Interview mit Jan Zehrfeld von Panzerballett

Ein Interview von Metal Guru vom 05.11.2020 (26027 mal gelesen)
PANZERBALLETT - Deutschlands beste Band der Welt (nein, nicht KNORKATOR, obwohl auch die reichlich gut sind oder zumindest mal waren)! Keine Ahnung, wie genau ich zu diesem germanischen Jazz-Metal-Outfit kam, wer oder was die Initialzündung zu diesem harmonisch herausfordernden, instrumentell irrwitzigen, melodisch merkwürdigen, perfekt produzierten, rhythmisch randgruppierenden, technisch totschlagenden, völlig verqueren Zensemble war. Wie auch immer gehören sämtliche PANZERBALLETT-CDs zum immer gerner und immer öfter gehörten Teil meiner Musikkollektion, außerdem zu meinen hundert Platten für 'die Insel'. Aus aktuellem Anlass hatte ich nicht nur die Gelegenheit, PANZERBALLETTs 2020er Veröffentlichung "Planet Z" auf/für B4M zu rezensieren (und dafür 13 von leider nur 10 angezeigten Tropfen zu verkleckern), sondern auch das Privileg, Oberpanzer Jan Zehrfeld interviewen zu dürfen. Aus dafür angesetzten 15 Minuten wurde 'ne Dreiviertelstunde, weil ein redseliger Ballettmeister deutlich mehr zu antworten als ich zu fragen hatte. Hier Auszüge des am 20. Oktober 2020 telefonisch geführten Interviews in krass komprimierter Form:

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Moin, Jan! Hättet du vielleicht Lust, dich und dein PANZERBALLETT allen Unwissenden da draußen (und DAS sind viele!) kurz vorzustellen - wer bist du, woher kommst du, wann und wie trat Musik im Allgemeinen/Metal im Besonderen/Jazz im Speziellen in dein Leben, wie kamst du zu deinem Instrument und wann hast du beschlossen, derart extreme (zu allem Überfluss auch noch fast gesanglose) Mucke auf die Menschheit loszulassen? Welche Musiker/innen inspirierten dich früher, inspirieren dich heute und übst du noch (wenn ja - was/wie/wo, wenn nein - echt jetzt)? imgleft

Jan Zehrfeld: Also, ich bin der Jan (lacht), wir sind der Jan aus München. Ich hab' zunächst Jazzgitarre in Österreich studiert, das ist wichtig auch für den weiteren Verlauf der Band, weil ich dann in München zuende studiert und mir 'ne Band zusammengesucht hab'. Das hat recht lange gedauert, bis ich die richtigen Leute gefunden hab' und es gab am Anfang auch noch so einige Umbesetzungen. Und, äh ja, ich hab' auch von Anfang an immer Metal gespielt, so Hard-Rock-Metal damals, AC/DC waren meine ersten Gitarrenriffs. Es kam aber auch parallel dazu der Jazz, weil ich in der Schul-Bigband gespielt hab', wo ich dann die Akkord-Symbole erst mal entziffern musste. Und ich hab' dann so 'nen Kurz gemacht, wo man diese Symbole dann erklärt bekommen hat und hab' dann rausgefunden, dass mir der Jazz auch sehr gut gefällt, aber dass diese beiden Welten Metal und Jazz eigentlich sehr, sehr wenig - sowohl musikalisch als auch mit den Leuten, die das spielen - quasi überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Für mich haben beide Musiken (hält inne) - beide Musiken bedienen für mich, was ich musikalisch ausdrücken will. Daraus ergab sich dann der sogenannte Jazz-Metal. Das wollte ich einfach machen und die Band kam dann eigentlich direkt nach dem Studium. Dann haben wir diverse Umbesetzungen gemacht und das hat sich dann so weiter entwickelt und (stockt), ich hab' halt immer mehr geschrieben, ich bin auch der Schreiber. Also, ich hab' sämtliche Stücke arrangiert und komponiert und das hat sich im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt. Ich wollte auch nie immer das Gleiche machen, ich hab' immer versucht, noch 'einen drauf' zu setzen. Ich steh' auf komplexe Musik (Anmerkung des Rezensenten: wie wahr, wohl wahr ...). Ich stand zum Beispiel von Anfang an auf MESHUGGAH. Die haben mich am Ende meiner Studienzeit so fasziniert, dass ich sogar meine Diplomarbeit über sie geschrieben hab' (Empfehlung des Rezensenten: UNBEDINGT lesen!). Deren Musik hat sich abgehoben von allen anderen im Metal und ich wollte 'der Sache' einfach auf den Grund gehen. Deren Herangehensweise an Komposition hab' ich analysiert und für mich adaptiert. Scott Henderson (TRIBAL TECH) war 'ne zeitlang auch einer meiner ganz großen Heroes. Dann gab's noch die Band PLANET X, die waren für mich auch 'ne Offenbarung, weil die irgendwie so was gemacht haben, so 'ne düstere Mischung mit Virtuosität gespickter Musik, die aber auch voll in die Magengrube geht - auf der einen Seite. Auf der anderen Seite auch so schöne, auch so jazzige Klangfarben, die ich in dieser Form vorher nicht gehört hatte. Und die BRECKER BROTHERS waren zum Beispiel eines der ersten Jazz-Konzerte, die ich je gesehen hab' und die haben mich komplett 'geflashed'. Die drücken ja auch ordentlich auf die Tube, aber auf 'ne andere Art und Weise, irgendwie fand ich die genial. Dann gibt's noch die SCREAMING HEADLESS TORSOES. Das ist so 'ne New Yorker Band, die gibt's auch schon seit 25 Jahren. Wenn du die noch nicht kennst, dann solltest du die mal checken! Ja, und DILLINGER ESCAPE PLAN zum Beispiel, die fand ich auch super. Das is' so 'ne ganz krasse Metalband, extrem technisch und brutal. Ja, das sind so Einflüsse - genau. Allan Holdsworth hab' ich für mich als Gitarrist entdeckt. Der war für mich eine unerschöpfliche Quelle an Ideen. Hab' ich deine Frage jetzt beantwortet? (mein lieber Jan - DAS hast du!)

