Interview mit André Olbrich, Frederik Ehmke von Blind Guardian

Ein Interview von Lestat vom 17.08.2010 (41692 mal gelesen)
Auf dem W:O:A warteten BLIND GUARDIAN - ja, DIE BLIND GUARDIAN - auf uns und plauderten über ihre neue Scheibe, ihre Sicht zu SAVAGE CIRCUS, ihren Plänen bezüglich des Orchesterprojekts, ihrer Sicht auf die alten Scheiben und über das Leben auf Tour.

Ich sitze hier mit BLIND GUARDIAN auf dem Wacken Open Air 2010. Und wir haben gewettet, ob sie es schaffen, die Antwort auf die erste Frage zu geben, bevor ich sie gestellt habe.

Frederik: : Wir haben bei unserem neuen Album natürlich versucht, uns nicht zu wiederholen und haben natürlich, wie immer, versucht, von Null auf etwas Neues zu kommen. Und das ist uns eigentlich, so wie wir finden, ganz gut gelungen. Wir haben auch einen schönen roten Faden, der sich durch das Album zieht, so wie wir Abwechslung drin haben. Es sind auch neue Elemente mit dazu gekommen, es wurden bekannte Elemente verstärkt, wie z.B. die folkloristischen Einflüsse, wie vor allem bei 'Curse My Name'. Und es sind auch wieder alte BLIND-GUARDIAN-Trademarks vorhanden, die manche Leute vielleicht auch auf die älteren Tage zurück führen, back to the roots, so dass es auch mal wieder heftig und knackig zur Sache geht. Es ist also eine sehr gelungene Mixtur und macht sehr viel Spaß da zuzuhören.

War schon gut, aber knapp daneben. Meine erste Frage wäre nämlich gewesen, wie die Reaktionen auf das neue Album denn waren.

André: : Die haben wir auch schon ein paar Mal gehört. Die Reaktionen sind sehr, sehr positiv, jeder war bisher begeistert. Ich hoffe, es bleibt so. Wir bleiben begeistert, wir sind so schon sehr zufrieden. Für mich enthält diese Platte alles, was BLIND GUARDIAN je ausgemacht hat, und liefert dadurch eigentlich den perfekten Überblick über diese Band, und wo wir im Jahr 2010 stehen. Das ist scheinbar so, wie die Leute es auch sehen. Und somit ist alles perfekt gelaufen.

Aber mal kritisch gefragt: Wird eine Band wie BLIND GUARDIAN überhaupt nocht schlecht bewertet? "A Twist In The Myth" wurde ja auch nirgends richtig schlecht bewertet...

Frederik: : Die Erwartungen halten sich, oder steigen sogar, mit dem Level, den die Band an den Tag legt. Und wenn man jetzt natürlich die Messlatte hochlegt, erwarten darauf die Leute auch einiges. Insofern wird es immer Leute geben, die dann schreiben, dass sie die letzte Veränderung nicht so toll finden wie die alten Platten, die wir gemacht haben.

André: : Jeder hat schließlich auch ein Lieblingsalbum von uns. Und dann hast du zum Beispiel die Hosenbundfraktion, die sagt, dass sie "Somewhere Far Beyond" am geilsten fand und wir doch noch einmal so etwas machen sollten. Da können wir dann leider nur sagen, dass wir das vor 18 Jahren schon einmal gemacht haben, da gibt es keinen Grund, das selbe Album noch einmal zu machen. Dann gibts natürlich auch Leute, die sind vielleicht erst später eingestiegen, die sagen "A Night At The Opera" sei ihr Lieblingsalbum, und wir sollen doch soetwas noch einmal machen. Da sagen wir dann, dass wir das vor acht Jahren schoneinmal gemacht haben. Wir wollen aber nie Teil 2 von irgendetwas neu aufnehmen. Sondern wir möchten weitergehen. Damit bewegst du dich natürlich immer ein Stück weit weg von dem, was manche Leute davor am geilsten fanden. Und von daher äußern diese Leute dann ihre Kritik. Diese Kritik ist uns aber insofern egal, weil das der Weg ist, den wir gehen wollen. Wir haben keinen Bock auf der Stelle zu stehen und immer wieder das selbe zu machen. Wenn das nämlich so wäre, würden wir uns tödlich langweilen und uns gäbe es wahrscheinlich schon nicht mehr. Ich glaube aber auch, dass wir die Leute langweilen würden. Zumindest ich hätte keinen Bock drauf, von einer Band immer wieder das gleiche Album zu kaufen. Ich finde es schon wesentlich spannender, wenn ich da eine Entwicklung sehe.

