Goaten - Midnight Conjuring

Review von baarikärpänen vom 29.11.2023 (8372 mal gelesen)
Goaten - Midnight Conjuring Es scheint fast so, als wolle das Jahr 2023 in seinen finalen Zügen noch mal so richtig die Raketen zünden für alle die, die nicht genug bekommen können von feinstem Stoff, aus dem True Metal-Träume gemacht sind. Und es sind mal nicht die sogenannten Top-Acts, die hier die Nase vorne haben. Nein, es sind die kleinen und eher unbekannten Acts, die uns eindrucksvoll beweisen, dass der Underground sehr wohl lebt, und die "Altvorderen" sich ganz gewaltig werden strecken müssen, wollen sie weiterhin an der Spitze verweilen. Gerade in den letzten Wochen komme ich kaum noch hinterher, und Highlight folgt auf Highlight. Erst VALENTINO FRANCAVILLA und ROGUE DEAL aus Italien, dann COVEN JAPAN aus dem Land der aufgehenden Sonne. Es folgte TOWER HILL aus Kanada. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis auch der Süden des amerikanischen Kontinents nachzieht. Kenner wissen ja schon länger, dass die dortige Szene mit jeder Menge Enthusiasmus bei der Sache ist. Die Kenner wissen aber auch um eines der größten Probleme, mit denen neue und aufstrebende Bands zu kämpfen haben. Denn egal wie gelungen ihre Musik auch ist, kann die Produktion in vielen Fällen nicht mit der Qualität der Songs mithalten. Logischerweise drückt der Genießer truemetallischer Klänge diesbezüglich gerne mal ein Auge zu (auch in Deutschland war und ist nicht immer alles das Gelbe vom Ei), aber man freut sich eben doch wie Bolle, wenn denn mal ein Album auf dem Tisch landet, bei dem wirklich alles stimmt. Und genau so ein Scheibchen ist "Midnight Conjuring" der Brasilianer GOATEN.

imgcenter


GOATEN wurden 2018 von Francis Lima (Bass, Vocals), dem mit einem coolen Namen versehenen Rafael Drinkwine (Drums) und Daniel Limas (Gitarre) in Porto Alegre gegründet. 2019 erschienen die ersten beiden Singles 'Soul Decay' und 'Mistress Of Illusion', 2020 folgte die erste EP "The Following". Und da musste ich dann schnell mal auf meinem alten Laptop nachschauen, weil mir der Titel bekannt vorkam. Und siehe da: Ich hatte tatsächlich drei Songs der EP abgespeichert und mir 'nen Vermerk gemacht, die Band auf jeden Fall im Auge behalten zu wollen. Ist ja dann jetzt geschehen. Im März 2021 folgte die erste Auskopplung der in Arbeit befindlichen neuen EP mit dem Titel 'Bells'. Wer eine Vorliebe für obskure Horror-Streifen hat, könnte tatsächlich schon mal unbewusst über den Song gestolpert sein, denn 'Bells' war auf dem Soundtrack von "The Macabre" von Grime House Films. Nicht schlecht für eine brasilianische Band, zudem noch Newcomer. Die EP "Crimson Moonlight" folgte dann im Oktober 2021, wiederum beim brasilianischen Label Cianeto Discos. Trüffelsucher und Tape-Freunde konnten aber eine Cassette in Europa abgreifen, auf der beide EPs vertreten waren, veröffentlicht vom tschechischen Label Tapes Of Terror Records. Die Einflüsse der Band sind zwar im Heavy Metal zwischen JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH und SLAYER zu finden, aber auch der persönliche Gechmack der drei Musiker, der von RATT über TWISTED SISTER bis hin zu MERCYUL FATE reicht, lässt sich locker im Sound von GOATEN wiederfinden. Und weil auf den Lorbeeren ausruhen keine Alternative für den Dreier aus Porto Alegre ist, kommt mit "Midnight Conjuring" jetzt endlich das erste abendfüllende Werk über den großen Teich geschippert und hat mich bereits beim ersten Durchlauf sowas von überzeugt.

imgcenter


GOATEN schaffen auf "Midnight Conjuring" etwas, woran andere schon mal grandios scheitern. So breit gefächert der Musikgeschmack der Jungs auch ist, GOATEN bringen das Kunststück fertig, alle verschiedenen Einflüsse irgendwie doch zusammenzufassen und daraus Songs zu machen, die total eigenständig klingen. Auch wenn Francis Lima auf Nachfrage etwas amüsiert war, aber beiß mich, wenn 'Witches' Serenade' - der Opener des Albums - nicht verdächtig die besten und härteren Momente von GHOST aufgreift und in einen Song integriert, der lockerflockig nach vorne abgeht, einen Chorus auffährt, den man nicht mehr aus den Lauschern bekommt und trotzdem zu jeder Sekunde sowas von True Metal ist! Irgendwie erinnern mich GOATEN an NIGHT DEMON. Liegt vielleicht daran, dass die Brasilianer auch als Trio unterwegs sind und sich dem Heavy Metal verschrieben haben. Und im Gegensatz zu NIGHT DEMON, die allseits hochgejubelt werden und deren letzter Output für mich als größte Enttäuschug in 2023 durchgeht, haben GOATEN mit "Midnight Conjuring" ein Album, das Mr. Leatherby zeigt, wie das gemacht wird. Nach dem perfekten Einstieg mit 'Witches' Serenade' geht es nämlich auf eben jenem Niveau auch mit dem nachfolgenden 'Phantom Chaser' weiter, bei dem tatsächlich die Vorliebe von Lima für RATT in Teilen durchblinzelt. Natürlich nicht die hochtoupierten RATT, sondern eher so, wie die mit ordentlich Schmalz im Haar und deutlich härter unterwegs gewesen wären. Großes Kino übrigens der Hintern-Versohl-Part am Ende des Songs! Dass GOATEN aber auch anders können, beweisen sie direkt danach mit 'Pride Or Dust', das nicht nur deutlich langsamer ist, sondern in Teilen wie eine Mischung aus KING DIAMOND und SABATH klingt, aufgepeppt mit orientalischen Sounds. Auch hier am Ende wieder ein fast schon thrashiger Part. Wesentlich rock'n'rolliger wird es dann wieder bei 'Until I Come Again', was GOATEN ebenfalls sehr gut zu Gesicht steht, vor allem der ruhige Mittelpart hier, wenn es gar Melodic Metal-mäßig wird. Wie bereits gesagt, laufen GOATEN nie Gefahr, sich zu verzetteln. Das klingt alles im Endergebnis nach GOATEN. Und dann kommt genau in der Mitte des Albums mit 'Bells' der absolute Überflieger dieser Scheibe. Im Midtempo gehalten wird uns hier ein Banger und Fistraiser par excellence serviert, wiederum mit einem Chorus zum Niederknien, der 1A die stärksten Veröffentlichungen in Sachen Heavy Metal aus den USA in der Mitte der 80er ganz locker in den Schatten stellt, vor allem auch, weil der Mittelteil gar AOR-mäßig aus den Boxen schallt. Steht bei mir schon jetzt in der Liste der zehn stärksten Songs in 2023. Wo wir gerade schon bei AOR waren, dann lässt sich der auch in der Ballade 'When Midnight Comes' finden. Nicht, dass wir uns hier falsch verstellen: Natürlich ist das hier Heavy Metal und weit entfernt von JOURNEY, FOREIGNER und Co. Nach besinnlichen Momenten wissen GOATEN, dass es Zeit wird, die nächste Fackel anzuzünden, und das machen sie mit 'Finally Free' auf eindrucksvolle Art und Weise. Was für ein Mörder-Riff! Was mich dann auch kurz zu einem Wort über Gitarrist Daniel Limas bringt. Der feuert auf 'Midnight Conjuring' einige überinteressante Soli ab, die sich gelegentlich zuerst mal "neben der Spur" anhören, aber letztlich wie der berühmt-berüchtigte Arsch auf Eimer passen. Zum Ende der Scheibe folgen mit 'Metal Blade' (yeah!) und 'The Thing At The Camp' zwei recht ungewöhnlich tönende Stücke. 'Metal Blade', das wieder als Teil des Soundtracks zum neuen Film von Eric Mathis/Grime House Films "Infernal" gehören wird, geht fast schon als reinrassig-thrashige Verbeugung vor mittleren METALLICA durch. Und 'The Thing At The Camp' - ein schleppender Track - klingt dann tatsächlich wie eine Heavy Metal-Version von WARRIOR SOUL zu Zeiten deren Debüts oder "Drugs, God And The New Republic". Spannende Mixtur allemal und nach den vorhergehenden sieben Songs so nicht zu erwarten. Kudos dann auch noch an Sebastian Sebb C.C., der "Midnight Conjuring" mit seiner Produktion einen Sound verpasst hat, der internationalen Ansprüchen gerecht wird. Da GOATEN ja durch ihre Beiträge zu den Soundtracks zu Horror-Filmen einen gewissen Bezug haben, passt dann auch das Artwork von 'Midnight Conjuring", das vom Indonesier Asep Yasin Abdulah stammt und eine Szene aus "Nightmare On Elm Street" darstellt.

Ganz ehrlich, im Moment weiß ich fast gar nicht, wann ich die nötige Zeit finden soll, noch was anderes zu hören, denn GOATEN rotieren in Dauerschleife. Die Brasilianer scheuen sich nicht, ihren persönlichen Inspirationen zu folgen und die auch in ihren Stücken zu verarbeiten, und trotzdem ist "Midnight Conjuring" wie aus einem Guss. So MUSS es klingen, wenn man ein grundehrliches Metal-Album veröffentlicht, um das wirklich keiner einen Bogen machen kann, der genau auf diese Mucke steht. Im Moment ist "Midnight Conjuring" in physischer Form leider nur über das brasilianische Cianeto Discos Label zu beziehen, aber Francis Lima versichert, dass die Band gerade in Verhandlungen mit europäischen Labels steht und zumindest eine Fuhre CDs relativ problemlos via Dying Victims Productions in nächster Zeit erhältlich sein sollte. Wem das zu lange dauert, der besucht GOATEN einfach ganz schnell auf Bandcamp. GOATEN segeln mit dieser beeindruckenden Scheibe bei mir nur ganz knapp an der Höchstnote vorbei.



Gesamtwertung: 9.5 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood blood dry
Trackliste Album-Info
01. Witches' Serenade
02. Phantom Chaser
03. Pride Or Dust
04. Until I Come Again
05. Bells
06. When Midnight Comes
07. Finally Free
08. Metal Blade
09. The Thing At The Camp
Band Website: www.facebook.com/goatenband
Medium: CD, Download
Spieldauer: 38:07 Minuten
VÖ: 22.11.2023

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten