Interview mit V von Verheerer

Ein Interview von Musty vom 12.12.2019 (24919 mal gelesen)
Die Flensburger Truppe VERHEERER hat sich im Zuge ihres kürzlich veröffentlichten Albums "Monolith" unseren Fragen gestellt.

Grüß euch, wie geht's? Eure neue Scheibe ist jetzt ein paar Wochen draußen. Wie ist die bisherige Resonanz zum Album?

SIMON: Mördergut. Also wirklich richtig gut. Ich find ja kurz vor und nach dem Release immer alles scheisse, haha - aber mit der Reaktion hab ich tatsächlich nicht gerechnet. Spannend ist dennoch, dass es immer mal wieder Stimmen gibt, die mit bestimmten Elementen gar nicht zurechtkommen und andere, die genau diese Sachen richtig abfeiern.

Live habt ihr einige Songs schon bei eurer Record Release Show und beim Vendetta Fest präsentieren können. Wie haben die Fans die neuen Songs aufgenommen?

SIMON: Geradezu frenetisch. In Flensburg hatten wir ja Heimspiel, da war das eh klar, weil der Laden zu 50% unsere Freunde abgefüllt hat … nee, anders: Weil der Laden zu 50% mit unseren Freunden gefüllt war. Aber auch in Berlin war das Feedback auf das neue Material super. Klar, ist ja auch fast wie Heimspiel, wenn man das dritte Mal in Folge auf dem gleichen Festival spielt ...

Mir fällt auf, dass sich im Songwriting im Gegensatz zur "Maltrér" etwas verändert hat. Seid ihr dieses Mal anders an die Sache herangegangen? Beim Hören merkt man, dass insbesondere bei den Gitarrenriffs neue Impulse zu verzeichnen sind. Sind die neuen Mitglieder auch im Songwriting integriert gewesen?

SIMON: Ja. Das letzte Mal hab ich die Songs geschrieben, irgendwann als fertig deklariert und dann mit Basti ein Demo dazu gemacht. Die Unterschiede zwischen Demo und fertiger Aufnahme waren da überwiegend technischer Natur und vielleicht gab es auch mal eine geänderte Melodie. Dieses Mal hab ich die Demos "grob" geschrieben, Lukas (Rhythmusgitarre) hat dann nochmal dran gearbeitet (gekürzt, getauscht, gedoppelt oder auch Harmonien hinzugefügt) und dann haben Simon (Drums) und Mirkko (Bass) ihr Parts in die Noten eingetragen. Bei den Gitarrenriffs hab ich überwiegend die Riffs geschrieben, die Rhythmusgitarren hat jedoch Lukas eingespielt, während ich nur den Großteil der Leads und Melodien eingespielt habe. Die Songs und Riffs sind diesmal unter sehr unterschiedlichen und spontanen Bedingungen entstanden. Anders als beim letzten Album ist auf Monolith jeder Song aus einem Riff geboren. Mit Ausnahme von 'The Fatalist' - bei dem weiß ich’s nicht, da Lukas mit dem, vollständig fertig, plötzlich um die Ecke kam - und 'Theios Aner'. Letzte basiert auf Riffs, die 10 Jahre alt sind und direkt nach dem Scheitern vom VERHEERER-Vorgänger von mir und Basti entstanden ist.

LUKAS: Wie der Zufall so wollte, ist der Ursprung aus einem einzigen Riff heraus auch bei 'The Fatalist' der Fall. Das war bereits drei Jahre alt, die restliche Musik ist dann Ende 2018 in zwei Stunden entstanden und Note für Note so stehengelassen worden. Das wiederum war trotz der ähnlichen Entstehungsweise nach meinem Vergehen an Simons Songs nicht der Fall. Wir haben gemeinsam teilweise so stark daran geschraubt, dass wir für die meisten sogar ein zweites Mal Demos eingespielt haben. Insofern ist Monolith viel mehr ein Bandprodukt als "Maltrér".

Mir fällt der Wandel ebenfalls beim Gesang auf. Der ist jetzt etwas direkter und brutaler, weniger hymnisch als noch auf dem Vorgänger.

BASTIAN: Das hast du gut erkannt. (lächelt) Okay, ich vermute, dahinter steht eine Frage: Wir haben uns im Vorfeld der Demo-Aufnahmen jetzt nicht hingesetzt und großartig besprochen, wie der Gesang werden soll. Als Simon und ich die ersten Songs lose aufgenommen und schon mal Vocals gemacht haben, haben wir schnell festgestellt, dass dies besser zu den damals schon fertigen Songs passen würde, zum einen ist der Sound, wie ja schon gesagt, erdiger, organischer und direkter, so dass die Vocals da auch mitziehen müssen, zum anderen gebieten die lyrischen Inhalte dies ebenfalls. Damit war die Marschrichtung schon mal vorgegeben. Häufig ertappe ich mich dann jedoch, in Live-Situationen, einige Parts dann doch wieder eher keifen als brüllen zu wollen, weil die Energie eine andere ist, die Songs oder die Situation eine andere Stimmung als auf Platte erzeugen. Witzigerweise verläuft unser Schaffensprozess teilweise sehr unorthodox, und vielleicht wird sich dies auch beim nächsten Album ändern, aber bisher haben Simon und ich die Vocal-Takes immer schön im heimischen Kämmerlein aufgenommen, Simons Feedback ist da immer sehr spezifisch: "Mehr Wahnsinn bitte" oder "Lass den Nocturno Culto raus", sind da schon die präzisesten Anweisungen. Mehr braucht es nicht, und es funktioniert wunderbar.

Was mir besonders bei VERHEERER auffällt, ist die Tatsache, dass kaum Vergleiche zu anderen Black Metal-Bands gezogen werden (können). Welche Bands oder Künstler generell hört ihr am meisten und haben euch maßgeblich geprägt und beeinflusst?

SIMON: Ich sprech jetzt mal nur für mich: Ich höre mittlerweile sehr breit gefächert Musik. Tagsüber, wenn ich irgendwas zuhause mache (ich bin gerade in ein Haus gezogen, da gibt’s immer was) viel BOWIE, QUEEN, ELTON JOHN oder die Klassiker von früher METALLICA, PRIEST und MAIDEN. Black, Death und War Metal natürlich auch immer noch gerne, aber nicht ganz so auf Dauerrotation. Was gerade viel geht ist das unglaublich geile ULTRA SILVAM-Album, die neue TEITANBLOOD, GAAHL'S WYRD, GOLD, NICK CAVE, VULTURE, natürlich SUN WORSHIP, INCULTER, DYSANGELIUM, NEW MODEL ARMY und CRONE. Ich hör wieder viel alten Heavy und Thrash Metal und arbeite gerade so ein bisschen die Alben nach, die ich zu meiner Einstiegszeit verpasst habe und mich damals nicht so begeistern konnten. Wir sprachen da ja schon mal drüber - ich glaube, da ging es um CELTIC FROST… durch die Möglichkeit quasi überall auf einen großen Teil Musik Zugriff zu haben, schaffe ich es entsprechend, mich durch eine gesamte Diskographie durchzuhören und so einen ganz neuen Eindruck von einem Künstler zu bekommen. Ich habe das Glück, einer Arbeit nachzugehen, wo es nicht nur gestattet, sondern gewünscht ist, während der Arbeit mit Kopfhörern Musik zu hören. Wenn ich mich sehr konzentrieren muss, mach ich dann natürlich etwas Bekanntes an, wo ich nicht weiter drauf achten muss. Trip Hop, Dark Jazz, Retrowave, sowas …

LUKAS: Ich kann mich da anschließen. Metal macht bei uns, während er Grundlage des Lebensgefühls ist, auf dem Plattenteller nur einen Teil aus - ich bringe DEBUSSY, JOHN COLTRANE, den BEATLES, YES oder RADIOHEAD ebenso viel Begeisterung entgegen wie den alten SODOM, ENTOMBED oder CELTIC FROST. Insofern teilen Simon und ich als Hörer wie Songwriter einen Hang zum Chaos auf der einen und Melodie auf der anderen Seite. Was wiederum die beiden Hauptzutaten des VERHEERER-Sounds sind, denke ich.

Ich habe euch beim diesjährigen In Flammen Open Air und beim Vendetta Fest gesehen und dort stets durchweg positives Feedback seitens vom Publikum erfahren. Seht ihr das ähnlich?

