Ein Interview von Krümel vom 26.10.2019 (33312 mal gelesen)
THANATEROS - die Celtic Metaller schienen verloren geglaubt und waren dennoch nicht vergessen. Eine ganze Dekade ist vergangen, bis die Band nun kürzlich mit einem neuen Werk zurückgekehrt ist. Das war mehr als Grund genug, um mit Bandkopf Ben Richter über die letzten zehn Jahre zu sprechen.
Hallo Ben, vielen Dank, dass wir mal wieder miteinander kommunizieren können. Anlass ist die neue THANATEROS-Scheibe, die soeben erschien. Seit der letzten sind sage und schreibe zehn Jahre vergangen. Eine lange Zeit, in der viel passiert ist ... Was war der Grund, warum du THANATEROS nach "Liber Lux" auf Eis gelegt hast? Denn ich erinnere mich an deine Aussage in unserem Interview vor einer Dekade: "Eine kleine Auszeit erlauben wir uns schon. Aber im Hinterkopf spuken schon die ersten neuen Ideen herum und ich kann mir vorstellen, dass es nicht mehr lange dauert bis diese nach vorne drängen und mich "zwingen" mich ins Studio zu begeben, um dort die ersten Demos aufzunehmen" ...
Ben: Es kam vieles zusammen, was dazu führte, dass ich THANATEROS 2009 aufgelöst hatte: Mit der neuen CD "Liber Lux" lief es nicht ganz so wie erhofft, es gab Probleme mit dem Line-Up, im Privaten gab es Veränderungen ... Und all dies führte dann dazu, dass ich für THANATEROS keine Zukunft mehr sah. Ich hatte damals nie daran gedacht nur eine Pause einzulegen – das Kapitel THANATEROS war für mich beendet.
Zwischendurch hast du ja an anderen Projekten gearbeitet, mit denen du nicht unerfolgreich warst. Was war denn ausschlaggebend dafür, THANATEROS doch wiederzubeleben? War es eine spontane Eingebung oder ein längerer Gedankenprozess?
Ben: Ich hatte 2015 zusammen mit Chris Lang ja die Band PHOSPHOR gegründet. Nach der Veröffentlichung des zweiten Albums "Weltenbrand" und einem personellen Umbruch war ich dabei ein drittes Album zu schreiben. Beim Songwriting habe ich dann schnell gemerkt, dass es mich wieder stark in die dunklere Richtung zieht - weniger Metal, mehr Gothic und irgendwie atmosphärischer. Zudem bekam ich immer mehr Lust, wieder in Englisch zu singen und ich spielte auch mit dem Gedanken, eine Geige als Melodie-Instrument einzusetzen. Das passte dann alles nicht mehr wirklich zu PHOSPHOR. Und da wir wie angesprochen ja eh in einem Umbruch steckten, reifte in mir die Idee, THANATEROS wiederzubeleben. Da das Ende 2009 für mich ja wirklich ein "Ende" war, hat es dann doch ein wenig gedauert, bis ich mich "getraut" habe, THANATEROS neu zu erschaffen. Aber Chris war auch Feuer und Flamme und somit fingen wir dann an, neue Musiker für THANATEROS zu suchen.
Nachdem du deine Wiederbelebungs-Pläne auch öffentlich gemacht hast, wie waren denn die Reaktionen zum Beispiel der alten Fans, als sie davon erfuhren?
Ben: Ich war doch recht positiv überrascht, wie viele Menschen sich noch an THANATEROS erinnerten – nach 10 Jahren hätte ich das nicht zu hoffen gewagt. Es kamen von allen Seiten positive Reaktionen und auch wenn mir klar war, dass es ein wirklicher Neubeginn ist und niemand mehr ernsthaft was auf alte Erfolge geben würde, war es doch eine zusätzliche Motivation und Bestätigung, das Richtige gemacht zu haben.
Bis nun "Insomnia" tatsächlich das Licht der Welt erblickte, dauerte es doch noch etwas. War es ungewohnt oder schwierig für dich, wieder den THANATEROS-Spirit aufleben zu lassen?
Ben: Überhaupt nicht! Wie erwähnt saß ich ja schon an einem neuen Album, war hochmotiviert und auch wenn die Suche nach passenden Mitstreitern etwas dauerte, gingen wir schon daran, konkrete Pläne zu schmieden. Auch unsere frühere Booking-Agentur Extratours bot uns eine neue Zusammenarbeit an, was uns natürlich noch mehr anspornte ...
Hat es sich ohne deine damaligen Mitstreiter seltsam angefühlt? Wie war es, nun mit anderen Musikern an deiner alten Band zu arbeiten?
