geht es dir?
Schmier: Wunderbar. Die Promo läuft auf Hochtouren. Heutzutage ist es ja so, dass vier Monate bevor das Teil überhaupt rauskommt, alles fertig sein muss. Dann wird an Trailer und Interviews gearbeitet und an Videoclips und so weiter. Das ist ein langer Prozess für den Musiker. Du nimmst die Platte auf, dann wird gemischt und alles klingt gut, dann geht es in die Promo-Runde. Da hast du dann drei Monate weiteres Gewurstel, bis überhaupt irgendjemand mal ein Ton von der Platte hört. Das ist schon nervenaufreibend und auch arbeitsaufwendig. Früher hat man die Platte aufgenommen, ein paar Interviews gemacht und das war es dann. Aber heute ist das durch das digitale Marketing und Spotify und YouTube alles ganz anders. Aber ist egal jetzt. Jetzt kommt alles raus, die ersten Journalisten hören die Platte, man kriegt ein erstes Feedback und dann ist man als Musiker auch endlich wieder da, wo man hingehört, nämlich bei der Musik und nicht bei Videoaufnahmen. Jetzt langsam wird es angenehmer, der angenehmere Teil der Promo.
Genau. In vier Wochen kommt das Album raus. Genauer gesagt, am 09.08. Ich habe es auch schon gehört und muss sagen, dass es mir sehr gut gefällt. Es ist straight, auf den Punkt und mit ordentlich Feuer im Arsch. Jetzt so mit etwas Abstand, wie fühlst du dich mit dem Album?
Schmier: Also ich bin sehr zufrieden. Wir hatten ein stürmisches Jahr zuvor, unser langjähriger Schlagzeuger hat aufgehört wegen Familie, wollte nicht mehr touren. Das ist schon schwierig für eine Band, wir sind ja nur drei Leute und wenn da einer aufhört, ist es wichtig einen zu finden, der den auch ersetzen kann. Wir hatten zum Glück mit Randy Black jemanden in der Hinterhand, der schon bei uns ausgeholfen hatte, mit dem wir seit vielen Jahren in Kontakt sind. Er ist ein tierischer Trommler und war für DESTRUCTION ein Wunschkandidat. Dass es nun geklappt hat, ist natürlich toll, aber das weißt du halt im Vorfeld nicht. Als es dann soweit war, und wir ans Songwriting gegangen sind und es gut flutschte, haben wir uns gesagt, dass wir jetzt auch mal die zweite Gitarre versuchen. Dann können wir auch direkt mit der zweiten Gitarre die Platte so schreiben. Als Drei-Mann-Band hast du immer das Problem, dass man zwar tolle Songs schreibt, mit 15.000 Gitarrenspuren und supervielen Solos und dann spielste live und hast nur eine Gitarre. Dann ist es halt live eine Enttäuschung für die Fans, wenn die Platte so bombastisch klingt und live klingt es dann halt dünner und kleiner. So geil es war, ein Trio zu sein, wir waren ja lange ein Trio und es war auch irgendwie Kult, aber es war auch geil, sich eine zweite Gitarre zu holen und so auch gleich die Platte zu komponieren. Keine Limits, keine Handbremse, denn alles, was wir im Studio machen, können wir nun auch live präsentieren. Deswegen bin ich auch sehr stolz auf die Platte und sehr zufrieden. Es hätte ja auch alles anders kommen können. Kein einfaches Jahr vor der Platte, aber jetzt zeigt dir das neue Line-up, dass es flutscht und auch die Live-Shows waren genial. Mit vier Mann auf der Bühne ist es halt nochmal etwas anderes als mit drei Mann.
Ist es mit Damir momentan nur eine Testphase oder kann man ihn schon als festes Mitglied bei DESTRUCTION bezeichnen?
