Romuvos - The Baltic Crusade

Review von Divine Victim vom 17.08.2020 (10834 mal gelesen)
Romuvos - The Baltic Crusade Folk Metal hat viel zu bieten: von fragwürdiger Piratenmusik über Bands an der Kitschgrenze, wo man immer noch nicht weiß, wie man sie jetzt richtig ausspricht, zu den wirklich genialen und höchst sozialkritischen Texten der Gründerväter, SKYCLAD. Durch den Keyboardbombast auf der einen Seite und "Gedudel", Blaze Breegs Liebeserklärung für das Genre, auf der anderen, verlieren Nicht-Genreliebhaber oft aus den Augen, was sich in den Tiefen offenbart. BATHORY, FALKENBACH oder PRIMORDIAL, wenn auch nicht klassischer Folk Metal, haben trotz einer anderen Herangehensweise einen starken Folktouch und erweiterten so das Spektrum und Potenzial des Genres erheblich!

Eindeutig von der frühen Viking Metal-Era inspiriert, gründete der litauische Sänger, Gitarrist und Multiinstrumentalist Velnias 2012 die Pagan Metal-Band ROMUVOS - man beachte: Es ist keine Viking Metal-Band, da man inhaltlich durchweg über baltische Mythen, Folklore und Geschichte, aber nicht über Wikinger beziehungsweise Nordmänner, singt. In Eigenregie veröffentlichte er 2014 das Debütalbum, "Romuvan Dainas", und kurz darauf stießen erstmals andere Musiker dazu, mit denen das zweite Album "Infront Of Destiny" aufgenommen wurde. Nun für die vorliegende Platte "The Baltic Crusade" wurden weitere Line-up-Wechsel getätigt: Jetzt besteht das Line-up neben Velnias aus drei Mitgliedern der israelischen Schwarzmetaller ETERNAL DECAY, Blackbeard (Leadgitarre und Folkinstrumente), Ofer (Rhythmusgitarre) und Morax (Drums) sowie Ažuolas (Bass).

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Nun zum Album: Musikalisch würde ich die Musik dem Epic Folk/Pagan Metal zuordnen, wobei Ähnlichkeiten zu FALKENBACH, Viking Era-BATHORY und an manchen Stellen HEIDEVOLK unbestreitbar sind. Besonders sticht hier das weite Repertoire an Folkinstrumenten hervor, welche allesamt von Blackbeard gespielt werden, neben Schlüsselfiedel, Maultrommeln à la BATHORY oder Flöten findet man auch Percussions und sogar einen Dudelsack. Anders als bei so vielen Pagan Metal-Bands haben wir klaren Gesang und Velnias' angenehm tiefer, englischer Gesang mit Akzent verstärkt den Charme des Folksounds nur noch mehr. Dazu kommt, dass mit Geräuschen der Natur, wie Gewitter oder das Plätschern von Wasser, die naturbezogene Atmosphäre der heidnischen Perspektive gezielt vertieft wird. Eine ebenso große Wirkung haben die litauisch gesungenen Stellen, durch welche die Verbundenheit zu den Inhalten weiter betont wird. Dies passt zu dem meist hymnisch stampfenden Sound, wobei es manchmal auch düster und fast schon melancholisch wird. Eins bleibt aber gleich, die durchweg epische Note, wie wir sie von den oben genannten Bands kennen und lieben!

Was den Inhalt angeht, verrät der Titel "The Baltic Crusade" schon viel, um was es geht. Die Christianisierung des Baltikums durch den Deutschritterorden im 13. Jahrhundert. Einem Hilferuf Konrads I. folgend sollte der Ritterorden dort gegen die hiesigen, heidnischen Prußen vorgehen. Jedoch beließ der Orden es nicht dabei und gründete den Deutschordensstaat, welcher dann bis 1402 im Kampf gegen mehrere kleinere Ethnien, das Großfürstentum Litauen und das Königreich Polen stetig expandierte. 1410 erlitt der Orden dann allerdings eine entscheidende Niederlage bei Tannenberg durch eine polnisch-litauische Allianz, die den Anfang vom Ende markierte. Letztendlich führte dies zur Gründung des Herzogtums Preußens und wir wissen, welche Rolle dieser Staat noch spielen sollte.

