Interview mit A. von Vāmācāra

Ein Interview von Dead_Guy vom 07.06.2022 (21064 mal gelesen)
Mit ihrem Debüt gelingt es der Band VÃMÃCÃRA, eine spannende Mixtur aus Black-, Death Metal, Classic-, Psychedelic Rock und orientalischer Musik, weswegen ich Genaueres wissen wollte.

Hallo und erstmal Gratulation zum gelungenen Debüt! Da ich euch vor diesem Review nicht kannte und es den Lesern ähnlich gehen dürfte, stell doch einfach mal deine Band vor. Und welche Bedeutung hat euer Bandname?

A.: VÃMÃCÃRA wurden 2015 noch als halbes CTULU-Nebenprojekt in Kiel gegründet. Mittlerweile haben wir eine EP und ein Album (April 2022) rausgebracht, und die Band ist jetzt auf Norddeutschland und Polen verstreut. Wir spielen eine Mischung aus Black, Death, Doom und Stoner mit einer Portion Psychedelic-Rock. Der Bandname bedeutet ''Pfad zur linken Hand'' im Sanskrit und ist so ein bisschen der thematische Aufhänger, an dem sich die Texte entlanghangeln.

In eurem Album kommen sehr viele nichteuropäische Einflüsse zum Tragen, macht ihr das "nur" nach Gefühl oder steckt ihr da tiefer in der Materie?

A.: Unser Drummer N. hat sich jahrelang mit Buddhismus beschäftigt, und ich habe vor einigen Jahren ein Faible für Weltmusik entwickelt, das sich offensichtlich im Songwriting hier und da in irgendeiner Art und Weise wiederfindet. Wir sind also keine Experten in der Hinsicht, sondern interessieren uns einfach für verschiedenste Dinge.

N.: Wir sind beide - so kann ich glaube ich sagen - an sehr vielen unterschiedlichen Dingen interessiert und generell sehr begeisterungsfähig. Das ist alles wandelbar. Wenn sich das ändert, ändert sich vielleicht auch VAMACARA.

Ich muss gestehen, dass ich mit dem ganzen thematischen Ansatz wenig vertraut bin - magst du mich Unwissenden aufklären, und welchen Stellenwert haben grundsätzlich die Texte für euch?

A.: Das ist jetzt eine recht weit gefasste Frage. Ich versuche, das mal mit einem von vielen Beispielen zu erklären. Im Hinduismus gibt es bei manchen Strömungen den Ansatz, dass jedes Ding auf dieser Welt gleichzeitig sein eigener Schöpfer wie auch seine eigene Schöpfung ist. Dazu haben Gottheiten immer eine männliche wie auch eine weibliche Version. Noch dazu kommt alles aus demselben Ursprung. Der Grundgedanke ist also, Schubladendenken aufzugeben und sich von Schwarzweißsicht zu lösen. Es ist nicht alles schwarz/weiß oder gut/schlecht oder, oder, oder. Das findet in unseren Texten und - wie man (hoffentlich) hören kann - auch in der Musik statt. Wir denken, dass wirklich spannende Sachen in dem Neuland zwischen zwei bekannten Dingen warten, die miteinander vermischt werden.

Habt ihr eine Vermutung, woher das Verschmelzen von Extremen Metal mit klassischeren Rock-Stilen kommt - ihr selbst bezeichnet ja auch eure Musik als "70er Hardrock mit Blastbeats"?

A.: Auf die Szene als Ganzes bezogen, denke ich, dass Bands wie THE DEVIL'S Blood einen großen Einfluss hatten. Auf einmal "durfte" man als elitärer Black Metal-Hörer klassische Rockmusik gut finden, da THE DEVIL'S BLOOD alle Nas' lang auf Festivals und Konzerten mit Black Metal-Bands zusammen gespielt haben und vom Image her ja auch nicht besonders weit von letzteren weg waren. Und nach 25 Jahren Festhalten am Schema F des Black Metal-Songwritings hatten - glaube ich - auch viele einfach die Nase voll von der immer gleichen Kost. 40 Minuten lang durchzublasten ist irgendwann auch nicht mehr extrem, sondern einfach langweilig. Auf uns direkt bezogen: Wir teilen beide eine große Leidenschaft für klassische Rockmusik, wobei N. da eher die 70er bis 80er und ich die 60er bis 70er bediene. Ich höre eigentlich auch meist eher Altherrenrock als extremen Metal.

N.: Oh ja, ich liebe viele frühe "Proto"-Metal Sachen und klassischen Heavy Metal, bezehungsweise Hard Rock der 70er und 80er. Das Universum dahinter habe ich erst sehr spät für mich entdeckt. Ich hatte in meiner Pubertät damals ganz klassisch eine Black Metal-Phase, die dann durch NWOBHM, Heavy Metal, Glam (ja!) und hinterher Hardcore Punk abgelöst wurde.

Ihr benutzt viele verschiedene Sprachen - sind das Originalzitate, hat das ein tiefergehendes Konzept oder einfach, was besser klingt an der Stelle?

