Interview mit Johan Bergman von Aerodyne

Ein Interview von Zephir vom 03.06.2022 (20197 mal gelesen)
Zum Release des neuen Albums "Last Days Of Sodom" stand Johan Bergman von AERODYNE Rede und Antwort.

Herzlichen Glückwunsch, zwei Alben mit Bestnote in Folge! Wie habt ihr das geschafft? (zwinkert)

Johan Bergman: Danke! Na ja, wir schreiben einfach, wie wir uns fühlen. Die Songs kommen ganz natürlich dabei rum. Aber selbstverständlich wählen wir am Ende die besten Songs aus und sind nicht eher zufrieden, als bis das Ganze zu 110 Prozent perfekt ist.

Ehrlich gesagt war ich zunächst ein bisschen "besorgt", als ich das Info-Sheet des Labels gelesen habe: Songs über Zerstörung, Gewalt, Verfall? Sind AERODYNE dabei, die nächsten TYPE O NEGATIVE zu werden?

Johan Bergman: Haha, eher nicht! Ich glaube, dass Zerstörung, Gewalt und Verfall innerhalb des Heavy Metal ziemlich gewöhnliche Themen sind. Worüber sollten wir denn schreiben - Sonnenschein und Regenbogen? Das vergangene Jahr war wirklich kein Sonnenschein für uns, und das spiegelt sich in unserer Musik wider.

"Damnation" wurde 2019 veröffentlicht. Habt ihr es im Rahmen vieler Auftritte promotet? Ich frage deswegen, weil ja nicht viel Zeit übrig war, bis 2020 die Pandemie ausgebrochen ist.

Johan Bergman: Wir hatten eine Menge Konzerte in Europa geplant, die im Frühjahr 2020 hätten beginnen sollen. Tja, wir wissen alle, was dann passiert ist. Wir haben tatsächlich nur ein Konzert in Schweden spielen können. Es ist wirklich eine Schande! Aber wir haben es geschafft, im März und April 2022 einige Male aufzutreten, bevor das neue Album herausgekommen ist - so gab es immerhin ein bisschen Promotion.

Apropos, wie seid ihr durch die Pandemie gekommen? Habt ihr die Zeit in das neue Album investiert?

Johan Bergman: Ja. Wir haben die meiste Zeit mit Schreiben verbracht, mit Proben und den Aufnahmen für das neue Album. Aber als das abgeschlossen war, war die Pandemie noch immer am Wüten, und so mussten wir das Release einige Monate verschieben.

Es war schon ein kluger Zug, "Last Days Of Sodom" jetzt zu veröffentlichen, weil die Beschränkungen aufgehoben wurden und die Leute endlich wieder auf Konzerte gehen können. Unglücklicherweise begeben sich nun all diese schlimmen Ereignisse in der Ukraine. Hat das Einfluss auf eure Pläne? Können wir mit einer Tour oder bestätigten Auftritten im Rahmen von Festivals rechnen?

Johan Bergman: Ganz genau, Zeit zu feiern! Wir planen für den kommenden Herbst eine Tour durch Osteuropa, aber hoffentlich beeinträchtigen uns all diese Geschehnisse nicht. Wir wollten auch in der Ukraine spielen, aber momentan vielleicht eher nicht.

Wie auch immer, sprechen wir über das Album. 'Angband' ist ein richtig starker Opener, und wenn du so wie ich ein Speed Metal-Afficionado bist, macht das echt ein gutes Gefühl. Insbesondere der Solo-Part ist fantastisch. Wer hat den zu verantworten, du, Daniel oder ihr beide?

Johan Bergman: Danke! Ich habe den Song geschrieben und war auch für die meisten Solos darin zuständig. Aber wir performen auch einige Duelle. (zwinkert)

Liege ich falsch mit dem Eindruck, dass 'Razor's Edge' eine Spur von RUNNING WILD in sich trägt?

Johan Bergman: Nun, es ist interessant, wie unterschiedlich die Leute die Songs interpretieren. Ich mag RUNNING WILD, aber ich habe mir von ihnen keinerlei Inspiration geholt. Der Song hat sich tatsächlich in meinem Kopf geformt, als ich in einem Sommer in Italien auf die Spitze des Vesuvs gewandert bin. Haha, war das ein Scheiß, das nicht zu vergessen, bis ich endlich eine Gitarre in die Hand bekam und den Song erstmals spielen konnte.

Eure Videos werden von eine Menge Fans kommentiert, die AERODYNEs Musik als eine Referenz auf die goldenen Tage des Hair Metal betrachten. Ich sehe das ehrlich gesagt nicht so. Aber wenn ich einen Song wie 'Endgame' mit seinem W.A.S.P.-Vibe anhöre, verstehe ich auch, warum manche Leute das so empfinden.

Johan Bergman: Wir kamen aus der Zeit der schwedischen "Sleaze"-Welle Mitte der 2000er und es ist schwierig, das 80er-Zeug abzuschütteln. Wir haben in mancher Hinsicht versucht, uns davon zu distanzieren, zumal wir uns nicht selbst durch solche Zuschreibungen einengen möchten, aber ganz ehrlich: Diese Musik ist einfach der Hammer! Also ja, es mag schon ein wenig W.A.S.P. darin stecken.

AERODYNE sind weit entfernt davon, das Rad neu zu erfinden, aber es ist eure Art des Songwritings, das ihr anderen - ebenfalls namhaften Bands - voraushabt. Wie sieht das Songwriting bei euch aus?

Johan Bergman: Ich glaube, wir machen einfach, worauf wir Lust haben und was wir lieben. Daniel und ich schreiben die Musik, und Marcus steuert die Vocals bei und schreibt die Texte. Unsere Inspiration ziehen wir aus der Old School Metal-Szene. Ich liebe IRON MAIDEN und Daniel liebt METALLICA, also kommt am Ende ein Mix aus diesen Bands dabei heraus, ohne dass wir uns darum bemühen würden.

Der größte Unterschied zwischen "Damnation" und "Last Days Of Sodom" liegt für mich in den drei Longtracks 'Innocence Lost', 'Blood In The Water' und 'Children Of The Sun' - übrigens der Name einer anderen schwedischen Band, die ich mag. Vor allem 'Innocence Lost' lässt mich verstehen, warum der Infozettel eine dunklere Richtung erwähnt hat. Für mich ist dieser Song mit seinen ACCEPT- und PRIEST-Einflüssen eines der Highlights auf dem Album. Was war der Hauptgrund, diese Longtracks auf dem Album unterzubringen?

Johan Bergman: Einige Songs wurden schon vor der Pandemie geschrieben, als "Damnation" veröffentlicht wurde. Das war eine gute Zeit voller Inspiration. Ich glaube, wir hatten einfach so viele Ideen zu dieser Zeit, dass manche Songs etwas länger ausgefallen sind als zuvor. Man kann viel aus einem Song herausholen, wenn er länger als drei Minuten ist, weißt du?

Ein bedeutender Punkt für "Last Days Of Sodom" sind die Vokal-Arrangements, die sind ziemlich einzigartig. Wer hat die geschrieben? Marcus Heinonen?

Johan Bergman: Ja. Er hat keine Ahnung von Gesang und Musik und ist damit perfekt für diese Aufgabe geeignet.

Göteborg hat eine lebhafte Metal-Szene mit vielen bekannten Bands wie AT THE GATES, HAMMERFALL oder MUSTASCH. Gibt es Verbindungen zu anderen Bands aus eurer Stadt?

Johan Bergman: Mit diesen ganz großen Namen nicht, nein. Aber wir stehen im Austausch mit einigen kleineren, zum Beispiel SACRED (Heavy/Power) oder TERRA BLACK (Stoner). Außerdem glaube ich, dass unser Studio sich dort befindet, wo auch AVATAR sind …

Nach meiner Erfahrung ärgern sich viele Künstler darüber, wenn ich in einem Review ihre Musik mit anderen Bands vergleiche. Zu meiner Verteidigung möchte ich sagen, dass es einfach eine gute Möglichkeit ist, der Leserschaft einen Hinweis zu geben, was sie erwarten können. Was denkst du darüber?

Johan Bergman: Wie ich schon sagte, ich finde das interessant. Ich weiß, woher meine Einflüsse stammen, und dann schreibt der Rezensent etwas total anders. Ist schon irgendwie cool.

Zweieinhalb Jahre zwischen zwei Alben ist nicht viel Zeit. Hast du schon Songs oder Ideen für ein neues Album?

Johan Bergman: Wir haben gehofft, das Album bereits 2020 zu veröffentlichen. Aber ja, es gibt schon einige Songs und Ideen für ein nächstes Album. Wir schauen mal, ob die gut genug sind, wenn wir müde werden, das jetzige Album zu spielen!

Derzeit ist "Last Days Of Sodom" auf CD erhältlich. Gab es auch Pläne für eine Vinyl-Edition, die wegen der Vinyl-Knappheit verworfen werden mussten? Apropos … ich habe "Damnation" auf CD gekauft und konnte die Vinyl-Version nicht ergattern. Falls du also ein Exemplar herumliegen hast, das du nicht mehr brauchst, lass es mich wissen. (lacht)

Johan Bergman: Wir planen noch immer eine Vinyl-Edition, halte durch! (lacht)

Möchtest du unserer Leserschaft zum Schluss noch etwas mitteilen?

Johan Bergman: Kauft unser Zeug und informiert auch eure Metal-Freunde! Ich habe keine Lust mehr auf Rahm-Nudeln und hätte wirklich gern ein großes Haus mit Pool in L.A. …

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