Hierbei erzählt ROMUVOS (relativ subjektiv, aber gerechtfertigt) Geschichten über eine Reihe an Schlachten zwischen 1236 und 1279, in denen die baltischen Heiden ihre Heimat gegen den Livländischen Orden, einem Zweig des Deutschen Ordens, verteidigten. Das Album startet mit dem starken, und mit fast acht Minuten recht langen, 'Saule (1236)', in dem es darum geht, dass schwer gepanzerte Ritter des Schwertbrüderordens - von Einheimischen verraten - im schaulischen Matsch von Samogiten, einem heidnischen Volksstamm im heutigen Litauen, niedergemetzelt wurden. Diese Niederlage sorgte dafür, dass sich die aufgeriebenen Überreste des Schwertbrüderordens mit dem Deutschen Orden verbanden, um den Zweig des Livländischen Ordens zu formen. Die Besonderheit dieser Schlacht wird besonders durch den Vers "Slaying men with spears not with swords" betont, in dem der extreme Unterschied zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien besonders zur Geltung kommt - für jeden Laien: Ein Schwert war im Mittelalter deutlich teurer als ein Speer und eins zu tragen, war ein Privileg, von dem nur wenige Gebrauch machen konnten. Nach einem Intro mit Dudelsäcken und litauischen Schlachtrufen startet es sehr hymnisch und energiegeladen. Der Aufbau ist äußerst interessant: Es lässt sich zwar nicht eindeutig ein Chorus ausfindig machen, aber aufgrund des durchweg hoch gehaltenen Maßes an Energie und Atmosphäre spielt das nur eine geringe Rolle und baut ganz im Gegensatz eine ordentliche Portion Epik auf! Es soll aber noch besser weitergehen und der nächste Song ist einer der stärksten Tracks des Jahres! 'Memel (1257)' handelt von der Schlacht von Klaipėda, bei der der Livländische Orden eine herbe Niederlage einstecken musste, nachdem dieser die feindliche Übermacht an samogitischen Rebellen unter der Leitung von Herzog Alminas fatal unterschätzt hatte - von 40 Ordensbrüdern sollten zwölf getötet und viele weitere verwundet werden. Grund für die Schlacht war, dass der litauische König dem Orden die Mehrheit der samogitischen Lande zuschrieb. Mit der 1253 errichteten Memelburg stellte der Orden dann auch eine direkte Bedrohung für die dort ansässigen Völker dar. Wieder startet das Lied folkig-atmosphärisch, um dann episch stampfend in den hymnischen Chorus zu führen. Ein Chor tiefer Männerstimmen steigert die epische Atmosphäre der Schlacht mit litauischen Begriffen noch weiter. Der nächste Track 'Skuodas (1259)' ist zwar auch stark, geht aber mehr in Richtung HEIDEVOLK, sehr prägnante Folkeinflüsse und ein ziemlich energiegeladener Chorus. Weitere Abwechslung bieten die nächsten Lieder 'Durbe (1260)' und 'Pokarwis (1261)', in denen die Stimmung ins Melancholisch-Düstere fällt und stark an BATHORY erinnert. In dieser Form kommt auch das nächste Highlight: 'The Baltic Crusade', das als einziges Lied auf der Platte nicht von einer spezifischen Schlacht handelt. Diese metaphorische Nummer ist wahrlich eine Hommage an BATHORY, FALKENBACH und Co. und betont die enge Verbundenheit von ROMUVOS mit ihrer Heimat und der Natur. Es ist mit Abstand die emotionalste Nummer und sprüht nur so vor Melancholie. Die letzten drei Nummern, 'Lubawa (1263)', 'Karuse (1270)' und 'Aizkraukle (1279)' bilden zwar einen guten Abschluss, vom Stil her sind sie auch eher ruhig und düster gehalten, allerdings stechen die einzelnen Lieder nicht so sehr hervor wie diejenigen am Anfang der Platte.

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Fazit: ROMUVOS zeigen, wie man Geschichte und Metal richtig verknüpft. Die enge Verbundenheit zu ihren Inhalten wird deutlich und man schafft es, spannende Geschichten zu erzählen, ohne dass man irgendwie von kitschiger Glorifizierung oder blindem Patriotismus belästigt wird. Es überzeugt einerseits mit Epik, die einen das Schwert in Luft recken lässt, und andererseits baut es eine Atmosphäre auf, wie man sie von Genregrößen kennt. Die Folkinstrumente sind zwar prägnant, aber nicht nur simples "Gedudel", sondern versetzen einen wirklich in die besungene Zeit zurück. Es öffnet einem die Tür in die baltische Geschichte, die viel zu unbekannt ist und so viel zu bieten hat. Auch wenn das Album das Level der ersten beiden Lieder nicht ganz halten kann und es nicht das eingängigste Album ist, ist es qualitativ sehr hochwertig und unterhaltsam. Zudem sorgt der Abwechslungsreichtum dafür, dass mir selbst nach wirklich sehr häufigem Hören nicht langweilig wird! ROMUVOS sollten sich spätestens mit diesem Album auf die Wunschliste eines jeden Pagan Metal-Fans gespielt haben, der ausnahmsweise mal auf Growls verzichten kann!

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Saule (1236)
02. Memel (1257)
03. Skuodas (1259)
04. Durbe (1260)
05. Pokarwis (1261)
06. The Baltic Crusade
07. Lubawa (1263)
08. Karuse (1270)
09. Aizkraukle (1279)
Band Website: www.facebook.com/romuvos/
Medium: CD
Spieldauer: 55:59 Minuten
VÖ: 26.06.2020

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