Ben: Da es ja wirklich ein Neuanfang war und es wie gesagt Probleme mit dem alten Line-Up gab, war das absolut kein Problem. Wichtig war mir, dass sich die neuen Mitglieder bewusst sind, dass THANATEROS eine Band mit Geschichte ist, die ja durchaus ein paar Erfolge feiern durfte. Das heißt auch, dass sich jeder mit der Musik und auch mit dem Image, das die Band vertritt, identifizieren sollte. Mit Christof an der Geige, Christian am Bass und Marcus an den Drums haben wir wirklich erstklassige Musiker gefunden, die auch auf den anderen Ebenen einfach super zu THANATEROS passen.
Lass uns konkret über "Insomnia" sprechen. Ich finde, dass dem Album eine recht düstere Stimmung innewohnt, anders als den früheren Werken. Die wirkten irgendwie "leichter". Was ist für dich/euch selbst der größte Unterschied?
Ben: Das stimmt. "Insomnia" ist wesentlich "dunkler", atmosphärischer als die vorherigen Alben. Auch gehörte für mich der Irish-Folk mit seiner speziellen Melodieführung und der typischen Instrumentierung der Vergangenheit an und spielte für das zweite Kapitel von THANATEROS keine Rolle mehr. Klar war nur, dass wieder eine Geige mit dabei sein sollte.
Von den dreizehn Liedern sind neben dem Intro und Outro auch noch zwei kurze Zwischentracks auf dem Album. Alle vier Titelnamen enden mit " ..." - was hat es damit auf sich?
Ben: Das ist einfach eine Kennzeichnung, dass es eben keine "richtigen" Songs, sondern Zwischenstücke sind, die zur Atmosphäre und dem Gesamteindruck des Albums beitragen sollen.
Auf mich wirkt das Werk trotz seines Namens "Insomnia" (was ja Schlaflosigkeit bedeutet) insgesamt, als würde man eine Nacht mit all ihren unterschiedlichen Schlafphasen, Träumen und wacheren Zeiten, in denen man sich Gedanken macht, durchleben. Liege ich da richtig?
Ben: Durchaus. Der inhaltliche rote Faden auf "Insomnia" sind Traumwelten und das Unterbewusstsein - Zustände beziehungsweise "Welten", zu denen man oft nur im Schlaf Zugang findet. Wobei es im Schlaf oft sehr schwer ist, bewusst zu bleiben - also die jenseitigen Sphären auf eine Art zu erleben, die es einem ermöglicht, auch im Wachen Nutzen daraus zu ziehen. Eine anhaltende Schlaflosigkeit kann aber durchaus in einen Zustand führen, der zwischen Schlaf und Wachsein liegt. Traumbilder steigen auf, man erhascht Einblicke "hinter die Mauern des Schlafes", ist aber noch wach genug, um dies bewusst wahrzunehmen. "Insomnia" steht somit für die Verbindung beider Welten - der wachen Welt, die wir in unserer Kultur gemeinhin als "Wirklichkeit" bezeichnen und der Traumwelt, den Gefilden unterhalb der Oberfläche.
Mit 'Black Tide' gibt es wieder einen Song, in dessen Lyrics ganz oft das Wort "Tide" vorkommt. Das ist mir schon bei den früheren Scheiben aufgefallen - du scheinst einen besonderen Bezug zum Meer respektive den Gezeiten zu haben? Oder ist das nur Zufall?
Ben: Nein, das ist kein Zufall ... Ich liebe das Meer, den Ozean. Wahrscheinlich könnte ich seitenweise über diese Leidenschaft und was dahinter steckt schreiben. Aber da das wohl die wenigsten interessieren würde, erlaube ich mir diese Sehnsucht immer wieder in meinen Texten zu verarbeiten. Und da das Meer - und Wasser im Allgemeinen - ja auch ein starkes Symbol für unser Unterbewusstsein und unsere Gefühlswelt ist, bietet sich das Thema gleich zweimal an ...
Am 30.8. wurde vorab die Single zu 'The Lost King' veröffentlicht. Warum ausgerechnet dieser Song?
Ben: Ich finde es immer schwer, sich für einen Single-Song zu entscheiden. Meist gibt es auf einem Album vier, fünf Songs, die sich einfach dafür eignen, weil sie nicht zu lang und nicht zu kurz sind, eine Melodie haben, die im Ohr bleibt, vom Aufbau her nicht zu komplex sind und so weiter. Wir alle waren der Meinung, dass sich 'The Lost King' als erste Single am besten eignet.
Als "B-Seite" gab es 'In Time' vom 2005er Album "Into The Otherworld" dazu. Aus welchem Grund habt ihr keines der aktuellen Stücke genommen? Und auch wie eben die Frage: Warum ausgerechnet dieses?