Aus aktuellem Anlass: Wie geht's dir, wie geht's dem Ballett, wer gehört momentan eigentlich dazu und was sagst du/sagt ihr zum derzeit einzigen Thema (Corona) in Hinblick auf potenzielle Liveauftritte?

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Jan Zehrfeld: Also, mir geht's gut. Wir haben gerade 'ne Tour hinter uns, die sechs Termine waren und noch einer sein wird und das hat so weit alles geklappt - deswegen geht's mir gut. Es war lange unklar, ob's überhaupt klappt oder nicht. Wäre ziemlich übel gewesen, wenn's NICHT geklappt hätte. Den anderen geht das auch so, das heißt: Den anderen geht's entsprechend auch gut, aber alle sind natürlich angespannt gewesen in letzter Zeit. Im Konzertbetrieb passiert momentan einfach nicht so viel wie's eigentlich sein müsste. Aber: Der 'Ein-Giggige' ist unter den 'Null-Giggigen' der König (lacht)! Aufgrund der Corona-Beschränkungen hatten wir beim Auftritt in Bremen beispielsweise 37 zahlende Zuschauer. Gute Hundert wären 'normalerweise' gekommen, aber egal, wo wir gespielt haben - es kamen immer so 30 bis 40 Prozent von dem, was hätte kommen KÖNNEN. Aber dass wir immer vor zu wenig Leuten spielen, gehört zur Band irgendwie schon dazu. Die sind zwar eingefleischt, aber wenn man wenige hat, dann kommen auch wenige. Also, ich weiß nicht - die Band gibt's halt schon seit 16 Jahren und sie hätte ja die Chance gehabt, bekannt zu werden, aber es ist halt so 'ne Nische, die zieht nur 'nen gewissen Prozentsatz der Leute an. Deswegen müssen wir auch immer in Großstädten spielen, da haben wir dann immer so 100er-, 200er-Publikum, aber mehr isses halt nicht. Und auch noch zu der Frage, wer PANZERBALLETT überhaupt ist: Das bin ich plus vier Leute. Die Organisation der Band hat so acht Jahre funktioniert und dass die Besetzung wechselt, ist erst die letzten zwei Jahre.

Anderes Thema: Wie ist "Planet Z" entstanden - wer hat wie und wo seine Parts unter welchen Bedingungen eingespielt, wie ist das ganze Material zusammengeschraubt worden und wer zeichnet für den ungewohnt 'dunklen' Sound letztlich verantwortlich?