SIMON: Ja, wobei es sehr unterschiedliche Situationen waren. Der Vendetta-Auftritt verlief ohne größere Pannen auf einer dunklen Clubbühne, der auf dem IFOA mit gerissenen Saiten und verlorenem Kabel taghell in einem Zelt ... trotzdem war das ein sehr intensives Set, da das IFOA-Publikum echt Bock hatte, zu ballern. Das Vendetta ist auch immer toll und das Publikum ist super aufgeschlossen, aber immer auch etwas … ich will nicht sagen, kritischer - aber man wird nach dem Gig ganz anders aufgenommen. Eher so "Schön das du da warst. Eine Frage: Warum machst du das so und so?" Das IFOA-Publikum streckt dir stattdessen die Fäuste entgegen, gibt dir 'n Bier und findet es einfach nur geil! (lacht)

'Serpent Grave' schafft es hoffentlich in jeden eurer künftigen Gigs.

SIMON: Witzige Sache: Der Song hat’s fast nicht auf's Album geschafft. Als dann Stefan (Vendetta Records) sagte: "Wow, der ist ja auch cool. Nehmt doch den als Teaser.", waren wir so "Nee, weiß nicht. Der sprengt vielleicht etwas die Erwartung - ob das gut kommt?". Jedenfalls taten sich alle etwas schwer damit, aber irgendwie wollte er doch bleiben. Er ist im Übrigen der einzige Song, zu dem ich einen Text geschrieben habe. Sonst schmeiss ich immer nur ein paar Zeilen dazu.

Ich muss an der Stelle mal etwas zu eurem Bassisten loswerden. Ich habe noch niemanden auf einer Bühne gesehen, der das gesamte Konzert über grinst. Wie lautet sein Geheimrezept?

SIMON: Er ist Bassist.

BASTIAN: ... Bei VERHEERER!

MIRRKO: Genau. Nach der Klapsmühle kommt eben das Grinsen, erst zuckend, dann konstant… Quatsch. Ich bin einfach froh, kein Gitarrist zu sein. Während die sich nämlich noch lang und breit über Saitenstärken und die einstreuungsfreisten Verkabelungen ihrer Fußtreter austauschen, kann ich schon an der Bar beim zweiten Bier sein und mit einer schönen Frau schnacken. Hach, ich liebe meinen Job! (lacht) Ist aber witzig, dass du das ansprichst. Kleine Anekdote dazu: Als ich das erste Mal mit VERHEERER live gespielt hab - auf schon besagtem IFOA, kamen nach der Show unabhängig voneinander ein paar Leute auf mich zu und kommentierten eben meine gute Laune und das freundliche Lächeln. Ich dachte nur: "Scheiße, Simon bringt mich um …!" Ich habe mir dann extra viel Zeit beim Abbauen gelassen, weil ich nicht in zurück den Backstage-Bereich wollte. (lacht) Simon beließ es dann aber beim kurzen Hinweis darauf, dass wir nochmal an einer einheitlichen Show arbeiten müssten … Tja. Schreiben wir einfach "work in progress" dahinter.

Blicken wir in die Zukunft: Was darf man 2020 von euch erwarten?

SIMON: Ein paar einzelne Gigs im Frühjahr, ein paar Sommerfestivals und eine EP mit der vollständigen Version von 'Heimgang', dem Abschlusssong der "Maltrér". Aus technischen Gründen mussten wir den Song damals kürzen - er passte damals nicht auf die LP und 2LP kam nicht in Frage. Die volle Version gibt es zwar, wir finden sie im Nachhinein aber so mau aufgenommen, dass wir entsprechend neu aufnehmen werden. Außerdem arbeiten wir am "Monolith"-Nachfolger, für den es bereits zwei, drei halbfertige Songs, Arbeitstitel und grobes Konzept gibt. So grob, dass es jederzeit wieder verworfen werden kann, haha.

Möchtet ihr den Leuten/Fans abschließend etwas auf den Weg geben? Ganz offen gefragt.

SIMON: : Supportet den Untergrund so, wie ihr es könnt. Wenn ihr keine Kohle für Konzerte habt, macht n Youtube-Channel oder sowas. Wenn ihr keine Zeit für Konzerte habt, dann kauft Platten oder Merch oder oder oder ... Schnackt mit den Leuten, macht Musik, organisiert Konzerte, nutzt jede Nische, die eure Stadt bietet, um Bands ranzuholen, sprecht mit Leuten, macht Untergrund, macht Metal. Metal machen heißt nicht, dass du Saiten-Hexer sein musst oder du der neue Hellhammer bist: Metal machen heißt, dass du Teil dieser Szene bist - auch wenn du drei Kinder, einen dummen Job und kurze Haare hast.

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten