Interview mit Seraina von Dead Venus

Ein Interview von des vom 01.03.2022 (17184 mal gelesen)
Wie sieht es nun aus mit Alleinherrschaft und Sexismus? Und braucht man für diese komplexe Musik, die DEAD VENUS spielen, vier Hände? Und wie ist es nun mit dem Gejodel? Diese Fragen und mehr beantwortete uns die charismatische Frontdame von DEAD VENUS, Seraina Telli ernsthaft - aber auch mit dem einen oder anderen Augenzwinkern. Nur die Sache mit den Stealth Mammuts bereitet uns schlaflose Nächte.

Hallo Seraina, danke für deine Zeit! DEAD VENUS sind ja noch eher unbekannt, kannst du uns euch kurz vorstellen?

Seraina: Hi, Erik, freut mich! DEAD VENUS sind ein Progressive Rock-Trio aus der Schweiz.
Wir sind:
Seraina Telli - Vocals, Guitars, Piano
Mike Malloth - Drums
André Gärtner - Bass (bis 2021)
In dieser Besetzung spielten wir von 2015 bis 2021 zusammen, und für die kommenden Shows übernimmt Merlin Mattheeuws den Bass. imgleft

Mit Erstaunen habe ich gelesen, dass ihr auf eurem Debüt 2017, "Bird Of Paradise", auf E-Gitarren und Drumsamples verzichtet habt. Wie klingt so was?

Seraina: Ich kann jetzt versuchen, dir das hier schriftlich zu erläutern, aber wir wissen doch alle, dass man Musik nur sehr bedingt mit Worten beschreiben kann. Daher würde ich sagen: Am besten hörst du dir das Album einfach mal an (lächelt).

Warum beim neuen Album der Schwenk, doch auch Gitarren einzusetzen?

Seraina: Ein zentrales Thema bei DEAD VENUS ist, dass wir uns keine Grenzen setzen wollen. Dazu gehört auch die Instrumentierung. Kurzum gesagt: Wenn der Song nach E-Gitarre verlangt, bekommt er E-Gitarre. Wenn ein Song mal nach einem Dudelsack verlangt, wird's komplizierter.

Innerhalb unserer Redaktion gingen die Meinungen zu "Flowers & Pain" auseinander und reichten von "mutig" über "anspruchsvoll" bis "anstrengend" und "Gejodel" - grob zwischen fünf und acht Punkten von zehn. Was ist deine Antwort darauf?

Seraina: Nun ja, das mit dem Jodeln muss ich echt noch üben! Meine urschweizerische Familie war auch nicht sehr zufrieden damit. Des Weiteren hatten wir enorme Störgeräusche von der Stealth Mammut-Farm hier gleich neben unserem Studio. Das ist psychoakustisch extrem gut hörbar! Stealth halt … Auf der LP ist das viel besser. Dafür hört man da die linke Phalange-Ukulele nicht mehr so gut, aber ja, man kann halt nicht alles haben.

Mich erinnert eure Musik etwas an TORI AMOS (die ich sehr gerne höre) auf Metal - ist das ein Einfluss?

Seraina: Mit dem Vergleich bist du nicht der erste, dennoch ist Tori kein großer Einfluss für die Musik von DEAD VENUS. Aber ja, ich verstehe den Vergleich, und wir nehmen das gerne als Kompliment an, da es außer Frage steht, dass sie eine unglaubliche Künstlerin ist.

Laut Bandbiographie hast du dir Mitmusiker geholt, um deine Visionen zu verwirklichen. Bist du die "Alleinherrscherin" oder haben Mike (Schlagzeug) und Andre (Bass) auch etwas zu sagen?

Seraina: Wenn es um Musik geht, finde ich es schwierig zu sagen, dass jemand “das Sagen” hat, denn Musik entsteht im Team. Jedoch gibt es immer den einen, der den ersten Funken hat und der diese Idee dann in einen Song umwandelt. Bei DEAD VENUS bin ich das. Ich schreibe einen Song, nehme den Jungs ein Demo mit Gitarre oder Klavier und natürlich dem Gesang auf und schicke es ihnen dann zu. Mittlerweile programmiere ich auch gleich die Taktwechsel mit, was ich bei den ersten Songs nicht gemacht habe, und so verbrachten wir am Ende Stunden damit, herauszufinden, wo die Eins ist (lacht). Dann treffen wir uns und jammen den Song. Wir schauen zu dritt, wer wo was spielen soll und was dem Song am besten tut. Ich finde es sehr wichtig, dass jedes Bandmitglied sich einbringen kann, vor allem, wenn man solch gute Leute an den Instrumenten hat.

Wir hatten rund um das neue Album eine Sexismusdebatte, die uns sehr leidtut. Inwieweit ist Sexismus ein Thema in der Musikszene, wenn die Bandchefin eine Frau ist? Oder ist es schon angekommen, dass die Frau in der Band nicht nur die kleine "Frontmaus" ist?

Seraina: Nun ja, wie wir eben mitbekommen haben, ist das sehr wohl immer noch ein Thema. Allerdings schenken wir dem keine große Aufmerksamkeit. Am Ende ist das Wichtigste immer noch die Qualität und Authentizität, vor allem in der Musikrichtung, in der wir uns bewegen. Vielen Dank übrigens für die Entschuldigung. Das zeugt von Größe, und das schätze ich sehr!

Ich stelle mir vor, dass es schwierig ist, eure Musik live umzusetzen. Wie macht Ihr das? Samples, Mietmusiker oder hat jeder von euch vier Hände?

Seraina: Vier Hände haben wir alle nicht, aber dafür schnelle Füße (zwinkert). Bis jetzt haben wir alle Konzerte zu dritt gespielt, und dies auch ohne Backing Tracks oder vierten Musiker hinter dem Vorhang. Wir fahren aber mit ziemlich viel Material auf. Unser ehemaliger Basser hat sein Signal gesplittet und gleichzeitig auf eine Bassbox sowie auf eine Gitarrenbox gesendet. Dazu benutzte er verschiedene Effektgeräte, Octaver et cetera. Mit dem Wechsel wird es natürlich auch hier gewisse Änderungen geben. Ich selber spiele nebst dem Singen entweder die Keys oder die Gitarren. Um die verschiedenen Sounds zu erzeugen, habe ich zwei verschiedene Keyboards (Stagepiano unten, Orgel oben) und meine zwei Gitarren, die modifiziert wurden, sodass ich damit elektrische und/oder akustische Gitarrenklänge erzeugen kann. So spielt der Bass manchmal Gitarre, die Keys manchmal Bass, und die Gitarre ist eigentlich zwei Gitarren. Und dann sind da natürlich noch die Drums.

Danke für das spannende Interview und die Zeit, die du uns geschenkt hast, die letzten Worte gehören dir:

Seraina: Danke auch, lieber Erik und allen Lesern!
Wenn nun jemand wissen möchte, wie wir das nun live machen, wie ein Album ohne E-Gitarre aber mit Gejodel klingt und was es mit den Stealth Mammuts auf sich hat, dann ist er herzlich eingeladen, uns auf den Sozialen Medien zu folgen und sich unsere Videos auf YouTube anzusehen. Hier hänge ich euch den Linktree an, da findet ihr alles, was aktuell ist.
Bleibt farbig, meine Lieben & CU on the road! Seraina & DEAD VENUS

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