Livebericht Voivod (mit Grimskunk ) |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Köln (Underground) - 19.04.2011 (37448 mal gelesen) |
Still und heimlich haben sich VOIVOD neben einigen kommenden Festivalauftritten in Europa schon im Frühjahr in den Flieger gesetzt, um hierzulande ein paar ausgewählte Clubgigs zu spielen. Nach dem fantastischen Summerbreeze-Auftritt, dem der Rezensent 2009 beiwohnen durfte, war es natürlich keine Frage, dass Bleeding4Metal auch bei der Clubtour anwesend sein würde - zumal man bei den schicksalsgebeutelten Voivoden gar nicht mehr sicher sein konnte, ob man nach Piggys Tod und der abgeschlossenen Verwertung seines Vermächtnisses durch die letzten beiden Alben überhaupt noch jemals in den Genuss eines VOIVOD-Livegigs kommen wird. Doch dazu später noch mehr. Mit im Gepäck waren die unangekündigten SOURVEIN, die im fast noch leeren Underground-Club ihre zähen Doom-Werke darboten. Die tiefergestimmten Fuzz-Orgien mit Feedbacks und einem grauenvollen Sound (dem untätigen Mixer müsste man links und rechts eine watschen) waren allerdings alles andere als eine positive Einstimmung auf den ansonsten recht abgefahrenen musikalischen Kontext des Abends. So ernteten die tätowierten Jungs auch nicht mehr als Höflichkeitsapplaus, während sich das meiste Publikum draußen im Biergarten die letzten Sonnenstrahlen auf die Matte scheinen ließ. Einen deutlich besseren Start legten die agilen GRIMSKUNK aus Montreal hin. Zwar war die Bühnenpräsentation etwas gewöhnungsbedürftig (ein sitzender Gitarrist, ein Frontkeyboarder), aber die Spielfreude und die Stimmungsgranaten sorgten für einen gelungenen Gig. Der Stil ist am ehesten mit "Punk ohne Schubladen" zu bezeichnen. So findet man peinliche MAMBO-KURT-Ausflüge an der Orgel, echte Melodycore-Kracher im Stil von PENNYWISE, oder das Skater-Feeling von SUICIDAL TENDENCIES ('Gotta Find A Way') bis hin zu puren Metal-Stücken wie 'Gormenghast'. Auch von technischen Problemen an der Klampfe lies sich das Quartett nicht großartig irritieren, sondern rockte, was das Zeug hält. Die Truppe, die sich gerade auf kleinen Bühnen mit intimem Fankontakt zuhause fühlt, erwies sich auch nach der Show als ein Haufen enthusiastischer Idealisten, die sich unermüdlich um den Kontakt zu den Fans bemühen und viel Zeit und Geduld für Gespräche und Fotos mitbringen. Sollten sie mal live bei euch in der Nähe vorbeischauen, ist ein Besuch sicherlich immer lohnenswert. Doch nun zu den Headlinern des Abends: VOIVOD starteten nach kurzem Intro brachial in 'The Unknown Knows' ein. Und wie energisch die Band die kleine Bühne in Beschlag nahm hätte ich nicht so erwartet! Vor allem Snake agierte gesanglich mit wesentlich mehr Power als vor zwei Jahren. Die Zukunft der Band, deren Hauptsongwriter und charismatischer Gitarrist Piggy vor einigen Jahren leider verstarb, war von Drummer und Co-Gründer Away nie kommuniziert worden. Das Live-Lineup mit Dan Mongrain als Gitarrenersatz und Ur-Bassist Blacky für den tourmüden Jason Newsted machte auch bis heute nie einen offiziellen Eindruck. Das hinderte die Ersatz-Saitenfraktion nicht daran, auf der Bühne die Kuh fliegen zu lassen. Blacky und Dan posten bis zum sprichwörtlichen Umfallen (Blacky fegte es tatsächlich einmal bei 'Tornado' von den Füßen). Der alte Chaoskracher 'Ripping Headache' kam so ultrabrutal rüber, als hätte die Band seit 1986 nichts anderes mehr gemacht. Für vermutete Abschiedstouren oder Best-Of-Festivalgigs war das Adrenalin der Kanadier an