Schmier: Also, wir haben nicht vor ihn bald wieder rauszuschmeißen. Er hat sich sehr gut gemacht. Natürlich ist es auch so ein bisschen Risiko, ob es überhaupt passt. Deswegen haben wir ihn ja direkt ins Feuer geschmissen auf der Tour mit FLOTSAM & JETSAM und OVERKILL. Wir wollten schauen, wie es funktioniert, auch auf einer Tour, wo wir nicht Headliner sind, wo es etwas härter zugeht. Aber er hat es super gemacht. Er ist Profi durch und durch. Wir kennen uns ja auch schon viele Jahre. Ich wusste schon, dass er der richtige Mann ist, aber er musste sich beweisen. Auch vor den anderen Jungs in der Band, die ihn nicht so gut kannten, wie ich. Auch grad Mike, der Gitarrist, musste erstmal schauen, wie die beiden zusammen klarkommen. Aber die beiden ergänzen sich sehr gut, weil sie grundverschiedene Spieler sind. Wir wollten jemanden haben, der bevorzugt ein Shredder ist, der gerne Solos spielt. Deswegen hat es sich super ergänzt. Jetzt sagen wir uns natürlich, warum wir das nicht schon vor ein paar Jahren gemacht haben, aber da hatten wir nicht den richtigen Mann. Wir haben uns zwar umgeguckt, haben mit einigen gequatscht, auch Leute ins Studio eingeladen, aber so wirklich passte es nie. Mit Damir war es dann anders, er kam ins Studio. Er hat ja auch schon bei "Under Attack" drei Solos eingespielt. Da haben wir schon gemerkt, dass er gut passen würde, aber das Timing war nicht das richtige. Ist halt oft so im Leben, ne?! Wenn das Timing passt ...
Ja, mein Gott! Ihr seid ja noch jung.
Schmier: Genau, wir haben ja noch ein paar Jahre!
Auf dem Promowaschzettel steht, dass du bei dem Song 'Fatal Flight 17' ein persönliches Erlebnis verarbeitest und gleichzeit Gary Moore Tribut zollst. Wo bitte gibt es denn da eine Verbindung?
Schmier: Gary Moore hat ja einen Song gemacht, der heisst 'Murders In The Skies'. Da geht es auch um das fast gleiche Thema. Und zwar, wurde in den Achtzigern ein Flugzeug der Korean Airways über der japanischen See abgeschossen. Ein Passagierflugzeug. Dieser Song war ein Hit meiner Jugend und dieser Text war einfach so krass, dass ich immer noch Gänsehaut bekomme, wenn ich an den Song denke. Das war ein Kult-Hit aus meiner Vergangenheit. Und als diese Maschine über der Ukraine abgeschossen wurde, von der Malaysia Airways von Holland nach Australien, da passierte was, was mich noch mehr in diese brutale Tat hineingezogen hat. Ein guter Kumpel, der ist Holländer, der hatte Besuch von einem Kumpel aus Australien. Die beiden waren zusammen auf einer SLAYER-Show, schön bei Facebook dokumentiert, der Kumpel aus Australien hat extra seinen eigentlichen Flug verschoben und ist dann in dieses Flugzeug gestiegen, das dann abgeschossen wurde. Mein Kumpel aus Holland hat mir dann geschrieben, war natürlich völlig fertig, gestern noch bei SLAYER und heute wurde der Flieger abgeschossen. Das Leben ist so ungerecht. Da biste abends bei SLAYER hast 'ne super Show, am nächsten Tag steigst du in den Flieger, willst zu deiner Familie zurück und wirst über der Ukraine abgeschossen. Das hat mich dazu bewegt, mich mit den Beweggründen des Abschusses etwas mehr auseinanderzusetzen, hab das über die Jahre verfolgt und niemand will es gewesen sein. Die Holländer haben auch viel untersucht, aber niemand will sich mit den Russen anlegen. Es ist supertragisch, auch für die Familien. Die werden nie genau wissen, was passiert ist, wer es war und vor allem, warum. Das ist für mich ein Songthema, dass ich gerne auf einer DESTRUCTION-Platte sehen würde, und habe dann halt angefangen die Lyrics zu schreiben. Deshalb ein Gary Moore-Tribut und auch eine Erinnerung an die Angehörigen und die Opfer.
Sehr cool! Etwas schwierig jetzt das Thema so abrupt zu wechseln, aber ich mache es einfach. Den Geier auf dem Cover bezeichnest du, laut Promozettel, als Anti-Adler.
