Interview mit Kenneth Henriksen (Gitarre), Eivind Gunnesen (Gesang) von Course Of Fate
Ein Interview von Cornholio vom 10.06.2020 (30444 mal gelesen)
Mit "Mindweaver" hat die Band COURSE OF FATE ein für mich beeindruckendes Debüt hingelegt. Ein Konzeptalbum ist es obendrein, und die Norweger geben unter anderem "Operation: Mindcrime" und "Scenes From A Memory" als ihre Haupteinflüsse an. Ich durfte ihnen zu dem Alben und zu der derzeitigen Situation ein paar Fragen stellen.
Hallo, und zuerst mal Glückwunsch zu eurem Debüt "Mindweaver". Ich mag es sehr gerne, und ich freue mich, dass ich die Chance habe, mit euch beiden drüber zu "reden". Aber zuerst die in diesen Zeiten obligatorische Frage: Wie geht es euch? Wie beeinflusst euch die Corona-Krise in eurem täglichen Leben zuhause in Norwegen?
Eivind: Zum Glück ist Norwegen nicht so hart getroffen worden, wie andere Länder. Der Shutdown kam bei uns ziemlich früh, also sind die Zahlen relativ niedrig, jedenfalls in unserer Region (Fredrikstad, südlich von Oslo). Wir mussten etwa einen Monat daheimbleiben, aber wenn man sich die Nachrichten anschaut, haben wir wenig Grund, uns zu beklagen. Wir können sogar schon unseren Proberaum nutzen, natürlich mit etwas Abstand. Hoffentlich geht es euch in Deutschland auch so gut.
Euer Debüt erschien am 22. Mai, stand das Datum schon vor der Pandemie? Oder musste die Veröffentlichung verschoben werden?
Kenneth: Soweit wir uns erinnern können, war die Veröffentlichung für den 15. Mai geplant. Corona hatte darauf also kaum Einfluss, eine Woche halt. Allerdings musste die Releaseparty in unserem Heimatort auf Oktober verschoben werden.
Ihr habt bereits ein paar Demos veröffentlicht (2006 und 2007) plus eine EP im Jahr 2013. Warum hat es seit der EP "Cognizance" so lange gedauert, bis nun endlich das Album da ist?
Eivind: Na ja, Kenneth (Gitarre) hat direkt nach der EP angefangen, an neuen Songs zu arbeiten, und dann hatte er die Idee, ein Konzeptalbum zu machen, weil die ersten Songideen förmlich danach geschrien haben. Dann folgte eine lange und mühsame Reise, um die Lieder und die Texte eben so zu schreiben, zu basteln und zu platzieren, wie wir es haben wollten. Das nächste Album wird vermutlich kein Konzeptalbum werden. Außerdem kam noch dazu, dass unser damaliger Drummer Kenneth Tårneby ausstieg, um sich der Band TRIOSPHERE anzuschließen (die solltet ihr euch echt mal anhören!), und wir mussten uns mittendrin nach einem neuen Schlagzeuger umschauen. Zum Glück fanden wir ihn recht flott in Person von Per-Morten Bergseth, und er hatte direkt großen Einfluss auf das Album. Aber wir wollen auch, dass jeder aus der Band etwas dazu beiträgt, aber so dauerte es halt nochmal etwas länger. Das Resultat soll halt uns allen gefallen. Außerdem waren wir noch auf der Suche nach dem richtigen Studio, bis wir mit allem zufrieden waren.
Gab es Probleme in dieser Zeit, vielleicht Arbeit, Familie oder dergleichen?
Kenneth: Nein, nicht wirklich. Wir haben alle "normale "Jobs, und COURSE OF FATE findet in unserer Freizeit statt.
Ich finde kein Line-up zu den Demos. Abgesehen von eurem Drummer, ist die Band seit Beginn an zusammen?
Eivind: Die Band wurde 2003 von Kenneth, mir und ein paar Schulfreunden gegründet. Seitdem sind Leute gekommen, gegangen, wiedergekommen. Marcus (Lorentzen), unser anderer Gitarrist, hat mal alle bisherigen Bandmitglieder aufgelistet, insgesamt sind es derer 18, inklusive dem derzeitigen Line-up. Es gab allerdings sehr wenig Streit, oft war die Familie oder Familienplanung der Grund, oder auch mangelndes Interesse. Wenn jemand an der Liste interessiert ist, wendet euch an Marcus! ;-)
Kommen wir aber endlich mal zum Album "Mindweaver". Ihr habt im Promo-Flyer geklotzt - inspiriert von "Operation: Mindcrime", "Scenes From A Memory" und "The Wall" - wobei natürlich die Zeit zeigen wird, ob ihr euch da einreihen könnt. Ein mutiges Statement ist das auf jeden Fall, wie seid ihr darauf gekommen?
Kenneth: Na ja, wir haben eigentlich nur unsere größten Einflüsse angegeben. Allerdings war das auch so eine PR-Sache, mit der wir Norweger typischerweise nicht so gut umgehen können. Wir hätten vermutlich irgendwas von den genannten Scheiben gemurmelt und höflich gefragt, ob sich jemand unsere Musik anhören will, aber so kommst du ja nicht weiter. Also haben wir uns dazu entschlossen, groß zu denken. Die genannten Alben sind mit die besten Konzeptalben der Musikgeschichte, und wir versuchen nicht ernsthaft, uns auf eine Stufe mit diesen Monumenten zu stellen! Es ist eher so ein "Wenn euch die Alben gefallen, könntet ihr auch "Mindweaver" mögen"-Ding.
Glaubt ihr denn, dass ihr mit "Mindweaver" etwas Großes erschaffen habt?
Kenneth: Nicht wirklich, nein. Aber wenn man so lange an einem Album arbeitet, hat man kein Gefühl mehr dafür, wie das Album einzuordnen ist. Wir warten ehrlich gesagt schon die ganze Zeit darauf, dass die schlechten Rezensionen kommen, aber bisher gab es noch nichts in der Richtung. Aber die Scheibe ist noch nicht mal einen Monat draußen, es ist noch sehr früh.
Wie seid ihr auf diese Story gekommen? Wer hatte die Idee, das Gedicht "Antigonish" von William Hughes Mearns mit in die Story zu packen? Und wer hat die Texte geschrieben, oder war jeder von euch dran beteiligt?
Eivind: Die Story ist das Ergebnis aus verschiedenen Ideen, aus der "Mindweaver" entstanden ist. Kenneth wollte das Gedicht irgendwie verarbeiten und ich habe einen Artikel über ein Mädchen gelesen, dass wegen einer mentalen Krankheit am helllichten Tag Wölfe gesehen hat. Außerdem sind wir an jeder Art von Kult generell interessiert. Zuerst war die Story ziemlich weit weg von dem, was am Ende dabei herausgekommen ist, auf dem Weg dorthin hat sich viel geändert.
Der Songwriting-Prozess funktioniert bei uns üblicherweise so: Kenneth schreibt Songs und nimmt sie in seinem kleinen Studio auf, wir hören sie uns dann an, spielen sie in den Proben nach und arrangieren sie auch teilweise um. Dann nehmen wir sie neu auf, Instrumente und Gesang, manchmal wird dann nochmal was dran geändert, weil jemand eine neue Idee hat, spielen wir sie nochmal ein, und so weiter. Irgendwann gehen wir dann ins Studio und nehmen das Ganze dann "richtig" auf. Die Texte und Gesangslinien stammen von Kenneth und mir.
Die Schwierigkeit für den Hörer ist ja die, dass die Musik irgendwo zwischen "leicht verdaulich" und "tiefgründig" sein sollte. Ich zum Beispiel möchte die Möglichkeit haben, die Musik einfach nur zu hören, aber ich finde es auch super, wenn ich die Möglichkeit habe, anhand der Lyrics dann in die Story der Songs einzutauchen, genau wie bei einem Buch oder einem Film. Ich meine, man kann sich die Musik nebenher anhören, beim Kochen oder während man am Smartphone die neusten Trends checkt, aber man kann sich auch voll auf die Story konzentrieren. Diese "Interaktion" ist es, was für mich persönlich ein gutes Konzeptalbum ausmachen. Wie habt ihr das bei "Mindweaver" gemacht, habt ihr versucht, auf diese "Zweiseitigkeit" hinzuarbeiten? Geht das überhaupt?
Kenneth: Ja! Du hast exakt beschrieben, was wir versucht haben. Wir haben immer die Melodie im Mittelpunkt beim Songwriting. Musik sollte kein "Easy-Listening" sein, aber dennoch leicht genug, um reinzukommen. Man braucht Hooks, aber als Prog-Fan braucht man auch Layers, also Aspekte, die nicht beim ersten oder zweiten Durchlauf auffallen. Es ist wirklich ein schmaler Grat, man will es nicht zu einfach und nicht zu kompliziert machen. Wir wollen auf der einen Seite keine Popmusik schreiben, aber andererseits soll man auch die Musik genießen und verstehen können, ohne einen Doktortitel in höherer Mathematik zu benötigen. Wir mögen ebenfalls beide Seiten und freuen uns, dass es den Fans ebenso geht. Manche tauchen gern in die Story ein, andere hören die Songs einfach nur, ohne drüber nachzudenken.
Das Cover-Artwork erinnert mich stark an Mathias Norén, aber es ist von Stan W. Decker. Wie lief das ab, habt ihr ihm gesagt, was ihr wollt, habt ihr die Story umrissen und ihn gebeten, etwas dazu zu entwerfen? Oder hat das Label da seine Finger im Spiel gehabt?
Eivind: Wir mögen seine Arbeit sehr! Wir kannten bereits ein paar Sachen von Stan, aber Per-Morten (Drums) kannte ihn von einer seiner vorigen Bands, und wir haben ihn angeschrieben und die Story kurz angerissen. Er hat sofort verstanden, worum es geht und was wir wollten, ohne es selbst zu wissen, könnte man sagen, und so hat er das Artwork erschaffen, ohne viele Infos von uns zu bekommen. Wir sind sehr glücklich mit dem Cover!
Apropos Label, eure Plattenfirma ROAR! hat drei Videos auf YouTube hochgeladen, bevor "Mindweaver" veröffentlicht wurde. Wie lief das, durftet ihr die Songs auswählen, und wie war es, die Videos zu drehen?
Kenneth: Das Label hat drei Songs vorgeschlagen und wir waren uns sofort einig! Wir hätten genau die gleichen Lieder vorgeschlagen, da gab es keine Diskussionen. Die Videos haben wir selbst gefilmt, produziert und geschnitten, in der "About"-Sektion auf YouTube findet man alle Infos dazu. Wir konnten also komplett kontrollieren, was wir wollten, und wie die Story präsentiert werden sollte. Außerdem war es die wirtschaftlichste Variante, sich selbst drum zu kümmern.
Wie die meisten Musiker würdet auch ihr sicher gerne sofort auf Tour gehen, um euer Album zu promoten, oder? Hattet ihr schon Pläne zu einer Tour, war vielleicht schon etwas gebucht?
Eivind: Nein, es war noch nichts final ausgemacht, außer dem Release-Gig, der auf Oktober verschoben werden musste. Hoffentlich können wir bald weitere Schritte im Hinblick auf eine Tournee planen. Dazu müssen wir natürlich erstmal abwarten, wie es mit der Pandemie weitergeht, das macht es nicht einfacher.
Was treibt ihr Jungs so in eurer Freizeit? Welche Musik hört ihr, wer sind eure Vorbilder?
Kenneth: Wir hören eigentlich alles, also neue Bands und auch Klassiker. Derzeit hört Eivind viel TYPE O NEGATIVE und TOOL, ich bin auf dem KATATONIA- und SORCERER-Trip. Das neue PSYCHOTIC WALTZ-Album gefällt uns auch sehr gut, ebenso wie die neue Scheibe von GREEN CARNATION. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir Freunde haben, die ALLES Neue für uns entdecken und uns dann darauf stoßen. Das ist wirklich eine tolle Sache, so bleiben wir immer up to date.
Wie sieht die Metal-Szene in Norwegen aus? Ich meine natürlich nicht die Black Metal-Szene, die kennt man ja, eher eure Sparte, Prog- und Power-Metal. Außer PAGAN'S MIND und JORN kenne ich nichts in der Richtung aus Norwegen.
Eivind: Die Szene ist nicht sehr groß, aber Qualität geht ja über Quantität, wie man sagt. Wir haben ein paar richtig gute Metal- und Prog-Bands hier in Norwegen, ein paar habe ich gerade schon genannt. Aber die Szene ist recht klein, es ist nicht immer leicht, gute Musiker zu finden, wenigstens nicht bei uns in der Region. Wir mögen es, mindestens einmal pro Woche zu proben, also wäre es auch keine gute Lösung, jemanden von der anderen Seite des Landes in der Band zu haben.
Welchen Einfluss hat Corona denn auf euch als Musiker? Zieht man daraus eher Kreativität, oder habt ihr genug damit zu tun, euer normales Leben beisammenzuhalten? Habt ihr eventuell schon neue Songs geschrieben?
Eivind: Vielleicht kann die jetzige Situation wirklich positiven Einfluss auf die Kreativität haben, für uns jedenfalls scheint es so. Wir hatten auch ein paar Momente, wo nichts lief, und das kann wirklich belastend sein. Davon abgesehen haben wir in der Tat schon Lieder für ein neues Album. Kenneth hat schon angefangen, neue Stücke zu schreiben, als wir für "Mindweaver" im Studio waren, und auch Per-Morten und Marcus haben schon ein paar Ideen. Insgesamt haben wir also eine beachtliche Liste von Songideen, mit denen wir uns im Sommer beschäftigen können.
So oder so freue ich mich auf das, was als Nächstes von euch kommt!
Kenneth: Super, hoffentlich enttäuschen wir dich nicht!
Danke für eure Zeit, bleibt safe und gesund, hoffentlich sehen wir uns bald auf Tournee!
Eivind: Danke für die tollen Fragen und das großartige Review. Das bedeutet uns wirklich viel. Hoffentlich sehen wir uns "on the road" in nicht allzu langer Zeit!
Eivind and Kenneth, im Namen von COURSE OF FATE