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Jan Zehrfeld: Die Idee zu "Planet Z" hatte ich lange vor Corona. Ich wollte mal ein Album mit verschiedenen Gastmusikern machen und der erste, den ich fragte, war tatsächlich Virgil (Donati), den ich schon von früher kannte. Auf "Planet Z" hab' ich weniger komponiert als früher, dafür mehr arrangiert. Eigentlich komponiere ich nur, damit ich selbst mitspielen kann (lacht). Ich habe tatsächlich keinen der Musiker live getroffen. Jeder hat seinen Part bei sich zuhause eingespielt und mir geschickt, wobei manche einfach nur meine Noten vom Blatt gespielt, andere mehr oder weniger drum herum improvisiert haben.

Nachdem PANZERBALLETTs Stammdrummer Sebastian (Lanser) aus welchen Gründen auch immer NICHT auf "Planet Z" getrommelt hat - kommt er live oder im Studio irgendwann mal wieder oder ist er ganz 'raus'?

Jan Zehrfeld: Aber Sebastian ist doch schon wieder dabei! Ja, gerade mit ihm hatten wir einen Drummer, der sich über die Jahre extrem eingebracht hat, also mehr als jeder andere eigentlich. Er hat so seinen eigenen Schlagzeugstil 'geschaffen' und ist im Laufe der Zeit immer besser geworden, bis er dann irgendwann von OBSCURA verpflichtet wurde. Die hatten ja auch viel größere Gigs und ausgedehntere Touren und so weiter und dann hat das bei ihm halt irgendwann Überhand genommen. Also haben wir gesagt: Ja, lass' uns mal 'n Break machen, mal 'ne Pause, denn ich will natürlich trotzdem meine Touren weiterhin machen. Dann hab' ich gedacht: Ok, wenn Sebastian gerade nicht kann, ja, dann such' ich mir halt verschiedene Drummer, mit denen ich immer schon mal was machen wollte, allen voran Virgil Donati, weil der wirklich auch einer der größten Einflüsse für mich war, so beim Schreiben. Ich hab' auch seine Projekte immer mitverfolgt und genau - darauf bezieht sich vielleicht auch so'n bisschen der Albumtitel. Das könnte meine Version einer gedachten Fortsetzung von PLANET X sein, meine weiterentwickelte Version dieser Art von Musik. Auf der anderen Seite dann eben auch 'mein Planet', das ist hier in München eben auch so mein Kürzel, mein Spitzname. Mit PANZERBALLETT hab' ich so 'ne Welt, 'meinen' Planeten kreiert, auf den ich mich zurückziehe, wenn ich komponiere, dann bin ich auch in meiner eigenen Welt. Deswegen ist da auch diese Doppeldeutigkeit, die ich bei Albumtiteln immer wähle, irgendwie 'n Wortspiel oder so was.

Wie hast du die Mörderdrummer Morgan Agren, Virgil Donati und Marco Minnemann und die anderen drei Drummer ins Boot beziehungsweise auf den Planeten Z getrickst (wer hat hier wen 'bestochen')? Und aus aktuellem Anlass: Fanden die Schlagzeug-Aufnahmen face-to-face in irgendeinem Studio statt oder haben alle Beteiligten - nicht nur coronabedingt erzwungen, sondern wie heutzutage mehr oder weniger üblich - ihren Kram bei sich zuhause zum Klick eingespielt nach Noten und euch/dich gemehlt?

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Jan Zehrfeld: Ja, das ist einfach, es war Letzteres! Ich habe keinen einzigen Drummer persönlich beim Aufnehmen getroffen, alle haben bei sich zu Hause aufgenommen und es war ja noch vor Corona! Die ersten Aufnahmen fanden noch lang, lang vor Corona oder Monate davor statt eigentlich, aber - ähm, ja, genau, bestochen? Ich meine, für Geld machen die alles (lacht). Nein, zunächst muss man dazu sagen, dass ich zu allen schon einen persönlichen Kontakt hatte, also die kannten mich schon aus Gesprächen oder Begegnungen, die hatten meine oder ich hatte ihre Adressen. Ich musste also nicht etwa hochoffiziell durch die Vordertür zur Sekretärin, sondern ich hab' halt auf Facebook gefragt "Hey, ich mach' da 'n neues Album, haste Lust?" Zuerst hab' ich aber Virgil angefragt, weil ich dachte, wenn ich DEN erstmal habe und dann den anderen sage, da spielt Virgil mit, dann werden DIE schon anbeißen. Und so war's dann auch. Also, Virgil hab' ich öfter über die Jahre getroffen, über die letzten zehn, fuffzehn Jahre. Wir haben auch mal Vorband gemacht bei einem seiner Projekte im 'Baked Potato' in LA. Also, er kennt die Band und fand's eben spannend, da mitzumachen. Und bei Marco war's ähnlich, der hatte auch 'ne Münchner Zeit gehabt, wobei es da kaum Überschneidungen gab. Wir kannten uns auch schon vorher, hatten immer mal wieder Auftritte zusammen mit den ARISTOCRATS. Und Morgan Agren das Gleiche, Hannes auch - äh - das ging alles unkompliziert. Anderfalls hätten die Preise aufgerufen, die ich nicht hätte bezahlen können, aber so hat sich das alles im branchenüblichen Bereich aufgehalten. So Gagen, die fair waren - das konnt' ich mir leisten, genau. Und zur Aufnahme: Das war unterschiedlich, weil jeder Drummer auch 'ne andere Rangehensweise hat. Es gibt bei PANZERBALLETT zu allem eine Schlagzeugstimme, die mehr oder weniger konkret ausnotiert ist. Das hängt auch immer mit dem Stück zusammen, wie es angelegt ist. Es gibt aber immer einen Schlagzeugpart, der ausnotiert ist und den kriegen eigentlich immer auch alle, die ihn haben wollen, ja? Aber es wollen ihn auch gar nicht alle haben. Virgil wollte was haben, dem hab' ich was geschickt, Gergo auch. Der hat gesagt "ja, schick' mal", aber hat halt so 'sein Ding' gemacht, aber der wollte Noten. Marco wollte gar keine Noten, außer bei einem Part, mit dem er gerungen hat. Ansonsten hat er einfach alles intuitiv sich angehört und dann Part für Part umgesetzt. Genauso bei Morten, dem hab' ich glaub' ich gar keine Noten geschickt, der liest auch ungerne Noten, der hat halt improvisiert mehr oder weniger zu dem, was ich ihm geschickt hatte. Da war aber auch das Stück so beschaffen, dass es sich dazu anbot, genau. Hannes wollte auch keine Noten, der hat einfach nur bei der Vorproduktion reingehört. Es gibt ja von allem 'ne Vorproduktion und Clicktracks. Also, Clicktracks gibt's auf jeden Fall, den kriegt auch jeder. Also, Clicktrack und sozusagen 'ne Audioversion ohne Schlagzeug, das legen die sich dann an, nehmen einfach bei sich zuhause auf und ich krieg' dann die einzelnen Spuren. Marco war da am krassesten. Der setzt sich mal so 'nen Nachmittag hin und spielt (s)einen Part, für den andere vielleicht jetzt drei Wochen brauchen. Ja, ging aber sehr unkompliziert insgesamt alles!

Jetzt, da "Planet Z" fertig und raus ist: Bist du zufrieden mit dem Endergebnis, wo liegen deiner Meinung nach die Parallelen, wo die Unterschiede zu vorangegangenen Scheiben und wie geht's klanglich/musikalisch/stilistisch weiter (vorausgesetzt, es GEHT weiter)?

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Jan Zehrfeld: Ja, ähm (laaange Pause), ich bin sehr zufrieden, hab' ja auch lang genug dran gesessen! Ich sitz' halt immer so lange an einer Produktion, BIS ich zufrieden bin. Deswegen dauert's auch so lang. Dann war ich am Ende natürlich zufreden - das ist eine Grundvoraussetzung, dass ich etwas als fertig ansehe. Deswegen: Ja, ich bin sehr zufrieden, ich freu' mich, dass der Plan aufgegange ist, ein Album zu machen mit so vielen unterschiedlichen Musikern drauf, das aber wie aus einem Guss für mich klingt. Es sind ja auch verschiedene Komponisten mit drauf, das ist ja auch so 'ne Besonderheit. Äh, dass eben vieles von mir lediglich arrangiert oder zusätzliche Sachen, zusätzliche Stimmen von mir geschrieben worden sind. Ansonsten sind die Einflüsse einfach mannigfaltiger und klingen aber eindeutig nach PANZERBALLETT und wie aus einem Guss und das ist, was ich am tollsten, am gelungensten an dem Album finde. Der größte Unterschied zu den anderen Sachen ist wie schon gesagt, dass ich selber als Komponist eher in den Hintergrund getreten bin und im Gegenzug dazu sämtliche Gitarren und Bässe selbst übernommen hab'. Also, als Spieler steh' ich eher im Vordergrund. Ich seh' mich eigentlich auch hauptsächlich als Spieler. Ich bin Komponist eigentlich nur um des Spielens willen, ich komponiere, damit ich etwas habe, das ich spielen darf, das mir gefällt so - genau! Ich kann natürlich auch Stücke von anderen spielen, aber das wär' dann eher uninteressant oder nur teilweise interessant. Ähm, ja, das ist der größte Unterschied - komplett andere Besetzung und es funktioniert aber für mich genauso gut. Ich könnte mir das für die Zukunft auch genau so vorstellen, einfach eine neue Tür, die man da noch aufstoßen kann, die noch unerforscht ist. Vielleicht klassische Stücke, die man so aufbereitet, das ist ja auch ein weites Feld. Da werd' ich mich mal versuchen (Anmerkung des Interviewers: DAS will ich hören!). Es gab ja auch während Corona diese Aktion für Musiker, 'Ode An Die Freude' von den Balkonen runter zu spielen und ich hab' mir das auch kurz überlegt, aber ich hab' mir gedacht: Wenn, dann muss es schon meine eigene Version sein und dazu brauch' ich dann wieder wochenlang. Das hab' ich dann aber trotzdem gemacht und ich glaub', werd' ich das dann nachholen, so 2021 (lacht). Was ich gemacht hab', ist eine Kurzversion vom 'Hummelflug', also hab' ich erst auf YouTube so 'n Video rausgebracht, die Corona-Version vom 'Hummelflug'. Es könnte auch sein, dass ich das ins PANZERBALLETT-Repertoire mit aufnehme. Wir haben ja schon den 'Wallkürenritt' (Anmerkung des Interviewers: Track No. 4 auf "Planet Z"), das ist Klassik, aber da gibt's ja noch viel mehr Sachen, die man noch machen kann, viel mehr Repertoire, das man bearbeiten könnte. Also, ich kann mir vorstellen, dass das das nächste Kapitel ist.

Jetzt mal ganz im Ernst (unter uns Muckern): Mehr oder weniger bekannte Songs der Rock-/Pop-/Klassik-/Jazzgeschichte 'nachspielen' ist die eine Sache, PANZERBALLETT-Interpretationen die andere (ich erinnere alle Unwissenden in diesem Zusammenhang an eure vor zwei Jahren erschienene 'Weihnachtsplatte', die teilweise kaum oder gar nicht wiederzuerkennende Versionen ansonsten bekannter Weihnachtslieder zelebrierte). Wie genau gehst du bei Auswahl, Auseinandernahme, Neuzusammensetzung und Probung solcher Versionen vor? imgright

Jan Zehrfeld: Also, ich nehme da einfach die Grundidee, also es gibt eine Grundidee, die ich übernehme oder es geht für mich dabei schon um Erkennbarkeit, ich hoffe immer, dass es erkennbar bleibt und was auch immer unberührt bleibt, ist die Melodie von diesen Stücken. Also, die Melodie ist ja auch immer das erste Merkmal eines Musikstücks und das lass' ich unberührt oder im Wesentlichen unberührt, ja. Dann ändere ich alles andere draußen rum, da hab' ich im Laufe der Jahre so meine Tools entwickelt, wie ich Sachen auseinanderbauen und dann wieder zusammenschrauben kann. Das betrifft sowohl neue Harmonien drunterzulegen als auch Rhythmen und aus dieser Bearbeitung und Unterlegung neuer Rhythmen heraus ergeben sich dann wieder neue Ideen der Verfremdung. Das ist dann so 'ne kompositorische Gesamtkatastrophe, als Katastrophe im positiven Sinne, es ergibt sich immer mehr, eins kommt zum anderen und am Ende klingt's dann nach völligem Wahnsinn. Zunächst mal klingt der nicht so, als wenn er sich auf's Orignal bezieht, aber wenn man denn genauer hinhört, isses das doch, ähm. Es ist natürlich auch immer 'n Augenzwinkern dabei. Wir haben ein Stück, wir dürfen oder müssen es auch so nennen wie das Original, weil man kann die Melodie 1:1 nachsingen, aber alles außenrum ist einfach komplett entstellt und verändert. So gesehen oder so umarrangiert ist es dann auch eigentlich lustig - finde ich (sowohl Jan als auch der Interviewer lachen). Ja, genau - es müsste mehr von deiner Sorte geben, damit wir mehr Erfolg haben im kommerziellen Sinne, aber es ist halt so, dass du einer der wenigen bist, das muss man einfach so feststellen. Da hab' ich dann noch 'ne Neuigkeit: Es gibt da bald so 'ne Co-Operation von Virgil, PANZERBALLETT featuring NDR-Bigband featuring Virgil Donati am Schlagzeug, also das wird nächstes Jahr kommen! Wir machen jetzt ein Demo im Januar, spielen wir mal was ein und schauen mal, wie das so anläuft. Die Planung war eigentlich schon im April gewesen, aber das wurde dann ja zerschossen wegen Pandemie. Nachdem der Betrieb aber wieder anläuft, wird das jetzt in Angriff genommen (Anmerkung des Interviewers am 31.10.2020: Tja, DAS wird angesichts des nächsten Knock-Downs ja schon wieder nix!) - genau!

Was für Musik hörst du - wenn überhaupt - zuhause? Was waren deine zuletzt gehörten (Fremd-)Scheiben?

Jan Zehrfeld: Ah, das ist von Gergo Borlai, das war, der hat, die hieß (künstlerische Pause), ja, Gergo hat 'ne Platte rausgelassen, "The Unnamed Song" glaub' ich, das war so das Letzte. Und dann noch von den DOSOMOV-Brüdern "Two Mars" (Anmerkung des Interviewers: keine Ahnung, ob ich DAS richtig verstanden hab') - ich glaub', die heißt "Disclosure", die hab' ich sehr viel gehört, find' ich auch sehr ansprechend, die Musik, ja.

Abschlussfrage: Wie sind deine Prognosen für die artistische Zukunft, speziell im eh kulturfeindlichen deutschen Land, spezieller für deine absolut-mega-super-total-ultraverkrasste Randgruppenmucke und die dazugehörige Zielgruppe?

Jan Zehrfeld: Ja, also, generell muss man sagen, so schlecht geht's mir zum Glück nicht momentan. Für die Tour haben wir 'ne Förderung bekommen, ohne die das alles gar nicht möglich gewesen wäre. Das Geld kommt letztlich auch vom Bund, das heißt ich kann nicht behaupten, dass wir gar nicht unterstützt würden. Auch von der GEMA gab es große Hilfe für uns, also von daher ... Ich seh' nur viele Kollegen, bei denen es halt sehr übel aussieht, bei denen halt keine Hilfen ankamen. Ich denke, das wird sich auch noch sehr lang so weiter hinziehen und ähm, ich fürchte, ich hab' schon so meine Bedenken, ob 2021 überhaupt 'möglich' sein wird. Die Frage stellen wir uns alle, ob die Tour, die wir gemacht haben, jetzt als ein erstes Pflänzchen der Hoffnung, des Aufkeimens gesehen werden kann oder ist das die Nachhut, die gerade noch funktioniert, bevor's komplett in sich zusammenbricht und das wissen wir alle nicht. Man muss halt versuchen, so positiv wie möglich zu denken. Dass einerseits die Menschheit lernt, mit dem Virus umzugehen, ob mit oder ohne Impfstoff. Es werden aber viele, viele Probleme aufkeimen, die jetzt noch gar nicht sichtbar sind. Also, ich glaube, dass sich das noch lange hinzieht, bis sich die Lage stabilisiert. Dass das für viele Kulturschaffende noch sehr, sehr lange Nachwirkungen hat. Ja, ich versuche so positiv wie möglich zu denken - solange man noch lebt. Irgendwas muss ja geschehen, man muss ja irgendwas machen. Also, wenn man gleich aufgibt, ist das wie mit dem Frosch, der in der Milch quasi versinkt. Man darf nicht gleich aufgeben, man muss bis zum bitteren Ende einfach kämpfen (bitteres Lachen) - nur so funktioniert's! Ist 'ne sehr unklare Antwort, ich weiß. Aber niemand weiß, was passieren wird ...

Mein lieber Jan, mein liebes PANZERBALLETT - besten Dank für deine/eure Zeit, Nerven, Geduld, Energie, Andersartigkeit und nur das Beste - auch im Namen von Bleeding4Metal - für deine/eure Zukunft!

Jan Zehrfeld: Ok!

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