Ratt - Infestation

Review von Elvis vom 18.04.2010 (10073 mal gelesen)
Ratt - Infestation RATT haben sich neben den unsterblichen MÖTLEY CRÜE einen der vordersten Plätze im Bereich des Glam Metal gesichert. Insbesondere in den 1980ern konnte der Fünfer aus L.A. vor allem in den USA gewaltig auftrumpfen: ob das Debüt "Out Of The Cellar" mit frühen Krachern wie 'Round And Round', das supererfolgreiche "Invasion Of Your Privacy" mit 'Lay It Down' und ''You're In Love' oder der letzte kommerzielle Höhepunkt "Detonator", bis zum Beginn der 90er Jahre lief alles glatt für die Jungs um Stephen Pearcy. Neben dessen überaus einprägsamem Organ überzeugten stets exzellentes Songwriting mit Melodie und einer Eingängigkeit im Songmaterial, welches nur wenige Bands für sich in Anspruch nehmen könnten. Hinzu kam noch eine wohldosierte Portion Härte, die jedoch nie die anderen Zutaten des Erfolgsrezeptes übertünchte.Für die satten Gitarren sorgten dabei Warren DeMartini und Robbin Crosby und da die ganze Melange so hochinfektiös war, hatten RATT (nachdem sie selbst mit etlichen großen Namen schon auf Tour gewesen waren) Mitte der 80er bei ihrer ersten Headliner-Tour in den Staaten z.B. schon eine noch nicht ganz so große Band aus New Jersey als Support dabei... und was später aus den Jungs um einen gewissen Jon Bon Jovi werden sollte, wissen wir alle. Während BON JOVI es nämlich schafften, bis heute durchgehend populär zu bleiben (und dabei mal eben ihre Anfänge im Hairmetal massiv verließen, um sich gänzlich anderen Käufer(innen)schichten zuzuwenden), schlug das musikalische und sonstige Schicksal bei RATT erbarmungslos zu. Die große Depression des Grunge brach über das einstmals fröhliche Leben voller Sex, Drugs und Rock 'n' Roll hinein und strich flugs düster-bedeutungsschwer blickend alle heiteren Bestandteile außer den Drogen. Dieser Lebensgrundlagen ebenso wie weiten Teilen der Fans beraubt, taumelte das einstige RATT-Schiff gewaltig in den Stürmen des fragwürdigen Geschmacks. Magere zwei Alben und Besetzungswechsel, die im zweifachen Ausstieg von Frontmann Pearcy gipfelten, sprechen eine deutliche Sprache, ebenso die zweifelhafte Ehre, zeitweilig doppelt unter dem Namen RATT zu touren. Zudem zahlt Gitarrenheld Crosby einen hohen Preis für das wilde Leben: eine HIV-Infektion, die Mitte der 90er bekannt wird, endet 2002 nach der AIDS-Erkrankung mit dem viel zu frühen Tod im Alter von nur 41 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war er zwar schon längst nicht mehr RATT-Mitglied, dennoch schockiert die Nachricht immer noch die Fans der Kalifornier. Zu diesem Zeitpunkt läuft kaum noch etwas rund im RATT-Camp. Allerdings haben die Zeiten sich gewandelt und RATT 'n' Roll kommt langsam wieder ins allgemeine Bewußtsein und vor allem ins Rollen. So verwundert es nicht, dass 2007 plötzlich Stephen Pearcy wieder an Bord des Schlachtkreuzers steht und man in Fast-Originalbesetzung wieder die Hallen rockt. Ein neues Album liegt zwangsläufig in der Luft. Doch dauert es noch drei lange Jahre, bis es endlich so weit sein soll. RATT lassen sich Zeit. Richtig viel Zeit. So viel Zeit, dass man schon fast nicht mehr glauben mag, dass es wirklich erscheinen wird.

