Interview mit Andreas Mecker von Wraithcult

Ein Interview von grid vom 31.10.2013 (5519 mal gelesen)
WRAITHCULT haben mit "Gestalt" in diesem Jahr ein sehr zu empfehlendes Debütalbum veröffentlicht. Schlagzeuger Andreas Mecker gab ausführlich Einblick in den Schaffensprozess bei WRAITHCULT, erklärte, was hinter dem Titel 'EVP' steckt und tat seine Sicht auf den Black Metal im Allgemeinen kund.


Hallo Andreas, vielen Dank für die Zeit, die du dir für Bleeding4Metal nimmst, um etwas über WRAITHCULT zu erzählen. Zuerst möchte ich zum Debütalbum "Gestalt" gratulieren! Wie waren bisher die Reaktionen darauf?

Andreas Mecker: Vielen Dank! Die Reaktionen auf das Album waren eigentlich von ein paar wenigen Ausnahmen durchweg positiv. Sowohl Rezensionen des Albums in Zeitschriften und Online-Magazinen als auch Live-Reviews hatten viel Lob für unser erstes Werk übrig.

Wie wichtig ist euch die Meinung der Fans? 


Andreas Mecker: Natürlich ist uns die Meinung der Fans sehr wichtig. Wir komponieren unsere Musik zwar für uns und lassen uns auch nicht in unserem Schaffen von anderen Menschen beeinflussen, trotzdem ist es aber erfreulich, Rückmeldungen aus der Zuhörerschaft zu bekommen. Hat unsere Musik andere Menschen erreicht, vielleicht sogar zum Nachdenken angeregt? Das sind Fragen, die man sich schon stellt, und wir sind über jeden Kontakt und über jede Rückmeldung von Fans wie Kritikern dankbar.

"Gestalt" wurde bereits 2012 aufgenommen. Wie seht ihr das Album mit einjährigem Abstand?

Andreas Mecker: Tatsächlich ist zwischen den Aufnahmen und der Veröffentlichung viel Zeit vergangen. Rückblickend können wir sagen, dass wir mit dem Album noch immer sehr zufrieden sind. Das ein oder andere Detail hätte ich womöglich heute geändert, aber die Grundstimmung des Albums ist heute wie damals für uns präsent. Und das ist für uns das Wichtigste, dass die Stimmung und Intention des Albums auch nach längerer Zeit noch nachvollziehbar ist.

Der Promotext sagt: "Wie die Geister (Wraith) unter den Lebenden, wirft die deutsche Black Metal Band WRAITHCULT einen verheerenden Blick auf die moderne, verkrüppelte Gesellschaft und drückt ihren Finger in die eitrige Wunde". Das weckt Neugierde. Was macht für WRAITHCULT die moderne, verkrüppelte Gesellschaft aus?

Andreas Mecker: Dieses Konzept jetzt an konkreten Beispielen festzumachen, würde, denke ich, den Rahmen sprengen. Alleine das Wort Gesellschaft impliziert ja schon eine Gemeinschaft, ein Zusammenkommen von Menschen. Wenn wir aber eine solche Gesellschaft wirklich bewusst reflektieren und betrachten, stellen wir fest, dass all ihre Konzeptionen und Gedankenkonstruktionen leere Hülsen sind, die aus den unterschiedlichsten Interessen pervertiert werden können. Die Geworfenheit in dieses sinnlose Paradoxon ist der Nährboden für unsere Kunst.

Ein Titel auf "Gestalt" heißt 'EVP'? Was verbirgt sich dahinter? Bitte gib unseren Lesern doch einen Einblick in die Songs.

Andreas Mecker: EVP ist die Abkürzung für "Electronic Voice Phenomenon" und beschreibt ein Phänomen in der Radio- und Funktechnik, in dem ins weiße Rauschen plötzlich störende Geräusche einfließen. Diese klingen oft sehr verstörend und ähneln oft menschlichen, stark verzerrten Stimmen. Insofern hat dieses Phänomen großes Interesse in der esoterischen Szene geweckt, wo man hinter diesen "Geister-Signalen" die Stimmen bereits Verstorbener vermutet, die auf diesem Wege zu uns Kontakt aufnehmen. Wir haben diesen Titel gewählt, da genau diese verstörende Stimmung auch in diesem Zwischenstück wiedergegeben werden soll. Unseren Songs liegt eigentlich bei aller Diversität die gleiche konzeptionelle Idee zugrunde. Wir entwerfen Konzepte, die aus der eben erwähnten Sicht auf die Gesellschaft herausgegriffen sind. Die jeweiligen Songs sollen in ihrer musikalischen Verarbeitung genau diese Konzepte aufnehmen und ausdrücken. 'The Emptiness' zum Beispiel verbreitet klanglich genau die schwere und depressive Stimmung, die auch der Text dazu verbalisiert. 'Miasma Of A Thousand Truths' hingegen ist aggressiv und anklagend, sowohl lyrisch als auch klanglich. Man findet in unseren Songs also eine ganze Bandbreite an Emotionen und Klanglandschaften und doch zieht sich dabei im Hintergrund immer ein roter Faden durch das Album, nämlich die Thematik.

Erzähle bitte auch etwas über den kreativen Prozess bei WRAITHCULT. Wie entsteht bei euch ein Song? Gibt es eine bevorzugte Vorgehensweise - zuerst der Text, dann die Melodie, oder umgekehrt? Ist das Songwriting Gemeinschaftssache? Wird solange getüftelt, bis alle zufrieden sind?

Andreas Mecker: Wir sind eine sehr klassische Proberaum-Band. Ideen werden gleichberechtigt eingebracht wie auch aufgenommen. Steht das Grundgerüst des Songs, machen wir uns zusammen an die Feinheiten. Und auch hier sind wieder alle Bandmitglieder gleichberechtigt. Wir sehen uns als Gemeinschaft und wollen das auch in unserer Arbeitsweise leben. Eine feste Reihenfolge, was die Lyrics und den Song betrifft, gibt es nicht. Mal entsteht gerade genau der passende Song zu bereits bestehenden Texten oder aber eine gewisse Stimmung inspiriert uns, diese auch in Worte zu gießen.

"Gestalt" wurde komplett in Englisch verfasst. Gab es dafür einen besonderen Grund?

Andreas Mecker: Deutsche Texte entwickeln bei uns interessanterweise schnell den Hang dazu, zu verkopft zu werden und damit gefährlich nahe an der Grenze zum Kitsch zu wandeln. Mit englischen Lyrics kann man hingegen eine Direktheit erreichen, die unserem Konzept wesentlich besser liegt, und das sowohl auf einer inhaltlichen wie klanglichen Ebene. Dass unsere Texte damit auch in anderen Ländern ohne großen Aufwand verstanden werden können, ist dann eher noch ein netter Nebeneffekt.

Nach dem Ende von HELFAHRT habt ihr euch mit WRAITHCULT dem Black Metal zugewandt. Weshalb? Was macht den Black Metal so anziehend?

Andreas Mecker: Black Metal ist nach wie vor eine der extremsten Formen von Musik und eignet sich daher sehr gut dafür, extreme Sichtweisen zu äußern und Stimmungen zu erzeugen. Keine andere Musikrichtung bringt meiner Meinung nach Aggression und Depression so gut zusammen wie diese Musikform. Davon einmal abgesehen, sind wir alle selbst Fans dieser Richtung und haben ja schon zu HELFAHRT-Zeiten viele Inspirationen daraus bezogen, und wenn man unsere Zeit vor HELFAHRT betrachtet, könnte man eigentlich sagen, dass wir zum Black Metal zurückgekehrt sind.

Dem Black Metal wird mittlerweile stilistisch allerhand dazugemixt. Was kannst du dir für künftige WRAITHCULT-Alben vorstellen? Und was gar nicht?

Andreas Mecker: Über so etwas mache ich mir keine Gedanken. Unsere Musik entsteht aus Stimmungen heraus, sie ist auf ihre eigene Weise sehr reaktiv. Von daher werden wir so klingen, wie wir klingen wollen, ohne uns Grenzen zu setzen.


Arbeitet ihr bereits an einer neuen Scheibe?

Andreas Mecker: Ja, wir haben dieses Jahr mit Arbeiten für ein neues Album begonnen.

Kannst du schon etwas dazu verraten?

Andreas Mecker: Erste Kompositionen sind bereits in vollem Gange und auch thematisch kristallisiert sich gerade ein Konzept heraus. Darüber kann ich jedoch noch nichts Genaueres sagen.

Bitte vervollständige: WRAITHCULTs Musik steht für

Andreas Mecker: Nihilismus.

Gibt es etwas, was du im Zusammenhang mit Black Metal gar nicht magst?

Andreas Mecker: Schwierig zu sagen. Wie eben schon erwähnt, halte ich Black Metal für eine extreme Ausdrucksform. Insofern ist es nur logisch, dass sich Extreme aus unterschiedlichsten Ecken den Black Metal als Sprachrohr suchen. Das einzige, das mich wirklich ärgert, ist das Vorurteil, Black Metal sei per se und stets eine primitive Form der Musik. Das mag in einigen Fällen so sein, stellt aber für mich keinesfalls die Regel dar. Viele Bands wie ASCENSION oder SHINING sind technisch wie auch kompositorisch sehr versiert. Man muss sich nur eben die Mühe machen, sich damit zu beschäftigen.

Studio oder Bühne: wo schlagen eure Herzen höher?

Andreas Mecker: Ganz klar auf der Bühne. Nur auf der Bühne können wir diese Atmosphäre erzeugen und unsere Sicht ins Publikum werfen. Akustik, Optik - wir können alles in die Waagschale werfen und direkt von uns ins Publikum bringen. Dieses Gefühl könnte in einem Studio niemals aufkommen. Dort wird sehr professionell und konzentriert gearbeitet.

Welche Bands beeindrucken dich zur Zeit am meisten?

Andreas Mecker: Momentan bin ich sehr angetan von Bands, die mutig genug sind, auch mal Erwartungen zu enttäuschen, um ihr eigenes Ding zu machen. OPETH und DARKTHRONE, um nur mal zwei zu nennen. Diese Ehrlichkeit sich selbst und den Fans gegenüber beeindruckt mich sehr und nötigt mir viel Respekt ab. Ansonsten höre ich derzeit ziemlich viel die Alben von NAGELFAR, "Hünengrab Im Herbst" und "Virus West". Ich denke, diese Band war ihrer Zeit wirklich voraus.

Mit wem würdet ihr gerne mal die Bühne teilen?

Andreas Mecker: Solange ein Line-Up in sich stimmig ist, ist uns inzwischen eigentlich egal, wer vor oder nach uns spielt. Wir haben in unserer Live-Karriere mit vielen Bands gespielt, die wir als Fans respektieren und das kann großartig oder aber auch desillusionierend sein. Mit der Zeit wird man da etwas abgeklärter, weshalb wir primär auf uns selbst schauen.

Im April 2014 werdet ihr auf dem Dark Easter Festival spielen. Das ist ja noch 'ne Weile hin. Gibt's die Möglichkeit WRAITHCULT vorher noch irgendwo zu sehen?

Andreas Mecker: Derzeit gibt es keine konkreten Live-Planungen. Wir wollten uns auf die Veröffentlichung des Albums mit allen dazugehörigen organisatorischen Anforderungen konzentrieren. Zudem haben wir beschlossen, unsere Live-Aktivitäten auf attraktive Angebote zu beschränken, wir müssen nicht mehr nur um des Spielens willens spielen. Sollte sich in dieser Richtung jedoch noch etwas bis 2014 ergeben, werden wir diese Gelegenheit natürlich wahrnehmen.

Ich danke dir für die Beantwortung meiner Fragen und hoffe, dass viele Leute auf euch aufmerksam werden und "Gestalt" für sich entdecken! Was möchtest du zum Schluss den Lesern an Herz legen? Vom Kneipentipp bis zum Kochrezept kannst du alles loswerden.

Andreas Mecker: Danke für das interessante Interview.

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