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70000 Tons Of Metal 2020Hier geht's zur Bildergalerie! |
Take off: 07.01.2020 - Review (44516 mal gelesen) |
Wie alles begann ...
Es gibt Festivals, da plant man ein verlängertes Wochenende, holt sich im Vorverkauf sein Ticket, wenn man auf Komfort steht, reserviert man sich rechtzeitig ein Zimmer, ansonsten packt man Zelt, Bier, Grill, Bier, Fleisch und Bier ins Auto und fährt einfach hin. Dann feiert man 3-4 Tage und fährt übermüdet wieder zurück. Es gibt aber auch Festivals, da ist alles etwas größer, komplizierter, weiter, teurer. Und man braucht mehr Planung. Richtig kompliziert, richtig weit und richtig teuer hat man es, wenn man sich dazu entschließt, auf die 70000 Tons Of Metal zu reisen. Bekannt ist sie jedem deutschen Metalhead, und wer hat noch nicht neidisch rüber nach Florida geschielt und sich gewünscht, wenigstens ein Mal diese Kreuzfahrt mitgemacht zu haben? So ging es auch uns bei Bleeding4Metal. Und Krümel und Opa Steve fassten irgendwann Ende 2018 den Entschluss: 2020 sind wir dabei! Kurzfristig macht man so etwas nämlich nicht. Zuerst haben wir den Vorverkauf der 2019er Cruise studiert, uns in Ablauf und Preise reingefühlt. Dann Urlaub rechtzeitig reserviert, und im Sommer waren wir dann bereit. Es kann losgehen!
Doch zuerst: kam nichts. Schweigen. Keine Bands, keine Termine für den Vorverkauf. Im Forum der Veranstaltung und in den sozialen Medien wurde man schon etwas unruhig. Als dann im Spätsommer immer noch kein wirkliches Lebenszeichen außer kleinen Appetizern in Form von Rückblicken und leeren Werbeankündigungen kam, wurde man sogar so nervös und mutmaßte, ob die Cruise 2020 überhaupt stattfinden würde. Findige Fans durchsuchten sogar den Kalender des Schiffseigners, Gerüchte machten die Runde, und irgendwie schien alles auf der Kippe zu stehen. Doch plötzlich meldete sich der Skipper und verkündete eine krankheitsbedingte Verzögerung. Nichtsdestotrotz musste man noch weiter sehr geduldig sein. Irgendwann gab es endlich die ersten Bands. Die Organisation blieb mit heißer Nadel gestrickt, denn zum Zeitpunkt des Vorverkaufstarts waren gerade mal 12 von 60 Bands bekannt. Dazu kommt, dass es im Vorverkauf eine Staffelung der Termine gibt, denn zuerst dürfen die Gold- und Silver-Surviver buchen, die schon eine oder mehrere Cruises mitgemacht haben. Und es gab Jahre, da blieb es für die Newbies ganz schön eng, wenn man nicht gerade 2000 Dollar für eine Nobelkabine hinlegen möchte (pro Person versteht sich, wozu sich noch satte Gebühren addieren). Doch trotz oder gerade wegen der starken Verzögerung war es dieses Mal tatsächlich ganz entspannt, seine Buchung für 2020 bei der Öffnung für die Allgemeinheit zu platzieren. Zur spannenden Wartezeit addierte sich dann noch das Warten auf die Bestätigung und natürlich die Zahlung, die dieses Jahr auch auf Kreditkarte möglich war. Und dann war da noch die ESTA ... aber das ist ein ganz anderes Kapitel (siehe auch unten "Survivors Guide für 70000 Tons-Newbies").
Da es schon richtig knapp war, waren die Flüge leider nicht mehr so günstig, dafür bekamen wir noch Hotelzimmer im Rahmen unseres Budgets und planten, vor der Cruise in Fort Lauderdale zu übernachten und vor dem Heimflug danach in Miami noch bisschen Kraft in der Sonne zu tanken. Kurz nach Weihnachten war dann auch das Line-up vollständig, wobei der Großteil der letzten Bands logischerweise aus den USA kam, da in so knapper Zeit keine Flüge und Visa mehr durchzubringen sind.
Die Ankunft in Miami war schon richtig geil, weil trotz der zwei Tage Vorsprung in der Wartehalle unter den geschätzten tausend Menschen schon viele Kutten, 70000 Tons-Merch und Metal-Shirts zu sehen waren. Aber alles half nichts, der Einreisevorgang war mühsam und die Border Officers machten Dienst nach Vorschrift. Ich hätte mir eine Extra-Schlange für Metalheads gewünscht, so wie es sie auch für Flugpersonal gibt.
So viel zum Vorgeplänkel und zu der aufregenden Zeit, schon Monate vor der Cruise. Jetzt steigen wir richtig ein!
Tag 1:
Nachdem wir uns bereits zwei Tage vor dem Start der 70000 Tons Of Metal in Fort Lauderdale eingefunden und ein wenig aklimatisiert haben, wird es am Dienstag ernst. Ohne, dass wir uns vorher großartig Gedanken machen mussten, wird der Transfer von der Unterkunft zum Hafen ganz einfach vom Hotel geregelt. Und da wir dort drei weitere Metalheads kennengelernt haben, besteigen wir zu fünft einen Shuttle für nur 10 Dollar pro Person. Als der Fahrer die Namensliste durchgeht, stutzte er kurz und meinte: "Ich dachte, ihr wärt eine Familie.". Wir antworten: "We are the metal familiy!". Ich machte mir noch kurz Gedanken, welche Familiengeneration ich in seiner Fantasie wohl abgedeckt hätte. Aber im Handumdrehen werden wir nach kurzer Fahrt genau vor der Eincheck-Area abgesetzt.
Man erwartet ja vielleicht ein wuseliges Chaos, weil fast gleichzeitig mehrere tausend Leute ankommen und einchecken wollen. Aber die Befürchtungen sind umsonst. Von der Abgabe des großen Gepäcks vorne bei den Koffer-Leuten, über die Sicherheitskontrolle bishin zum eigentlichen Check-In und dem Boarden ist alles perfekt organisiert und fluppt wie am Schnürchen. Nach noch nicht mal einer halben Stunde haben wir bereits die heiligen Planken der "Independence Of The Seas" betreten. Kaum sind wir an Bord ertönt eine Durchsage, dass die Kabinen noch nicht bezugsfertig sind. Kein Problem, also haben wir Zeit für einen ersten Orientierungsrundgang, den wir in der kunterbunten Royal Promenade starten. Hier gibt es einige Läden mit allerlei Dingen, die das normale Kreuzfahrer-Herz höher schlagen lassen. Die Metal-Gemeinde interessiert sich natürlich eher weniger für Schmuck, Parfum und Co., sondern eher für Getränke- und Essens-Quellen. Man findet eine Champagner-Bar, einen Pub sowie Pizzeria und Eis-Mann. In den regulären Lokalitäten und Bars, wo zum Beispiel auch hochpreisige Cocktails verkauft werden, findet man überall auf dem Schiff verteilt zusätzliche "mobile" Getränkeausgaben mit den gängigsten Alkoholika - allen voran natürlich Bier. Leider liegen die Preise für eine Flasche oder diverse Dosen recht hoch. Das beste Preis-/Leistungsverhältnis bekommt man aber mit einer 750 Milliliter-Dose "Fosters" für umgerechnet 10 Euro, die wir uns zum Eingrooven direkt mal schmecken lassen. Als wir so gemütlich in der Promenade sitzen fällt auf, dass aus den Lautsprechern überall Metal schallt. Gut für die Metalheads - vielleicht etwas anstrengend für die Angestellten? Keineswegs, die meisten nehmen es locker, der Kellner des Steakhouses spielt sogar Luftgitarre mit der Speisekarte und versucht, dadurch Kunden zu finden. Nachdem wir gemütlich das Bierchen genossen haben sind auch die Kabinen fertig und wir können unsere Balkonkabine mit Meerblick entern. Schnell die Klamotten ausräumen, etwas frisch machen und dann wird es auch schon Zeit für die ersten Shows, die am späten Nachmittag starten. Heute gibt es aber noch keine Auftritte auf der Poolbühne, denn das 11. und 12. Deck sind noch größtenteils gesperrt. Der dortige Aufbau ist etwas aufwändiger und konnte noch nicht abgeschlossen werden, denn das Schiff kam ja erst am frühen Morgen von seiner vorherigen Kreuzfahrt zurück und war noch mit "normalen Touristen" belegt. Aber die anderen Locations "Royal Theater", "Studio B - Ice Rink" sowie die "Star Lounge" sind rechtzeitig fertig.
