Múr - Múr | |
---|---|
Review von Zephir vom 07.12.2024 (12510 mal gelesen) | |
Beim Stichwort "Post Metal aus Island" haben Metaller bisher vor allem an SÓLSTAFIR gedacht und Fans populäreren Alternative Rocks an SIGUR RÓS. In Zukunft wird man noch MÚR mit bedenken müssen. Die erst seit wenigen Jahren bestehende Formation hat kürzlich ihr selbstbetiteltes Debüt rausgebracht und damit auf Anhieb einen beeindruckenden Wurf geschafft, den die Zielgruppe der oben genannten SÓLSTAFIR sowie von OPETH oder auch ANATHEMA ganz sicher in Auge und Ohr behalten wird. MÚR aus Island, das sind Kári Haraldsson (Gesang, Keytar, Synthesizer), Hilmir Árnason und Jón Ísak Ragnarsson (beide an den Gitarren), Ívar Klausen (Bass) und Árni Jökull Guðbjartsson (Schlagzeug). Allesamt begannen sie schon früh, Musik zu machen. Frontmann Haraldsson nahm im zarten Alter von fünf Jahren Schlagzeugunterricht bei seinem Großvater, studierte später intensiv klassisches und jazziges Klavier und komponierte schließlich die Filmmusiken für den Spielfilm "Harmur" (2021) und die Fernsehserie "Gestir" (2024). Die beiden Gitarristen Árnason und Ragnarsson studierten nach einem frühen Start an der klassischen Gitarre ebenfalls Jazz; auch Bassist Klausen reiht sich in die Clique der studierten Jazz-Gitarristen ein. Drummer Guðbjartsson, der sich schon mit sechs Jahren musikalisch betätigte, spielte vor seiner Zeit bei MÚR in diversen Punk- und Hardcore-Bands. Kennengelernt haben sich die fünf teilweise schon in der Schule, an der Musikschule oder über gemeinsame Instrumentallehrer - gute Voraussetzungen also für das gemeinsame musikalische Projekt MÚR. Dieser kurze biografische Abriss soll zeigen, dass wir von MÚR schon mit der ersten Platte einiges erwarten können. Und ja, "Múr" ist mit seinen sieben Tracks und seinen knapp 55 Minuten Spieldauer ein Post Metal-Koloss, der zwischen atmosphärischen Gitarrenbreitwänden mit Cleangesang, tiefgestimmtem Prog-Death-Riffing mit dunklen Growls und psychedelischen Synthesizer-Passagen eine nahezu cineastische Soundlandschaft formt. Die Grundstimmung ist dabei trotz teilweise transluzide durchleuchteter Momente düster und trotz aller dreidimensionaler Größe immer wieder beklemmend. Auftakt macht der breitwandige Opener 'Eldhaf', dem als Steigerung der teils deathige Titeltrack 'Múr' folgt. Noch mehr Masse wird mit dem brutalen, post-sludgeigen 'Frelsari' aufgebaut, meiner Ansicht nach eine vorläufige Klimax des Albums, zu der es übrigens auch ein bemerkenswertes Video gibt. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Lyrics des kompletten Werks in Landessprache gehalten sind, was naturgemäß das Verständnis für die behandelte Materie erschwert, aber bei einer so mystischen Sprache wie Isländisch einfach einen ganz eigenen Bann auf die Hörerschaft ausübt, von der vielbesungenen Authentizitätsfrage mal ganz zu schweigen. Für das albtraumartig psychedelische Gefühl, das die Mitte der Platte verursacht, namentlich die beiden Tracks 'Vitrun' und 'Messa', sind die hier mehrfach eingesetzten Synthesizer-Ostinati verantwortlich, die immer wieder grell und bedrohlich aus dem Geschehen herausblitzen. Der vorletzte Track 'Heimsslit' bewegt sich in Richtung Doom. Die mystische, unheilvolle Stimmung wird von einem Video untermalt, das aus einer Zusammenarbeit mit Regisseur Hrafnkell Tumi Georgsson stammt, mit dem Haraldsson bereits 2020 gemeinsam einen animierten Kurzfilm mit selbstgeschriebener Musik produziert hatte. Im Rausschmeißer 'Holskefla’, der musikalisch in ähnliche Kerben schlägt wie die Vorgänger, zudem einige interessante Rhythmusspielereien bereithält, bäumen sich die Vocals zu einem fiesen, heiseren Gekeife auf, was "Múr" noch kurz vor Schluss einen überraschenden neuen Aspekt hinzufügt. Kein Wunder, dass MÚR mit diesem Gepäck aus Post, Prog, Death und Doom Metal gepaart mit hochkarätigem instrumentalem und vokalem Können 2022 auf dem vierten Platz des Wacken Metal Battle landeten. Das Debütalbum ist nicht nur ein überdurchschnittliches, sondern wirklich ein außerordentliches Monument geworden. Okay, für das Coverart hätte man sich ruhig etwas einfallen lassen können - bei dem Ausmaß an visueller Kreativität, das die Videos zu 'Heimsslit' und vor allem zu 'Frelsari' beweisen, kann ich schier nicht glauben, dass es hier an Ideen gemangelt hätte. Aber das tut der Klasse der Platte keinen Abbruch. Ich bin sehr gespannt, was wir weiterhin von den Isländern zu hören bekommen. Gesamtwertung: 9.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Eldhaf 02. Múr 03. Frelsari 04. Vitrun 05. Messa 06. Heimsslit 07. Holskefla | Band Website: Medium: CD, LP, Digital Spieldauer: 54:23 Minuten VÖ: 22.11.2024 |
Alle Artikel