Livebericht Grave Digger (mit Mystic Prophecy und Cellar Stone) |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Andernach (Juz-Liveclub) - 28.01.2023 (18848 mal gelesen) |
GRAVE DIGGER luden schon ein Jahr früher zum Reigen, doch die wackelige Situation der Corona-Regeln ließ auch diese Tour platzen, bis sie dann endlich 2023 nachgeholt werden konnte. Am 28. Januar findet dann auch endlich der Gig in einem unserer Lieblingsclubs, dem JUZ-Liveclub Andernach, statt. Mit im Gepäck haben die teutonischen Urgesteine die Landsmänner von MYSTIC PROPHECY, doch den Anfang an diesem kalten und hungrigen (die gewohnte Imbissbude vor dem Club war ohne Vorwarnung verschwunden) Abend sollen CELLAR STONE machen. Besagte CELLAR STONE kommen aus Griechenland und konnten ihren Zweitling "Rise & Fall" ebenfalls beim griechischen Rock-Of-Angels-Records-Label unterbringen, welches auch GRAVE DIGGER und MYSTIC PROPHECY aktuell unter seinen Fittichen hat. So nutzt man die Tour als Label-Paket und macht natürlich die bestmögliche Promotion für die hauseigenen Veröffentlichungen, zumal auch der Opener ausreichend Platz am Merch eingeräumt bekommt. Die Band startet dann überpünktlich mit dem groovigen 'Lights Out', bei dem Sänger Aris Pirris auch noch die zweite Gitarre umgeschnallt hat. Mit 'Going Under' kann er dann vom zweiten Album einen maßgeschneiderten Titel für seine Stimmbänder darbieten. Die Band nutzt den sehr schmalen vorderen Bühnenplatz mit dem zweiten Drumkit so gut es geht aus. Der Drummer nimmt sich für jeden Fotografen genug Zeit für ein paar punktgenaue Grimassen und überzeugt durch sein sehr musikalisches Spiel. George Maroulees lässt derweil an der Gibson die dicken Rockstar-Posen raushängen, soweit es der Bühnenplatz erlaubt, während Basser Akis mit seiner Sonnenbrille und seinem schelmisch-durchgeknallten Blick auch in zweiter Reihe für Hingucker sorgt. Nach dem flotten Titeltrack des Debütalbums kündet Aris eine Coverversion an, die jeder kennen würde. Angesagt wird 'Mob Rules' von BLACK SABBATH. Auch, wenn mir der Song ein wenig langsamer als das Original vorkommt, gehört dazu schon ein großes Selbstbewusstsein, sich an Ronnie James Dio zu probieren. Aber Aris macht das tatsächlich sogar absolut ordentlich. Zwischenzeitlich hat die Band auch das Publikum fest im Griff, welches die La-Ola-Spiele freudig mitmacht und der Band einen Jubel beschert, der für Opener nicht selbstverständlich ist. Durch eine solide Figur auf der Bühne, sehr sympathisches Auftreten, Herzblut und einer Menge ordentlicher Metal-Songs können die Newcomer eine Menge Fans hinzugewinnen, die sich noch den ganzen Abend am Merch mit der Band unterhalten und sich ablichten lassen. Auch MYSTIC PROPHECY bleiben stramm im Zeitplan und nehmen sich nicht allzu viel Umbauzeit. Schwäbisch gut gelaunt stapft Roberto mit ein paar witzigen Sprüchen auf die Bühne und weiß, wie er die circa 400-500 Anwesenden auf seine Seite bekommt. Die Bedingungen sind perfekt, denn der JUZ-Liveclub ist gut gefüllt, aber eben nicht gedrängt. Und angesichts des klassischen Materials freuen sich vor allem schmaler gebaute Personen über den Luxus, einfach nur bangend nach vorne zu schauen und die Band zu genießen, ohne dass man pausenlos von einem Moshpit umgekegelt wird. Auch die Fotografen freuen sich über diesen Umstand, denn da der Fotograben heute unbegehbar und die Empore gesperrt ist, schießen sie die Fotos eben aus den ersten Reihen. Stampfend geht es auch gleich mit 'Metal Division' los - "Brothers Of Metal, together 'til the end". Über so viel Trveness direkt zum Einstieg muss man schon ein bisschen schmunzeln. Roberto ist bewegungsfreudig wie noch was und man sieht ihm den Spass in jeder Sekunde an. Joey bildet mit Markus eine synchronbangende Front für das Fundament, während Evan die Showposen praktiziert und seine Soli und Licks präsentiert. 'Burning Out' legt dann danach direkt schon mal das Tempo etwas höher an. Überhaupt gefallen mir die schnellen Titel der Band deutlich besser als die Stampfer. Das merke ich deutlich an dem frühen Werk 'Killhammer', welches zwar simpel ist und schnell in die Fäuste gehen sollte, aber es passiert einfach zu wenig. Beeindruckend ist die Bandbreite der Alben, die hier behandelt werden. Mit 'Savage Souls' geht man sogar ganz weit zurück in die Bandgeschichte. Auch MYSTIC PROPHECY haben in ihrem Set eine Coverversion vorbereitet: 'Shadows On The Wall' von Mike Oldfield dient hier als genrefremde Vorlage, und irgendwie will der Titel nicht so recht zünden. Da hatten CELLAR STONE mit 'Mob Rules' eine deutlich bessere Wahl getroffen. Da macht das Mitsingen von 'Dracula' danach schon deutlich mehr Spaß. 'Eye To Eye' ist für mich persönlich dann noch mal ein Highlight dieses Gigs, und die gute Stimmung überträgt sich auch noch auf den Rausschmeißer 'Ravenlord', der mich an sich eigentlich nicht so anspricht. Aber live und in guter Stimmung wirken alle Songs nochmal einen Ticken lebendiger, und bezüglich Stimmung haben MYSTIC PROPHECY nichts anbrennen lassen. Als besonderes Gimmick kam irgendwann GRAVE DIGGERs Reaper auf die Bühne und überreichte Markus Pohl eine Geburtstagstorte, die gleichzeitig von Roberto mit dem Dank für die 20 Jahre Bandzugehörigkeit verbunden wurde. Offenbar ist der Schedule an diesem Abend eng gestrickt und die ob der fantastischen Fanreaktionen begeisterten Jungs von CELLAR STONE verraten mir beim Bier, dass sie am nächsten Tag den Heimflug nach der langen Tour antreten werden. Da startet schon das Intro für GRAVE DIGGER mit Fanfaren und Pauken, welches auch das aktuelle Album einläutet. Als Opener gibt es aber nicht 'Battle Cry', wie man meinen könnte, sondern man sucht sich mit 'Lawbreaker' einen Song raus, der sich für die Band prima zum Warmspielen eignet und das Publikum beim Mitsingen des simplen Refrains schön in Stimmung bringt. Dazu sprühen die Funkenfontänen bis unter's Hallendach - ja, so geht Metal! Mit 'Hell Is My Purgatory' zieht die Band dann das Tempo an und Marcus Kniep freut sich hinter der Schießbude, dass er mit vielen Verzierungen den Drive vorgeben kann. Chris Boltendahl wirkt hingegen etwas ausgezehrt und stapft wahlweise mit kauzigem oder grimmigem Metal-Blick über die Bühne. Stimmlich hingegen lässt er auch nach vielen Tagen on the road nichts anbrennen. Wer sich so über Jahrzehnte als Marke etabliert hat, der wird auch ganz anders wahrgenommen, und Chris hat definitiv seinen Platz in der deutschen Metal-Szene. Der Publikumskontakt geht nie verloren, es gibt ständigen Augenkontakt, er animiert zum Mitsingen und hält auch mal das Mikro in Richtung Crowd. Diese Verbundenheit zieht sich durch den gesamten Gig hindurch, der vollgepackt mit der Historie der Band ist. Tatsächlich wird das aktuelle Album "Symbol Of Eternity" nur am Rande berücksichtigt, was vielleicht auch daran liegt, dass die Tour ja schon ein Jahr später stattfindet als geplant. Es gibt Stampfer wie 'Dia De Los Muertos' (die mich persönlich jetzt noch nie so richtig vom Hocker gerissen haben), Epik wie 'The House', Power-Metal-Banger wie 'The Dark Of The Sun' (der wirklich alles hat, was man von teutonischem Stahl erwartet und aus vollem Hals mitgesungen wurde), Uptempo-Nummern wie 'Highland Farewell' und Historisches wie 'Wedding Day', was Jens Becker auf den Leib geschneidert ist. Jens, der mittlerweile auch schon 25 Jahre bei GRAVE DIGGER ist, fungiert als tiefenentspannter Ruhepol und spielt sich nie in den Vordergrund. Stattdessen pumpt sein Bass sauber und genredienlich durch die Songs, während er selbst auf einem konstanten Emotionslevel bleibt. Mittendrin wird es auch mal richtig voll auf der Bühne, als die Mitglieder der anderen Bands - teilweise kostümiert - auf die Bühne kommen und einen höllischen Groove zu 'Dia De Los Muertos' klopfen und die "Uoohooohooooo!"-Chöre des Refrains übernehmen. Ob dies an jedem Abend so war, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Die Band wirkt jedenfalls streckenweise überrascht und irritiert, und es ist auch gut möglich, dass es sich hierbei um einen der berühmten "Letzter-Gig-der-Tour"-Streiche handelt. Ein großer Spaß für Publikum, Fotografen und Tourtross ist es auf jeden Fall. Auch ein Hingucker ist der gelegentliche Gitarrenwechsel von Axel Ritt, der mit seinen schwarz-weiß diagonal gestreiften Gitarren ein Blickfang ist. Selbst beim Wechsel auf die Akustikgitarre hat er ein Modell, welches exakt auf seinen Signature-Look angepasst ist. Überhaupt ist er in seinen Posen ein leidenschaftlicher Heavy-Mucker, der sich auf der Bühne wie ein junger Hüpfer gibt. Mir kommt gelegentlich der Gedanke, dass ein Randy Rhoads heutzutage vielleicht genau so rüberkommen würde - wäre er denn je so alt geworden. Mich erinnern viele von Axels Posen an Ozzys kongenialen Sidekick von damals, und mir scheint sogar sein Spiel stilistisch ähnlich inspiriert zu sein. Neben dem amtlichen Heavy-Metal-Feuerwerk, welches neben immer wieder sprühenden Funkenfontainen auch Nebelwerfer bietet, die die halbe Bühne einhüllen, darf natürlich auch der Auftritt des Reapers nicht fehlen, der dann mit dem Dudelsack zum Headbanger-Tanz einlädt. Mit der Hymne 'Rebellion' haben die vier natürlich einen todsicheren Hammersong zum Ende ihres Sets parat, der die Halle nochmal komplett in den Heavy Metal-Himmel schießt. Der rasch angeschlossene Zugabenblock endet mit 'Heavy Metal Breakdown' nochmal ganz tief in der Klassiker-Kiste. Nach diesem lassen sich GRAVE DIGGER zu Recht feiern und verabschieden sich von den Fans. Diese genehmigen sich nach verblüfftem Blick auf die Uhr (es ist tatsächlich noch relativ früh, obwohl das Set amtlich lang war) und gönnen sich noch ein Bierchen und einen Plausch. Ein gelungener Abend mit einer feinen Bandzusammenstellung von Rock Of Angels-Records geht so zuende und man blickt zurück auf eine super Stimmung vom bis dato unbekannten Opener bis zur souveränen Ablieferung der Heavy Metal-Institution GRAVE DIGGER. Es ist auch besonders hervorzuheben, dass vom Opener bis zum Headliner jeder Band ein sehr guter Sound zuteil wurde, was nicht selbstverständlich ist. Und ich feiere die Security des Abends, die mir tatsächlich nach der Show an der Bar noch meinen verlorengegangenen Objektivdeckel zurückbringt. |
Alle Artikel