ASP - Verfallen, Folge 1: Astoria | |
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Review von Rocko Flanell vom 16.11.2015 (8319 mal gelesen) | |
Angefangen hat alles irgendwann im Jahr 2000: Ich habe auf irgendeinem Sampler das erste mal ASPs 'Und Wir Tanzten (Ungeschickte Liebesbriefe)' gehört, welches mich mit den ersten Noten erwischt und emotional gepackt hatte. Diese Single war eine der ersten Veröffentlichungen der Band. Das erste Album "Hast Du Mich Vermisst?" gehörte damals mit zu den Platten, die mir meinen Weg bereiteten, zusammen mit Bands wie LACRIMOSA, SUBWAY TO SALLY oder auch CRADLE OF FILTH. Quasi alle zwei Jahre bringen ASP seitdem ein neues Album raus, und jedes Mal freue ich mich auf neuen Output der Band. Denn sie schaffen es jedes Mal, mit mindestens einem Stück pro Platte, mich emotional zu berühren, so wie es sonst kaum eine andere Band vermag. Woran das liegt? In erster Linie daran, dass bei ASP die Geschichten im Vordergrund stehen, die auf den Platten erzählt werden. Die Musik ist das Mittel, um die Geschichten zu transportieren, und passt sich dem was erzählt wird an. Mal gibt es harte Gitarren und drückende elektronische Beats, das andere Mal zarte Streicher und Klavierklänge. Im Laufe der Zeit wichen die elektronischen Anteile, sehr zu meinem Gefallen, echten Instrumenten, auch wenn die Keyboards immer noch ein wichtiges Element in der Musik sind. Das es auch ganz ohne geht, davon könnt ihr euch auf dem Live Album "Von Zaubererbrüdern - Live & Unplugged" überzeugen. Eines meiner liebsten Live-Alben bis heute, da die Musik auch ohne den ganzen elektronischen Schnickschnack funktioniert, was meiner Meinung nach auch wieder für die Qualität der Songs spricht. Kommen wir zum aktuellen Album "Verfallen, Folge 1: Astoria", ein sperriger Titel, keine Frage, lässt sich aber schnell erklären: "Verfallen" ist der Titel der Geschichte, die erzählt wird, und diese besteht aus zwei Teilen. Logisch, oder? "Verfallen" hat jedoch nichts mit der letzten Veröffentlichung ASPs zu tun, denn auf Neues zum "Fremder"-Zyklus müssen wir nun erst mal warten. "Verfallen" ist inspiriert von einer Kurzgeschichte des Autors Kai Meyer. Hauptort der Handlung ist das Namen gebende Hotel Astoria in Leipzig, das seit Ende 1996 leer steht, und seitdem sich selbst überlassen wird. Kurz vorweg sei gesagt, wer ASP früher noch nicht mochte, wird auch mit der neuen Platte kaum Gefallen an der Band finden. Die rockigen Stücke kommen mit 'nem ordentlichen Gitarrenbrett daher, das sich durchaus sehen lassen kann. Auch der Bass klingt super durch. Da kann man sich gleich beim ersten Track 'Himmel Und Hölle' von überzeugen. Was dem entgegensteht sind die fast schon poppigen Gesangsmelodien. Wer die Stimme des Sängers Asp nicht leiden kann, wird auch jetzt nicht mehr Freund mit der Band. Ja, die Stimme ist sehr eigen, und wird sicherlich für die Meisten das eigentliche Problem bei der Band sein. Die ersten beiden Lieder drehen sich um Berlin und den Beschluss des Erzählers selbiges zu verlassen. Dabei erfahren wir, dass die Geschichte im Jahr 1919 startet. Ein dunkles Geheimnis scheint den Erzähler zu umgeben, aber wir erfahren nichts Konkretes. Der Entschluss, Berlin zu verlassen, wirkt fast wie eine Flucht. Dies geht sogar einher mit einer neuen Identität, wie wir in Track drei erfahren, als wir zusammen mit dem Erzähler die Zugreise nach Leipzig unternehmen. Sehr schön, wie der Rhythmus des Liedes den Part des Zuges übernimmt. Mit Track vier sind wir dann bei meinem Favoriten, denn 'Baukörper' ist der Song, der mich mit all seinen positiven Emotionen zu Tränen gerührt hat. Es steckt soviel Hoffnung in diesem Song, dass es schon fast weh tut. Eine grandiose Leistung, in meinen Augen. Worum es geht? Unser Hauptcharakter kommt in Leipzig am Bahnhof an und nimmt all die neuen Eindrücke in sich auf. Man spürt, wie die Sonne seine Haut erwärmt, nachdem er die Bahnhofshalle verlässt. Jeder kennt dieses Gefühl, wenn man mal mit dem Zug in den Urlaub gefahren ist, daher kann sich jeder in diese Situation selbst hineinversetzen. Ab sofort erklingt in meinem Kopf genau diese Melodie, wenn sie insgeheim nicht schon immer da gewesen ist ... 