Interview mit Danny von Bellgrave

Ein Interview von Vikingsgaard vom 25.01.2009 (9931 mal gelesen)
Die CD "Evil Mood" der Berliner Death-Rocker BELLGRAVE kürte ich kürzlich in unserem internen Poll zu einem meiner Highlights 2008. Um so erfreuter war ich über die Anfrage ob eines Interviews und Sänger Danny stand mir während eines fast 2 stündigen (!!) Telefonats sehr ausführlich Rede und Antwort. Hier nun die sehr stark gekürzte Fassung zweier Plaudertaschen vor dem Herren.

  Wie ist das bisherige Feedback zu "Evil Mood"? (Fans & Presse)

Danny:   Bis jetzt insgesamt sehr gut! Klar hast du immer auch negative Stimmen oder Besserwisser, die alles anders gemacht hätten, aber wir sind wirklich zufrieden mit den bisherigen Reaktionen.

  Ist dass eigentlich das Image, was ihr mit eurer Musik wolltet? Wolltet ihr überhaupt irgendeins oder hat sich das so ergeben?

Danny:   Ein wirkliches und greifbares Image gibt es bei uns nicht. Die ganze Sache mit dem Westernkram ist echt erst im Proberaum entstanden, als die Songs so gut wie fertig waren.

  Wie, jetzt erst?

Danny:   Zur zweiten Scheibe "My Soul Is My Gun" haben wir ein Shirt-Motiv gehabt mit dem Rückenaufdruck "Last Gunmen". Die Idee entstand damals aus einem Gespräch im Proberaum. Alex, Ulf und ich sind Fans von Stephen King's Romanzyklus "Der dunkle Turm". Und in diesem gibt es die Hauptfigur Roland, den letzten Revolverhelden. Aus der Shirt Idee entstand dann irgendwann einer neuer Song mit dem Titel 'Last Gunmen', welcher es auf die neue Scheibe "Evil Mood" geschafft hat. Dazu kam dann noch die Trompeteneinlage auf dem neuen Album im Song 'Enemy'. Na und schon hatten wir die ganze Westerngeschichte für uns gebucht, haha. Hinzu kommt, dass es wirklich (nicht) mehr viele Bands gibt, die sich dem Death Rock hingeben. Da kommt man sich oft vor wie die letzten Revolverhelden. Diesen Spruch benutze ich dann gerne auf Konzerten, um den gleichnamigen Song anzukündigen. Das Ganze ist also weder künstlich erschaffen noch zusammengestückelt sondern einfach eher durch Zufall und spontan entstanden.

  Wie bist du eigentlich zum Singen gekommen und wie trainierst du deine Stimme?

Danny:   Ich war vor BELLGRAVE in keiner anderen Band gewesen. Daher sind auch hier meine ersten Gehversuche zu finden. Durch einen Bekannten habe ich damals erfahren, dass zwei Typen in einer Garage an Musik basteln und einen Sänger suchen. Er hat dann den Kontakt hergestellt und ich bin dann nach einer Probe eingestiegen. Von den beiden Typen ist heuer nur noch Ulf übrig. Regelmäßiges Training der Stimme gibt es bei mir nicht. Mein Vorteil ist vielleicht, dass ich 5 Jahre Gesangsunterricht hinter mir habe.

  Was...?

Danny:   Ja, ich hatte 5 Jahre Gesangsunterricht. Keine klassische Ausbildung sondern in der sogenannten Sparte Rock-, Pop- und Jazzgesang. Und das hat sich wirklich bewährt. Du lernst von wirklich professionellen Leuten eigentlich ganz simple Sachen, die dir im Endeffekt aber echt helfen. Angefangen von der Atmung bis hin zur eigentlichen Klangerzeugung wird dir alles beigebracht und ich möchte das auch nicht mehr missen.

  Auch die Growls?

Danny:   Nää, die leider nicht. Das ist, zumindest meinerseits, eine Ausbaustufe dessen, was mir die nette Frau beigebracht hatte. Bei den Growls musste sie dann auch passen. Da konnte sie mir nicht helfen. An ihrem Gesichtsausdruck damals konnte man ihr schon ansehen, dass Growls für sie nichts mit Gesang zutun haben *lacht*. Die Growls, wie du sie nennst, bauen auf dem ganzen System auf und das erreicht man dann nur durch konsequentes Training. Wir hatten uns dann auch nach 5 Jahren getrennt, weil sie mir einfach nichts mehr beibringen konnte. Jedenfalls nach meinem Gefühl. Alles andere kommt dann wirklich durch permanentes üben, proben und natürlich Live-Auftritte.