Die von Ex-SAVATAGE Sänger Zak Stevens vor noch nicht allzu langer Zeit gegründete Band ARCHON ANGEL eröffnet das königliche Theater. Der vordere Teil des Parketts sowie die Ränge sind schon vor Beginn gut gefüllt; vermutlich kennen die Leute bereits die im Dezember veröffentlichte Single 'Fallen', der im Februar dann auch das gleichnamige Album folgen wird. Auch wenn dies für die Truppe der allererste Live-Auftritt überhaupt ist, meistert sie diesen mit Bravour - kein Wunder bei den erfahrenen Musikern. Dabei ist Stevens bei guter Stimme und präsentiert den melodischen Heavy Metal/Rock sehr ansprechend. Man fühlt sich hier tatsächlich an alte SAVATAGE-Tage erinnert, was die Zuschauer auch wohlwollend zur Kenntnis nehmen und dafür freudigen Applaus spenden. Insgesamt eine durchaus gelungene Premiere für ARCHON ANGEL. (Krümel)
Zwar ist die "Independence Of The Seas" wirklich ein großer Dampfer, dennoch sind zum Glück die Wege nicht allzu weit, sodass wir fast pünktlich zu den norwegischen Viking Metallern EINHERJER in Studio B erscheine. Zunächst sieht es nicht so aus, als würden viele Leute den Weg dorthin finden. Doch als ich mich nach dem Schießen der Fotos im Graben umdrehe, ist der Platz vor der Bühne fast voll. Auch im weiteren Verlauf kommen immer mehr Zuschauer, was sich natürlich positiv auf die Stimmung auswirkt. Und schon nach ein paar Songs entsteht ein ordentlicher Circle Pit. Für diesen Auftritt hat sich der Vierer eher neuere Songs ausgesucht, kündigen aber schon an, dass sie bei ihrer zweiten Performance mitten in der Nacht vom dritten auf den vierten Tag ältere Stücke zum Besten geben werden. (Krümel)
Mich zieht es nach einem Snack zu SORTILÈGE ins Studio B, welches sich als Miniatur-Stadion mit umsäumenden Tribünen als hervorragende Konzert-Location entpuppt. Als ich eintreffe, ist sich Zouille gerade am Warmsingen und ich staune nicht schlecht, wie gut sich dieser Sänger gehalten hat. Schon beim Soundcheck liefert er erstklassige Leistung ab. Die Band ist ja seit fast 35 Jahren nicht mehr aktiv gewesen und tritt auf der 70000 Tons Of Metal - abgesehen vom Drummer - in originaler Besetzung auf. Später wird man die Franzosen überall auf dem Schiff wiedererkennen, nicht nur wegen ihres Alters, sondern vor allem wegen der "Sortilège"-Jacken, die einige Bandmitglieder während der Tage an Bord ununterbrochen tragen. Der klassische und melodische Metal kommt vor dem halbvollen Haus sehr gut an. Der Schwerpunkt liegt auf der allerersten EP von 1983. Ich vermisse allerdings zwingend 'Hymne À La Mort', freue mich aber, dass das Interesse an der Band doch wieder spürbar ist. (Opa Steve)
Wer KISSIN' DYNAMITE schon einmal live gesehen hat, weiß wie energiegeladen und mitreißend die Shows der Glam Rocker immer sind. Daher stand es für uns außer Frage: Bei den 70K-Auftritten der Süddeutschen müssen wir unbedingt dabei sein. Als wir uns dann etwa eine Viertelstunde vor Beginn in der zwar gemütlichen, aber mit einer recht kleinen Bühne ausgestatteten Star Lounge einfinden, ist die Band bereits beim Soundcheck. Im Hintergrund kann man Hannes bei seinen Gesangsübungen hören. Zu diesem Zeitpunkt sind außer uns noch nicht viele Menschen da. Denn die meisten auf diesem Schiff (die nicht aus ihrem Heimatland stammen), kennen den Fünfer wahrscheinlich noch gar nicht. Doch den sollen die Zuschauer bald kennenlernen, denn KISSIN' DYNAMITE starten direkt mit ihrem Kracher 'I've Got the Fire' und innerhalb kürzester Zeit haben sie das Publikum von ihrem Können überzeugt. Weitere Stücke wie 'Sex Is War', 'I Will Be King' oder 'You're Not Alone' kommen in der immer voller werdenden Venue dermaßen gut an, dass sich Musiker und Leute vor der Bühne gegenseitig in der Stimmung pushen. Zum Schluss wirft sich Fronter Hannes sogar stagedivend in die Menge und wird von der Crowd gefährlich nah unter den Lampen umhergetragen. Aufgrund der Enge in der Star Lounge und der niedrigen Decke ist zwar der Sound nicht optimal, aber das tut der Show keinen Abbruch und die Band performt, als würden sie auf einer großen Bühne vor eine riesigen Menschenmenge stehen. Leider sind diese wirklich klasse und unterhaltsamen 45 Minuten viel zu schnell vorbei. Völlig geflasht von der positiven Resonanz und unter großem Jubel verabschieden sich die Jungs ... aber nur bis zum nächsten Gig am vierten Tag ... (Krümel)
Dass EMPEROR für diese Cruise gebucht wurden, war schon in der frühen Ankündigungsphase sehr aufregend für mich, da ich die Ur-Band um Ihsahn in ihrer aktiven Zeit nie live erleben konnte. Daher steht auch direkt am ersten Tag im Royal Theater der Auftritt der Norweger trotz des parallel hochkarätigen Programms auf unserer Liste. Während des Soundchecks ist der Innenraum mit Stehplätzen noch abgesperrt, aber auf allen Zuwegen durch die erhöhten Sitzreihen warten schon die Fans. Als sich die Absperrung öffnet, füllen binnen drei Sekunden Menschenmassen den Innenraum aus und jeder möchte möglichst nah an die Bühne. Der Rest des komfortablen Theaters inklusive der Ränge füllt sich auch beeindruckend und es ist klar, dass EMPEROR eines der Highlights auf dieser Cruise sind. Und es wird gigantisch. Der Sound ist vom Feinsten und als sie mit 'Ye Entrancemperium' einsteigen, gibt es kein Halten mehr unter den Fans. Ein Titel nach dem anderen von "Anthems To The Welkin At Dusk" wird in beeindruckender Präzision in die Menge gefeuert. Vor allem Trym an den Drums vollbringt Unmenschliches und bearbeitet sein Kit mit maschineller Kondition. Das Tempo wird über CD-Niveau gehalten, das Publikum feiert mit rotierenden Matten und Crowdsurfern und am Ende von 'Thus Spake The Nightspirit' singt sogar das ganze Theater mit. In den ersten Reihen sieht man vereinzelt Tränen in den Gesichtern. Von der späteren komplex-progressiven Phase gibt es ausschließlich 'Curse You All Men!' zu hören, sodass die epische Raserei der ersten beiden Alben das Konzert in der Hauptsache bestimmt. Diese Machtdemonstration rangiert auf jeden Fall unter den drei besten Gigs, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Himmlich-höllische 80 Minuten, pure Gänsehaut, und ich bin dankbar, dass ich dabei sein konnte. (Opa Steve)
Mitternacht ist schon weit überschritten, der spannende Start auf der 70000 Tons Of Metal sowie die ersten Gigs haben Kraft gekostet. Dennoch zieht es mich nochmal in die Star Lounge, wo ROSS THE BOSS vor vollem Haus in dieser undankbar engen Location nochmal alle Register zieht. Sein Signature-Gitarrensound fräst sich in ohrenbetäubender Lautstärke durch die Mengen und das MANOWAR-Set ist - wie immer - vom Feinsten. Marc Lopes gibt alles und setzt die spitzen Schreie bei 'The Oath' nicht ganz so perfekt wie Eric Adams im Studio, aber dennoch beeindruckend. Bei 'Wheels Of Fire' lehnt er sich immer wieder halb ins Publikum und gibt Ross und Bassmonster Mike mehr Raum auf der winzigen Bühne. Letzterer hat bei 'Battle Hymn' natürlich seinen großen Moment. Ein perfekter Abschluss unseres ersten Tages an Bord. (Opa Steve)
Auch wenn der erste Konzerttag offiziell noch lange nicht zu Ende ist und erst um 6.00 Uhr am kommenden Morgen der letzte Auftritt sowie die 70000 Tons Of Karaoke in der Sports Bar vorbei sind, legen wir mit müden Augen den langen Weg zur Kabine zurück, um uns im komfortablen Bett durch die Wellen zu träumen.
Tag 2:
Ein paar Stündchen später erwachen wir, ziehen den Vorhang auf, und siehe da: Heimlich still und leise hat sich die "Independence Of The Seas" den karibischen Gefilden genähert und vor unseren Augen zieht die Nordküste Kubas vorbei. Der Himmel ist schon strahlend blau, somit verspricht der zweite Tag herrlich zu werden. Wie gestern gibt es auch wieder für jede Kabine einen frischen Newsflyer mit Neuigkeiten, Tipps und - ganz wichtig - der aktuellen Runningorder für heute. So kann man in Ruhe planen, was man sehen und erleben will. Doch bevor wir uns wieder ins Konzertgetümmel stürzen, wartet im Windjammer Café erst einmal ein leckeres Frühstücks-Büffet auf uns. Frisch gestärkt kann es dann zur Pool Deck-Bühne gehen, die von den Norwegern TROLLFEST eingeweiht wird. Trotz der frühen Uhrzeit ist das 11. und 12. Deck rund um die Bühne rappelvoll. Denn alle wollen ein fröhlich-buntes Event erleben. Und so ist es dann auch: Als die lustigen Gesellen in bunten (Dirndl-)Kleidern erscheinen und loslegen, gibt es keine Halten mehr. Die Meute tobt und TROLLFEST feiern wahrlich ein Fest. Während des Auftritts gibt es keinerlei Stillstand, sondern die Zuschauer singen, tanzen und jubeln was das Zeug hält. Eh man es sich versieht ist die Dreiviertelstunde Spielzeit zuende - aber alle sind glücklich und zufrieden. Was für ein energiegeladener und toller Start in den Tag! (Krümel)
Nach soviel ausgelassener Freude erwartet mich im Anschluss etwas Dunkleres als kleines Kontrastprogramm, nämlich die Mexikaner DARK MATTER. Und auch wenn sich im Royal Theater leider nur circa 70 Leute eingefunden haben, ballern die Extreme Metaller direkt gut los. Wer bisher noch nicht wach war, ist es nach den ersten Takten mit Sicherheit. Die Band gibt sich recht souverän, auch wenn der Bekanntheitsgrad bisher noch nicht so gegeben ist. Vor allem Fronter Ricardo Marmolejo mit seinen Grunts ist präsent, wenn er jedoch zu den immer wieder eingestreuten Clean Vocals wechselt, kommt er leider etwas schief rüber. Zusammen mit der viel zu hohen Lautstärke, die man ohne Gehörschutz überhaupt nicht aushält, sorgt das leider dafür, dass man den Auftritt nicht so gut genießen kann. Schade, denn Potenzial ist bei dem Fünfer definitiv da. (Krümel)
Nun aber schnell wieder auf das Pool Deck, wo vor dem traumhaften Horizont kubanischer Strände schon alles für den Auftritt von POSSESSED vorbereitet wird. Damit sich die Metalheads dort keinen Sonnenbrand holen, sorgt eine rührige 70000-Tons-Truppe, die sowohl aus nett anzuschauenden Damen als auch Herren besteht, mit Sunspray dafür, dass alle Fans bei Bedarf zu genügend Sonnenschutz kommen, ohne ständig eigenes Spray am Mann beziehungsweise der Dame zu haben.
Kurz vor Mittag brutzelt die Sonne auch schon ordentlich, und zu einem stimmungsvollen Intro kommt Jeff Becerra auf die Bühne gerollt. POSSESSED stellen für mich ja das Comeback des letzten Jahres dar, das Album "Revelations Of Oblivion" ist mit seinen talentierten Sidekicks ein Kracher geworden. Und genauso wie die Band schon auf dem Rock Hard-Festival in Deutschland überzeugen konnte, geben sie auch auf der "Independence Of The Seas" 45 Minuten Vollgas. Kracher von der neuen Scheibe und dem Debütalbum wechseln sich ab, laufend bilden sich Moshpits, ein Rollstuhlfahrer ist immer wieder nebst Stuhl am Crowdsurfen, Schuhe fliegen ... die Party ist irre. Und wie der gestrige Abend mit Trym von EMPEROR mit einem Weltklassedrummer endete, so zeigt Emilio Marquez an den Drums von POSSESSED, was er auf dem Kasten hat. Anderer Stil, andere Technik, aber ebenso beeindruckend. Jeff zeigt sich immer wieder sehr angetan von den Fanreaktionen und wir erfahren von ihm und von Bandkollegen noch im Smalltalk, wie wichtig ihm diese Band ist und wie dankbar er dafür ist, mit der Band wieder mit offenen Armen aufgenommen worden zu sein. Mit seiner unverkennbaren Stimme lässt er den letzten Songtitel vom Publikum ergänzen: "Deeeeeeaaaaath ..... " - "METAAAAAAL!!!". Ganz stark, und wir beschließen just in dem Moment, dass wir uns den zweiten Gig im Royal Theater auch noch anschauen möchten. (Opa Steve)
Nach soviel musikalischem Futter am frühen Tag wird es dann Zeit für eine kleine Stärkung im Windjammer Café, bevor im Studio B die melodischen Oriental Metaller von ORPHANED LAND aufspielen. Das Ice Rink (wie Studio B auch genannt wird) ist von Anfang an recht voll und die Zuschauer begrüßen "ihre" Musiker lautstark, als diese die Bühne betreten. Der oftmals in einem Gewand auftretende Fronter Kobi trägt heute schlicht Jeans und T-Shirt - was aber seiner charismatischen Ausstrahlung absolut keinen Abbruch tut. Schon vom ersten Song an zeigt er sich bei bester Stimme und versinkt ganz in seiner Performance. ORPHANED LAND präsentieren mit 'Like Orpheus' sowohl jüngeres als auch mit 'Kiss Of Babylon' oder 'Nora El Nora' älteres Material. Das Publikum ist absolut begeistert und singt die Refrains oder die von Kobi angeführten Singalongs bereitwillig und lauthals mit. Eins ist für mich klar: Dies hier ist einer der besten Auftritte, die ich von der Band bisher gesehen habe. (Krümel)
Während sich Krümel bei den Israelis tummelt entscheide mich gegen meinen geplanten Gig von THE AGONIST. Die Sonne und das Meer sind im Moment einfach zu einladend und die muffig enge Star Lounge lockt mich gar nicht. Stattdessen genieße ich die Vorzüge dieser luxuriösen Tour und höre mir vom erhöhten Sonnendeck im Liegestuhl SUFFOCATION an. Ja, ich weiß, das ist kein Metal (also im Liegestuhl - SUFFOCATION schon, he he). Aber doch irgendwie cool für zwischendurch, das Gefühl von "Metal Holidays" komplett auszukosten. SUFFOCATION spielen ein extrem tightes Set. Vor allem Terrance Hobbs weiß zu beeindrucken und holt einige geile Leads aus seiner Klampfe heraus. Im Whirlpool (ist auch kein Metal) hat jemand ein aufblasbares Pentagramm dabei und damit wird heftig herumgeworfen.