'Begeistert' bricht im Anschluss sehr hart mit dem davor gehörten Track. Lead-Synth, Gitarrenbrett und knüppelnde Snare schlagen neue Töne an. Leider gerät der Gesang wieder zu poppig, so dass da einiges an Kraft flöten geht. Wo wir gerade bei Brüchen sind: 'Lift' ist ein Tango. Hier kommt eine zweite wichtige Person ins Spiel, eine geheimnisvolle, unbekannte Frau. Ab hier wird's dann mit der Geschichte etwas mysteriös. Das Astoria wird allmählich vom Erzähler personifiziert, vielleicht wird dann nun auch das Wortspiel deutlich, dass sich in 'Astoria Verfallen' versteckt. Welche Konsequenzen das hat, das zeigt uns 'Souvenir, Souvenir'. 'Blank' ist mehr eine Lesung mit Hintergrundgeräuschen denn ein Lied. Die Instrumente schaffen mehr eine Geräuschkulisse denn Musik. Es gibt nun also auch Drone-Doom-Anleihen auf ASP-Platten. Der Erzähler vergleicht sich derweil mit Jona im Wal. Damit baut man die Stimmung für das folgende 'Dro(eh)nen aus dem rostigen Kellerherzen' auf. Die folgenden beiden Titel nehmen zusammen weit über zwanzig Minuten Spielzeit ein und zeigen uns den endgültigen Wandel des Charakters. Astoria fordert immer mehr, bis hin zum Äußersten. Unser Erzähler versucht sich zu wehren, doch kann er "Ihr" nicht widerstehen. Musikalisch wird dies umgesetzt durch eine, zunächst akustische, Ballade, die immer mehr an Intensität und Düsternis hinzugewinnt. Die Gitarren werden verzerrter, und sind tiefer gestimmt. Bis dann jegliche Bedenken verschwunden sind. In 'Loreley' treffen wir dann wieder auf die Unbekannte aus 'Lift', und auch der Tango nimmt im Verlauf des Liedes wieder Einzug. Sie ist es, die zum Opfer auserkoren wurde, jetzt, wo die Souvenirs nicht mehr reichen. Das letzte Stück, 'Fortsetzung Folgt' wirkt auf mich an letzter Stelle nun wie ein Fremdkörper und reißt mich völlig aus der Stimmung, sowohl musikalisch als auch von der Geschichte. Irgendwie passt es nicht, oder ich verstehe es nicht. Es klingt wie für die Disko geschrieben. Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Platte mit den letzten Klängen von 'Loreley' ausgeklungen wäre. Wie schon angedeutet, ist musikalische Abwechslung auf der Platte gegeben. Im Mittelpunkt steht die Geschichte, was, denke ich, dieses und andere ASP-Alben von vielen anderen Konzeptalben unterscheidet. Denn die Musik muss sich an die Geschichte anpassen. Musikalische Stilmittel werden genutzt, um die Stimmung in der Geschichte zu verstärken oder werden mit Charakteren verknüpft, ähnlich wie bestimmte Farben und Perspektiven im Film genutzt werden, um Charakteristika zu erschaffen. Meiner Meinung nach hat die Band hier ganz großes Kino abgeliefert. Trotz meiner Kritikpunkte, zuweilen zu poppige Gesangmelodien und dem letzten Stück, geb ich der Platte die volle Punktzahl, denn letztlich gab es diese poppigen Melodien schon immer bei ASP, und die machen dadurch den Einstieg für "unbedarfte" Hörer leichter. Den letzten Track brauch ich am Ende nicht anmachen, und habe mein perfektes Ende für die Platte. Problem gelöst. Gruß Rocko Flanell Gesamtwertung: 10.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Himmel Und Hölle (Kreuzweg) 02. Mach's Gut Berlin 03. Zwischentöne: Ich Nenne Mich Paul 04. Zwischentöne: Baukörper 05. Begeistert (Ich Bin Unsichtbar) 06. Zwischentöne: Lift 07. Astoria Verfallen 08. Souvenir, Souvenir 09. Zwischentöne: Blank 10. Dro(eh)nen Aus Dem Rostigen Kellerherzen 11. Alles, Nur Das Nicht! 12. Loreley 13. Fortsetzung Folgt. 1 | Band Website: www.aspswelten.de/ Medium: CD Spieldauer: 73:16 Minuten VÖ: 16.10.2015 |
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