A.: Die meisten Texte schreibe ich auf Englisch und beschließe ab und zu, sie von Freunden übersetzen zu lassen, wenn's gerade passt. Óla Eínai Típota hat 'Setesh' von Diablery ins Griechische übersetzt, 'Vintage Filth Merchants' hat mein Studienfreund Egemen auf Türkisch umgeschrieben. Der polnische Text auf unserer ersten EP ist allerdings einfach von Tadeusz Miciński (polnischer Symbolist) kopiert, dessen Nachfahren (hat der welche?) mich hoffentlich nie dafür verklagen. Ich bin der Meinung, dass viele Sprachen sich für Metal eignen und man sich nicht auf Englisch beschränken muss, wenn man auch andere Möglichkeiten hat.

Ihr verbindet eine Bandbreite an Genres: von orientalischer Musik, klassischem Hard- und Prog Rock, Doom-, Death- sowie Black Metal und psychedelischer Elemente. Welche Künstler haben euch beeinflusst und wie wichtig sind dir/euch Literatur?

A.: Literatur hat natürlich vor allem auf die Texte einen Einfluss. Auf unserem aktuellen Album findet sich ein Track namens 'Rat Saliva', der von Jeet Thayils Buch 'Narcopolis' inspiriert ist. Ansonsten gibt es diverse Künstler, denen wir im Text zu 'Tara Of the Cremation Grounds' textlich zum Teil recht offensichtlich Tribut zollen. Da haben wir einige Easter Eggs eingebaut. Was Musik angeht: Ohne LED ZEPPELIN wäre ich nicht bei SLAYER angekommen, ohne SLAYER nicht bei POSSESSED, ohne POSSESSED nicht bei all dem kaputten Zeug, das danach noch auf der Skala kommt. Mein erster Kontakt mit Black Metal war SATYRICON und DARKTHRONE in Wacken 2004. Eigentlich der zweite, da am Vortag noch MAYHEM lief, was ich aber sehr unterwältigend fand. Auf jeden Fall: Wenn ich SATYRICON da nicht gesehen hätte, würden wir dieses Interview vermutlich nicht führen.

N.: Ich interessiere mich momentan für innovative Science Fiction-Literatur, die neue Denkweisen in (kosmo-)soziologischer Hinsicht aufzeigt. An sich schätze ich jedoch auch sehr klassische Schriften, wobei ich gerade versuche, mich etwas dem Stoizismus über Aurel zu nähern. Wie A. gerade anmerkte, habe ich mich lange den Grundlagentexten des Vajrayana-Buddismus gewidmet, besonders der Gelug-Schule, aber auch dem neuen Kadampa-Buddhismus. Musikalisch sind für mich JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH und DIO essentiell. Im härteren Bereich DARKTHRONE, MERCILESS und BOLT THROWER, um mal bei dreien zu bleiben.

Habt ihr schon Pläne für die Zukunft und wie sieht es an der Live-Front aus?

A.: Wir sind gerade dabei, eine kleine Tour in ein paar Monaten zusammenzubuchen, die hoffentlich demnächst dann auch endlich veröffentlicht werden kann. Nächstes Jahr kommen wir dann hoffentlich wieder zu intensiverem Songwriting zurück.

Weil ich gerne Empfehlungen höre: Hau mal bitte spontan fünf Alben raus, die ihr gerne weiterempfehlen möchtet!

A.: Jetzt kommt wahrscheinlich der seltsame Weltmusikniederschlag (zumindest teilweise): ALTIN GÜN – "Yol": türkischsprachiger Psychedelic-Folkrock, der größtenteils alte türkische Hits covert TINARIWEN – "Emmaar": Blues aus Mali mit Texten in Tuaregsprache – wo gibt's denn sowas? MESSA – "Close": italienischer Doom mit supervielseitigem Songwriting und richtig guten Cleanvocals KONVENT – "Call Down The Sun": Ich weiß gar nicht, warum das eigentlich gut ist. Es ist eigentlich nichts besonderes, aber es knallt und knarzt und langweilt nie. Beste richtige Metalband, die ich dieses Jahr entdeckt habe. LOS BITCHOS – "Let The Festivities Begin": Wozu Vocals, wenn man auch einfach alles mithilfe der Gitarre sagen kann? Ach, und: AJATE – "Abrada": Die nennen ihre Musik "Afro-Funk", glaube ich. Kommen aber aus Japan. Sowas hab ich auch noch nicht gehört. Wie der Soundtrack zu Crash Bandicoot 1. Ultrageil!

N.: Kontemporär: NITE - "Voices Of The Kronian Moon'" INCANDESCENCE – "Le Coeur De L’Homme" INCULTER – "Fatal Visions" WRAITH – "Undo The Chains" LVCIFYRE – "The Broken Seal" Maßlos unterschätzter Klassiker (!): HEAVENS GATE – "Livin‘ In Hysteria"

Das wäre es dann von meiner Seite - die letzten Worte gehören dir!

A.: Dann wiederhole ich nochmal, dass unser aktuelles Album gerade mal 'nen Monat alt ist und direkt bei uns über Bandcamp bezogen werden kann. Oder vielleicht auf der Tour in deiner Stadt? Danke für die Zeit, die du in Review und Interview gesteckt hast!

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten