Livebericht Engst (mit Stadtruhe und Kopfecho) |
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Ein Livebericht von Stormrider aus Frankfurt am Main (Elfer) - 02.11.2019 (29266 mal gelesen) |
Es ist Herbst. Es nieselt ein wenig und die Bäume fangen an, die Blätter abzuwerfen. Die kürzlich erfolgte Zeitumstellung tut ihr Übriges dazu, dass die Stimmung ein wenig runtergeht in den letzten Tagen. Was also tun, um sich wieder in beste Lebensfreude zu versetzen? Mein Vorschlag: Wie wäre es mit einem seit Wochen ausverkauftem Punk Rock-Konzert in einem miefigen kleinen Gewölbekeller? Wenn ihr das für eine gute Idee haltet, dann hoffe ich, dass ihr für heute Abend ein Ticket für ENGST im Elfer ergattern konntet. Denn wer heute nicht dabei war, der hat definitiv etwas verpasst. Aber fangen wir mal mit einem negativen Aspekt an, der mir leider immer wieder sauer aufstößt. Die gängigen sozialen Medien verbreiten als Einlasszeit 19:00 Uhr. Betritt man aber um 19:05 Uhr den Elfer, dann hört man genau noch die Schlussakkorde von KOPFECHO. Es kann doch nicht sein, dass der Club auf seiner Facebook-Seite eine Einlasszeit angibt, bei der der erste von drei Acts schon wieder aufhört zu spielen. Sorry, das muss nicht sein. Nein, ich korrigiere: Das darf nicht sein! Die Fans geben ihre sauer verdiente Kohle natürlich vorrangig für den Headliner aus, aber dennoch ist es weder den Fans, noch der Band gegenüber ein besonders fairer Zug, wenn der Club das Konzert extrem früh beginnen lässt und die falsche Anfangszeit auf den für die Zielgruppe wichtigen Informationskanälen dann falsch angibt, nur um die Location nach dem Gig noch für eine Disco-Session zu nutzen. Schade für KOPFECHO, die zumindest ihren Schlussakkord sehr sympathisch in die Kellermauern zocken. Nach einer angenehm kurzen Umbaupause dürfen dann STADTRUHE aus Potsdam auf die Bretter. Man merkt der jungen Band vom ersten Ton an, dass sie ein wenig mit der Aufregung zu kämpfen hat. Aber auch, dass sie mit viel Herzblut dabei ist. Und das wird vom Publikum durchaus honoriert, denn es lässt sich schon beim zweiten oder dritten Song zum berühmten Ohoho-Mitsingen animieren. Gewagt, denn sowas geht ja bekanntlich auch gerne mal schief, wenn niemand die Band kennt. Das Material ist ziemlich poppig und bekommt nur einen leichten Punk-Einschlag spendiert, der sich aber eher in den Lyrics ausmachen lässt. Leider ist der Sound noch etwas dürftig, so ist zum Beispiel die Gitarre des Hipster-Gitarristen mit Freizeithemd, "Ein-Augen-Scheitel" und Hornbrille so gut wie gar nicht wahrzunehmen. Man sieht, dass er seine SG spielt, aber hören tut man sie nicht. Aber apropos Brille. Er ist so sehr mit Herzblut bei der Sache, dass ihm diese gleich zwei Mal von der Nase fliegt. Beim zweiten Mal tritt er dann auch noch darauf, zieht sie aber danach wieder auf, als wäre nichts gewesen. Alles in allem liefern STADTRUHE einen Auftritt, der vom Publikum am Ende mit etwas mehr als Höflichkeitsapplaus bedacht wird, aber von dem in dem Moment kaum noch einer spricht, als ENGST um 20:20 Uhr, nach der 'Ode An Die Freude' als Intro, mit Optimisten in ihren Set starten. BÄM! Was für eine unfassbare Energie vom ersten Akkord an. Knalliger drückender Sound, kleine ausverkaufte Location, eine Band die offensichtlich keine Gefangenen machen will und dazu ein Publikum, was nur darauf wartet, heute Abend vollkommen steil zu gehen. Es dauert keine 30 Sekunden, bis man weiß, dass man heute vielleicht eines der intensivsten Konzerte des Jahres erleben wird. Und genau so geht es weiter. Schon vor dem zweiten Song nimmt Sänger Matthias Engst die Fans auseinander, beordert sie nach links und rechts und zu 'Ein Sommer In Den Charts' gibt es den ersten Circle Pit. Die sich anschließende 'Hymne Der Verlierer' setzt dann noch einen drauf und wird zum ersten Höhepunkt, deren Refrain enthusiastisch mitgesungen, nein, fast eher mitgeschrien wird. Man mag es kaum glauben, dass dies die erste komplette Headlinertour von ENGST ist, so selbstverständlich liefert die Band eine absolut authentische und zu jeder Sekunde vor Energie sprühende Show ab. Aber nicht nur die Band, auch das Publikum liefert seinen Beitrag dazu, dass es ein Abend ist, an den sich jeder Anwesende vermutlich lange und gern erinnert. Während man auf Platte musikalisch teilweise doch immer ein wenig mit sehr poppigen Arrangements kokettiert, bieten ENGST live eine dermaßen energiegeladene PUNK- und ROCK-Show, dass es wirklich eine Freude ist, hier im Elfer dabei zu sein. Heute regiert in Frankfurt 'Der König', und der heißt an diesem Abend (Matthias) ENGST. Woran man das merkt? Zum Beispiel daran, dass zum gleichnamigen Song eine Polonäse des gesamten Publikums gefordert wird, der sich wirklich fast alle anschließen. Selbst die üblichen "Ich-mach-doch-bei-sowas-nicht-mit-Spaßverweigerer" finden sich in der Schlange wieder. Das geht definitiv entgegen der sonstigen Frankfurter Gepflogenheiten, eher stoisch auf dem Platz zu stehen. Heute ist Bewegung im Saal und zwar über die volle Distanz. Bestimmt mag nicht jeder Anwesende jede Showeinlage. Ob nun ein Wettsaufen über drei Flaschen Bier zwischen einer zierlichen, vielleicht 50 kg schweren Frau und einem circa 120 kg wiegendem Kampftrinker sein muss? Das hat dann fast schon MANOWAReske Züge, auch dann noch, wenn man dazu 'Along Comes Mary' von der BLOODHOUND GANG spielt. Die Beiden danach aber auch noch in der Mitte des Saals in einen Circle of Shame zu stellen. Geschmackssache würde ich sagen. Sei es drum. In der zweiten Konzerthälfte gibt es mit 'Friedenspanzer' einen Coversong der wohl bekanntesten Berliner Band ever, also von DIE ÄRZTE. Denn auch wenn ENGST heute mehr als liefern, müssen sie für den Status von Bela, Farin, Rod wohl noch über einen längeren Zeitraum auf dem Level performen. Im Anschluss gibt es die neue Single 'Unsere Kneipe', und zu 'Eskalieren', passiert auch genau das: Das Publikum eskaliert weiterhin. Nachdem man noch ein Loblied 'Auf Die Freundschaft' zum Besten gegeben hat, ist um 21:45 Uhr dann erstmal Schluss mit Punk Rock. Doch es dürfte wenig überraschen, dass sich das Publikum damit heute Abend nicht zufriedengeben will. Der Zugabenblock wird eröffnet von 'Ohne Dich'. Allerdings nicht wie auf der Platte getragen von einer Akustikgitarre, sondern in einer sehr ergreifenden Pianoversion, die nur Matthias und Yuri spielen. Letzterer bedient hier die Tasten und rührt nicht die Kessel. Der Song ist so emotional, dass nicht nur bei den Musikern ein paar Tränen fließen, sondern auch im Publikum. Da man aber die Meute nicht mit dieser traurigen Stimmung in die Frankfurter Nacht entlassen möchte, gibt es mit dem MARTERIA-Cover 'Lila Wolken' und 'Ich Steh Wieder Auf' noch zwei Mal Partyvollbedienung. Auch nach fast zwei Stunden Vollgas wird noch fleißig der Pogo getanzt, bevor um kurz nach 22 Uhr noch der heutzutage obligatorische Abschluss-Selfie mit dem Publikum gemacht wird. Irgendwie komisch, dass ein solches Konzert schon um diese Uhrzeit zu Ende geht. Gefühlt sollte es eher kurz vor Mitternacht sein, aber wer noch nicht genug hat, der hat ja die Möglichkeit, sich nochmal ins Frankfurter Nachtleben zu stürzen. Wer es auf dieser Tour nicht geschafft hat, ein Ticket für ENGST zu organisieren, der sollte es sich aber definitiv für die nächste Runde durch die Clubs der Republik frühzeitig auf den Zettel schreiben. Denn wenn sich das Quartett weiterhin so entwickelt, dann dürfte man sie nicht ewig in den kleinen Clubs und Kaschemmen zu sehen bekommen. Zu einprägsam sind die Songs, zu dynamisch, energisch und einnehmend die Liveperformance, als dass das dauerhaft der breiten Masse verborgen bleiben könnte, oder besser gesagt sollte. Grandioses Konzert! |
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