Frederik: : Das Fazit ist dann, dass wir versuchen, das zu machen, was wir machen wollen. Dass wir versuchen, die Musik zu machen, die am besten passt. Und eigentlich zeigt die Erfahrung, dass es dann auch genug Leute gibt, die das dann auch gut finden.

Wie die Bandgeschichte zeigt, scheinen aber nicht alle in der Band dieser Einstellung gewesen zu sein. Thomen hat ja die Band schließlich verlassen, weil es über die Musikrichtung ein wenig Streit gab...

André: : Das stimmt schon. Thomen war mit der musikalischen Aufstellung von "A Night At The Opera" nicht mehr so glücklich und wollte lieber was anderes machen. Hat er dann auch, das ist schließlich sein gutes Recht, da spricht ja nichts dagegen. Und wir wollten eben unseren Weg gehen.

Frederik: : Und jetzt sind ja wieder alle der selben Meinung.

André: : Es ist einfach so: Wenn jemand etwas anderes machen möchte, dann muss er etwas anderes machen, wenn er dabei einfach glücklicher wird.

Ihr habt auch nach wie vor guten Kontakt zu ihm...

André: : Ja, es gibt keinen Grund für Streit. Wir haben 20 Jahre unseres Lebens gemeinsam Musik gemacht. Die Woge, die es vielleicht einmal gab, ist geglättet. Ich habe letzte Woche mit ihm telefoniert, als er Geburtstag hatte. Und man trifft sich ab und zu in der Stadt, oder man telefoniert, da gibt es überhaupt keine Streitigkeiten.

Du hast es ja gerade eben schon einmal angesprochen: "At The Edge Of Time" ist ein wenig von allem, geht aber auch zurück zu den Wurzeln. Nun ist zu "Twist In The Myth" in meinen Augen insfern ein Schnitt gemacht worden, als diese CD meiner Meinung nach teilweise etwas weichgespült ist. Wie siehst du das erstmal als Gitarrist, der ja maßgeblich am Sound beteiligt ist...

André: : Als weichgespült würde ich die nicht ansehen...

Ich bin schon der Meinung, dass die Aggressivität von den Gitarren heraus genommen worden war...

André: : Sagen wir es mal so: Der Sound der neuen CD ist definitiv anders. Auch die Art, wie einige Stücke angelegt sind, ist deutlich härter, weil einfach der Härtelevel höher ist als noch in der "A Twist In The Myth"; und auch als auf der "A Night At The Opera". Du hast mehr schnelle Old-school Sachen dabei, die natürlich die Härte und Aggression deutlich nach oben treiben. Aber auch das gesamte Soundkonzept ist ein anderes. Wir wollten bewusst einen sehr natürlichen, warmen Sound haben. Was natürlich dadurch, dass wir ein echtes Orchester verwenden konnten, und nicht nur ein Keyboardorchester, schonmal gegeben ist. Wir haben auch so gut wie gar keine Schlagzeugsampels drauf, sondern eigentlich nur Frederiks Naturschlagzeug. Wir wollten ein sehr natürliches, warmklingendes Album haben. Für meinen Geschmack ist das auch mit Abstand die beste Produktion, die wir je hatten. Nicht nur von den Rohsounds, sondern auch vom Mixverhältnis her.

Wie viele Spuren mussten abgemischt werden?

André: : Es gibt bei uns immer ein paar Spuren mehr als bei vielen anderen Bands. Aber es ist jetzt nicht so, dass wir vor dem Songwriting sagen "Oh, wir müssen jetzt aber mindestens 1768 Spuren vollknallen". Bei uns ist die Philosophie mehr so: Wenn wir der Meinung sind, es muss noch was rein ins Stück, dann kommt das auch rein. Und wenn dann 150 bis 200 Spuren zusammenkommen, dann sind das nunmal so viele Spuren. Und wenn eine andere Nummer eben mit 48 Spuren auskommt, dann ist das auch gut. Es gibt jetzt kein Soll, das, was die Spuren angeht, zu erfüllen ist.

Aber habt ihr schoneinmal gemerkt, dass in einem Lied zu viele Spuren drin waren und habt wieder was rausgenommen?

André: : Ja logisch. Besonders in der Vorproduktion probierst du ganz viel aus, bis dann mal alles so steht, wie man es nachher auch aufnehmen möchte. Und kommt es schonmal vor, dass man feststellt, dass ein Chor zu viel ist oder so. Dann wird auch wieder etwas ausgedünnt. Es kann auch sein, dass das im Mix passiert. Dass wir wirklich Sachen zu viel aufgenommen haben und im Endmix etwas doch wieder heraus nehmen um zu schauen, wie es dann klingt. Und dann stellt man fest, dass es eigentlich geiler ist.

Frederik: : Das ist beim Schlagzeugsound auf jeden Fall so. Da gibt es ja ganz viele Raummikros, die da mitlaufen. Und die kann man dann auch wieder eher ein wenig rausnehmen. Etwas reinzumachen, was nicht aufgenommen wurde, geht halt nicht. Deshalb: lieber mehr aufnehmen und nachher wieder rausnehmen.

Und wie hast du als Drummer das Soundgefüge der letzten beiden Alben erlebt?

Frederik: : Das wollte ich vorher auch noch dazu sagen: Das kann schon sein, dass das neue Album härter rüberkommt, weil wenn du einfach das Mittel der Beats per Minute aller Lieder nimmst, dann ist das sicher bei der "At The Edge Of Time" höher als bei der "A Twist In The Myth". Ich fand es natürlich super cool, dass ich mal von Anfang an bei der Produktion dabei war. Und ich auch auf das Songwriting Einfluss nehmen konnte und Sachen entsprechend verändert werden konnten. Bei der "A Twist In The Myth" kam ich ja erst dazu als schon mehr oder weniger alles geschrieben war. Ich habe dann nur noch ein wenig aufgenommen und vielleicht ein wenig arrangiert. Das war aber dann ein kleinerer Teil als bei der neuen Produktion. Das ist dann schön, wenn ein Stück eigene Persönlichkeit miteinfließt.

Gab es bei der Produktion eigentlich irgendwelche Probleme?

André: : Probleme gab es zum ersten Mal nicht. Normalerweise explodieren bei uns irgendwelche Computer, Festplatten, Verstärker ... Irgendetwas geht bei uns normalerweise immer schief. Und diesmal war das nicht der Fall. Was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass wir sehr zeitig fertig geworden sind. Wir haben das erste Mal die Deadline eingehalten. Wir haben sogar ein wenig früher veröffentlicht als ursprünglich geplant. Wir haben den Release zwei, drei, vier Wochen nach vorne verlegt. Von daher: Rekord! Also so gesehen ist alles optimal gelaufen.

Frederik: : Im Detail wurden natürlich immer irgendwelche Sachen verändert. Wir haben immer wieder anderes Equipment probiert, andere Mikros. Einfach um zu versuchen, ob man noch einen ein wenig anderen Sound rauskriegt. Die Technologie ändert sich ja auch im Laufe der Jahre, gerade weil wir ja nur alle vier Jahre eine Produktion machen. Dann gibt es wieder einen neuen Stand der Technik, da muss man immer was ausprobieren. Vielleicht mal ein paar neue Teller ausprobieren. Das sind wirklich Details.

Habt ihr eigentlich am Produktionsteam seit der "A Twist In The Myth" irgendetwas verändert oder ist alles gleich geblieben?