  Ich bin ja schwer begeistert von "Evil Mood", warum, steht im Review. Aber ich habe natürlich auch dein Interview mit dem jungen Mann von der Konkurrenz gelesen und musste stellenweise sehr schmunzeln. Meinste, dass ihr, oder auch andere erfahrenere Bands, gar nicht mehr die Kids ansprecht, sondern wirklich nur noch die Typen mit schleppt, die schon vor 20 Jahren mit hautengen längsgestreiften Stoffhosen rumgerannt sind, so wie ich?

Danny:   *lacht* Das ist unter Umständen richtig, aber nicht beabsichtigt. Leider kennt man ja nicht jeden Käufer persönlich. Klar wäre es auch nicht schlecht, wenn die nächste Generation sich unserer Musik auch annehmen würde, aber viele von den Kids stehen halt nun mal mehr auf Sachen wie SLIPKNOT oder BULLET FOR MY VALENTINE bzw. kurz auch Metalcore. Und diese Sparte bedienen wir definitiv nicht. Aber hey, Slipknot sind geil. Und das sagt ein alter Mann wie ich mit 33 Jahren *lacht*. Aber im Prinzip hat das mit dem älteren Publikum auch sein Gutes. So haben wir das solvente Klientel für uns *hehehe* Verstehe das aber bitte nicht falsch! Wir machen schon so lange Musik und haben immer auf das Geld geschissen. Eher im Gegenteil. Man investiert ja eigentlich immer irgendwie. So geht’s halt allen Undergroundbands. Und wenn wir jetzt mit "Evil Mood" einen kleinen, bescheidenen kommerziellen Erfolg haben sollten, dann schließt sich einfach nur der Kreis. Aber das ist nicht das Ziel.

  Was ist deine ganz persönliche Meinung als Musiker, nicht als Fan, über die derzeitige Situation auf dem Markt? Sind Downloads ok, sind die CD-Preise ok?

Danny:   Bei der Downloadgeschichte kommt es eigentlich immer auf die Situation an, würde ich sagen. Wenn sich jemand Songs aus dem Netz saugt, um sich die Mucke in Ruhe und entspannt anzuhören um dann über den Kauf des Albums zu entscheiden, kann ich das nur begrüßen. Ich bin mal so blauäugig und denke, dass ich gerade Metal- und Rockfans das entsprechende Album dann auch kaufen werden. Daher sehe ich in diesem Bereich kaum Verluste für die Industrie. Das Verkaufszahlen rückgängig sind hängt für mich damit zusammen, dass Musik einfach nicht zu einem lebensnotwendigen Gut gehört, um zu überleben. Da kaufen sich dann die Leute lieber etwas zu essen als eine neue Platte. Die meisten hätten eh nicht das Geld für die Originale, wenn sie stattdessen eine gebrannte CD im Schrank oder die Dateien auf dem Rechner haben. Ich für meinen Teil würde es geil finden, wenn ich mir Alben in Ruhe im Netz anhören könnte. Viele Label und Bands nutzen die Möglichkeit ja bereits via myspace. Der ganze Rummel um Downloads wurde ja von METALLICA, bzw. deren Management, damals los getreten. Wobei METALLICA da nur der Name war, der über allen gestanden hat. Viele Bands haben diese Kampagne unterstützt, dass sollte man nicht vergessen. Wer hätte sich schon dafür interessiert, wenn BELLGRAVE Napster verklagt hätten, hehe. Augenscheinlich ging es METALLICA bei dieser Klage einzig um den Fakt, dass niemand anders bestimmen sollte, wie sie ihre Musik unters Volk bringen. Eine reine Rechtsangelegenheit also. Ob das oder die Kohle im Vordergrund standen, kann jeder für sich selbst interpretieren. Man darf ja nicht vergessen, dass hinter einer Band auch Promoter, Label, Anwälte usw. stehen, die halt Geld verdienen wollen. Die Band an sich hat sich anfangs garantiert einen Dreck darum geschert, wie ihre Musik unters Volk kommt. Ich kann mir schon vorstellen, dass, wenn man etliche Millionen pro Jahr verdient, einem die Kohle den Geist versaut. Aber dennoch schätze ich die Band selbst als eine sehr ehrliche ein, die nichts weiter haben als ihre Musik.

