Interview mit Neal Morse von Neal Morse

Ein Interview von Metal Guru vom 17.04.2019 (20215 mal gelesen)
Interview: Neal Morse
Datum: 04.04.2019, 18:00 - 18:20 Uhr
Ort: Markthalle/Hamburg (Vorraum)
Anwesende: Neal Morse, Metal Guru (B4M), Digitalrecorder (H4n)

Ein persönliches, lustiges, kurzweiliges, individuelles Gespräch mit dem 'Godfather Of Neo-Prog', Mr. Neal Morse. Geführt und aufgezeichnet am 04.04.2019 im Vorraum der Hamburger Markthalle, kurz vor dem Auftritt der NEAL MORSE BAND anlässlich ihrer Welttournee.

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Am Donnerstag, den 04.04.2019 traf ich um kurz nach 18:00 Uhr den völlig zu Recht als 'Godfather Of Neoprog' titulierten Mr. Neal Morse anlässlich der Welttournee seiner NEAL MORSE BAND (NMB) im Vorraum der Hamburger Markthalle. Während die NMB momentan das erst vor einigen Monaten erschienene Gemeinschaftswerk "The Testimony Of A Dream" in seiner Gänze (plus Zugaben) auf bretterige Bühnen bringt, sollte sich das Interview laut B4M-Auftrag vorzugsweise auf Neals (nicht NMBs!) im Juni erscheinende Rockoper "Jesus Christ: The Exorcist" beziehen - zumindest war DAS der ursprüngliche Plan! Von meinen zwölf fein formulierten Fragen stellte ich vielleicht vier oder fünf und DIE auch noch gekürzt, verlängert und in nicht vorgesehener Reihenfolge. Grund: Ein Interview mit Mr. Neal Morse verläuft wie ein Gespräch unter Freunden: Alles KANN, nichts MUSS, ein Wort gibt das andere und plötzlich muss man los! Also hockten wir in einer düsteren Ecke und sprachen über Götter und Welten, während der 'Assistant Tourmanager' Max unser Gespräch mehrmals mittels Zeichensprache (fünf Finger = 'five minutes left' usw.) zu beenden versuchte. Abgesehen von den gestellten Fragen und den gegebenen Antworten streiften wir unbeabichtigte Themenbereiche wie beispielsweise 'breakdown of digital stageboxes', 'life as a street musician' oder 'portable recording machines'. Ganz genau so einer (mein ZOOM H4n-Digitalrecorder) hat unser gesamtes Gesabbel zwar brav aufgezeichnet, allerdings wäre dessen komplette Abdruckung hier an dieser Stelle weder gewollt noch hilfreich! Hier also das abgeschriebene, editierte, verkürzte Interview:
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Hi, Neal - wie geht's dir'?

Neal Morse: Gut, gut!

Du bist ja nicht zum ersten Mal in Hamburg - hast du denn schon sogenannte 'Sehenswürdigkeiten' wie den Fernsehturm, die Innenalster oder den Michel (Kirche) gesehen?

Neal Morse: Ja, ich hab' gerade einen circa einstündigen Spaziergang mit meinem Freund Phillip M. gemacht, der überhaupt zum ersten Mal in Europa ist. Er baut meinen Kram auf und schaltet auf der Bühne meine Sounds um, was wirklich sehr angenehm für mich ist. Na ja, wir sind zusammen zum Hauptbahnhof gegangen und ich hab' ihm gezeigt, wo ich mal in der 'Fußganger-Zone' gespielt habe.

DAS hast du gemacht - wann war DAS?

Neal Morse: So um 1990.

Wie waren damals die Reaktionen?

Neal Morse: Haha (lacht)! Na ja, ich hatte überhaupt keine Ahnung davon, was es heißt, auf der Straße zu spielen, damals war ich ja 'Club-Musiker'. Also hab' ich ungefähr 45 Minuten gespielt, weil es das war, was ich immer gemacht hab': 45 Minuten spielen, Pause machen und wieder kommen. Ich hab' nicht begriffen, dass du - wenn du eine Gruppe von Menschen um dich versammelt hast - direkt ihr Geld einsammeln musst. Machst du das nicht, sind alle weg!

Aber genau DAS ist doch die Natur des 'Auf-Der-Straße-Spielens', oder?

Neal Morse: Ja (lacht immer noch), ich hatte das vorher eben noch nie gemacht und es war eine interessante Erfahrung. Letztendlich hab' ich genügend Geld zusammen gekriegt, um - (Pause) - aus Hamburg raus zu kommen ...

Bei dir also alles gut - wie geht's denn der Band?

Neal Morse: Toll, der Band geht's super, wirklich unglaublich, alle sind fit wie die Turnschuhe!

Technische Frage: Funktioniert euer Equipment für heute Abend?

Neal Morse: Tut es! Wir haben alles getestet, noch mal getestet und alles scheint zu funktionieren. Aber beim gestrigen Soundcheck hat ja auch erst alles funktioniert. Na ja, und dann - direkt vor'm Auftriit - hat dieses Quasi-Hirn, das zwischen Bühne und Mischpult sitzt (Erklärung des Interviewers: die digitale, drahtlose 'Stagebox'), den Geist aufgegeben! Sie (die Techniker) haben sie (die Stagebox) wieder hochgefahren und dann ist sie (die Stagebox) wieder zusammen gebrochen und dann haben sie (die Techniker) versucht, damit 'ne Weile zu arbeiten. Und dann haben sie alles umgestöpselt - jeden einzelnen Kanal in die dortige Hausanlage! Der Auftriitt sollte um 9 Uhr losgehen und bis 9:30 oder sogar 9:45 hatten sie gar nicht beschlossen, das zu tun. Alles in allem hat uns das ungefähr 'ne ganze Stunde gekostet und meine Keyboards waren zu keinem Zeitpunkt in meinem Monitor. Ich habe gespielt, ohne auch nur irgendetwas zu hören (Anmerkung des Interviewers: DA zeigt sich die wahre Größe/Professionalität/Routine eines Vollprofis)!

Aber ich nehme mal an, das Neal-Morse-Publikum verhält sich - wie soll ich sagen - geduldig und gutwillig?

Neal Morse: Doch, alle sind sehr freundlich! Ich kann mich an ein SPOCK'S BEARD-Konzert in Tillburg vor Jahren erinnern, da wollten wir filmen und die Show hat sich ernsthaft verzögert, eineinhalb Stunden oder so. Also sind wir raus gegangen und haben einfach ein Akustik-Set gespielt (Anmerkung des Interviewers: Als wenn DAS so einfach wäre). Und die Leute haben gedacht, sie bekämen irgendein Extra, verstehst du? Genau sowas haben wir gestern Abend auch in Berlin gemacht - verschiedene alte Lieder gespielt.

Lass' uns über dein demnächst erscheinendes (Doppel-)Album "Jesus Christ: The Exorcist" sprechen! Der Titel allein könnte einen auf den Gedanken bringen, du seist aus religiöser Sicht zu deinen 'Wurzeln' zurückgekehrt - ist das der Fall oder stellt "Jesus" (das Album) nur den nächsten/einen weiteren Schritt in deiner endlosen Mission/Reise dar?

Neal Morse: Oh, wow! Na ja, weißt Du, vor Jahren hab' ich Jesus mein Leben gegeben. 2000/2001 hab' ich beschlossen, ein Schüler Christi zu werden, er ist demnach mein Hohepriester, mein - (Pause) - Jesus ist mein Herr, seitdem ich in diese 'Sache' (Frage Interviewer: Religion?) eingetaucht bin. Und ich füfhle mich sehr, sehr gesegnet, daran zu glauben, dass Er sein Blut für mein Leben gegeben/vergossen hat. Ich bin sehr, sehr dankbar! Und dieses neue Album "Jesus Christ: The Exorcist" ist tatsächlich nur ein weiterer Ausdruck dessen, der für mich nicht zwangsläufig anders ausfällt als all die anderen Konzeptalben, die ich geschrieben habe - außer, dass es auf der heiligen Schrift basiert. Für mich ist es nicht religiöser als beispielsweise "The Great Adventure", "The Similitude Of A Dream", das "One" Album oder "Sola Scriptura". Weißt du, für mich - (Pause) - für mich drücken sie alle aus, was Gott dich durch sie in dem jeweiligen Moment ausdrücken lassen will. Das ist also, was ich mache - nur ein weiteres Teilchen. Ich dachte nur, es könne vielleicht zugänglicher sein als beispielwseise - (Pause) - als "Der Exorzist" (Anmerkung des Interviewers: der Film) - aber das waren ja auch die Siebziger. Ich hab' keine Ahnung, wie die Leute das hier aufnehmen werden. Es ist eine ernsthafte Erzählung der Geschichte aus der (heiligen) Schrift. Also, WENN es dir gefällt, glaube ich nicht, dass du ein Christ sein musst, DAMIT es dir gefällt! Ich denke, dass "Jesus" als ein für sich allein stehendes Werk gehört werden sollte.

Wenn man bedenkt, dass du jetzt um die zehn Jahre an "Jesus" gearbeitet hast, wie würdest du das Album im Vergleich mit deinen anderen Alben beurteilen - wo siehst du Ähnlichkeiten, wo Unterschiede (sofern es überhaupt welche gibt) - wie lautet die Aussage?

Neal Morse: Die Ähnlichkeiten sind: Ok, ja, es handelt sich um ein progressives Rock-Konzept-Album, wie viele der Alben, die ich gemacht habe. Und es dauert ungefähr zwei Stunden - wie viele der Sachen, die ich gemacht habe, Ja, DAS wären die Ähnlichkeiten. Ähm, ein Unterschied ist: Ich singe darauf gar nicht so viel! Ich hab's für andere Stimmen geschrieben, höhere Stimmen, weil ich an Broadway (!) gedacht habe, als ich es schrieb. Ein anderer Unterschied: WEIL ich beim Schreiben an Broadway gedacht habe, gibt es mehr 'normale' Stücke wie beispielsweise 'Free At Last' oder 'The Greatest Love Of All', solche Sachen. Aber es gibt auch Stücke wie zum Beispiel 'The Madman Of The Gadarenes', die schon ziemlich SPOCK'S BEARD-mäßig klingen! Also, ich glaube, es wäre 'ne gute Sache, daraus sowas wie eine Broadway-Show zu machen, so mit SPOCK'S BEARD-Kram drin. Weißt du, DAS wäre ja sowas von cool! Aber das hängt davon ab, ob die Welt das Werk positiv aufnimmt oder nicht. Als Künstler ist es meine Aufgabe, etwas zu erschaffen, von dem ich das Gefühl habe, dass es in mir ist, UM erschaffen zu werden - wir werden sehen, was damit passiert, du verstehst?

Wird es irgendeine Art visuelle Umsetzung von "Jesus" (Fernsehen, Kino, Theater) geben und wenn ja - wann wird das sein/wer wird mitmachen?

Neal Morse: Ja, das wäre dann so 'ne Art 'Wer weiß es, wer weiß es nicht?' Ich persönlich fänd's toll, weil ich denke, dass JETZT ein passender Moment dafür wäre. Ich denke, JETZT wäre der richtige Zeitpunkt für ein Rock-Musical, weil ich glaube, dass christliche Filme heutzutage einen anderen Stellenwert haben. Weißt du, sie sind viel besser als sie mal waren, Musicals laufen auch gut, die ganze Geschichte. Also denke ich, der Zeitpunkt wäre großartig. Aber - wir werden sehen, verstehst du, dafür bräuchte man eine komplett andere (neue) Welt von Leuten, die sich damit beschäftigen und sowas machen wollten, eine Theater- oder Filmproduktionsfirma. Also, weißt du, ich bete und hoffe, dass sie das machen - wer weiß, vielleicht wird das auch erst nach meinem Ableben was? Ich habe keine Ahnung ...

Für Außenstehende wie mich scheinst du dauernd im Studio, auf Tour oder sonstwo zu sein - was sagt deine Familie dazu (dass du meistens abwesend bist) und willst du irgendwann mal 'runter kommen'?

Neal Morse: Na ja, meine Frau wüde jetzt sagen: Ja, nein, keine Pläne 'runter zu kommen', haha (lacht laut) - sie würde es begrüßen, wenn ich mehr entspannte (lacht immer noch)! Ne, also wirklich, die letzten beiden Monate war ich ziemlich viel weg, aber ich komm' ja bald nach Hause. Vom 15. April bis - (Pause) - ich weiß nicht, bis Ende des Jahres sollte ich zuhause sein. Ich hab' nichts Besonderes vor. Ich meine, wenn irgendetwas passiert, passiert halt irgendetwas! Das Gute daran: Meine Kinder sind jetzt erwachsen, James hat geheiratet, Will heiratet im Mai, so ungefähr drei Wochen, nachdem ich wieder zuhause bin. Also, die haben jetzt ihre eigenen Leben, weißt Du, sie haben ihre Arbeit und was sie halt so machen. Ich habe also gar nicht das Gefühl, dass ich derzeit häufiger zuhause sein müsste - oder um's kurz zu machen: Meine Familie kommt mit meinem Terminkalender gut klar!

Nach Jahrzehnten des Schreibens, Übens, Tourens und Aufnehmens (inklusive Gebens von Interviews wie diesem) - wie lange glaubst du, kannst/willst du diese aufreibende Art zu leben noch weiter machen?

Neal Morse: Na ja, ich frage Gott rund um die Uhr und sehe, was er für mich zu tun hat, weil dir dein Leben als Christ nicht gehört. Dein Leben ist nicht dein Eigentum, eher was Gott daraus macht. Und so hoffe ich enfach, dass er mir die Kraft gibt, das zu tun, was er mich tun lassen will. Das ist, wofür ich auf jeder Tour bete: Okay, Herr - ich nehme an, dass du mich hierher gebracht hast und ich nehme ferner an, dass mein Leben in deinen Händen liegt und dass du mir die Kraft gibst, dies alles hier durchzustehen. Also lautet die Antwort: Ich habe keine Ahnung, was passieren wird ...

Kannst Du Dich an Deine ersten 'Prog-Rock’-Scheiben erinnern, die Du jemals gehört/gekauft hast und wie haben die dich beeinflusst - und erzähl' mir bitte nichts von "Fragile" oder EMERSON, LAKE & PALMER (allgemeines Lachen)!

Neal Morse: Also, das war schon eine ziemlich große Veränderung, YES nach BLACK SABBATH zu sehen - für mich. Als Kind bin ich auf Hard-Rock abgefahren, also hab' ich mir BLACK SABBATH angeguckt und das hat mir eine komplett neue Welt eröffnet, weil mein Vater Chorleiter war. Ich hab' also viel Gesang gehört, viel klassische Musik und mein Onkel war in einer Jazz-Gesangsgruppe. Das (YES) war für mich ungefähr wie: Wow, Du kannst alles in einem haben! Meine erste Liebe, mein Einstieg in progressiven Rock, waren also YES und natürlich "Fragile" und natürlich "Close To The Edge" (lacht)! Und dann noch EMERSON, LAKE & PALMER - "Tarkus" war für mich ziemlich beeindruckend, ähm - JETHRO TULLs "Aqualung", KING CRIMSONs "Red", GENTLE GIANTs "Octopus" und GENESIS, du weißt schon - das ganze Zeuch ...

Du spielst Gitarre, Keyboards und sogar Schlagzeug - wann hast du angefangen, all diese Instrumente zu lernen, was/wer waren die/deine Einflüsse?

Neal Morse: Ja, meine Eltern waren so nett - als sie ein Haus suchten - auch ein Musikzimmer für die Kinder zu wollen. Also, hatten wir Gitarren, Keyboards und 'n richtiges Schlagzeug, alles permanent aufgebaut (Anmerkung des Interviewers: paradiesische Zustände!). Wenn wir dann von der Schule nach Hause kamen, haben wir erstmal 'gejammt', Instrumente getauscht und so hab' ich dann ein bisschen von allem gelernt (Anmerkung des Interviewers: haushoch UNTERtrieben!). Na ja, ich liebe halt Musik und verbringe Stunden damit, an/mit ihr (der Musik) zu arbeiten, eben WEIL ich sie so liebe. (Information: Gepolter im Hintergrund, Max deutet zum wiederholten Mal auf seine Uhr)

Neal - vielen, vielen Dank für deine Zeit, dein Verständnis und deine Geduld, die immer gleichen Fragen ein weiteres Mal zu beantworten - habt heute Abend viel Spaß hier in der Markthalle, einen angenehmen Aufenthalt in Hamburg und bis irgendwann ...

Neal Morse: Ja, danke! Entschuldige, dass ich so hetze, aber ich glaube, wir haben gleich ein 'Meet & Greet'!

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Hätte Max nicht solchen Stress gemacht und Neal kein direkt nachfolgendes 'Meet & Greet' absolvieren müssen, wären wir wahrscheinlich noch viel länger und viel weiter abgedriftet - Neal ist ganz genau der aufmerksame, freundliche, geistreiche, humorige, interessante/interessierte, überzeugte/überzeugende, warmherzige, zuvorkommende Zeitgenosse, als der er immer und überall rüberkommt. Das Lustige an der Geschichte: Für Neal war unser Interview höchstwahrscheinlich 'just another interview with just another interviewer in just another town before just another show', für mich die höchstwahrscheinlich einmalige Begegnung mit einem Menschen, den ich sowohl musikalisch als auch persönlich auf's Höchste schätze ...
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