Frisch erholt und von SUFFOCATION auf Betriebstemperatur gebracht geht es nonstop weiter. Zuerst gebe ich mir die Thrasher WHIPLASH, die heute im Royal Theater aufspielen. Die nehmen sich erst gar nicht viel Zeit für Ansagen, sondern schreddern die alten Gassenhauer von "Power And Pain" und "Ticket To Mayhem" runter. Vor allem das Finale aus 'Spit On Your Grave' und 'Power Thrashing Death' kommt ziemlich furios. Leider wird auch deutlich, dass nicht jede Band für das große Royal Theater geeignet ist. Das Theater ist gerade mal halb gefüllt, für diese energiereiche Musik braucht man engen Kontakt. Außerdem gibt man den Bands um diese Uhrzeit Nachmittags auf der sehr großen Bühne kein richtiges Licht. Während der Drummer in einem weißen Lichtkegel sitzt, steht die Saitenfraktion vorne mehr oder weniger im Dunkeln. Ich hätte mir gewünscht, die Band im Studio B zu sehen. Aber trotzdem haben die Herren ein feines, kurzweiliges Set gespielt. (Opa Steve)
Nach Oldschool-Thrash geht es direkt weiter zu Newschool-Thrash. STAM1NA aus Finnland sind in meinen Augen die hierzulande wohl unterbewertetste Band des Genres überhaupt. Die Musik sprüht vor Herzblut und verrückten Einfällen, wie sie nur von Finnen kommen können. Im Studio B haben sie die perfekte Kulisse und präsentieren sich Cruise-würdig in grausig bunten Bermudas. Mode pfui, Musik hui. STAM1NA gehen ab wie ein geölter Blitz und greifen im Repertoire bis zum zweiten Album zurück. Antti radebrecht sich ein lustiges Englisch zurecht und erklärt dem Publikum, dass Finnisch sowieso die Metal-Sprache überhaupt sei. Während die meisten Zuschauer zwischen den Songs maximal "Perkele!" schreien, gibt es in den ersten Reihen fundierte finnische Zwischenrufe, da vermutlich alle finnischen Sailors an Bord die Band abfeiern (was Antti sehr erfreut). Und er erklärt auch ganz kurz den Musikstil wie folgt, dass STAM1NA nicht nur finnisch singen, sondern auch finnisch brüllen. Und Boogie können sie auch. Meint er. Der größte Teil des Sets ist aber positiv durchgeknallt und man gibt Vollgas, bis das Huhn keine Federn mehr hat. Ich fand STAM1NA schon auf CD immer außergewöhnlich, live muss man so fett dauergrinsen, dass es schon weh tut. (Opa Steve)
Wo wir gerade bei Finnland sind ... FINNTROLL mit ihrem Folkmetal sind ja auch immer sehr sehenswert, unterhaltsam und natürlich hörenswert. Und so möchte ich mir ihren Gig im Royal Theater anschauen. Dort einen Platz weiter vorne zu ergattern ist gar nicht so einfach, denn die Location ist brechend voll. So suche ich mir doch lieber auf den oberen Rängen ein Stühlchen - ist ja auch gar nicht mal so schlecht, sitzen zu können. Mit ihren geschminkten Gesichtern und langen, spitzen Troll-Ohren entern die Musiker die Bühne und präsentieren der Menge ein Gourmet-Oldschool-Set unter anderem mit - Zitat: "... dem Song, den sie niemals geschrieben haben" ?! Keine Ahnung, was Front-Troll Mathias damit meint, aber für alle früheren Fans haben die Finnen zum Beispiel 'Jagdens Tid' und zum krönenden Abschluss 'Trollhammaren' im Gepäck. Dass sie mit diesen Stücken eine gute Wahl getroffen haben, beweisen die überall moshenden Zuschauer und die Crowdsurfer, die unermüdlich nach vorne getragen werden. Insgesamt ein starker Auftritt, einerseits sehr episch, aber dennoch gehen FINNTROLL ziemlich ab. (Krümel)
Weil es auf dem Pooldeck so schön ist, schlendere ich derweil noch ein bisschen rum und schau mir Teile der GRAVE DIGGER-Show an, die beeindruckend voll besucht ist. Teutonischer Metal hat fern der Heimat immer noch einen hervorragenden Ruf, denn ich würde behaupten, dass die Band auf dem Schiff sogar mehr abgefeiert wird und vor größerem Publikum spielt, als dies hierzulande der Fall ist. So gibt es vor meiner heute geplanten Burger/Nachos/Hotdog-Fressrunde noch ein paar Songs klassischen Heavy Metals bei einem Gig, der schon ein bisschen Headliner-Stimmung verbreitet. 'Highland Farewell' verursacht Gänsehautstimmung und die Mitsing-Spielchen vor 'Rebellion' und 'Heavy Metal Breakdown' sitzen. Für die englischen Native Speaker an Bord dürften die akzentreichen englischen Ansagen von Chris Boltendahl den exotischen "The-Gerrrrrmans-Effekt" noch zusätzlich gefördert haben. (Opa Steve)
Während Opa Steve unseren Landsmännern oben auf dem Pool Deck einen Besuch abstattet, tauche ich wieder in die Mitte des Schiffs ab zum Studio B ab, wo CARACH ANGREN erwartet werden. Das Trio taucht dann pünktlich mit weiß-schwarzem Facepaint auf. Dadurch und zusätzlich durch die kühl gehaltene Lightshow wirkt es, als trügen die Musiker Totenköpfe. Das passt natürlich bestens zu dem schwarz-dunklen Metal, dem sich die Niederländer bereits seit 2003 verschrieben haben. Die dargebotenen Stücke sind einerseits Black Metal-typisch heftig und dennoch auf eine gewisse Art episch angehaucht. Die Performance von CARACH ANGREN gestaltet sich leider ein wenig statisch, dennoch ziehen sie im Laufe der ersten Viertelstunde immer mehr Leute an. Im weiteren Verlauf der düsteren Show füllen sich das Ice Rink und die Seitenränge dann zusehends. Auch wenn mir ein bisschen die Seele bei dem Auftritt fehlt, scheinen die Fans zufrieden zu sein. Und das ist ja die Hauptsache. (Krümel)
Um 19 Uhr muss man sich entscheiden: IHSAN oder HAVOK? Da IHSAHN ja noch später ein Pooldeck-Set spielen wird, entscheiden uns für die US-amerikanischen Thrasher (was sich in Bezug auf IHSAHN als schlechte Entscheidung herausstellen wird, aber dazu später mehr). HAVOK setzen schon von ihrem ersten Riff des Opener-Songs an ein Moshpit in Gang. Und das in der kleinen Star Lounge, die zunächst nur zu einem Drittel gefüllt ist. Ab dem zweiten Stück geht dann vorne im Pit so richtig der Punk ab. Man hat das Gefühl, je länger die Jungs aus Denver, Colorado, spielen, umso heftiger geht es im Gewühl zu. HAVOK treffen also voll den Geschmack des immer größer werdenen Publikums und haben selbst richtig Spaß an dem Auftritt. Zwischendurch verlassen der Fronter und der Bassist sogar die Bühne und mischen sich unter die Leute, während Gitarrero und Drummer alleine oben weiter performen. Diese nochmals weitergehende Fan-Nähe kommt logischerweise bestens an und hebt die ohnehin schon tolle Stimmung noch weiter. Jubel bricht dann zwischendurch immer wieder aus, wenn die Baß-Gitarre mit einem fetten Tape-Aufkleber "70 K" hintendrauf hochgehalten wird und der Saitenbediener an der Traverse Klimmzüge macht. Fazit: HAVOK sind ein ziemliches Brett und heizen ordentlich ein! (Krümel)
Im Anschluss an diesen energiegeladenen Auftritt tanken wir bei einem leckeren Buffet-Abendessen Kraft. Lustig ist jedes Mal der Einlass im Windjammer Café. Dort wird man von teilweise Metal Shirts-tragenden oder auch Gitarre-spielenden Angestellten mit einem aufmunternden "Washi-Washi"-Ruf begrüßt. Was bedeutet, dass man sich bitte vor dem Essen die Hände waschen und desinfizieren soll. Nach dem Essen schlendern wir ein wenig durch's Schiff und saugen die unglaubliche Atmosphäre auf. Es ist einfach toll, dass überall Metalmusik läuft und die gesamte Schiffs-Crew so entspannt drauf ist. Selbst in den "Nobelläden", auch wenn sich die Verkäufer dort eher langweilen. Dafür haben die Getränkestände immer Beschäftigung. Die durstigen Kehlen wollen schließlich geölt werden. Doch die nächste Band lässt auf einem Schiff, wo die Party nie Pause macht, nicht lange auf sich warten ...
VENOM haben für mich eine Handvoll früher Kult-Alben veröffentlicht, aber der Reiz war dann später schnell weg. Dennoch eine Ehrensache, dass ich bei Cronos & Co. auflaufe. Und ich habe alles richtig gemacht, denn der erste Gig auf dieser Cruise wird ein reines Oldschool-Set, während zwei Tage später beim zweiten Gig neuere (und damit viel uninteressantere) Songs auf der Setlist stehen. Mit 'Black Metal' geht es erst mal los, und wie üblich muss die Band übertreiben. Die Lautstärke ist so heftig und durch den verzerrten Bass so grell, dass man selbst auf den Zwischentribünen ohne Gehörschutz keinen Spaß hat. Ich bin ein wenig irritiert, da dies mein zweiter VENOM-Gig überhaupt ist (nach 1985!) und ich es gar nicht gewohnt bin, die alten Songs mit einem "richtigen Drummer" zu hören. Ohne das Abbadon-Gepolter fehlt da tatsächlich was. Aber drauf geschissen. Ein kühles Fosters in die Hand, und zu Songs wie 'Bloodlust', 'Rip Ride', 'Countess Bathory', 'Buried Alive' ... und wie sie alle heißen ... in nostalgischer Erinnerung geschwelgt. Cronos ist vom karibischen Feeling angetan und beweist ein ums andere Mal augenzwinkernden Humor. 'Seven Gates Of Hell' wird spontan umgewidmet in '70000 Gates Of Hell' und irgendwann hält er inne, schaut Richtung Whirlpool und ruft dann: "Hey, irgendwie besser, als auf einem matschigen Feld nass zu werden, oder?". Gegen Ende lässt er vom Publikum Songwünsche rufen. Als dann mehrfach 'At War With Satan' zu hören ist, meint er noch mit britischen Understatement, dass der Song eventuell ein "bisschen" lang sei. VENOM haben jetzt Musiker und machen Witze in karibischer Luft, aber auf die alten Songs lasse ich nichts kommen. Unsterbliche Klassiker. (Opa Steve)
Tag 3:
Nach zwei Tagen auf See soll es heute soweit sein - Cozumel, Mexiko, wartet auf die Sailors. Tja, und als wir morgens den Vorhang öffnen, liegt die "Independence" bereits vor Anker im Hafen von Cozumel. Offenbar haben wir schon im Morgengrauen als eines der ersten Kreuzfahrtschiffe angelegt. Pünktlich um acht Uhr werden die Tore geöffnet und eine schwarze Wolke an Leuten zieht Richtung Anleger, von wo sie mit diversen Booten und Fähren in Richtung Festland verschwinden. Für die Cruiser wurden - zu Kreuzfahrtpreisen - diverse Ausflugsziele angeboten, man kann sich zum Beispiel durch Maya-Stätten hetzen lassen oder ein paar Stunden in einem Aqua-Park verbringen. Ein Teil der Touren werden sogar von Musikern offiziell "begleitet". Das Bleeding-Team bleibt aber erst mal an Bord, um den Tag nach dem Frühstück in Ruhe im Pool zu starten. Erst zum Mittag packen wir unsere Sachen und reisen nach Mexiko ein. Hinter dem kleinen Grenzposten mit einem lieb dreinguckenden wie gleichermaßen gelangweiltem Drogenspürhund findet sich eine kleine, dafür umso buntere Touristen-Welt: Souvenirshop reiht sich an Souvenirshop, nur unterbrochen von einigen offenen Hütten, in denen man tatsächlich kostenlosen Wifi-Empfang hat. Rechts und links gibt es dann für die durstigen Seelen wahlweise die Bars "Crazy Frogs" oder "Margaritaville". Da bei den verrückten Fröschen eher die Besucher der anderen Ozean-Riesen eingekehrt sind, haben sich die meisten Metalheads für die Margaritas entschieden. Vielleicht auch aus dem Grund, weil man sich dort perfekt auf das heutige dunkle Publikum eingestellt hat und Rock und Metal in voller Lautstärke läuft. Apropos Touristen: Manche reagieren etwas irritiert auf die vielen Metalheads, die sich im Hafen breit gemacht haben, doch die meisten wirken eher neugierig bis belustigt. Wir selbst führen ein längeres Gespräch mit einer sympathischen älteren Dame, die sich sogar von ihrer Reisegruppe abgesetzt hat, um mal zu erfahren, was es mit diesen gut gelaunten Langhaarigen auf sich hat.
Nachdem auch wir eine Runde in dem kleinen Einkaufsdörfchen gedreht und einige 70K-Cruiser-Stimmen mit Kamera und Ton eingefangen haben, wird es Zeit für einige kühle Bierchen im Schatten. Und da es in manchen Lädchen zwei Flaschen eiskaltes Corona für nur drei Dollar gibt, sieht man nicht nur uns mit einem Kaltgetränk entspannt am Pier herumsitzen. Allein einige sind etwas enttäuscht, dass es dort in Hafennähe keinen schönen Strand gibt. Einen solchen findet man ein gutes Stück weiter weg und dafür müsste man noch einen Transfer organisieren und eine Extragebühr zahlen, um sich dort hinzulegen. Schade. Aber so rücken die Verbliebenen halt zusammen und schnell kommt man ins Gespräch, auch wenn die Anderen zum Beispiel kaum Englisch und wir kaum Spanisch sprechen. Egal - Metal ist eben eine Universalsprache und überall herrscht eine super Stimmung. Kurz vor 16 Uhr erscheinen dann die ersten Rückkehrer von den Ausflügen und vor dem Zollhäuschen reihen sich nach und nach alle zur "Ausreise" ein. Beim Wiedereinchecken mit Kontrolle des Handgepäcks an der "Independence" zeigt sich einmal mehr, wie Fan-nah das Konzept der Metalcruise ist. Denn natürlich sieht man nicht nur Besucher, sondern man kommt in der Warteschlange auch zufälligerweise mit dem Bassisten Robert Cardenas von POSSESSED sowie dem Guitar-Tech der Band ins Gespräch. Bis wir das raffen, entpuppen sich beide im Inkognito-Smalltalk als bodenständig sympathische Metalheads und zeigen begeistertes Interesse an unserer Hobbyarbeit für Bleeding4Metal.
Zurück auf dem Schiff heißt es, sich kurz frisch und für die ersten Auftritte dieses dritten Tages fertig machen. Im Studio B stehen EREB ALTOR mit ihrem sehr epischen und melodischen Viking Metal auf dem Programm. Die Songs der Schweden sind ja an sich sehr kraftvoll, aber die Band wirkt an diesem späten Nachmittag irgendwie statisch, fast sogar ernst und bewegt sich kaum auf der Bühne. Dennoch scheint es den anwesenden Fans in der halbvollen Location zu gefallen. Diese bangen und verzeihen den ein oder anderen schiefen Ton beim Gesang. (Krümel)
Im Laufe des Auftritts bemerkt man ein zunehmendes Schaukeln des Schiffes. Sollte da etwa schlechtes Wetter herannahen? Und richtig: Als ich an Deck komme, hat auch der Wind stark zugenommen.
Nach dem spaßigen Hafenaufenthalt und der wirtschaftlichsten Bierbetankung während der ganzen Cruise freue ich mich schon wie doll auf mein Pooldeck-Triple mit FLOTSAM & JETSAM, IHSAHN und DEVIN TOWNSEND. Der Pott hat abgelegt, und als Cozumel außer Hörweite ist, legen FLOTSAM & JETSAM los. Lustiger wäre es natürlich gewesen, wenn sie schon beim Ablegen losgedonnert hätten - das hätte die Verwirrung in der Hafenregion vermutlich auf die Spitze getrieben. Man muss mal zum Verständnis die Perspektive wechseln: Da kommt eine schwarze Menschenwolke aus einem Luxuspott (Fakt!), säuft sofort alle Alkoholika weg (Fakt!), torkelt wieder aufs Schiff (Fakt!), von welchem sofort obskurer Lärm durch die verbliebenen Touris bläst (Wunschdenken). Letzteres wäre echt noch das Sahnehäubchen obendrauf, aber man kann ja nicht alles haben. Aber zurück zu FLOTSAM. Eric A.K. altert zwar äußerlich und sieht aus wie ein würdevoller und entspannter Biker, aber seine Stimme ist nach wie vor nicht von dieser Welt. Wiedererkennungswert 200% und eine jugendliche Power. Die Songmischung ist hochqualitativ und die Stimmung entsprechend. Egal ob 'Hammerhead', oder das superbe 'She Took An Axe', 'Iron Maiden' oder neuere Songs - diese Band hat einfach keinen Durchhänger und klingt 2020 noch so frisch wie vor 30 Jahren. Der Whirlpool hat seinen Wasserwechsel spätestens beim flotten 'Desecrator' verdient, als in ihm ein total überfüllter Moshpit startet und das Wasser im Umkreis von fünf Metern verteilt. Fans beginnen, im Whirlpool zu crowdsurfen (!) und als Höhepunkt divt noch ein Mitglied des POSSESSED-Tross hickehackevoll und in voller Montur mit einem heftigen Platscher in die tobende Menge - bevor er dann selig grinsend und nass triefend, aber unbeschadet wieder aus selbigem entsteigt und sich einen Rüffel der Security einhandelt. Ach Leute, dat is schon schön hier ... (Opa Steve)
IHSAHN spielt heute auf der Pooldeck-Stage seinen zweiten Gig. Der Soundcheck ist sehr konzentriert, und vom EMPEROR-Gig weiß ich noch, welche Perfektionsansprüche der Meister hat. Dann geht es auch schon los. Mit Einbruch der Dunkelheit kündigen die Keyboards das relativ straighte 'Lend Me The Eyes Of Millenia' an. Im Sinne des "Amr"-Albums geht es mit 'Arcana Imperii' weiter, welches live deutlich härter klingt als auf CD und durch gut sitzenden, mehrstimmigen Gesang überzeugen kann. 'Samr' setzt einen weiteren Punkt des aktuellen Albums, welches mir persönlich etwas zu verspielt ist. So beeindruckend IHSAHN musikalisch ist, freue ich mich dennoch schon heimlich auf Titel von "Arktis" oder aus der Frühphase. Habe ich im Fotograben doch schon auf der Setlist Titel wie 'My Heart Is Of The North', 'Mass Darkness' oder 'Frozen Lakes On Mars' erspäht. Doch es kommt alles anders. Bei 'Samr' kommt schon ein Roadie auf die Bühne und ruft Ihsahn etwas ins Ohr. Ihsahn ist sichtlich verwirrt. Am Ende des Songs kommt er wieder und spricht länger mit Ihsahn. Immer noch verwirrt meint Ihsahn noch scherzhaft zum Publikum, dass dieser Mensch wohl die Band beenden wolle und sagt dennoch 'My Heart Is Of The North' an. Doch mittlerweile intervenieren zwei Menschen auf der Bühne, die Isahn nochmal etwas erklären. Dann gibt es von ihm die traurige Ansage ans Publikum, dass aufgrund der Wetterbedingungen die Bühne sofort geräumt und sturmsicher umgebaut werden muss. Den traurigen Fans versichert er, dass dies alles zur Sicherheit aller notwendig sei, da aufgrund der Wetterbedingungen mit stärkeren Stürmen zu rechnen sei. (Opa Steve)
Da es draußen nun doch ziemlich ungemütlich geworden ist, rette ich mich unter Deck und schaue bei WINTERSUN vorbei. Die einzigen Shows der symphonisch-epischen Dark Metal-Finnen in 2020 darf man sich natürlich nicht entgehen lassen. Das denken sich natürlich viele außer mir und so erstaunt es nicht, dass das Royal Theater fast bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Als Jari und seine Mannen die Bühne betreten, werden sie daher schon mit lautem Jubel begrüßt. Daher fackelt die Band nicht lange und legt los. Es ist erstaunlich, wenn man sieht, wie der Fronter das Rampenlicht genießt. Denn erlebt man ihn außerhalb, so wirkt er sehr ruhig und zurückhaltend. Alle Musiker haben viel Spaß an der Show, posen viel, animieren das Publikum zum Mitmachen, Jari tanzt und dreht sich sogar, um mit seinem Hinterteil zu wackeln. Die Leute vor der Bühne nehmen diese lockere Atmosphäre gerne an und gehen dankend mit. So machen Konzerte einfach Spaß! Schade, dass die 45 Minuten Spielzeit so schnell vorbei sind. (Krümel)
Nachdem die Bühne am Pool Deck entsprechend präpariert und gesichert ist, sammeln sich die Fans für den Gig von DEVIN TOWNSEND. Der strahlt schon wie ein Honigkuchenpferd beim Stage-Check, kommuniziert mit dem Publikum lässig, als würde er gerade Brötchen kaufen und Smalltalk halten. Doch schon beim Opener macht er aus seinem Versprechen ernst: Er hatte nämlich schon im Vorfeld angekündigt, bei einer echten Metal-Cruise vor allem härteres Material zu spielen. 'Aftermath' aus seiner STRAPPING YOUNG LAD-Vergangenheit kracht dann auch infernalisch los. Und dennoch behält er seine Devin-Sympathiepunkte bei. Der Gig startet frei nach Murphy's Law mit einer Menge Pannen, denn schon beim ersten Song fällt der Clicktrack aus. Egal, Devin bleibt unbekümmert wie bei einer Bandprobe und diskutiert mit der Band kurz, wo man wieder einsteigt. Auch weitere technische Probleme lassen ihn eher lachen und man merkt ihm den unglaublichen Spaß an, den er auf der Bühne hat. 'Velvet Kevorkian' (natürlich mit Sample-Problemen) und 'All Hail To The New Flesh' bilden sofort den nächsten SYL-Rundumschlag. Ein Rollstuhlfahrer lässt sich immer wieder zum Surfen nebst Stuhl hochheben und tickt so richtig steil aus. Später ist die Technik dann im Griff.
Von den fetten DEVIN TOWNSEND PROJECT-Songs lässt 'Kingdom' die zahlreichen Besucher auf dem proppevollen Pooldeck extatisch schweben. Die Kuh fliegt aber so richtig, als der Charmebolzen und Ausnahmemusiker vor 'Juular' kurz nochmal hinter die Bühne fragt, ob Ihsahn noch da wäre. Mit großem Jubel gesellt sich der Norweger zu Devin und übernimmt die Gastvocals. Im Whirlpool gibt es eine getanzte Wasserschlacht, der Gute-Laune-Pegel ist auf Anschlag. Natürlich lässt Devin seinem latenten Tourette-Syndrom freien Lauf und plappert eine Menge Unsinn, lässt die Fans erst "Balls!!!!" schreien und wegen der Gleichberechtigung direkt "Vagina!!!". Bei der Bombenstimmung verortet er "70000 tons of cock" auf dem Deck und zockt sich durch 'Poltergeist', 'Detox' und das wirre 'By Your Command', bevor der Gig mit 'Almost Again' und 'Love?' wieder mit STRAPPING YOUNG LAD-Material endet. Devin und die 70000 Tons? Eine hochexplosive Mischung, die das Partyfeeling gnadenlos ausreizt. (Opa Steve)
Michael Schenker ist Michael Schenker ist Michael Schenker. Musikalisch habe ich schon lange das Interesse an ihm verloren und fand zugegebenermaßen auch die MICHAEL SCHENKER FEST-Sachen recht langweilig. Dennoch möchte ich mir den Meister wenigstens einmal im Leben live ansehen, wenn sich schon die Gelegenheit ergibt. Der Gitarrenheld, der morgen seinen 65. Geburtstag feiern wird (leider in geschlossener Gesellschaft), packt mich allerdings vom ersten Ton an. Mit 'Doctor Doctor' aus seiner UFO-Ära und einem direkt folgenden 'Coast To Coast' aus den SCORPIONS-Zeiten kann er überhaupt nichts falsch machen. Als Gitarrist hänge ich ihm natürlich direkt am Griffbrett und bin hin und weg von diesem Signature-Ton. Es gibt hunderte brillante Techniker und Geschwindigkeitsprofis, aber wie er mit der Gitarre eins wird und diesen unglaublich gefühlvollen Anschlag raushaut, macht mich sprachlos. Ich hol mir ein schweres Foster's und beschließe, diesem Gig vollständig beizuwohnen. Über Michael wird ja allerhand Divenhaftes nachgesagt und er hatte sicher schwierige Zeiten mit seinen Suchtproblemen, aber hier wirkt er wie ein gelassener, glücklicher Mensch, der einfach nur seine Musik spielen will. Mit einem Dauerstrahlen im Gesicht bewegt er sich immer nah ans Publikum und post mit seiner Flying V. Als Sänger wechseln sich Gary Barden und Doogie White ab. Bei 'Into The Arena' bange ich in nostalgischer Erinnerung und bei 'Lights Out' ertappe ich mich, wie ich mich von der Stimmung der tausend Fans mitreißen lasse und herumtanze (während ich von der Whirlpool-Party nassgespritzt werde) und lauthals den Refrain mitsinge. Das ist es, was ich an so Festivals liebe: Man plant einen Pflichtbesuch, "mal vorbeischauen und dann vielleicht woanders hin", und dann bleibt man gefesselt da und geht plötzlich steil. Ehrensache, dass der Rausschmeißer 'Rock Bottom' das Deck zum Kochen bringt. Was eine geile Songauswahl! Kleine Anekdote am Rande: Der Sturm ist mittlerweile so heftig, dass sich Roadies hinter die Backline gestellt haben, um sie vor einem Umkippen zu bewahren. Einige Scheinwerfer über der Bühne schaukeln bedenklich und es war eine richtige Entscheidung, das Bühnendach tieferzulegen. (Opa Steve)
Es ist immer wieder erstaunlich, dass bis kurz vor den Auftritten eigentlich immer recht wenig Leute in den Venues sind. Meistens strömen sie erst in den letzten zwei bis drei Minuten rein. Bei den MOONSORROW ist das nicht anders, aber ins Royal Theater kommen dieses Mal besonders viele. Gleich bei den ersten Tönen merkt man, dass es heute besonders episch wird. Denn die Finnen haben ein spezielles Set auf dem Programm: Sie performen Songs ihres 2005er Albums "Verisäkeet". Und so recken die Zuschauer sogleich die Pommesgabel in die Höhe, um ihre Lieblinge zu begrüßen. MOONSORROW haben ihr Publik mit ihren intensiven Folk Metal-Stücken fest im Griff. Dies scheint sich auch draußen herum gesprochen zu haben. Es wird immer voller und selbst als ich das Royal Theater verlasse, um rechtzeitig zu meiner nächsten Band auf dem Plan zu kommen, suchen immer noch Fans einen Platz. Es scheint als hätten viele sehnlichst auf die Band gewartet. Die finnischen Musiker danken es ihnen mit einer tollen Show. (Krümel)
Im Studio B stehen kurz vor Mitternacht alle Zeichen auf Power ... epische Power, genauer gesagt: Epischer Power Metal. BLOODBOUND geben sich ein Stelldichein und wollen das Publikum aufheizen. Das klappt leider nicht so direkt, denn beim ersten Song hört man leider kaum etwas von den Vocals. Da hat wohl jemand das Mikro zu leise eingestellt, aber nachdem Fronter Patrik Johansson deutliche Zeichen in Richtung der Technik gegeben hat, funktioniert alles wie am Schnürchen. Die Schweden brillieren über die gesamte Spiellänge mit Songs sowohl vom aktuellen Album "Rise Of The Dragon Empire" (wie zum Beispiel 'Slayer Of Kings'), als auch von fast allen früheren Werken: 'Stand And Fight', 'In The Name Of Metal', 'Moria' oder 'Nosferatu' - das ist Epic Power Metal mit typischen Vocals und Screams und natürlich viel Keyboards sowie Oh-Oh-Oh-Chören. Es herrscht eine unglaubliche Stimmung und die Fans fressen Patrik aus der Hand, egal ob er zum Mitklatschen oder Mitsingen animiert - alles wird freudig mitgemacht. BLOODBOUND können trotz vorgerückter Stunde viele Energien mobilisieren - klasse! (Krümel)
Und so gepusht schaffe ich es tatsächlich noch eine weitere halbe Stunde bis zu einem Special Event zu warten. CRUACHAN wollen im "Ale And Anchor Pub", welches sich Mittschiffs in der großen Einkaufsmeile befindet, die "Drinking Songs & Ballads Show" spielen. Leider bin ich nicht die einzige, die auf die Idee kommt, sich diesen besonderen Gig anzuschauen. Das Pub und die Promenade davor sind bereits vor Beginn brechend voll. Ich kann mich dennoch ein wenig heranpirschen, sodass ich von draußen durch ein großes offenes Fenster von hinten auf die Musiker schauen kann. Diese sind gerade beim Soundcheck, wirken total locker und unken mit dem Publikum "Folks, today we're playing for beer tips". Und siehe da - kurz darauf kommt ein Fan und drückt der verdutzten Band Biere in die Hand. Aufgrund dessen scheinen CRUACHAN in noch besserer Laune zu sein und legen sogar ein paar Minuten früher los. Wie angekündigt, werden keltische Folkweisen, die mal leiser mal kräftiger von Liebe oder dem Trinken handeln, präsentiert. Dies sorgt allenthalben für gute Stimmung und die Leute singen oder klatschen mit. Bekanntlich soll man ja gehen, wenn es am schönsten ist. Und so ist für mich nach etwas mehr als einer Viertelstunde und einem insgesamt langen Tag Schluss für heute. Ich bin mir aber sicher, dass der ein oder andere der Anwesenden sicherlich noch eine lange Nacht vor sich haben wird ... (Krümel)
Tag 4:
Nach der stürmischen Nacht beruhigt sich gegen Morgen die See und wir fahren wieder in ruhigen Wassern. Nach dem Aufstehen erfahren wir dann auch den genauen Grund der rauen See am Abend: Auf der Route der "Independence" lag eine gewaltige Gewitterfront. Und da das Schiff geradewegs hineingesteuert wäre, hätte man den Kurs beibehalten, entschied der Kapitän zu drehen und den Sturm weiträumig zu umfahren. In der Hurrican-Region der Karibik ist mit Unwettern nicht zu spaßen und das Manöver hat vermutlich die weiteren Open-Air-Gigs gerettet. Danke - im Namen aller Mitfahrer!
Am letzten Tag der 70000 Tons Of Metal ist dann traditionell "Verkleidung" angesagt. Viele der Survivor haben sich daher die buntesten Kostüme mitgebracht und angezogen. Bereits beim Frühstück sieht man diverse Superheldinnen und -helden, Einhörner, Elben etc. oder Pikachu, Thor, Jesus, Super Mario und so weiter und so fort. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Da sag' nochmal einer, wir Metaller könnten nur Dunkel und Schwarz ... Aber nicht nur die Zuschauer haben sich in Schale geworfen - nein, auch diverse Musiker haben Spaß daran gefunden. Allen voran TROLLFEST, die sogar ein spezielles Fotoshooting in Meerjungfrauen-Kostümen im Kinder-Spiel-Pool abhalten.
Nachdem man das Frühstück bisschen im Pool hat setzen lassen und sich eine Dusche gegönnt hat, zieht es mich zu SPOIL ENGINE in das Studio B, um mich von den Niederländern mal trockenfönen zu lassen. Die Band hatte mein Interesse beim Durchhören des Line-ups geweckt, auch wenn das Material teilweise recht modern ist. Beim Soundcheck stelle ich fest, dass die Band vorhin noch beim Frühstück neben uns gesessen hatte. Und der schmächtige "Junge", der Haare und Gesicht morgens immer unter einer Baseballkappe versteckt hielt, entpuppt sich als die Sängerin. Ups! Iris Goessens ist seit 2015 dabei und hat die letzten beiden Alben eingesungen, von denen vor allem "Renaissance Noire" den Stil der Band perfektioniert hat. In einem Cozumel-Shirt und grauenhaft orangenen Shorts dreht Iris dann auch gleich auf. Die schmächtig wirkende Frontfrau, der ich beim Soundcheck keine große Bühnenpräsenz zugestanden hätte, schaltet mit 'R!OT' auf eine Adrenalin-Überdosis um und fliegt brüllend und singend über die Bühne, während die männlichen Sidekicks zu soliden Statisten werden. Ganz klar Hardcore-beeinflusst sind ihre Moves, aber beeindruckend ist die Power, mit der sie das Publikum zwischen den Zeilen anfeuert und selbst tanzt, springt, und immer wieder in den Fotograben klettert und sich in die ersten Reihen reinhängt. Sie erklärt auch irgendwann ihr merkwürdiges Outfit, denn das Gepäck der Band ging auf dem Flug nach Miami verloren und sie mussten sich ihre Klamotten zusammenleihen und improvisieren. Schwamm drüber, wenn man so abliefert. Das Studio B füllt sich angesichts dieser Performance immer mehr und wird von Iris zu Circlepits und Walls Of Death angefeuert. Für mich sind SPOIL ENGINE DIE Live-Überraschung der Tour und ein absoluter Geheimtipp. (Opa Steve)
Neben der schon erwähnten Verkleidung, ist der letzte Tag überhaupt sehr ausgelassen, denn heute steht auch der Belly-Flop-Contest - also der Bauchplatscher-Wettbewerb - am hinteren Pool auf dem Programm. Die Damenwelt ist unter den Kontrahenten nicht vertreten, dafür einige *hüstel* "stattliche" männliche Metaller, die mit im wahrsten Sinne des Wortes Leibeskräften in einer wild-lustigen Partystimmung um den Sieg kämpfen. Bei der Massenverdrängung ist es ein Wunder, dass am Ende überhaupt noch Wasser im Becken ist. Der Gewinner hat am Ende tatsächlich die kräftigeren Argumente und wird von der sich aus Musikern zusammengesetzten Jury unter dem Jubel der Zuschauer gekürt. Die drei Besten lassen es sich aber nicht nehmen, um noch einmal gemeinsam einen Sprung ins kühle Nass zu machen - damit auch die Umstehenden etwas davon haben ... Die Siegerehrung ist natürlich auch keine trockene Angelegenheit, sondern alle drei lassen kräftig die Korken einer Champagner-Flasche knallen und duschen sich gegenseitig damit.
Nach dieser unterhaltsamen Stunde strömen viele wieder zur Pool Deck-Bühne. Denn dort machen sich ORPHANED LAND für ihren zweiten Cruise-Gig bereit. Ich sichere mir also einen Platz in der ersten Reihe, was aufgrund des Andrangs gar nicht so einfach ist. Da ich ja von dem ersten Auftritt so begeistert war, will ich mir auf alle Fälle den weiteren zum Vergleich anschauen. Und die israelischen Jungs enttäuschen mich zum Glück nicht. Auch wenn die Songauswahl die gleiche wie vor zwei Tagen ist, so herrscht jetzt eine komplett andere Stimmung. War am Mittwoch die Atmosphäre sehr intensiv, so erscheint heute alles viel "fröhlicher" und lockerer. Kein Wunder bei der strahlenden Sonne und diesem glasklaren, blauen Himmel. Sowohl die Musiker als auch das Publikum haben einfach eine tolle Zeit und feiern das gebührend. Klasse! (Krümel)
WILDERUN waren im 70000 Tons-Forum irgendwie der heiß gehandelte Burner - oft gewünscht, und als letzte Band im Line-up angekündigt. Ich kannte von diesen Jungs keinen Ton, es klang aber aus der Konserve beim Anchecken gar nicht übel. Also ab in die intime Studio-Lounge, wo man das bärtige Quartett zwar kaum sehen, aber umso lauter hören kann. Im Laufe des Gigs wird mir immer klarer, wie einzigartig diese Mischung aus Folk Metal und epischen Kompositionen ist, die immer wieder an Film-Soundtracks erinnert. Die Fans crowdsurfen unter der niedrigen Decke, und da ja der letzte Tag auf See traditionell ein Tag der Verkleidung ist, laufen zwei Leute in gigantischen Pikachu-Kostümen im Moshpit herum, was zusammen mit der Musik und dem gediegenen Polster-Ambiente der Lounge nicht wenig abstrus wirkt. (Opa Steve)
Nach der dunklen Lounge zieht es mich wieder an die Sonne und ich erlebe das Ende des BRUJERIA-Gigs. Das Image des brutalen Drogenkartells lebt die Band mit entsprechenden Masken und markigen Ansagen, die die Aggressivität glaubwürdig unterstreichen. Ich fragte mich schon die Vortage, für welche Band Shane Embury (NAPALM DEATH, LOCK UP) an Bord ist, der mir laufend über die Füße lief. Aber dann merke ich, dass er hinter der Maske hier als "Hongo" auf der Bühne steht, während Drum-Ikone Nicholas Barker als "Hongo Jr." die Drums verdrischt. Äh, ja. Auch im Metal bleibt irgendwie alles in der Familie. Die Hardcore/Grind-Mischung ist ganz OK für mich, aber dieses Aggro-Getue geht mir persönlich auf den Zeiger. Am Schluss kommt noch jemand mit Bernie Sanders-Maske auf die Bühne, der mit einer Machete geköpft wird - ach Leute ... Witzig hingegen wird das Outro, als dann der 96er Sommerhit 'Macarena' als Playback gespielt wird, wozu die Band einen etwas anderen Text rappt, der im Refrain "Heyyyy Mariuhanaaaa!" als Ohrwurm schnell von allen mitgesungen wird. (Opa Steve)
Die Extrem-Deather von POSSESSED bestreiten am letzten Tag ihren zweiten Auftritt im Royal Theater. Wie schon beim ersten Gig an Tag zwei, strömen viele Fans zu ihren Lieblingen. Leider gibt es dieses Mal bereits beim Soundcheck für den Bass Probleme. Die Technik für den Bass will einfach nicht funktionieren. Man sieht Robert immer nervöser und ein wenig ungeduldig werden. Doch schließlich wird ihm geholfen, indem einfach ein neues Gerät zur Verfügung gestellt wird. Nun steht einer tollen Show nichts mehr im Wege. Und toll ist sie in der Tat - die Band performt mit sehr viel Herzblut eine andere Playlist, und die Zuschauer feiern POSSESSED einfach ab. Insbesondere Jeff ist überwältigt von den positiven Reaktionen, dass er sich immer wieder dankend vor die Brust bzw. das Herz klopft. Die klasse Stimmung können auch die zwei kurzen Unterbrechungen nicht trüben. Diese waren notwendig, weil sich zunächst ein Teil des Drumkits und dann der Stuhl des Felldreschers zerlegt haben. Das nenn ich mal Einsatz. (Krümel)
Am frühen Abend spielen dann auch noch einmal CRUACHAN einen regulären Gig. Zuerst finden sich gar nicht mal so viele Leute zu den Folk Metallern in stilechten Kilts ein, aber nach und nach füllen sich die Ränge des Studio B. Ich bin gespannt, wie insbesondere Fronter Keith das gestrige Pub-Event überstanden hat. Tja, wohl eher mäßig, denn gleich zu Beginn entschuldigt er sich, dass er so gut wie keine Stimme hat. Denn im Ale & Anchor-Pub hat man tatsächlich bis circa 7.00 Uhr in der Früh gefeiert und getrunken. Erwähnten wir schon, dass die Bars auf der "Independence" nie schließen? Und tatsächlich - die Stimmbänder sind echt am Ende und Keith hat wirklich Mühe die Songs wie 'I Am Warrior', 'Prophecy' oder 'Back Home In Derry' halbwegs über die Lippen zu bringen. Egal - die Leute klatschen trotzdem im Rhythmus mit und freuen sich. Bei 'Ossian's Return' wird der Sänger dann von Kim unterstützt. Später gibt es zur Freude aller noch das flotte 'Some Say The Devil Is Dead' oder das zum Tanzen animierende ALESTORM-Cover 'Mexico' und die Folk-Metal-Party ist perfekt. (Krümel)
Nach einer kleinen Essenspause geht es für mich dann mit dem zweiten KISSIN' DYNAMITE-Gig weiter. Dieses Mal haben sie im Studio B ein viel besseres Licht und vor allem mehr Platz auf der Bühne - und den nutzt die Band auch voll aus. Hier haben alle Raum genug, um sich so richtig auszutoben. Natürlich ist gerade Goldkehlchen Hannes voll in seinem Element und post was das Zeug hält. Die Schwaben haben zwar die gleiche Setlist auf dem Programm, aber da viel mehr Leute anwesend sind, herrscht eine noch ausgelassenere Stimmung. Wie schon erwähnt, waren KISSIN' DYNAMITE vielen bis dato unbekannt. Aber aufgrund ihres sympathischen Auftretens werden die Jungs sicherlich einige neue Fans dazugewonnen haben. Die Anwesenden jedenfalls haben ziemlich viel Spaß, singen mit, tanzen mit und es gibt Crowdsurfer ohne Ende. Und weil es so schön ist, lasse auch ich mich mehrmals über die Menge tragen ... (Krümel)
Aufgrund der endgeilen Erfahrung im Royal Theater habe ich meine Besuchspläne nochmal geändert und verlasse den überzeugenden KISSIN' DYNAMITE-Gig, um nochmal EMPEROR auf der Pooldeck-Stage zu sehen. Der Wind ist heute abend wieder stark und ich sehe, wie die Becken des Drumkits immer wieder von Böen durchgeschüttelt werden. Mir kommen Zweifel, wie Trym unter diesen Bedingungen sein präzises Stakkato spielen soll und ich sollte leider Recht behalten. EMPEROR sind deutlich weniger tight als im Royal Theater und die Band schwankt bei manchen Songs auch hörbar im Tempo. Keine guten Bedingungen für extreme spielerische Ansprüche. Man merkt Ihsahn auch an, dass er mit der Leistung nicht zufrieden ist. Zwar nimmt er es mit Humor und baut ein paar Gags zwischen die Songs (stimmt kurz IRON MAIDEN an), aber er streicht dann auch am Schluss 10 Minuten der Spielzeit und verkündet das Ende des Gigs, "... before we fuck it all up.". Anekdote am Rande: Auf dem offenen Meer begleitet uns während EMPEROR ein anderes Kreuzfahrtschiff für eine ganze Weile und kommt zwischendurch auch neugierig nahe. Vermutlich macht deren Kapitän gerade eine Durchsage, dass sich alle Passagiere mal auf Deck von unserer imposanten Lautstärke überzeugen können. In der dunklen karibischen Nacht mitten im Nirgendwo brutal laut das Geballer und die Schreie von EMPEROR übers Meer zu vernehmen, dürfte sicher den ein oder anderen Muggel unter den gediegenen Kreuzfahrt-Touris und Besatzung stark irritieren. Hey, Independence Of The Seas, alles in Ordnung bei euch? - Over. - Aber sowas von! Over and out. (Opa Steve)
EXODUS sind der letzte große Headliner, der auf dem Pooldeck aufspielt. Das Motto lautet: 35 Jahre "Bonded By Blood"! Womit Hinweise auf die Setlist auch völlig überflüssig sind. Zwar mit Souza am Mikro und Lee Altus an der zweiten Gitarre, trotzen die ehrwürdigen Herren dem Wind und lassen die Matten fliegen - und die sprichwörtliche Kuh obendrein. Gary Holt hat auch mit Mitte 50 eine ungebremste Energie und er post kraftvoll zu seinen Thrash-Attacken. Die Songs haben eine perfekte Durchschlagskraft. Lediglich die Tatsache, dass der Wind den Sound im komischen Winkel manchmal regelrecht verweht, schmälert das Vergnügen ein klein wenig. Nachdem das Album durchgezockt wurde, kommt Skipper Andi auf die Bühne und hält seine Dankesrede - nicht ohne sich für die organisatorischen Pannen zu entschuldigen, die im vergangenen Jahr für die Verzögerungen und den Unmut gesorgt haben. Die Zuschauer feiern die Tatsache ab, dass wir mit imposanten 71 Nationen gemeinsam headbangen und diese Zeit genießen - The united Nations of Heavy Metal on sea. Und Runde 11 wird angekündigt: Die nächste 70000 Tons geht nach Jamaika. In ausgelassener Stimmung kehren EXODUS mit einem Medley aus 'Princess Of The Night', 'Motorbreath' und anderen Songs zurück. 'Toxic Waltz' beendet dann den Gig. Fazit: Oldschool-Thrash schlägt den hektischen Jung-Thrash um Längen. Das stelle ich immer wieder fest. (Opa Steve)
Müde, aber sowas von zufrieden gehen wir in unsere Kabine. Da die Koffer vorgepackt sind, brauchen wir nicht mehr viel Aktion zu machen. Bevor das Licht gelöscht wird, studieren wir nochmal den "Tagesbefehl für das Ausschiffen", damit wir auch unser Zeitfenster und die Route wissen, wie wir das Schiff verlassen sollten. Während wir uns dann ein paar wenige Stündchen Schlaf gönnen, machen einige bis zum Andocken um sechs Uhr bei der 70000 Tons Of Karaoke durch. Für uns klingelt um halb sieben unerbittlich der Wecker. Aber da wir erst irgendwann nach acht Uhr von Bord müssen, haben wir noch etwas Zeit, mit müden Augen ein kleines Frühstück im Windjammer Café zu uns zu nehmen; Hauptsache schnell ein paar Kalorien reinschaufeln. Was im American Style ja kein Problem ist.