André: : Durch das Orchester kamen natürlich jede Menge Leute dazu, die mit ihren Instrumenten dazu beigetragen haben. Wir sind kein Orchester, keiner von uns kann Streicher spielen oder sonstwas. Aber das normale Produktionsteam ist das selbe wie immer gewesen.

Und wie viele Leute sind, alles in allem, an einer CD dann beteiligt? Orchester außen vor gelassen..

André: : Also: wir vier Bandmitglieder, der Gastbassist, der Gastkeyboarder Matthias Bullmann, der auch die ganzen Orchesterarrangements gemacht hat, die Chorsänger, Streicher, die Leute, die die Folkinstrumente eingespielt haben...

Also braucht ihr schon fast ein eigenes Booklet für die ganzen Gastmusiker...

André: : Die kriegen keine Credits (lacht). Nein, jeder wird natürlich brav genannt, und jeder, der seinen Teil dazu beiträgt, bekommt seine Ehren.

Wie steht ihr eigentlich zu eurem alten Material?

André: : Ich muss sagen, dass ich nicht der Mensch bin, der zu Hause ständig die eigenen Sachen hört. Einfach weil man, wenn man neue Stücke aufnimmt oder daran arbeitet oder seit eineinhalb Jahren mit den Stücken auf Tour ist, die zu Hause nach Feierabend nicht nochmal hören muss. Aber jetzt, wo wir uns auf die Tour vorbereitet haben, musste man durchaus die alten Platten mal wieder herauskramen, weil man ja nicht unbedingt die alten Stücke auf Anhieb spielen kann, man vergisst Sachen und muss manches erst einmal wieder heraushören. Das heißt, da geht man dann immer wieder schön den Bandkatalog durch. Und ich finde die Platten nach wie vor gut, wir stehen auch nach wie vor zu allem. Natürlich würde man Sachen heute vielleicht anders machen, aber jede Platte repräsentiert exakt das, was BLIND GUARDIAN zu dieser Zeit machen wollte und wofür wir standen. Und von daher habe ich überhaupt keine Probleme mit irgendeiner Veröffentlichung.

Es gibt also aus deiner Sicht keine Stellen, an denen du denkst "Uh, das hätte man jetzt aber anders einspielen müssen"?

André: : Natürlich würde man manche Sachen aus heutiger Sicht anders einspielen. Wir spielen die Sachen ja teilweise auch live anders, interpretieren Parts anders, als sie auf den ursprünglichen Studioalben waren. Der 'Bard's Song' ist das beste Beispiel, den haben wir irgendwann sogar noch einmal neu aufgenommen, weil wir mit der ursprünglichen Version nicht so glücklich waren und den von Anfang an auch live anders gespielt haben. Aber das heißt nicht, dass er vorher beschissen war, nein. Wir waren damals exakt auf dem Level, das war das, was wir konnten, das war das, was wir wollten und das hat alles seine Berechtigung. Das steht alles für die entsprechende Stelle unserer Karriere.

Ihr habt beim Artwork auf einen neuen Künstler zurückgegriffen. Das war ja bis zur "Nightfall in Middlearth" immer der Andreas Marschall. Warum der Wechsel und wer hat die neue Platte designt?

André: : Die neue hat jetzt der Philipe Marchado gemacht. Wir hatten Arbeiten von ihm gesehen und die hatten uns gut gefallen. Dann haben wir ihn kontaktiert und gefragt, ob er Lust hätte, das Cover für uns zu machen. Dabei hat sich herausgestellt, dass der Typ Die-Hard BLIND-GUARDIAN-Fan ist und sehr großes Interesse daran hätte, das Cover für uns zu machen. Das Arbeiten mit ihm war sehr, sehr entspannt und schnell. Das schöne an ihm war, dass er sehr schnell auf Vorschläge reagiert hat. Normalerweise hat das früher beim Marschall, oder mit wem auch immer du gearbeitet hast, immer wieder gedauert, bis der neue Entwurf dann kam. Bei ihm kam dann manchmal eine halbe Stunde später eine Mail mit der neuen Version des Covers. Das lief alles sehr entspannt und schnell und wir sind auch sehr, sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Frederik: : Er hat auch sehr gute Ideen angeboten, auch sehr viele immer, und nicht nur immer ein Bild. Und das macht auch die moderne Technologie natürlich. Wenn was verändert werden musste, einfach mal am Computer gemacht und per Email geschickt. Und beim Marschall ist dauert das einfach länger, weil er das einfach malen muss.

Also der Grund, warum ihr vom Marschall weg seid, war der gleiche wie bei der Musik: einfach mal wieder was Neues ausprobieren.

André: : Ja, wir sind Neuem gegenüber immer aufgeschlossen, man muss nicht immer das Gleiche machen. Was jetzt nicht heißt, dass wir nie wieder ein Marschallcover haben werden. Aber da gibt es keine konkreten Pläne. Wir sind da weder auf ihn noch auf wen anders festgelegt.

Es stand mal zur Debatte, dass ihr ein großes Orchesterprojekt plant. Was ist daraus geworden? Wurde es durch den Einsatz vom Orchester bei "At The Edge Of Time" schon verwirklicht oder sollte es ein komplett eigenes Projekt werden?

André: : Wir reden da über ein komplettes Orchesterprojekt, bei dem du Hansis Gesang hast plus ein großes Orchester und keine Metalband. Die spielen aber BLIND-GUARDIAN-Musik. Wirklich neues Zeug, und kein altes Material. Die typischen Melodien sind da, die typischen Arrangements sind da, nur die Metalband ist eben nicht da. Wir sind da am Ausprobieren, wie das alles funktioniert, aber wie gesagt: alles noch Testphase. Wir haben schon so vier oder fünf Sachen in der Hinsicht aufgenommen. Wir haben ein Orchester gefunden. Es sind, große Überasschung, die selben Prager, die auch auf der Aufnahme von der akteullen CD spielen. Wir haben, wie gesagt, schon ein paar Nummern aufgenommen, werden auch weitere Aufnahmen in absehbarer Zeit noch machen. Wir sind einfach mit dem Songwriting für das ganze Projekt noch nicht durch. Aber wir arbeiten daran.

Ihr habt also auch noch keinen Zeitplan aufgestellt?

André: : Noch nicht, das wäre definitiv zu früh. Das ist etwas, was einfach so nebenher läuft. Und wenn halt mal wieder Zeit dafür ist, dann macht man da weiter.

Also so ein bisschen das "Chinese Democracy von BLIND GUARDIAN"

André: : Nur dass es nicht als das nächste Album geplante war, sondern so nebenher lief. Und jetzt, da wir das Orchester haben, mit dem wir arbeiten wollen, kann man schon konkreter und gezielter daran arbeiten.

Ihr habt seit der "Nightfall In Middlearth" immer genau vier Jahre zwischen Alben. Ist das Absicht oder Zufall?

André: : Von "wollen" kann keine Rede sein. Man muss von den vier Jahren vor allen Dingen ersteinmal die Tourphase herausrechnen, das waren zuletzt ziemlich genau eineinhalb Jahre. Und in dieser Zeit schreiben wir nicht ein einziges Stück. Für das Songwriting brauchen wir im Schnitt auch eineinhalb Jahre, und jetzt die Produktion hat ca. sieben Monate gedauert. Dann bist du schon ungefähr bei deinen vier Jahren. Wenn wir es schneller hinbekommen würden, würden wir es auch schneller machen. Aber das Ding ist, dass es uns nicht auf die Zeit ankommt, sondern wir Qualität abliefern wollen. Und wenn wir finden, dass ein Song noch nicht fertig ist, dann arbeiten wir so lange daran weiter, bis er gut ist; oder wir schmeißen ihn ganz weg und machen was Neues. Aber von uns wird es keinen Schnellschuss geben, nur um vielleicht mal nach zwei Jahren eine Platte herauszubekommen. Wir wollen einfach wirklich den Qualitätslevel haben, für den BLIND GUARDIAN bekannt sind. Und wenn wir dafür vier Jahre brauchen, dann brauchen wir dafür vier Jahre. Und wenn es fünf Jahre dauert, dann dauert es eben so lange.