Schmier:[lacht] Echt? Habe ich das gesagt? Wir hatten lustigerweise schon die ersten Serben und die ersten Russen, die uns auf YouTube beschimpft haben, dass wir deren Adler geklaut hätten. Also, Entschuldigung, guckt doch mal genau hin, das ist kein Adler, sondern ein Geier mit zwei Köpfen. Da sieht man wieder mal, wie peinlich die Leute sind. Und auch völlig überreagieren auf ihren Nationalstolz. Aber das ist ein anderes Thema. Es ist schon so, dass wir diesen Geier haben wollten, wir wollten ein Emblem haben, was brachial kommt auch etwas provoziert natürlich. Dieser Geier steht auch für die zwei Gesichter der Menschheit. Das fiese Hinterlistige, das Gierige auch, für das ein Geier ja bekannt ist. Da haben wir noch einige Sachen mitverarbeitet. Die crown, everybody wants to be king und so weiter. Die religiösen Symbole im Hintergrund. Ein bisschen die Texte als Emblem auf dem Cover gedruckt. Wir wollten ein Cover haben, das eben nicht farbig ist, sondern mehr evil. Die Platte ist auch etwas düsterer und härter, deswegen hat es gut gepasst auch mal etwas anderes zu machen.
Also gibt es eine Verbindung zwischen Cover und Texten.
Schmier: Natürlich! Wir wollten halt schon auch ausdrücken, was auf der Platte passiert. Es gibt ja auch Plattencover, die nichts mit Band oder Titel zu tun haben, aber wir haben schon immer Cover gemacht, die mit dem Albumtitel in Verbindung stehen und eine Einheit ergeben.
Als DESTRUCTION Anfang der Achtziger gegründet wurde, war Metal noch neu, es war rebellisch und abschreckend. Mittlerweile ist es anders, wie du eben sagtest. Die verschiedenen Medien werden mehr nutzt ...
Schmier:[fällt mir ins Wort] Kommt drauf an. Kommt immer darauf an, wo du hingehst. Ich werde immer noch scheiße behandelt, weil ich tätowiert bin und lange Haare hab. Das kann in Deutschland sein, irgendwo aufm Land oder im Ausland in irgendwelchen konservativen oder christlichen Regionen. Es ist nicht so, dass der Metalhead total salonfähig geworden ist. Nur weil Wacken einmal im Jahr in der Tagesschau erwähnt wird, heißt es nicht, dass es salonfähig ist. Es ist ja auch gut so. Ist ja gut, dass Metal akzeptiert wird auf der einen Seite, aber Metal soll immer noch provozieren und für Revolution und Individualismus stehen, finde ich.
Das heißt, wenn du schief angeguckt oder angepöbelt wirst, gefällt es dir, weil es zeigt, dass Metal immer noch in gewisser Weise aneckt?
Schmier: Natürlich! Es war ja schon früher so, dass wenn meine Mutter unsere Plattencover gesehen hat und die scheiße fand, waren die geil. Das war bei den Platten, die ich als Jugendlicher gekauft habe, um gegen die Eltern zu rebellieren und gegen das Spießertum. Meine Mutter hat mich immer super unterstützt, muss ich sagen. Mein Vater zwar nicht, aber meine Mutter war immer cool. Aber da habe ich als Jugendlicher immer getestet, was cool ist, und was nicht. Es ist ein Teil, der mit dieser Revolution zu tun hat, dass man sich individuell gestaltet und eben nicht als Mitläufer gefallen will. Und das ist für mich immer noch eine wichtige Sache und, wenn ich dann schräg behandelt werde, dann lache ich darüber oder ich sage dann halt auch was. Wenn ich vom Kellner in einem teuren Restaurant, wo ich viel Geld bezahle, blöd behandelt werde, weil ich lange Haare hab, dann stehe ich halt auch mal meinen Mann und sag dann was.
Also eine Verspießigung des Metals siehst du noch nicht?