Genauso problemlos wie das Einschiffen läuft auch das Ausschiffen ab. Es gibt verschiedene Ausgänge, die einem zugewiesen werden und so gibt es keine Staus oder lange Warteschlangen. Auch im Hafen läuft alles wie am Schnürchen: man kommt raus, wird gefragt ob man zu seinem Auto, den Bussen oder Taxis möchte und wird sogar hingeleitet. Wir besteigen ein Taxi zur Railstation, von wo aus uns der Zug nach Miami Airport Station bringt. Ein öffentlicher Bus bringt uns zum Hotel, wir checken schnell ein und wir holen erstmal ein bisschen Schlaf nach ...
In den Tagen danach und auch noch Zuhause haben wir eine Menge Eindrücke zu verarbeiten. Zunächst fühlt es sich an, als trete man aus einem Paralleluniversum wieder in die "normale" Welt. Nach der super Organisation an Bord, dem Komfort, der andauernden Musik, und der professionellen Mannschaft, die auch in Krisen (Sturm und ungeplanter Bühnenumbau) Ruhe bewahrt, muss man sich "da draußen" erst einmal wieder zurecht finden. Am meisten fehlen jedoch einem die fantastischen Menschen aus aller Welt, denn auf dem Schiff hat man so viele tolle Leute getroffen. Wirklich jeder war super entspannt und es ist völlig egal, aus welchem Land man stammt, wer man ist oder welche Art von Metal man hört. Der Leitspruch der 700000 Tons Of Metal heißt nicht umsonst: Wir sind alle eine Familie! Wir sind froh ein Teil davon gewesen sein zu dürfen - selten haben wir ein so großes Gemeinschaftsgefühl erlebt. Bandauftritte kennt man von Festivals genügend, eine Kreuzfahrt an sich ist auch nicht allein der Brüller, nach dem wir uns die Finger lecken. Diese verrückte Kombination in diesem Ambiente ist schon eine Klasse für sich - aber ihr, die Fans, die Sailors, die Survivors, seid es, die diese Tage zu etwas ganz Besonderem gemacht haben. Deswegen haben wir euch auch die größten Fotoabschnitte in diesem Bericht gewidmet.
Survivor's Guide für Newbies
Wie in der Einleitung schon geschrieben, ist für einen Newbie auf der 70000 Tons, der vielleicht auch im Leben noch keine Kreuzfahrt gemacht hat, vieles neu und undurchsichtig. Man kann sich eine Menge nicht vorher vorstellen, auch fehlen oft viele Informationen zum frühen Zeitpunkt. Zumindest bei dieser Cruise war das so. Daher bezieht sich alle Erfahrung, die wir hier mit euch teilen, auf diese eine Cruise-Erfahrung und kann sich in den folgenden Jahren ändern. Am wichtigsten ist die Erkenntnis im Nachhinein: Egal, was erst mal nicht gut läuft oder chaotisch scheint - am Ende wird alles gut. Also, lasst uns starten und unsere Erfahrungen teilen:
- Vorfreude
Ganz groß, verfolgt die Homepage und das Forum. Oft sind Informationen vom Skipper zuerst im Forum, bevor sie auf der Homepage veröffentlicht werden. Noch ein Hinweis zum Forum: Es neigt manchmal dazu, in Spekulationen wild ins Kraut zu schießen. Spannend ist aber allemal die Schwarmintelligenz, wenn Medien und Publikationen aus aller Welt durchsucht werden, um frühe Hinweise auf das Line-up zu erhalten. Und manchmal sind die Indizien so erdrückend, sodass die Community in ihren Band-Vorhersagen auch öfter mal gute Treffer landet. Aber wie gesagt, genießt die Spekulationen mit Vorsicht und bleibt gelassen.
- Bands
Die 70000 Tons spricht offiziell von 60 Bands. Selbst in dem kritischen Planungsjahr 2019/20, als es zum Buchungszeitpunkt gerade mal ein Dutzend Bands gab, kamen am Ende 61 Bands zustande. Dies hatte sich bis eine Woche vor die Cruise gezogen, bis die letzten Bands bekannt waren. Natürlich hat nicht jede Last-Minute-Band Headliner-Charakter, sondern es werden wegen der komplizierten Visa- und Reisebestimmungen der USA vornehmlich US-Bands in den letzten Tagen bekanntgegeben. Jede Band spielt in der Regel zwei Gigs mit wechselnden Zeiten und Überschneidungen an einer der Live-Locations auf dem Schiff.
- Kabinen und Preise
Man kann sich immer gut an den Preisen des Vorjahres orientieren. Grundsätzlich hat man die Wahl, ob man eine komplette Kabine mietet (die man dann auch komplett bezahlen muss), oder sich ein sogenanntes "Single-Ticket" besorgt. Gerade als Alleinreisende(r) bietet sich das Single-Ticket an, allerdings hat man dann keine Wahl der Mitreisenden in der Kabine. Ansonsten kann man sich aber auch als Paar oder Gruppe zusammentun und sich eine Kabine teilen. Am günstigsten sind die Kabinen zur Innenseite, wobei die Gruppenkabinen jeweils auch Hochbetten und entsprechend weniger Platz haben. Größer und luxuriöser sind die Balkonkabinen, die sich kaum noch von einem guten Hotelzimmer unterscheiden, und natürlich die Suiten (das nötige Kleingeld vorausgesetzt). Apropos Innenraum: Es gibt auch Innenkabinen, die dennoch ein Fenster zur Promenade des Schiffs haben. Da dort rund um die Uhr was los ist, Beleuchtung ist und Metal läuft, ist es dort natürlich unruhiger. Und man sollte morgens nicht nackig die Vorhänge aufziehen ...
Die Preise sind üblicherweise alle in Dollar ausgeschrieben und in Euro je nach Kurs etwas günstiger. Aber Vorsicht: Dies sind keine Kabinenpreise, sondern Personenpreise! Außerdem kommen pro Person noch feste Gebühren und Steuern drauf, die ebenfalls noch mehrere Hundert Dollar ausmachen. In der Summe bedeutet das, dass man eigentlich unter 1000 Euro nicht mitfährt.
- Welche sonstigen Kosten entstehen im Vorfeld?
Florida liegt nicht gerade um die Ecke, das heißt, man benötigt noch zwei Flüge. Paarhundert Euro muss man hier pro Flug einplanen, je nach Linie, Uhrzeit oder Umsteigen kostet es mal mehr, mal weniger. Da die Einreise in die USA aufwändig und zeitraubend ist und auch das Schiff einen Boarding-Prozess mit Security und Passkontrolle hat und alle Sailors schon lange vor der Abfahrt auf dem Schiff sein sollen, empfiehlt sich unbedingt eine Nacht Hotel im Vorfeld, anstatt knapp vom Flieger zum Hafen zu gelangen. Jede Umbuchung oder Verspätung kann bedeuten, dass die Cruise für euch gelaufen ist. Mindestens eine Hotelnacht sollte also eingeplant werden. Aufgrund der Gesamtkosten ist eine Reiseversicherung unbedingt anzuraten. Siehe hierzu auch die Storno-Hinweise weiter unten. Wer in den USA keine Aufenthaltsgenehmigung hat, muss noch ein paar Euro für die ESTA hinlegen.
- Buchungsvorgang
Der Buchungsvorgang gliedert sich in mehrere Schritte. Bislang gab es immer unterschiedliche Termine für die Gold- und Silver-Survivors, die schon mindestens eine Cruise mitgemacht haben. Erst wenige Tage später dürfen sich die Newbies an die Buchung machen. Wenn man aber einen Survivor kennt und mit ihm eine Kabine teilt, kann man natürlich schon vorher durch ihn mit draufgebucht werden. Bei uns im Herbst 2019 war die offene Buchung sehr stressfrei und der Server nicht belastet, was natürlich auch an der geringeren Nachfrage durch die starke Verzögerung liegen kann. Während der Buchung sucht man sich die Kategorie der Kabine unter den freien Kategorien aus und gibt die Namen der Mitreisenden an, sofern schon bekannt. Außerdem erwartet das Schiff auch immer Kontaktpersonen zuhause für den Fall, dass etwas passieren sollte. Haltet also auch Namen und Telefonnummern eurer Ansprechpartner zuhause bereit.
Vertragspartner ist immer der Buchende! Einige Stunden später erhält man seine Buchungs- und Kabinennummer. Wichtig ist, dass man die Namen aller Reisenden exakt so einträgt, wie auch die Schreibweise im Reisepass ist! Diese Tour ist kein europäisches Festival, sondern unterliegt den üblichen Ein- und Ausreisebestimmungen der USA.
Wenn ihr die Rechnung erhalten habt, könnt ihr die Kabine komplett zahlen, oder jeder Sailor zahlt seinen ausgewiesenen Beitrag. Dies geht per Kreditkarte, oder eben internationaler SWIFT-Überweisung mit BIC. Als Modell für die Kosten (SHARE/BEN/OUR) ist SHARE der Standard, das heißt, ihr zahlt eure Bankgebühren, und der Empfänger seine - so müssen die Banken nichts aushandeln. Die Überweisung muss direkt in US-Dollar mit dem exakten Betrag erfolgen, damit für den Empfänger auch keine weiteren Kosten anfallen. Danach heißt es noch ein paar Tage warten, und irgendwann trudelt dann die Bestätigung ein.