Doch endlich, im April 2010 hat das Warten ein Ende und "Infestation" erblickt das Licht der Welt. Können RATT nach über einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte noch ein Album veröffentlichen, mit dem sie wirklich zu überzeugen vermögen? Werden die Trademarks der Band noch vorhanden sein, ohne dass man in zweifelhafte Selbstzitate verfällt? Besitzen Stephen Pearcy und das RATT-Pack noch genug Substanz, um den Kreuzer auf Kurs zu bringen? Fragen über Fragen, auf die die vorab veröffentlichte Single 'Best Of Me' bereits ein feines Appetithäppchen und die eine zarte Ahnung einer Antwort auf die Zunge des Glam Metal-Gourmets zaubert. Und so viele Zweifel ich auch im Vorfeld hatte wie gleichzeitig die Neugier auf "Infestation" wuchs: RATT fegen diese Befürchtungen bereits mit dem ersten Durchlauf gnadenlos weg. Schon die ersten Takte des mächtigen Openers 'Eat Me Up Alive' zeigen klar die Handschrift der kalifornischen Glam Metal-Meister und ab da dröhnt "Infestation" nur noch so über den Hörer hinweg. Eine echte Neuerung ist dabei die Lautstärke, denn im Gegensatz zu den insoweit dezenten alten Alben ist die hier nämlich brutal nach oben gezogen. Da es jedoch nicht zu Lasten des Klangs geht, ist das grundsätzlich auch deutlich angenehmer im Alltag, selbst wenn man nicht taub ist. 'Best Of Me' folgt umgehend auf den furiosen Auftakt und wer den Song noch nicht kannte, bekommt ihn spätestens jetzt nicht mehr aus den Gehörgängen - die Single ist tatsächlich ein formidabler Ohrwurm geworden. In dieselbe Kerbe schlägt 'A Little Too Much', wobei der Name sicher kein Programm ist. RATT schaffen es nämlich, genau die richtige Mischung zu finden: zwar geht es durchaus "Back to the roots" und man besinnt sich auf die Stärken der frühen Jahre, ohne dabei jedoch altbacken zu klingen. Die Band klingt zwar jederzeit wie sie selbst, verfällt dabei aber nicht in eintönige Retroklänge, sondern bringt die Songs mit Frische und einer Leichtigkeit dar, dass es eine wahre Pracht ist. Ob 'Look Out Below' oder 'Last Call', ein Ausfall der klassisch-modern klingenden RATT des Jahres 2010 ist Fehlanzeige. 'Lost Weekend' spielt leicht augenzwinkernd mit leichten Zitatanleihen, schielt dabei vor allem in Richtung 'Lack Of Communication' und macht das so charmant, dass man nicht ernstlich böse sein kann. 'As Good As It Gets' untertreibt namentlich ziemlich und an dieser Stelle fällt auf, dass hier erstmalig ein klein wenig Tempo aus "Infestation" herausgenommen wird - bislang ging es nämlich ziemlich drauf los. Was nicht heißen soll, dass der Song langsam wäre, er bietet nur ebenso wie 'Garden Of Eden' eine leichte Verschnaufpause der mittelflotten Art. 'Take A Big Bite' drückt da schon wieder mehr nach vorne, bevor es tatsächlich mal langsam wird, denn mit 'Take Me Home' folgt die einzige Ballade des Albums. Und die ist dafür auch richtig gut - eine goldrichtige Entscheidung, es bei einer Ballade von dieser Güteklasse zu belassen! 'Don't Let Go' tritt zum Abschluss nochmals das Gas durch und schmeißt den Hörer gediegen aus dem Album heraus, um abermals alle guten Eigenschaften zu vereinen. Dass Pearcy und Co. musikalisch in ausgezeichneter Form sind, zeigt sich an allen Ecken und Enden und entgegen aller Befürchtungen kann man nur sagen: RATT können 2010 tatsächlich locker mit ihren Klassikern mithalten. Wenn diese Energie und dieser Saft jetzt auch noch bei den Festivalgigs im Sommer (u.a. Bang Your Head, Graspop, Download) rüberbringen können, steht der endgültigen Rückkehr des RATT 'n' Roll nichts mehr im Wege. Zumindest bei iTunes gibt es zudem übrigens noch eine Special Edition mit einem zusätzlichen Studio- und drei Live-Tracks zu erwerben.

"Infestation" ist - wie das Wortspiel mit dem Bandnamen schon suggerieren soll - tatsächlich eine echte Plage geworden, denn das Album bleibt unweigerlich im Gehörgang stecken, will nicht mehr heraus und auch nach etlichen Durchläufen zeigen sich keine nennenswerten Ermüdungserscheinungen. Alles andere als die Höchstwertung wäre daher ein Sakrileg - und wer auch nur ein bisschen etwas mit Glam Metal anfangen kann, muss "Infestation" haben. RATT liefern ein echtes Frühjahrshighlight ab, der Kreuzer ist wieder voll auf Kurs und darf gerne mehr Fahrt aufnehmen... bei diesem Niveau wären zehn weitere Jahre Wartezeit auf ein neues Album eine echte Qual. Von daher also, RATT 'n' Roll!

Anspieltipps: 'Eat Me Up Alive', 'Best Of Me', 'Lost Weekend', 'Don't Let Go'

Gesamtwertung: 10.0 Punkte
blood blood blood blood blood blood blood blood blood blood
Trackliste Album-Info
01. Eat Me Up Alive (4:12)
02. Best Of Me (4:18)
03. A Little Too Much (4:04)
04. Look Out Below (3:44)
05. Last Call (3:55)
06. Lost Weekend (3:45)
07. As Good As It Gets (4:38)
08. Garden Of Eden (3:02)
09. Take A Big Bite (2:46)
10. Take Me Home (4:22)
11. Don't Let Go (3:22)
Band Website: www.facebook.com/therattpack/
Medium: CD
Spieldauer: 42:08 Minuten
VÖ: 16.04.2010

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten