Livebericht Amorphis (mit Textures und Poem) |
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Ein Livebericht von des aus Wien (Szene Wien) - 07.04.2016 (36283 mal gelesen) |
Zur Galerie mit coolen Impressionen geht es hier. Zum Metal-Abend für anspruchsvolle Musikhörer lud die Szene Wien am 07.04.2016. AMORPHIS haben mit dem neuen Album "Under The Red Cloud" einen Kracher im Gepäck, bei dem sie neben den typischen AMORPHIS-Trademarks auch Mut zu neuen Tönen beweisen. Nicht weniger begeistern konnten TEXTURES mit "Phenotype", einem komplexen und doch eingängigen Werk, das aber neugierig macht, wie es der Band wohl gelingt, die Vielschichtigkeit live umzusetzen. Gänzlich unbekannt sind allerdings POEM, die sich als erstes auf die Bretter der Szene-Bühne wagen dürfen und als Anheizer fungieren. In der Szene Wien ist es nicht ganz unüblich, dass Konzertabende von einer Lokalkombo eingeleitet werden. Zwar gab es unter den Anheizern schon einige ungeschliffene Perlen zu bewundern, aber auch Verzichtbares wie zum Beispiel PISSMARK. Daher ist es an diesem Abend durchaus überraschend, dass es sich bei POEM nicht um eine lokale Gruppe handelt, sondern um eine griechische. Und auch musikalisch hat die Band einiges zu bieten, spielen sie doch progressiven Metal, der gut zu den TEXTURES passt, noch dazu, wo das sich das Songmaterial live deutlich rauer präsentiert als auf CD. Die Bühne ist relativ verbaut - die Drumkits sowohl von AMORPHIS als auch TEXTURES stehen schon verhüllt im Weg - und POEM müssen sich daher mit relativ wenig Platz begnügen und minimaler Lichtshow. Dennoch schaffen es die Griechen, die bereits aufgelockert gefüllte Halle in Stimmung zu versetzen, was auch dem großen Einsatz von Sänger/Gitarrist Giorgos Prokopiou zu verdanken ist, der vollends in der Musik aufzugehen scheint. Die Band schafft mit langen epischen Instrumentalteilen eine tolle Atmosphäre und liefert sich auch coole Sperenzchen wie ein Bottleneck-Solo oder ein Synchrontapping zwischen Gitarre und Bass. Unglaublich ist außerdem, welche Rhythmen Stavros Rigos in seine Drums reinklopft. POEM sind auf jeden Fall ein toller Anheizer. Doch auch die TEXTURES lassen sich nicht lumpen und legen auf POEM noch ein Schäuferl nach - stilistisch nicht so weit von POEM weg, aber vom Härtegrad noch eine deutliche Steigerung, was die TEXTURES gleich mit dem Opener 'Drive' vom 2006er Album "Drawing Circles" unter Beweis stellen. Auch vom Bühnenbild her sieht das Ganze viel aufgeräumter aus, als zuvor: Ein riesiger Backdrop ziert den Bühnenhintergrund und ein paar LED-Balken schicken eher dezente Lichteffekte über die Bühne. 'Regenesis' vervollständigt das "Drawing Circles"-Dublett, doch mit dem nachfolgenden 'Now Horizons', das auch die Single des aktuellen Albums "Phenotype" darstellt, zeigt die Band, dass sie auch epische Ohrwürmer im Programm hat; toller Gesang von Daniel de Jongh, der die volle Bandbreite von eindringlichem Klargesang bis zu derben Growls kompetent auffährt. Beeindruckend ist auch, wie völlig ungerührt Stef Broks am Schlagzeug seine überaus komplizierten (Poly-)Rhythmen und Taktwechsel absolviert und dabei auch noch Zeit für eine Pommesgabel findet. Bei 'Shaping A Single Grain Of Sand' bekommt die Menge die Klarstellung "you are allowed to move" vermittelt, was dann doch etwas Bewegung ins Publikum bringt, das bis dahin eher gebannt gelauscht hat. Auch ein Mitsingpart geht sich aus, während sich TEXTURES durch ihr Programm spielen. Nach etwa einer Stunde Spielzeit wird es noch einmal richtig heftig, indem die Band ihren spannenden 60-minütigen Auftritt mit 'Laments' würdig beendet. Ein cooler Gig in einer bereits gut gefüllten Halle, der Lust macht, vor allem das neue Album "Phenotype" am Heimweg nochmals zu hören. AMORPHIS konnte ich schon mehrere Male live bewundern und fand sie meistens gut. Zuletzt konnte ich sie am Summer Breeze 2015 bewundern, wo sie aber mit ihrem Spezialset, in dem sie das "Tales From The Thousand Lakes" in voller Länge spielten, eher für eingeschlafene Füße als für Begeisterung. Auf ihrer aktuellen Tour dagegen absolvieren sie eine bunt gemischte Setlist, die mit alten Hits gespickt ist, aber auch viele Songs des generell begeistert aufgenommenen neuen Albums beinhaltet. Bevor AMORPHIS allerdings loslegen, gilt es noch einen finnischen "yksi-kaksi"-Soundcheck zu überstehen, der für einige Belustigung im Publikum sorgt. Die Halle ist mittlerweile proppevoll, allerdings sorgt der leicht nach vorne abfallende Boden dafür, dass von allen Plätzen gute Sicht herrscht. Dass AMORPHIS gleich mit dem Titelsong des neuen Albums loslegen ist eine gute Entscheidung - schon nach wenigen Takten ist die Stimmung am Kochen. Vor allem Sänger Tomi Joutsen erweist sich wieder als ruheloser Performer, während der Rest der Band den Auftritt eher ruhig und konzentriert absolviert. Mit 'Sacrifice' und 'Bad Blood' folgen gleich noch zwei klasse Songs vom aktuellen Album, bevor mit 'Sky Is Mine' ein Song von "Skyforger" folgt und den Klassiker-Reigen eröffnet. 'On Rich And Poor' vom "Elegy"-Album wird besonders aufgenommen und das Publikum setzt bereitwillig zu "ohh-ohh-ooh"-Chören an. Bei 'Drowned Maid' vom "Tales From The Thousand Lakes" leisten sich AMORPHIS den Gag, dass der Song im Duett zwischen Tomi Joutsen und Gitarrist Tomi Koivusaari - damals noch Growler bei AMORPHIS - performt wird. Die klassische Death-Metal-Nummer bildet doch einen Kontrast im Programm, doch mit "Four Wise Ones" folgt bereits der nächste Donnerschlag mit der vielleicht besten Nummer des aktuellen Albums. Dass die weiblichen Vokals dabei von der Festplatte kommen, stört eigentlich nicht. Für Gänsehaut sorgt wie immer 'My Kantele' sowie das geniale 'House Of Sleep', im dem das Publikum nochmals Gelegenheit zum Mitsingen bekommt. Nach etwa 75 Minuten verabschieden sich AMORPHIS, lassen sich aber mit frenetischen "yksi-kaksi"-Chören zu einem Zugabenblock zurück auf die Bühne holen. Als Draufgaben kommen 'Death Of A King' vom neuen Album, sowie der noch nicht ganz so alte Klassiker 'Silver Bride' und der Rausschmeißer 'Smoke' zum Einsatz, der das Publikum noch einmal richtig zum Schwitzen bringt. Drei Bands, die den Spagat zwischen Anspruch, Progressivität und tierisch Abgehen perfekt gemeistert haben - man kann überaus zufrieden sein mit dem Konzertabend. Neben den Headlinern, die ein tolles Set hinlegten und den hochkomplexen und doch irgendwie eingängigen TEXTURES lohnt es sich auch, POEM zu entdecken. |
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