Sollte jeder Sailor seine Kabinenanteile selbst bezahlen, ist die Kabine erst zum Boarden freigegeben, wenn alle Anteile bezahlt sind!
- Storno
Bis zu einem recht frühen Zeitpunkt kann man die Buchung noch stornieren. Danach geht der Ausstieg nur noch über Ersatzreisende. Wenn die Kabine bereits bezahlt ist, kann man die Reisenden für das Schiff ummelden. Dies ist kostenpflichtig, und das nicht zu knapp. Aber bevor man Tausend Euro oder mehr in den Wind schießt und kein Versicherungsgrund vorliegt, ist das natürlich die beste Lösung. Diese Option schwindet erst wenige Tage vor Abfahrt.
- Zeit bis zum Ablegen, Dokumente und ESTA
Die Wochen bis zum Ablegen werden natürlich weiterhin mit Spannung verfolgt, denn immer wieder gibt es neue Bandankündigungen. Außerdem ist das die richtige Zeit, die Reisedokumente zu checken (gilt der Pass noch?) und natürlich die ESTA zu machen. Wer noch nie in den USA war: ESTA ist eine visumfreie Möglichkeit, zu Urlaubszwecken in die USA zu reisen. Wer keine Aufenthaltsgenehmigung hat, kann als Bürger der EU-Staaten eine Art "Unbedenklichkeitsbescheinigung" ausstellen lassen. Dies geschieht online und ist auch in Deutsch recht einfach. Man muss eine Menge Fragen beantworten, zum Beispiel über seinen Arbeitgeber, Geschlechtskrankheiten und Terrorpläne (kein Witz). Dies kann ein paar Tage dauern, und manchmal gibt es auch Rückfragen. Man sollte also nicht später als drei Wochen vor der Cruise seine ESTA beantragen.
Wenige Tage vor der Anreise gibt es dann das Online-Checkin, welches ihr direkt über eure Buchungsnummer bei der Royal Caribbean durchführt. Das erspart am Boardingtag viel Wartezeit, also macht es unbedingt. Dort gibt es auch Kofferanhänger zum Download, was beim Drop-Off des Gepäcks ebenfalls Zeit spart. Die Royal Caribbean wird euch nach der Registrierung für die Tour noch einige Flatrate-Pakete schmackhaft machen wollen. In der Regel sind aber die inkludierten Leistungen (s. auch "Aufenthalt auf der "Independence Of The Seas"") mehr als ausreichend. Man muss sich gut überlegen, ob man pro Tag noch 13$ für die Tatsache zahlen möchte, dass man auch Kohlensäure in den Softdrinks hat. Ein Alkoholpaket, welches eine Option auf normalen Kreuzfahrten ist, gibt es auf der 70000 Tons leider nicht. Sie wissen schon, warum ...
- Anreise
Sowohl Fort Lauderdale als auch Miami bieten internationale Flughäfen und liegen gerade mal 40km auseinander. Miami geht im Vergleich zu Fort Lauderdale natürlich steil, aber Fort Lauderdale ist günstiger (und einen Strand gibt es auch). Beide Städte sind durch die Tri-Rail verbunden und eine Fahrt kostet gerade mal 5,00 $ (WiFi inklusive). Und macht euch darauf gefasst, dass in eurem günstigen Hotel einige Metal-Shirts zu sehen sind. Wenn man nicht sowieso einen Mietwagen hat, sollte man sich für die Anreise ein Taxi oder ein Uber nehmen, denn der Port Everglades ist ein recht großer Hafen, wo man keinen Koffer durch die Hitze rollen möchte. Taxis fahren euch bis vor's Schiff, wo ihr direkt das Gepäck aufgebt. Rechnet mit 20$ für das Taxi. Es lohnt sich auch, im Hotel nach einem Shuttle zu fragen. Dieser ist oftmals noch günstiger als ein Uber, und für die Hotels in Fort Lauderdale sind Fahrten zum Port Everglades Routine.
Beim Security-Check bilden sich lange Schlangen, aber macht euch auf eine ausgelassene Stimmunge gefasst. Die Party beginnt schon, bevor man das Schiff betreten hat. Das Mitbringen von Alkoholika ist verboten, auch Wasser im Koffer wird im Verdachtsfall inspiziert. Beim Boarding-Prozess nach der Security ist es nochmal wichtig, alle Papiere inkl. ESTA-Bescheinigung bereitzuhalten, und dann bekommt ihr endlich eure Kabinenkarte, die auch als Bezahlkarte während dieser Tage dient. Jetzt geht es endlich auf heiligen Boden, das schwimmende Mini-Wacken mit Luxus-Campground und ohne Backstage-Bereich.
- Aufenthalt auf der "Independence Of The Seas"
Das Schiff gehört zu den größeren Kreuzfahrtschiffen und neben zahlreichen Decks beinhaltet es so viele Locations, dass man sie kaum alle am Anfang durchlaufen kann. Im Cruise-Programm, welches man ausgehändigt bekommt, stehen auch klar alle inkludierten Leistungen und Restaurants drin. Die Auswahl kann sich sehen lassen. Das Buffet-Restaurant "Windjammer" bietet eine ausgezeichnete Auswahl und Qualität aller möglichen kalten und warmen Speisen. Getränke gibt es ohne Kohlensäure und ohne Alkohol jederzeit. Da das Restaurant quasi rund um die Uhr geöffnet hat, wird niemand an Flüssigkeitsmangel sterben. Daneben gibt es abends das pompöse Restaurant mit mehrgängigen Menüs. Snacks gibt es rund um die Uhr in einem Cafe auf der Promenade, genauso wie eine gar nicht so üble 24-Stunden-Pizzeria, wenn man sich auf dem Weg zwischen den Bühnen schnell noch ein Viertel reinschieben möchte. Das Schöne ist, dass sich die 3000 Fans auf dem großen Schiff so verteilen, dass man nirgendwo Stress hat oder lange auf einen Platz warten muss.
Wichtige News und das Tagesprogramm für den nächsten Tag bekommt man auf dem Schiff auch jeden Abend auf die Kabine. Dazu gibt es einen freundlichen Guest-Service, der in wirklich jeder Situation sofort eine Lösung oder Antwort hat.
Getränke gibt es in zahlreicher Auswahl wortwörtlich alle 50 Meter. Wie so oft in den USA üblich gibt es keine Preislisten für Getränke und man muss sich durchfragen. Und wie üblich ist echtes Bier in den USA recht teuer, und auf einem Kreuzfahrtschiff nochmal teurer. Da überlegt man sich zweimal, ob man für 7$ ein kleines Corona trinkt, oder für 11$ gleich die stattliche Dose von 0,75 Litern Foster's Lager (eisgekühlt ein perfektes Maß, und man hat was in der Hand). Ihr merkt also: Ein festivalüblicher Alkoholkonsum geht ganz schön ins Geld!
Bei dem fantastischen Wetter der Karibik wird man ja auch viel Zeit auf den Außendecks verbringen. Sonnenschutz ist daher auch ein Muss! Wer möchte, kann sich aber auch gratis von den charmanten Poolgirls und Poolboys einreiben lassen. Da es auf dem Meer grundsätzlich windig ist, empfiehlt sich für Nachts auch mal eine Jacke mit langen Ärmeln.
- Konzerte
Diese finden an vier Locations statt. Die Pooldeck-Bühne kann mit kleineren Open-Airs mithalten, wird aber am Abreisetag erst fertiggestellt. Wenn man Glück hat, findet man einen Platz im leicht erhöhten Whirlpool direkt hinter dem Publikum. Aber es gibt auch noch ein umlaufendes Panoramadeck und diverse Zwischenterrassen, von denen man eine fantastische Sicht von oben hat.
Das "Studio-B" ist wie eine kleine Sporthalle mit Rängen und perfekter Sicht. Ob man gemütlich ein Bier trinkt oder unten im Moshpit steht, alles ist möglich.
Im Royal Theater gibt es direkt vor der Bühne einen Hallenboden für ca. 200 Leute, dahinter eine luxuriöse Theaterbestuhlung und auch entsprechende Oberränge. Ebenfalls perfekt in Sicht und auch Sound. Manche kleinen Bands bekommen leider nur wenig Lightshow und damit wirkt die große Bühne dann etwas dunkel, bis abends die Headliner aufspielen.
Die Star Lounge ist eine Mini-Bühne in der Schiffsdisco. Sicht, Sound und Licht sind miserabel, man kann die Konzerte eigentlich nur sehen, wenn man in den ersten drei Reihen steht. Und dort ist es meist viel zu laut. Beeindruckend allerdings sind die komfortablen Polstermöbel, in denen man sich loungig fläzen kann, wenn man keinen Wert auf Sicht legt. Alle Holzkanten der Sitzmöbel sind übrigens penibel mit dickem Schaumstoff geschützt, damit sich niemand verletzen kann! Das ist artgerechte Mosher-Haltung.
- Zusammenleben mit den Bands
Zunächst einmal: Das Schiff hat keinen Backstage-Bereich, aber es ist auch kein Backstage-Bereich. Wer also glaubt, alle zehn Meter über ein berühmtes Gesicht zu stolpern, der irrt sich. Die Bands machen keine zehn Prozent der Mitreisenden aus, und auf dem weitläufigen Schiff verteilt sich das. Aber klar, man trifft sie beim Essen, unterwegs, auf dem Sonnendeck, im Publikum ... eigentlich wird es so alltäglich, dass es auch nichts Besonderes ist. Wenn man die Höflichkeit nicht über Bord wirft (auch Musiker wollen mal in Ruhe essen und nicht laufend angelabert werden), hat man mit vielen Bands eine entspannte Zeit und man merkt schon, wenn sie Bock drauf haben, mit den Besuchern zu quatschen und Selfies zu schießen. Es gibt allerdings auch Bandmitglieder, die nie von irgendjemandem gesichtet werden, weil sie den Roomservice vorziehen.
- Abreise
Das metallische Paradies auf den Weltmeeren findet leider auch ein Ende. Man sollte sich am letzten Tag Zeit nehmen, den Koffer vorzupacken. Aufgeben muss man ihn nicht wie beim Boarding, man kann ihn auf Wunsch auch selbst aus eigener Kraft hinausbringen. Da Liegezeiten für so ein Schiff Verluste bedeuten, ist Zeit Geld. Bereitet euch darauf vor, sehr früh von Bord zu müssen. Entweder durchmachen, oder Wecker stellen. Zeit für ein Frühstück ist auch noch, der Service wird nicht eingestellt. Für die Abreise vom Hafen bietet das Schiff schon im Vorfeld Buchungsmöglichkeiten eines Transports. So komfortabel das klingt: Wie eigentlich alle Pakete, die von der Royal Caribbean angeboten werden, ist auch dieses Angebot deutlich überteuert, wenn man am Morgen Herr seiner Sinne ist und seine Gliedmaßen selbst bewegen kann. Das Disembarkment selbst läuft sehr professionell. Je nach Deck und Kabine bekommt man einen Ausgangspunkt zugewiesen, so dass sich Staus nur an den Aufzügen bilden. Vor dem Terminalgebäude warten dann dutzende Taxis und je nach Zielort wird man entsprechenden Schlangen zugewiesen.
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Billing
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