Schmier: Na ja, ich sehe schon, dass der Schlagermetal bedrohliche Ausmaße annimmt. Da gibt es ja so einige Bands, die man kaum noch unterscheiden kann, vom Musikantenstadl. Wenn man im Musikantenstadl harte Gitarren reinspielen würden, dann ... aber das ist wieder ein anderes Thema. Ich muss ja nicht alles gut finden, was heute populär wird. Es ist auch so, dass sich komische Tendenzen mittlerweile breitmachen. Wir haben neulich in Duisburg auf diesem Rage Against Racism Festival gespielt und dann hatten wir einige ganz schräge Kommentare von rechten Heavy-Metal-Fans auf unserer Facebook-Seite, die sich darüber lustig gemacht haben. Komischerweise waren das meistens Amerikaner, was sehr bedenklich ist. Heute erst habe ich auf unserer Facebook-Seite gesehen, dass sich jemand darüber lustig gemacht hat, dass wir Lederklamotten und Kutten tragen, und nannte es "gay". Da muss ich ganz klar sagen, dass homophobe Menschen und Nazis in der Metal-Szene nichts zu suchen haben, aber auch das gibt es mittlerweile immer mehr. Das zeigt mir auch wieder, dass die Leute es nicht verstanden haben, worum es geht. Das ist halt der Nachteil, wenn Metal immer größer wird. Natürlich, wenn Wacken ständig im TV kommt und Party-Pupser dahin rennen, die mit Metal nichts zu tun haben. Ich dachte immer, dass man nur auf MANOWAR-Shows solche Leute sieht, aber es ist auf Festivals auch so. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Toll, dass die Szene wächst und das wir die besten Festivals hier in Europa haben, aber auf der anderen Seite zieht das halt auch eine Menge komischer Leute an.
Kommen wir kurz zum Thema SLAYER, mit denen ihr ja Mitte der Achtziger auf eurer ersten Tour wart.
Schmier: Genau, '85 auf der "Hell Awaits Tour".
Mittlerweile spielen SLAYER ihre Abschiedstour.
Schmier: Na ja, mal abwarten. [lacht] Seit der SCORPIONS-Abschiedstour bin ich da immer etwas vorsichtig. Laut meiner Info ist es wirklich so, dass Tom Araya nicht mehr will und man kann niemanden dazu zwingen. Musik macht man aus Überzeugung und Liebe zu dem, was man macht und wenn du keinen Bock mehr hast, und es nur noch wegen des Geldes tust, ist es Zeit aufzuhören. Es ist schade, weil SLAYER eine geniale Band war, die die Szene riesig beeinflusst hat. Aber wenn sie abtreten wollen, muss man das akzeptieren. Ist natürlich die Frage, ob es dabei bleibt oder ob sie in drei bis vier Jahren eine Reunion-Tour machen, wie zum Beipiel MINISTRY und andere Bands. Ist halt so eine Sache, ich bin da immer etwas vorsichtig, was Abschiedstouren angeht. LYNYRD SKYNYRD, alle über 70 machen jetzt eine Abschiedstour, da kaufe ich denen das ab. Die sind zu alt, um dann noch eine Reunion-Tour zu spielen. SLAYER sind zu jung, um aufzuhören, mal abwarten ob da später noch was kommt. Aber es klingt halt gut, wenn eine Band aufhört, rennen alle noch mal hin. Bei KISS das Gleiche. Die sind zwar auch über 70, aber bei Gene Simmons weiß man nie, ob der nicht trotzdem noch mal auf Tour geht. Für die Fans ist es aber schön, Abschied zu nehmen.
Ich würde SLAYER auch alles zutrauen. Wobei Hanneman tot, Lombardo raus. Gary Holt ist ein super Typ und Gitarrist, aber irgendwie ist er nicht SLAYER.
Schmier: Das ist wohl war. Und King lässt ihn wohl auch nicht mitschreiben. Jägermeister-Kumpel hin oder her, aber da hört die Freundschaft wohl auf. Eine Reunion-Tour mit Lombardo könnte man mal wagen in ein paar Jahren. Ach, ich weiß nicht. Ein Verlust sind SLAYER auf jeden Fall.
Kommen wir noch mal zu DESTRUCTION. Einige eurer Alben sind ja auch in den Charts gelandet. Ist dir das wichtig? Freust du dich darüber, oder ist es dir im Prinzip egal?
Schmier: Als Band ist es schon ein cooles Zeichen. Gerade, weil unsere Musik von den Medien etwas abwertend behandelt wurde, nie ernst genommen wurde. Da ist es schon toll, wenn es Metal in die Charts schafft. Das ist so ein wenig, wie ein Ritterschlag, dass du auch treue Fans hast, die dann deine Platte auch sofort kaufen, wenn sie rauskommt. In der Beziehung ist es toll. Was man dadurch auch erreicht hat in den letzten Jahren, dass du in die Plattenläden kommst, die sonst eigentlich nicht DESTRUCTION führen würden. Die ganzen Müller-Märkte zum Beispiel. So gesehen ist eine Chartposition schon cool. Was sie in Zukunft noch Wert ist, weiß ich nicht, weil die Plattenläden machen alle zu. Physische Tonträger werden immer weniger verkauft, die Leute streamen viel mehr. In der Beziehung weiß ich nicht, was eine Chartposition in Zukunft noch bedeutet. Für uns war das immer cool, wenn man das geschafft hat.