Ben: Heutzutage sind "B"-Seiten ja eigentlich nicht mehr relevant. Als man Singles noch als "echte" CDs veröffentlichte (oder noch früher als Schallplatten – für den Fall, dass das noch jemand kennt ... ??), war es natürlich wichtig, den Leuten mehr als nur einen Song zu bieten. Von daher gab es dann diverse Re-Mixe und eben noch einen weiteren Song. Da wir im Live-Programm natürlich auch alte Songs haben, wollten wir mit der Wahl von 'In Time' einfach einen Bogen zum ersten Kapitel von THANATEROS schlagen.
Welchen Song magst du am meisten auf "Insomnia" und aus welchem Grund? Gibt es auf der anderen Seite auch einen, den du im Nachhinein weniger magst?
Ben: Ui, dass ist schwer zu sagen, da das immer wieder wechselt. Beim Songwriting und wenn die Stücke dann ausgearbeitet sind, finde ich (natürlich ??) alle Songs super. Wenn dann die Aufnahmen im Kasten sind und ich jeden Song drei Millionen mal gehört habe, finde ich erstmal alles schrecklich. Und dann nach einiger Zeit kann ich es genießen, mir die fertige CD anzuhören. Welcher Song mir dann am besten gefällt, hängt immer ein bisschen von meiner Stimmung ab. Und natürlich gibt es auch den einen oder anderen, der nicht unbedingt zu meinen Favoriten zählt - das hat aber nichts mit dem Stück an sich zu tun, sondern weil ich da dann Unsauberkeiten, was die Vocals angeht, raus höre beziehungsweise weiß, dass da bei den Aufnahmen ein paar Schwierigkeiten auftauchten und ich ein wenig "kämpfen" musste. Aber welche Songs das sind verrate ich natürlich nicht ...
Wenn du dich entscheiden müsstest: Welches bisherige THANATEROS-Album würdest du als das beste bezeichnen? Und warum?
Ben: Auch das kann man schwer sagen. Jedes Album steht ja für sich, ist ein Ausdruck des damaligen Empfindens, hat eine Geschichte und somit auch eine Art Seele. Das ist wie mit den eigenen Kindern - da kann man (normalerweise) auch nicht sagen, dass man das eine mehr liebt als das andere. Meist ist natürlich das aktuelle Album das, welches man am "besten" findet, da es ja das ist, welches die aktuellen Gefühle, Sichtweisen und musikalischen Vorstellungen vermittelt. Ich denke, dass gerade bei uns alle Alben sehr eigenständig sind. Und auch wenn man hoffentlich einen gemeinsamen, eigenen Stil erkennt, so sind sie doch klar unterscheidbar. Es gibt ja dann doch Bands, bei denen sich jedes Album irgendwie gleich anhört ...
Bisher stehen laut eurer Webseite nur zwei Live-Auftritte fest, einer im November und einer beim Castle Rock 2020. Plant ihr denn auch eine Tour?
Ben: Unsere Booking Agentur Extratours ist gerade dabei, das nächste Jahr zu planen. Es stehen schon eine ganze Menge an Gigs, die auch bald veröffentlicht werden und es werden dann sicher noch einige dazukommen. Eine Tour ist immer etwas schwer umzusetzen: Leider kostet es doch einen ganzen Haufen Geld, wenn man als Support einer größeren Band mitfahren möchte. Das heißt, man zahlt dafür, spielen zu können, bekommt keine Gage, muss aber auch noch für den Transport und die Übernachtung aufkommen. Und eine Headliner-Tour macht für uns noch keinen Sinn. Die Zuschauerzahlen gehen ja leider immer mehr zurück, weil die Leute lieber zu Hause hocken oder einmal im Jahr auf ein
Konzert einer völlig überteuerten "Superstar-Band" gehen und dann keine Kohle mehr haben, um sich kleinere Bands anzuschauen. Von daher werden wir in Zukunft hauptsächlich wohl erstmal auf Festivals und ausgewählten Club-Shows zu sehen sein.
Was mich persönlich - und vermutlich auch viele eurer langjährigen Fans - brennend interessiert: Bleiben uns THANATEROS jetzt erhalten?
Ben: Man weiß zwar nie was passiert, aber geplant habe ich eigentlich schon, mit THANATEROS noch länger weiterzumachen. Es geht ja gerade auch wieder richtig los und wir alle sind hochmotiviert und freuen uns auf alles was in nächster Zeit ansteht - also in naher Zukunft ein weiterer Video-Dreh, dann natürlich haufenweise Konzerte, irgendwann die nächste CD und so weiter.
Na - das freut uns doch sehr! Und wie immer: Die letzten Worte gehören dem Musiker ...
Ben: Danke fürs Interview und allen die das Interview bis hierher gelesen haben. Goth on, wir sehen uns. THANATEROS