Livebericht April Art (mit Ghosther ) |
---|
Ein Livebericht von Opa Steve aus Köln (Gebäude 9) - 05.12.2024 (14182 mal gelesen) |
Konzerte im Dezember sind immer eine etwas spannende Gelegenheit, denn nach Köln sind die schnellsten Anbindungen über Hunsrück und Eifel oder wahlweise den Westerwald. Natürlich ist es schon um den Gefrierpunkt und es regnet ohne Unterlass, als wir uns die 80 Minuten auf den Weg machen. Aber zum Glück wird es kurz vor Köln sogar wärmer und wir haben das Glück, einen Parkplatz direkt vor dem "Gebäude 9" zu ergattern, wo heute APRIL ART auf ihrer "Rodeo"-Tour Station machen. Über einen dunklen Schotterhof und zwischen teichgroßen Pfützen balancierend finden wir auch tatsächlich den Eingang und freuen uns, dass es drin schon gemütlich gefüllt und warm ist. Für ein Kölsch ist auch noch Zeit, und natürlich wird auch noch das Merch begutachtet. Pünktlich zum angekündigten Beginn belebt sich die Bühne und die Opener GHOSTHER aus Heinsberg machen sich fertig für ihren Gig. Es ist nicht ihr erster Support für die Hessen, denn sie waren schon 2022 auf der "Pokerface"-Tour mit dabei. Was bei APRIL ART die Farbe Rot ist, ist bei GHOSTHER das rötliche Orange, denn wenn man genau hinschaut, erkennt man diese Trademark bei fast allen Musikern. Sängerin Jenny in ihrer grellen Jacke sticht dabei natürlich besonders hervor, als es mit 'Bleed Me Out' losgeht. Leider ist der Sound noch etwas verwaschen und dürfte auch ruhig etwas lauter sein. Die zwei Saiteninstrumente kann man noch nicht richtig gut raushören, dafür ist der dumpfe Rumms von den basslastigen Drums umso kräftiger - und noch kräftiger ist Jennys Stimme, die sich im Laufe des Gigs noch steigern wird. Die Band steigt stampfend in einen Song der brandaktuellen EP ein und Jenny gibt - unterstützt von Andys Hardcore-Shouts - alles. Im Publikum dürfte noch ein relativ geringer Anteil mit dieser Scheibe vertraut sein. Doch die Mischung aus Aggression und einem melodischen Killer-Refrain bricht das Eis sehr schnell, genauso wie auch bei dem - ebenfalls neuen - 'No Tomorrow'. Jenny nimmt sich Zeit, das Publikum anzufeuern, und bald ist es zu warm für die Jacke. Bassmann Stelle steht eher stoisch entspannt auf seiner Position und auf Drummer Ronnie können leider nur die ersten Reihen einen Blick werfen - denn er muss sich mit seinem Kit relativ weit hinten in einer Ecke neben dem verhangenen Drumriser des Headliners verstecken. Was Jenny irgendwann zum lustigen Kommentar verleitet "Und wer glaubt, unsere Drums kämen von Band ... nein, das stimmt nicht! Da hinten sitzt er tatsächlich!" Nach zwei neuen Songs wechselt der Schwerpunkt zum 2022er Album "Immersion" (welches für mich immer noch eins der gelungensten Artworks überhaupt hat). Die Songs sind teilweise hörbar mit Elementen des Melodycore durchsetzt und gerade die Vocal-Linien bei 'Afterglow' erinnern mich stark an FOREVERATLAST. Lediglich die "Duuud duuuuuud, duud dud dud duuuuuuu"-Singalongs zu 'A Beautiful Mind' führen in Kombination mit der Band zu erheblichem tonalen Durcheinander, sodass der Song kaum noch zu erkennen ist. Dennoch dreht die Band während der Songs zusehends selbstbewusst auf und Jenny kommuniziert intensiv mit dem Publikum. Was anfangs vielleicht etwas zu aufgesetzt wirkt, gewinnt mit der Zeit an natürlicher Routine. Zwischendurch gibt es dann eine emotionale längere Ansage zum Thema Depressionen und dem Umgang damit. Sicherlich ist der Umgang für Außenstehende nie einfach, mit einer Krankheit umzugehen, die man selbst nicht begreift und dadurch vielleicht auch mal naive bis dumme Ratschläge gibt. Der Song 'Undertow' thematisiert die innere Seite der Betroffenen dazu und ist definitiv die intensivste Darbietung, die vor allem Jenny heute Abend performt. Mit 'Resistance' gibt die Band dann noch mal Vollgas, bevor es Zeit für den Abschied wird. Für meine erste Live-Erfahrung von GHOSTHER gehen auf jeden Fall die Daumen hoch. Die Band hätte einen besseren Sound verdient, um die melodischen Feinheiten besser rüberzubringen, aber das Potenzial in den Songs und auf der Bühne ist hoch. Da wird noch mehr kommen, da bin ich ganz sicher. APRIL ART sind gerade genau in dieser Phase, wo mehr kommt. Das berühmte - "Make-it-or-break-it" - dritte Album ist raus und auf der aktuellen Scheibe haben sie schon mal alles richtig gemacht. In diesem Jahr war die Band auf so vielen Bühnen unterwegs, was zum Bekanntheitsgrad auch beigetragen hat. So wundert es nicht, dass sich in Köln durchaus 300 bis 400 Leute finden, die die Band heute abfeiern wollen. Mit den beiden ersten Titeln des neuen Albums "Rodeo" geht es auch gleich los. Das Doppelpack 'Rodeo' und 'Burn' bringt auch sogleich die ersten Reihen in Bewegung. Auch die Hessen lassen auf der Bühne nichts anbrennen und nutzen den verfügbaren Platz gut aus. Lisa arbeitet sich von links nach rechts am Bühnenrand ab und Julian malträtiert stampfend den Bass. 'Painkiller' war schon eine der älteren Video-Veröffentlichungen und mit 'Try' geht es noch ein Stück weiter in die Vergangenheit. Wieder einmal präsentiert sich die Band extrem sympathisch und verbreitet gute Laune. Die extrem fleißigen Liveauftritte dieses Jahr haben sicherlich noch dazu beigetragen, aber man merkt es der Band an, dass es ihnen einfach im Blut steckt. Sobald es losgeht, wird bei ihnen ein Schalter umgelegt und sie fühlen sich ungekünstelt wohl auf der Bühne. Lisa gehört definitiv zu den authentischsten und besten Frontfrauen, aber auch ihre Sidekicks lassen nichts anbrennen, wenn sich Julian und Chris immer wieder formieren oder mit Lisa um die Wette posen. Das überträgt sich natürlich auch rasch auf's Publikum, welches der Band aus der Hand frisst. Wenn Lisa die Band auffordert, alle in die Hocke zu gehen ("... selbst der Julian macht mit, und der hat's in den Knien ..."), widerspricht niemand und plötzlich ist das Publikum bis auf wenige Leute am Rand auf dem Boden, nur um auf Kommando wieder hochzuspringen. Bewegung wird auf und vor der Bühne groß geschrieben und wir merken ebenfalls unsere alten Knochen, lassen uns aber natürlich nicht zweimal bitten. Natürlich sind auch Teile vom Programm durchorchestriert - einige Spiele kennt man schon, wenn man die Band mehrmals im Jahr gesehen hat, genauso wie einige Ansagen (wie zum Beispiel die obligatorischen Singspiele rechts gegen links, die dann am Ende kommentiert werden mit "... aber wir wollen doch nicht spalten, sondern einen ..."), aber es macht einfach immer wieder Spaß. Die neuen Songs werden genauso abgefeiert wie die älteren und beim Refrain von 'Sky Is The Limit' singen alle wieder laut mit. Mitten im Set gibt es dann einen kurzen Umbau und Lisa sitzt mit Chris an der Akustikgitarre allein auf der Bühne. Zum ersten Mal kommen wir live in den Genuss der Akustikversion von 'Not Sorry', die auf "Rodeo" dargeboten wurde. Nach diesem ruhigen Moment ist es beim nachfolgenden 'Rising High' wieder Zeit, das ganze Publikum zu motivieren. Auch hier punktet wieder der Refrain gigantisch und wird lange aus hunderten Kehlen ausgekostet, während sich im Bereich vor der Bühne doch mittlerweile ein stetiger Pit formiert hat. Doch dann ist es Zeit für Lisa, sich ein wenig hinter der Bühne auszuruhen. Eine längere Jam-Session lässt die Jungs der Band zeigen, was sie auf den Instrumenten drauf haben. Während bei den Songs viel Groove und Eingängigkeit wichtig sind, kommt hier ganz feine Instrumentalkunst in einem lässigen Instrumentalstück zu Tage, bei dem jeder der drei auch eine längere Solo-Session hat. Alle drei machen das mega und beweisen, was sie auf den Saiten beziehungsweise an den Kesseln drauf haben, wobei Julian auch hier wieder die höchste Posing-Punktzahl einheimsen kann. Schon bevor der Gig verklingt, lässt sich die Band schon mal vor der Crowd fotografieren und kündigt an, dass man nun zum Schluss kommen würde. Dass es aber nach den letzten Songs nicht zuende sein kann, verrät nicht nur das lautstarke Publikum, sondern auch das Hallenlicht. Nach einer angemessenen Wartezeit folgen APRIL ART den Bitten des Publikums und es kommt noch mal zu einem ausgedehnten Zugabenblock, bei dem natürlich noch mal zwei Highlights nicht fehlen dürfen: Das fabelhafte 'Jackhammer' mit seinem mitreißenden Hitpotenzial lässt die Halle noch mal richtig kochen. Und beim abschließenden 'Not Sorry' in der originalen High-Energy-Variante ist natürlich - Insider kennen es bereits - auch wieder das 'Master Of Puppets'-Medley enthalten. Der erste von uns erlebte Headliner-Gig von APRIL ART endet als voller Erfolg und mit uns begeisterten Autoren. Der Mehrwert gegenüber den (ohnehin schon starken) Festivalauftritten ist die fabelhaft lange Spieldauer, die perfekten Soundbedingungen und natürlich so Gimmicks wie Soli und die tolle Jam-Session. Ganz klare Empfehlung für eine Wiederholung! Die Band selbst kündigt schon die nächsten Gigs in 2025 an und lädt alle Kölner dann nach Essen ein. Und das Drittel des Publikums, welches sich ehrlicherweise dazu bekennt, die Band das erste Mal live gesehen zu haben, wird von Lisa in die "APRIL ART-Familie" aufgenommen und wird sicher genauso begeistert nach Hause gehen. Diese Band produziert Wiederholungstäter - the sky is the limit. |
Alle Artikel