  Ähm, kennst du die Szene aus dem Video, wo Ulrich seine ganzen Kunstschätze verkauft, nur um Hetfield seine Entziehung und die nächsten Aufnahmen zu finanzieren?

Danny:   Ja, kenne ich, ein sehr großer Moment der Vermarktung! Der ganze Film ist eine mehr als gelungene PR-Aktion. Als etwas anderes sehe ich das nicht an.

  Ihr seid ja in der sehr komfortablen Situation, dass ihr einen wirklich eigenen Sound und ein besonderes Image kreiert habt. Denkt man da beim Proben oder jammen über so etwas nach und sagt: "Och nö, dit klingt aber jetzt nach XY"oder schert euch das überhaupt nicht?

Danny:   Wie ich schon sagte, das Image ist recht jung und wir können damit sehr gut leben, weil es einfach passt. Ulf bringt ja den Hauptanteil der musikalischen Ideen ein. Als Band basteln wir dann den entsprechenden Song zusammen. Diskussionen kommen in größerem Stil nicht auf. Klar ertappt man sich dabei, dass mal ein Part zu sehr nach einem Riff einer anderen Band klingt. Dann ändern wir das ab oder lassen es so. Wir wollen ja nicht bei jedem Song oder Riff das Rad neu erfinden.

  Jetzt eine Standard-Frage von mir, da ja auch viele Bands mit lesen: Ab einem gewissen Zeitpunkt merkt man ja beim Proben, dit wird was geiles und das gefällt. Spornt euch das an, erhöht das die Nervosität untereinander, krampft dann das Songwriting oder wie geht ihr damit um?

Danny:   Klar kommt es vor, dass man sich mit einer geilen Grundidee verzettelt. Dann hat man das Gefühl, dass eigentlich nichts dagegen anstinken kann und man beginnt Dinge zu konstruieren. Doch nach einer gewissen Zeit merken wir dann, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wir hören dann einfach auf, an dem Teil herumzubasteln und Ulf lässt das Riff oder die Melodie solange auf Halde, bis ihm was wirklich Geiles dazu eingefallen ist. Ist dann ein Album veröffentlicht, wird man als Musiker natürlich nervös und ist gespannt wie die Reaktionen sind. Aber einen Blackout beim Schreiben von Songs haben wir noch nicht gehabt. Jedenfalls nicht aus dem Grund, weil wir uns selber für so genial halten, hahaha. Wenn uns halt mal nichts einfällt labern wir Blödsinn oder gehen ein Bier trinken.

  Sehr vernünftig! Bei mir läuft im Player grad zufällig CHILDREN OF BODOM mit ihren Cover-Songs...Was würdest du gerne mal im BELLGRAVE-Style hören wollen?

Danny:   SEEED! oder DEPECHE MODE!

  Bitte...?

Danny:   Ja, mit SEEED würde ich gerne mal was machen wollen, kein Scheiß! Ich mag den Style und die Innovation, die die Jungs rüberbringen. Das ist intelligente Musik und für so etwas bin ich immer zu haben. Wie wir uns dann die Arbeit teilen würden und in was für eine Richtung das gehen soll wüsste ich jetzt zwar noch nicht, aber wenn da einer anrufen würde, ich würde spontan JA! sagen, egal was dabei rauskommt. Der eine oder andere fragt sich sicherlich, warum ich jetzt keine Metal- oder Rockbands genannt habe, doch mal ehrlich: Will noch jemand eine x-te Variante von SLAYER‘s 'Raining Blood' hören? Jeder geile Song wurde doch schon einmal gecovert. Mal gut, mal schlecht. Da müssen wir nicht auch noch unseren Senf mit zugeben!...

Joah, das war quasi die Quintessenz dieses Telefonats, welches, wie schon erwähnt, eigentlich fast 2 Stunden dauerte. Mein linkes Ohr hat wieder Normalgröße und wenn alle Interviewpartner so sympathisch rüberkommen, nehme ich das gerne öfters in Kauf. Vielen Dank an dieser Stelle auch an Mücke für die nette Vermittlung und euer Verständnis!!

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten