Deep Purple - California Jam 1974

Review von Opa Steve vom 26.12.2016 (9137 mal gelesen)
Deep Purple - California Jam 1974 Das Festival "California Jam" ging 1974 aus mehreren Gründen in die Annalen der Rockmusik ein. Die Größe (über 200000 Zuschauer), die Anlage (die bis dato lauteste PA, die jemals errichtet wurde), das Lineup (u.a. mit den EAGLES, BLACK SABBATH, EMERSON LAKE & PALMER), der erste Gig von DEEP PURPLE in der Mark-III-Besetzung mit Coverdale und Hughes. Und dann war da noch das provokante Ende mit Ritchie Blackmores Zerstörungsorgie, die es seinerzeit nach Veröffentlichung des ersten Konzertfilms 1980 sogar in die Öffentlich-Rechtlichen Kulturnachrichten in Deutschland geschafft hatte (der Autor der Zeilen kann sich noch daran erinnern, mit welch kopfschüttelnden Worten die Bilder kommentiert wurden).

Nun ist der sagenumwobene Gig zeitgemäß auf Blu-Ray erschienen. Ob das Format lohnenswert ist, muss jeder für sich entscheiden. Während man manche alten Spielfilme fabelhaft für das HD-Erlebnis restauriert hatte, war dies offenbar mit den ABC-TV-Mitschnitten nicht möglich. Das Bild wurde zwar entrauscht und wirkt in den Flächen halbwegs sauber, aber eine Schärfe lässt sich hier nicht entdecken, da die elektronischen TV-Mitschnitte nun mal nicht mit einem 16mm-Film vergleichbar sind. Der Ton wurde neu gemastert, angenehm verdichtet und angesichts des Alters gut hingekriegt. Der Gesang ist streckenweise etwas laut und drückt die Instrumente in den Hintergrund, auch Glen Hughes steigt ein wenig zu oft am Mikro ein. Insgesamt kann man über den Stereo-Sound aber nicht meckern und man hat sich glücklicherweise nicht an einem künstlichen 5.1-Upmix versucht, so wie man heute so oft solche Konzertfilme mangels Budget versaut.

Der Film beginnt mit der Anreise der Band in einer eigenen Maschine. Totaler Rock'n'Roll. Kurz nach Sonnenuntergang gehen sie dann vor der beeindruckenden Zuschauerkulisse auf die Bühne, auf der noch alle Hippie-Ideale lebendig sind. Die Bühne ist von Bäumen eingegrenzt und man sieht den großen Regenbogen als Symbol, den Ritchie Blackmore nur wenig später für seine Band RAINBOW als Markenzeichen nahm. Da es sich um die Mark-III-Besetzung handelt, liegen die Schwerpunkte natürlich auf den Coverdale-Songs. Mit einer langen Version von 'Burn' geht es los. Überhaupt war das damals so, dass wenige Songs, dafür lange Versionen, geboten wurden. Gerade mal acht Songs haben für einen abendfüllenden Headliner-Gig gereicht. Die Band hat aber ordentlich Power und gönnt sich Zeit für ausgiebige Improvisationen. Coverdale unterstreicht bei diesem Gig, dass er tatsächlich nach Gillan ein richtiger Ausnahmesänger war. 'Mistreated' ist hammergeil gesungen, selbst in den allerhöchsten Schreien. Nur die ständigen Kiekser, Uhu-Rufe und das Wolfsgeheul zwischendrin, mit denen sich Coverdale und Hughes gegenseitig überbieten, nervt ein wenig. Aber so war Wildheit damals eben. Selbst Jon Lord wagt mal mit paar Sprüchen den Weg ans Mikro, während Ritchie am Ende von 'Smoke On The Water' seine langen Blues-Improvisationen spielt. So agil hatte man die Band von den alten Aufnahmen nie wahrgenommen.

Zwischenzeitlich ist es ganz dunkel geworden, was sich auch auf die Bildqualität nochmal negativ niederschlägt. Nach dem Drumsolo in 'The Mule' gehört das letzte Viertel des Konzerts dem Epos 'Space Truckin', welches auf dem legendären Japan-Livealbum schon eine ganze LP-Seite in Anspruch nahm. Es wird wieder ausgiebig gejammt und Jon Lord legt die Messlatte mit seinen Turnübungen schon mal hoch. Er hängt verquer über seiner Hammond/Synthie-Burg, erzeugt mit Händen und Füßen Lärm, dreht an den Filtern und bringt die Synthies zum Oszillieren. Doch dann drängt sich Ritchie nach dieser Lärmorgie in den Vordergrund. Was nun folgt, ist eine ungeschnittene Zerstörungsorgie, die in der Geschichte des Rock'n'Roll ihresgleichen sucht. Er reißt sich die erste Strat runter und schreddert sie über den Bühnenrand, bevor er sie mit Händen und Füßen bearbeitet. Irgendwann löst sich das Kabel und die Gitarre landet im Fotograben. Mit der zweiten Strat versucht er gar nicht mehr, zu spielen. Er rammt so lange den Hals in die Fernsehkameras auf der Bühne, bis er bricht. Der Rest wird auf der Bühne geschrottet und der malätrierte Korpus von Ritchie direkt ins Publikum geschleudert (wer dies ohne Knochenbrüche und Prellungen überstanden hat, hat sich die blauen Flecken im anschließenden Tumult geholt - klarer Fall von Ego- und drogeninduzierter Körperverletzung und hätte böse enden können). Als Ritchie dann die dritte und letzte Strat einstöpselt, reißt er alle Regler an den Stacks auf. Plötzlich fängt ein Topteil Feuer und kurz darauf explodiert ein ganzer Marshallturm und entfacht einen nennenswerten Bühnenbrand. Man behauptet zwar, dass hier eine umgekippte Schnapsflasche das Feuer und einen Kurzschluss ausgelöst hätte, aber es war klar eine abgekartete Show. Boxen explodieren nun mal nicht in einem Feuerball (egal wie hochprozentig das Gesöff war), außerdem waren Leute mit Feuerlöscher sofort zur Stelle. Reste der Backline und einige Monitorboxen werden von Ritchie noch von der Bühne geworfen, der Song mit einer völlig verstimmten Gitarre desaströs beendet, bevor diese ebenfalls nach einem Wurf aus fünf Meter Höhe unsanft auf dem Bühnenboden aufschlägt. EMERSON LAKE & PALMER, die nach DEEP PURPLE noch als zweiter Headliner auf die Bühne mussten, dürften über den Zustand nicht gerade amüsiert gewesen sein.

Nicht nur wegen dieses geschichtsträchtigen Rock'n'Roll-Verhaltens ist das Konzert ein gelungenes Sammelobjekt für DEEP PURPLE-Liebhaber. Es ergänzt die beiden berühmten Live-Alben aus Japan und Europa wunderbar um ein drittes, ebenfalls relevantes Konzert.

Das Bonusmaterial ist dagegen etwas schwach geraten. Das Super-8-Footage der Crew hätte man sich sparen können, denn die Digitalisierung sieht grauenvoll aus. Die paar Nachrichtenschnipsel neben der Hintergrundmusik sind auch nicht der Rede wert - besser wäre es gewesen, ein paar Zeitzeugen vor das Mikro zu zerren und ein paar Audio-Kommentare einsprechen zu lassen. Dass der gesamte Gig als Lückenfüller nochmal als originaler Video-Cut enthalten ist, dürfte auch niemanden jucken, denn die unbearbeitete Qualität ist noch schlechter und der Schnitt nicht viel anders.

- ohne Wertung -
Trackliste Album-Info
01. Burn
02. Might Just Take Your Life
03. Lay Down, Stay Down
04. Mistreated
05. Smoke On The Water
06. You Fool No One
07. The Mule
08. Space Truckin

Extras: Super-8-Footage, Original Videoschnitt
Band Website: www.deeppurple.com
Medium: BD
Spieldauer: 135 Minuten
VÖ: 02.12.2016

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