High Fighter - Live At WDR Rockpalast

Review von Rockmaster vom 15.01.2022 (8391 mal gelesen)
High Fighter - Live At WDR Rockpalast "Willkommen in der schönsten Großstadtoase Deutschlands", wirbt der Landschaftspark Duisburg um die Gunst der Besucher. "Landschaft" klingt großartig, und tatsächlich scheint dem Freizeitradler, dem Kletterer, dem Naturfreund und dem Metalhead dort normalerweise umfangreiches Programm zur Verfügung zu stehen, und sogar das zweite Corona-Jahr scheint den Betreibern das Geschäft nicht gänzlich vermiest zu haben. Um zu klären, ob hier tatsächlich mehr Bäume stehen oder mehr stillgelegte Schlote, dafür müsste man dorthin reisen, und das gibt das Budget unseres kleinen Magazins nicht her. So alt, wie die traditionelle Industrie der Region, ist der WDR Rockpalast noch nicht, aber auch der ist seit Jahrzehnten eine Institution im deutschen Fernsehen für alle, die auf Musik stehen, bei der der größeren Mehrheit unserer Mitbürger die Ohren bluten. Um beides in angemessener Form zu verbinden, befand wohl der Westdeutsche Rundfunk, müsse man eine Band dort auftreten lassen, die den traurigen Charme vor sich hin rostender Industriebaracken mit ihrer musikalischen Ausdrucksform unterstreicht. Den hamburger Sludge Metallern HIGH FIGHTER gelingt das außerordentlich gut.

HIGH FIGTER um Sängerin Mona Miluski gibt es schon seit 2014, und sie haben sich unter den Anhängern ihres Genres mit zwei Alben schon einen Ruf erarbeitet. Mit "Live At WDR Rockpalast" haben sie nun ihre erste Live-Scheibe am Start. Dafür, dass wir alle die Jahre 2020 und 2021 irgendwie schon als "mega beschissen" abschreiben durften, und dass die "Crowd" vor der Band sich auf eine handvoll Tontechniker und Kameraleute beschränkt, ist das, was HIGH FIGHTER da auf dem Dach einer alten Industrieanlage abliefern, eine Wucht. Man spürt durchaus, dass die Band sich erst einmal daran gewöhnen muss, dass aus der Richtung der Kameras kein Beifall kommt, und dass sich auch partout kein Moshpit bilden mag. So dauert es ein paar Titel, bis man die Energie der Band so richtig spürt - aber dann entfachen sie das Feuer eines Hochofens. In der Mitte der Show steht Mona mit (in Gedenken an die Tonnen von Rost hinter ihr) rot gefärbten Haaren. Stets ausdrucksstark changiert sie zwischen melodischen Gesangsparts mit klagender, leicht nölender Intonation und wildem Fauchen. Dass sie die Tonhöhe bei den melodischen Parts immer wieder einschleift oder im Ausklang abgleiten lässt, ist hier eindeutig ein Stilmittel, um der Lamentation noch mehr Nachdruck zu verleihen. Flankiert wird sie von den beiden Gitarristen Ingwer Boysen und Christian "Shi" Pappas (letzterer hat leider inzwischen die Band verlassen), die zusammen mit Bassist Constantin Wüst ein fettes Soundgewand generieren, und die trotz Doom-Sound, mutmaßlich heruntergestimmten Instrumenten und niemals rasendem Tempo eine ziemliche Energie entwickeln. Dass die GoPro an Antons Bass immer wieder - optisch - den Eindruck vermittelt, die tiefste Saite würde extrem langsam vibrieren, liegt wohl eher an der Bildwiederholrate, aber es passt herrlich zu dem Klang aus dem Keller des Hörbereiches des menschlichen Ohres. Last but not least, eine ganz starke Leistung liefert hier Thomas Wildelau am Schlagzeug ab, der mit - nach meinem Empfinden - für den Stil ungewöhnlich technischem Drumming und starkem Drive den Songs das i-Tüpfelchen aufsetzt.

Um mal ein paar Anspieltipps des Rockmasters zu geben, 'Black Waters' und 'Shine Equal Dark' finde ich ganz stark. Aber Ausfälle leisten sich HIGH FIGHTER sowieso keinen einzigen. Schaut man sich das Videomaterial an, gewinnt man den Eindruck, dass hier keiner der Musiker und Musikerinnen um Aufmerksamkeit heischt - aber jedes einzelne Mitglied der Band hat sie gleichermaßen verdient. Die etlichen GoPros an Gitarrenkörpern und -hälsen (braucht Ihr die noch? Ich möchte meinen nächsten unfreiwilligen Ski-Stunt aus wenigstens drei Perspektiven filmen) sowie die vielen Closeups sind vielleicht neuen Sehgewohnheiten geschuldet und werden für meinen Geschmack zu häufig eingesetzt, aber letztendlich geht es hier ja um die Musik, die selbst die rheinische, notorische Frohnatur zu fesseln vermag. Was ich indes etwas enttäuschend finde, ist, dass Promo-Material, Vinyl und offenbar auch die digitalen Veröffentlichungen nicht wesentlich mehr als die Hälfte der Show für den WDR repräsentieren. Da dürften die Fans noch einige Wünsche in petto haben.

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Darkest Days (3:45)
02. When We Suffer (4:17)
03. Dead Gift (3:53)
04. Black Waters (3:50)
05. A Silver Heart (4:57)
06. Down To The Sky (4:31)
07. Before I Disappear (5:28)
08. Shine Equal Dark (3:44)
Band Website: www.highfighter.de
Medium: LP
Spieldauer: 34:24 Minuten
VÖ: 26.11.2021

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