Klar, Streaming macht vor Metal nicht halt. Aber den allgemeinen Metal-Fan sehe ich da so ein wenig in der Old-School-Ecke. Die wollen noch CDs, LPs.
Schmier: Das stimmt natürlich. Aber wie lange noch? Bald werden keine CD-Player mehr hergestellt, die CD-Presswerke werden schließen und Vinyl auch. Vinyl wurde ja auch versucht, komplett wegzudrängen. Hat sich zum Glück wieder etabliert und letztes Jahr hatten wir das beste Jahr seit 20 Jahren im Vinylverkauf, was phänomenal ist. Aber es wird immer weniger werden, weil es die Industrie nicht zulässt. Unser System ist diktiert von der Industrie, wir haben keine alleinige Entscheidung, was passiert. Wir müssen folgen. Das Schöne ist, dass man Vinyl am Leben erhalten konnte, da hat die Metal-Szene eine großen Teil zu beigetragen. Ohne Metal und Punk würde es kein Vinyl mehr geben. Natürlich ist es schön, dass auch Kleinigkeiten zurückkommen. Wir machen jetzt zum Beispiel eine Tape-Edition der neuen Scheibe. Es haben viele Fans geschrieben, dass sie gerne eine Kassette hätten. Wir freuen uns, dass Nuclear Blast da zugestimmt haben. Das ist doch wirklich Metal, dass man auch Sachen für Liebhaber macht. Ich bin gespannt, DVDs bekommst du ja auch schon nachgeschmissen. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal eine DVD gekauft habe, kann ja alles streamen. Das gilt halt auch für Musik. Vinyl wird sich halten, aus Liebhaberei, aber was mit der CD in fünf bis sechs Jahren passiert, da bin ich gespannt. Ich kaufe auch lieber physisch und habe Sachen in der Hand, aber die Menschheit lässt sich von der Industie führen.
Bei CDs ist es ja auch mittlerweile so, dass man sie wenige Wochen nach Veröffentlichung für ein paar Euro nachgeschmissen bekommt.
Schmier: Ganz klar, die Verkäufe sind rückläufig. In den USA ist es mittlerweile so, dass es fast keine physischen Verkäufe mehr gibt. Das Land ist zum Streaming-Land geworden. Da kauft auch kaum ein Metal-Fan noch eine CD. Traurig aber wahr. Europa und andere Märkte verkaufen noch physisch, aber auch das ist rückläufig. Im Schlagerbereich ist es so, dass sie noch ordentlich CDs verkaufen, weil die alten Herrschaften jetzt nicht mehr anfangen zu streamen. Die kaufen sich noch eine CD. Und so sind Metal und Schlager die Bereiche, die noch CDs verkaufen.
Wo wir wieder die Verbindung von Schlager und Metal haben.
Schmier:[lacht] Oh nein, Hilfe! Mein Albtraum!
Ich finde es sehr schade, dass es so läuft, gebe aber auch zum Teil der Faulheit der Menschen die Schuld dafür. Es ist natürlich schön, einfach zu klicken und dann Musik zu hören. Ist nicht so "anstrengend", wie in den Plattenladen zu gehen und sich durch Berge von CDs und LPs zu wühlen. Ich liebe das. Ich kaufe eigentlich nur Vinyl und stehe voll drauf, durch Plattenläden zu stöbern und hoffe, dass ich dies noch einige Jahre tun kann.
Schmier: Ich denke schon, grad bei Vinyl. Es werden neue Presswerke gebaut, weil die ja gar nicht nachkommen. Die Labels mussten schon teilweise drei bis vier Monate im Voraus ihren Pressslot reservieren, um überhaupt Vinyl pressen zu können. Das ist schon eine schöne Entwicklung und das zeigt auch, dass sich nicht alles diktieren lässt von der Industrie. Dass gewisse Liebhaberei und Underground-Musik sich nicht totmachen lässt.
Schlagen wir noch mal kurz den Bogen zu "Born To Perish". Hast du schon den nötigen Abstand, um das Album selbst bewerten zu können?
Schmier: Ich habe den Spruch während dieser ganzen Interview-Sessions schon mal gesagt. "Das neue Kind ist immer das schönste!". Wenn du Vater wirst, ist das neue Baby immer das süßeste. Es ist immer schwierig, das zu beurteilen. Blitz von OVERKILL hat mal gesagt: "Guck in den Spiegel, und sag mir, was du siehst." Beurteile dich selbst immer am besten. Ich denke, dass es ein wichtiges Album für uns war, wegen der Wechsel im Line-up. Das haben wir gut gemeistert, war ein Risiko. Wie sie bei den Fans ankommt, wird entscheidend sein, um den Stellenwert der Platte zu sehen. Für mich wird es eine besondere Platte bleiben, weil wir alles gut gemeistert haben, ich bin sehr stolz drauf. Wie die Fans das sehen, muss man in ein paar Jahren noch mal schauen. Ich habe jetzt grad die ersten 120 Interviews hinter mir, hab eine geile Resonanz von der Presse bekommen, das ging von bester Platte seit der Reunion oder beste seit "Antichrist", wird also auch mit alten Klassikern verglichen. Das ist immer ein guter Indikator. Wenn die Fans auch so gut reagieren, ist es toll. Haben ja auch schon einen ersten Visualizer zum Titelsong rausgebracht. [das Interview wurde vor ca. vier Wochen geführt - Anm. d. Verf.] Da waren die Reaktionen auch schon gut. YouTube ist ja auch so ein Indikator. Da gibt es ja auch immer so ein Hater-Kreis, der immer gerne kritisiert. Hatten wir diesmal relativ wenig. Ist auch ein Indiz, dass die Platte gut ankommen könnte.
Hattest du schon mal eine Platte mit der du im Vorfeld nicht so zufrieden warst, die dann aber trotzdem veröffentlicht wurde?
Schmier: Das gibt es immer mal. Es gibt immer mal so eine Phase, wo man das Songwriting schleifen lässt oder man ist nicht zufrieden mit der Produktion, vielleicht ist auch die Stimmung innerhalb der Band nicht so gut. Da kann einiges zusammenkommen und dann ist eine Platte nicht so gut, wie sie sein könnte. Man denkt immer der Musiker ist eine Maschine, schreibt Songs und macht, aber das funktioniert nicht. Natürlich gibt es Platten, wo es besser hätte laufen können. Ich bin jemand, der sich gerne den alten Kram auch noch anhört und dann sagt, dass man das und das hätte besser machen können, aber ich sehe auch die Sachen, die gut sind. Als Musiker musst du halt gucken, dass du dich verbesserst und treu bleibst. Das versuchen wir auch immer wieder, dass der Spaß an der Musik nicht verloren geht. Wenn du immer die gleiche Platte schreibst, wie es teilweise gewisse Nostalgiker von dir verlangen, dann macht das irgendwann keinen Spaß mehr. Wir sind ja auch Vorväter der Musik und müssen den Nachwuchsbands zeigen, wo der Hammer hängt. Deswegen ist es auch toll, dass nicht nur DESTRUCTION auch 2019 noch gut dastehen, sondern auch viele andere Bands, die geile Platten machen. SACRED REICH, DEATH ANGEL und was noch alles kommt dieses Jahr. Dass Bands, die schon in den Fünfzigern sind noch so geile Platten machen, hätte vor ein paar Jahren niemand gedacht.
Absolut. Also machst du dir keine Sorgen, dass dir jüngere Bands den Rang abspielen könnten?
Schmier: Nein, da muss man genug Eier haben. Da muss man natürlich auch für arbeiten, aber das ist auch motivierend. Junge Bands, die können alle spielen, sind alle geil, haben weniger Rückenschmerzen beim Headbangen. Wir haben halt eine gewisse Erfahrung und Erfahrungen kann man sich nicht kaufen, die muss man sich hart erarbeiten. Das schweißt uns zusammen, macht uns stark. Der Zusammenhalt in der Thrash-Szene ist gut, die Bands untereinander kommen gut klar und die jungen Bands haben immer noch genügend Respekt auch vor den alten Heroes. Das ist schon alles ganz cool geregelt und macht Spaß. Fühlt sich wie eine Szene an. Das ist toll!
Das ist doch ein sehr schönes Schlusswort. Vielen Dank!