diesem Tag eigentlich viel zu hoch angesiedelt. Kurzum: schon nach wenigen Songs war klar, dass VOIVOD heiß sind - glühend heiß, wie man es es seit zig Jahren (inkl. der Eric Forrest Ära) nicht mehr gewohnt war. Nach einigen Titeln aus dem ersten Drittel der Bandhistorie wurde sogar mit 'Forlorn' ein Stück von der exzellenten "Phobos"-Scheibe dargeboten, welches ursprünglich mit Eric Forrest eingespielt wurde. Leider finden diese Scheiben mit Eric live noch viel zu wenig Berücksichtigung im Programm der Band. Danach holte Snake aber die Knaller-Überraschung des Tages aus dem Sack: VOIVOD sind tatsächlich dabei, neues Material zu schreiben! Das heißt nicht nur, dass es zum ersten mal VOIVOD-Stoff geben wird, der nicht von Piggy geschrieben wurde - nein, es heißt auch, dass es mit VOIVOD weitergeht! Damit dürfte stilistisch die wohl fünfte VOIVOD-Phase eingeläutet werden. Der vorab dargebotene Song 'Kaleidos' orientiert sich allerdings stark am Stil der "Dimension Hatröss" - es ist verblüffend, wie authentisch das Material mit Dan als Songwriting-Partner gelungen ist! Dass dieser nicht nur in der Lage ist, Piggys Werke beinahe perfekt zu imitieren, sondern auch noch seinen Stil fortsetzt, spricht für die gelungene Auswahl dieses Gitarristen. Dass nach diesem Stück direkt das "Hatröss"-Meisterwerk 'Brain Scan' mit einigen Eiern mehr als in der Studio-Version dargeboten wurde, füllte das verfrühte Osternest nur noch reichhaltiger, und der Rezensent grinste bereits konstant im Kreis. Ebenfalls im Kreis grinste zu diesem Zeitpunkt Away, der aus seinem wie immer minimalistischen Kit maximale Rhythmik rausholte. Beim tanzbaren Groove-Monster 'Global Warning' der letzten Scheibe "Infini" schwebte er in höheren Sphären und hatte sichtlichen Spass - einmal mehr merkte man, wie sehr diese Band Teil seines Lebens ist. Auch wenn die beiden Piggy-Nachlassalben stellenweise durch seine Abwesenheit einen etwas unausgegorenen Eindruck machen, haben VOIVOD 25 Jahre lang legendäre Musik geschrieben, und der Querschnitt auf diesem 90-minütigen Gig war tadellos. Natürlich hätten sie einfach stundenlang einfach alles spielen können, aber mein größter Wunsch wurde erfüllt, denn schon wie auf dem Summerbreeze-Gig steht 'Tornado' nach vielen Jahren der Bühnenabstinenz offenbar wieder im festen Liveprogramm. Es war klar, dass die anwesenden 200 Fans die Band nach dem regulären Programm nicht so einfach gehen lassen würden, und so wurde nach Zugaben gerufen, bis die Band mit dem ungezügelten Debüt-Kracher 'Voivod' zurück auf die Bretter kam, was die ersten Reihen direkt mit einem Moshpit quittierten. Nach dem 'Nothingface'-Titelsong ertönte das Gitarrenvibrato des kongenialen PINK FLOYD Covers 'Astronomy Domine', und Snake forderte das Publikum auf, laut nach Piggy zu rufen, damit dieser hört, dass man ihn nie vergessen wird. Ein magischer Moment, bei dem nicht nur der eine oder andere Besucher Pipi in die Augen bekam, sondern auch Snake selbst kurz um Fassung rang. Schon oft hatte ich die Befürchtung, VOIVOD nie mehr auf der Bühne zu erleben, und wieder einmal straften sie mich Lügen und legten einen Gig hin, der schlichtweg groß war. Und nach dieser Darbietung und einer fantastisch agierenden Besetzung, und vor allem nach dem Beweis, weiter große Musik schreiben zu können, habe ich zum ersten Mal seit Jahren nicht das Gefühl, dass es nur ein großartiger Schlusstakt war, sondern dass dies erst der Anfang ist und VOIVOD mit einem Paukenschlag zurück sind. |
Alle Artikel