Eine Frage zu SAVAGE CIRCUS: die klingen ja letzten Endes ein wenig wie ihr zu Zeiten der "Somewhere Far Beyond". Was meint ihr dazu, bzw. wie denkt ihr darüber? Oder wollt ihr dazu nichts sagen?

André: : Ich kann schon was dazu sagen. Ich habe die Platte gehört, ich finde sie OK, ich finde sie nur nicht sehr eigenständig. Das würde mich als Band nerven. Ich hätte keinen Bock in einer Coverband zu spielen, so nenne ich das einfach mal. Einflüsse hat jeder, hatten wir damals, haben wir heute. Man sollte nur versuchen, aus seinen Einflüssen etwas Eigenständiges zu kreieren. Und mir würde es keinen Spaß machen in einer Band zu spielen, bei der jeder sagt "die klingen aber genau wie...".

Frederik: : Mich wundert, dass es noch so interessant ist, ist ja schließlich auch schon ein paar Jahre her...Ich habs jedenfalls auchmal gehört, fand ich OK, hat mir Spaß gemacht, anzuhören, aber mehr auch nicht.

Ich nehm an, dass du, als du zu BLIND GUARDIAN gestoßen bist, Frederik, schon Fan der Band warst. Wie war denn das Gefühl bzw. die Reaktion, als du die Chance hattest, bei deiner favourite Band einzusteigen?

Frederik: : Das war ganz lustig. Ich war gerade fertig mit dem Studium, ich hatte Schlagzeug studiert und war gerade eh dabei, mich zu orientieren. Und als ich gerade dabei war, zu schauen, wie ich mich aufstelle im Leben, kamen die News, dass der Thomen raus war. Und da dachte ich dann, dass man da schon mal fragen müsste. Was liegt denn schon näher, als zu versuchen, bei der Band, mit der man sich sowieso schon identifiziert, auch mal versuchen mitzuspielen. Dann habe ich durch Zufall die Nummer vom André rausgekriegt und durch Zufall auch gleich am Telefon gehabt. Ich durfte dann Material zuschicken. Danach wurde ich ins Studio eingeladen, nachdem das Material den Vorstellungen entsprach. Dort habe ich dann an den neuen Sachen, zumindest bei zwei Songs, rumgearbeitet. Das hat denen auch wieder gefallen. Und von da an ging es immer so weiter, bis ich dann mal den Zuschlag bekommen habe. Das war natürlich schon super. Das hat sich aber nun so langsam aufgebaut, man konnte sich so langsam an die Tatsache gewöhnen. Aber so ein Punkt, an dem ich total geflasht war, den gab es nicht. Es gab natürlich die gute Nachricht, an dem es hieß, dass ich definitiv in der Band sei.

André: : Jetzt bin ich enttäuscht: du hattest keinen Flashmoment? (lacht)

Frederik: : Es war ja schon so ein bisschen der Flashmoment, als ich den André am Telefon hatte und der dann sagte, dass ich mal was zuschicken sollte. Es hat sich dann alles so aufgebaut. Ich musste auch zum Glück feststellen, dass die Jungs alle sehr natürlich sind und dass es eigentlich, von der Art und Weise her, wie man miteinander umgeht, tatsächlich kein Unterschied war zu den Bands, in denen ich früher gespielt habe. Und vom Spielgefühl her war es jetzt nichts arg anderes wie bei früheren Konzerten, nur auf einem größeren Level halt. Liveauftritte waren nie so mein Problem gewesen. Ich fand es natürlich super, dass da jetzt viel mehr Leute standen, die alle viel besser drauf waren. Aber ich war zum Glück immer noch relaxt genug um ganz normal meine Show spielen zu können. Ich war dann doch positiv überrascht, dass alles so gut geklappt hat.

Und dir sagt das Profimusikertum inklusive der Touren zu? Du hast ja bis dato studiert und warst wahrscheinlich eher selten mal ein halbes Jahr auf Tour und weg...

Frederik: : Das ist klar: wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Wenn man Familie hat, leidet die natürlich immer unter der Tour. Aber wir sind ja zum Glück alle Familienmenschen, so dass die Tournee immer mal wieder Unterbrechungen hat, das sind dann immer Breaks von ca. sechs bis sieben Wochen am Stück, in denen man sein Zuhause sieht. Dann lässt sich das alles aushalten.

Der Haussegen war also nicht gefährdet...

Frederik: : Der Haussegen war nicht gefährdet. Da muss man natürlich auch eine Frau haben, die dabei mitspielt, es hat bei mir aber alles geklappt.

Ihr seid jetzt auch schon seit ca. 25 Jahren zusammen am Musikmachen. Gab es da auch Momente, in denen ihr schonmal daran gedacht habt, euch zu verabschieden?

André: : Also an Abschied hat wahrscheinlich keiner von uns schonmal so richtig gedacht. Natürlich hast du Momente, in denen du denkst, dass du jetzt aber mal eine Pause bräuchtest. Wenn du 18 Monate auf Tour bist, und mit Koffern in der Hand in Bussen, Hotelzimmern und Flugzeugen lebst...

Wohnt ihr noch in Bussen oder nur noch in Hotelzimmern?

André: : Das ist unterschiedlich. Du hast teilweise einfach nicht die Möglichkeit. Wir sind sehr viel in Hotels. Aber du hast zum Beispiel gerade in Amerika, wenn du von a nach b musst, einfach zu große Distanzen. Wir haben auf unserer ersten US-Tour gesehen, dass wir in Florida spielen, danach zwei Tage frei haben und in Texas spielen, und dachten, wir könnten dann ja in ein Hotel. Aber wir haben die zwei Tage komplett auf der Autobahn verbracht. Und da ist nichts mit Hotel, weil du ansonsten nicht rechtzeitig beim Gig ankommst. Wenn du solche Blöcke hast, dann gehst du doch irgendwann ziemlich auf dem Zahnfleisch. Weil auf einer Tour hast du nicht ansatzweise die Privatsphäre, die du zu Hause hast. Im Bus kannst du vor deiner Koje den Vorhang vorziehen, und das ist dann deine Privatsphäre. Und wenn du dann ein Tageshotel hast, oder bei einem Day off ein richtiges Hotel, dann ist das schon was angenehmes, aber es ist einfach nicht dein Zuhause. Das heißt, du erholst dich auch da nie, wie du es zu Hause machen würdest. Das heißt, du kommst dann doch irgendwann an den Punkt, an dem du gerne einen Break hättest, an dem du die Schnauze voll hast. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir alle, das was wir machen, genießen. Musik war früher unser Hobby und wir konnten es zum Beruf machen und sind auch noch erfolgreich damit. wir können um die Welt touren und Platten aufnehmen. Weil wir Spaß daran haben, kreativ sein können und auch weiterhin Ideen haben gibt es keinen Grund an Aufhören zu denken. Markus: Es spielt auch eine Rolle, wie einen die Leute immer Empfangen, wie happy die sind. Das fällt dann auch auf einen immer zurück und macht wirklich Spaß. Es ist halt ein sehr spezieller Beruf. Und da fühlt man sich schon sehr geehrt, dass man das Glück hat so einen Beruf auszuüben.

Dann bedanke ich mich für das Interview. Nachdem ihr die ersten Worte hattet und leider knapp daneben gelegen seid, sollen euch auch die letzten Worte gehören. Ihr könnt jetzt noch der Welt, den Fans und den Lesern sagen, was ihr wollt, grüßen...

Frederik: : Ich grüße alle, die mich kennen...(lacht)

André: : Und die Else aus dem Sparmarkt! (lacht) Nein, also: Wir freuen uns über das Feedback, das wir bisher zu der Scheibe erhalten haben, weil das ausschließlich sehr, sehr positiv war. Wir freuen uns darauf, damit in vier Wochen auf Tour zu gehen. Und hoffen, alle Leute, die uns mögen, auch dort begrüßen zu dürfen.

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