Früher war (fast) alles besser: Teil 4-Death Metal für die einsame Insel
Ein Artikel von Warlord vom 09.08.2012 (12664 mal gelesen)
Im sogenannten "Underground" brodelte es Mitte der 80er gewaltig. Legendäre Tapes waren da im Umlauf, erste Demo-Aufnahmen und Rehearsals wurden bis zur Unhörbarkeit kopiert, z.B. von DEATH, SLAUGHTER (Can), MASSACRE, MASTER, TERRORIZER und nicht zuletzt auch REPULSION. Ihr einziges Album "Horrified" erschien 1989 auf Bill Steers "Necrosis"-Label, die Rechte gingen später an EARACHE. Die Aufnahmen waren aber schon drei Jahre früher entstanden und unter dem Titel "Slaughter Of The Innocent" seit damals als Demo im Umlauf. Mir blieb die Scheibe allerdings bis auf 'Radiation Sickness' vom "Grindcrusher"-Samper unbekannt, bis ich eine schöne Neuauflage als Doppel-CD in den Händen hielt, inklusive Unmengen von weiteren Demo-Tracks, teilweise noch unter dem Namen GENICIDE veröffentlicht. Die erwähnten TERRORIZER haben beim Eröffnungsgewitter 'The Stench Of Burning Death' bestimmt genau hingehört. Noch etwas langsamer als die Bewunderer schroten sich REPULSION im verdoppelten SLAYER-Tempo auch durch die restlichen 17 Knaller dieses Klassikers. Das erste Grindcore-Album der Metal Geschichte läuft wie 'Reign In Blood' unter einer halben Stunde, und den Blast haben REPULSION zwar nicht erfunden, ihn aber zumindest für die damalige Zeit perfektioniert. Bei 'Driven To Insanity' kann man viel NAPALM DEATH hören, es erinnert an deren längere Stücke wie 'Siege Of Power'. Weitere Einzelheiten lohnen sich nicht herauszuheben, das ist alles herrlich stumpf und schnell, dabei aber selten langweilig, weil kompetent gespielt und für ein Demo mit (fast) sensationell gutem ("dreckigen") Sound. Ein Grundstein jeder anständigen Death-Metal-Sammlung.
Apropos Blast, damit verbinde ich in der Regel das Debüt-Doppel von NAPALM DEATH, "Scum" und "From Enslavement To Obliteration". Muss man eigentlich beide haben. Oder stattdessen den Doppeldecker "Noise For Music's Sake", eine famose Zusammenstellung vieler NAPALM-Highlights plus einige sehr schöne und nicht weniger durchschlagskräftige Raritäten auf zwei randvollen Discs. Ein Schmuckstück für jede Sammlung, das ein interessantes Booklet mit der verzwirbelten Geschichte von NAPALM DEATH (zusätzlich illustriert duch einen Bandstammbaum), Interviews mit Shane Embury und Barney Greenway sowie Linernotes zu den raren Songs enthält. Sternstunden gibt es viele, nennen kann man den Hammer 'The Infiltraitor' mit fantastischem Groove und Grind, meinen persönlichen Lieblingssong 'Breed To Breathe', natürlich sämtliche Songs der ersten beiden Alben, aber auch von 'Utopia Banished', dem fantastischen vierten Album. 6 zusätzlichen Tracks, die damals nicht für diese "Rückkehr zu den Grindcore-Wurzeln"-Platte (nach dem etwas zu Death-Metal-lastigen "Harmony Corruption") berücksichtigt wurden, bekommt man hier komplett geliefert. Feister Death-Grind (mit der Betonung auf Grind) liefert die Band hier ab, was wäre die Platte wohl mit 21 Songs, diesmal alle über zwei Minuten für ein Death-Metal-Monument geworden?
Ein Monument ist auch "Torture Garden", ein Ausnahmewerk der Jazzcombo NAKED CITY um den Avantgarde-Saxophonisten und -Komponisten John Zorn. 1990 erschienen auf dem damaligen "Krawall"-Label EARACHE (mit der Bestellnummer Mosh28), trifft hier Kunst auf Krawall. Inspiriert von NAPALM DEATH (denen auch ein "Special Thanks" gilt) und sadistischen Comics finden sich auf diesem Album 42(!) Attacken in noch nicht einmal einer halben Stunde. Diese tragen dann Titel wie 'Blood Is Thin', 'Whiplash', 'Hellraiser', 'Blood Duster' oder 'Pigfucker' und bieten einen wüsten aber virtuosen Metal-Punk-Jazz-Grind-Mix mit Gebrülle und Gekreische von Yamatsuka Eye (BOREDOMS). Ein paar Tracks waren auch schon auf NAKED CITYs Debüt vertreten, dort allerdings als Kontrast zu längeren Jazz-Nummern. Hier bekommt man sozusagen die Essenz dessen, was später noch MR. BUNGLE und andere wesentlich langatmiger praktizieren sollten. Mittlerweile wohl wieder als CD erhältlich (wenn auch nur innerhalb einer NAKED CITY-Gesamtausgabe, die aber ansonsten mit Metal nichts zu tun hat), besitze ich eine Tape-Ausgabe aus dem Erscheinungsjahr. Komplett mit geschmackvollem S/M-Cover ist das Album für alle Krachfetischisten, die keine Berührungsängste zum Jazz haben, sehr empfehlenswert. Sozusagen die intellektuelle Ausgabe von NAPALM DEATH und streckenweise mit mächtig Metal-Schlagseite. Hab' die Band damals im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen (Rockpalast?) bestaunen dürfen und war sofort infiziert, die trümmerten wirklich alles in den Boden. Nix für Doom-Metal-Freunde, obwohl der für einige Sekunden auch öfter mal auftaucht.
Nicht so bei TERRORIZER. REPULSION waren die Pioniere, TERRORIZER so etwas wie die Johann Sebastian BACHs des Death-Grind. Nach einigen Demos, darunter das Split-Tape mit NAUSEA, kam dieses damals als härtestes Album aller Zeiten betitelte Feuerwerk erst 1989 auf den Markt und das ROCK HARD ging damals ehrfürchtig in die Knie. Genauso konzentriert wie SLAYER auf ihrem "Reign In Blood" aus dem Jahr 1986 zündet die Band um Jesse Pintado und Oscar Garcia (NAUSEA) 16 mal gnadenlosen Highspeed-Hardcore-Death-Grind ab, der die Wucht von MORBID ANGEL auf "Altars Of Madness" noch um einiges übertrifft. Mit David Vincent und Pete Sandoval mischen aber gleich zwei Hauptprotagonisten dieses Monster-Albums auch bei "World Downfall" mit. Der Sound ist knallhart und furztrocken, so dass die fiesen Riffs und Blasts noch knalliger rüberkommen. Pintado hat ja später noch mit NAPALM DEATH Großes geleistet, "Utopia Banished" haute in eine ähnliche Kerbe. Oscar Garcia hat eine grandiose Stimme für diese Art von Musik, wie Barney von NAPALM DEATH oder Martin Van Drunen (ASPHYX, ex-BOLT THROWER/PESTILENCE, heute HAIL OF BULLETs). 'Corporation Pull In' habe ich mal in Heidelberg im Musik-Club "Schwimmbad" live erlebt und zwar von PESTILENCE in der "Consuming Impulse"-Besetzung. VanDrunen war der junge Gott, leider hatten DEATH die gemeinsame Tour abgesagt.
Schon lobend erwähnt und wirklich teuflisch gut, erblickte "Altars of Madness" 1989 das Licht der Welt. So ein hochtechnisches Geknüppel hatte es bis dahin nicht gegeben. MORBID ANGEL waren zwar schon ein Begriff und hatten "Abominations Of Desolation" bereits ein paar Jahre früher als Debüt aufgenommen, aber (mit den Aufnahmen unzufrieden) verworfen. Ihre stattdessen veröffentlichten Singles wurden dann allerdings (zum Beispiel im ROCK HARD) eher belächelt. Als wirklich würdiges Debüt trümmerten die Altare des Irrsinns ohne Wenn und Aber wirklich alles bis dahin Gehörte in Grund und Boden. Noch nie war der technische Aspekt des Death Metal so sehr in den Vordergrund gerückt worden. Blasts in Perfektion mit düsterer Gitarrenarbeit und der mörderischen Stimme von David Vincent, da blieb wirklich kein Metaller-Auge trocken. 'Maze Of Torment' knüppelt schon so deftig wie die später erschienenen TERRORIZER, kein Wunder, blastet doch hier ebenso Phil Sandoval durch die Botanik. Bei langsameren Titeln wie dem folgenden "Chapel Of Ghouls" (ein Höhepunkt des "Grindcrusher"-Samplers) ist hier noch am ehesten die heutzutage etwas dünn klingende Morrissound-Produktion zu bemängeln, die damals aber durchaus sehr hart 'rüberkam. 'Bleed For The Devil' ist wieder eine Grind-Keule mit sägenden Gitarren. Meine Meinung zum gesamten Album spiegelt sich in einem Zitat aus WIKIPEDIA : "Wolfgang Schäfer vom Rock Hard verglich "Altars of Madness" in einem zeitgenössischen Review mit "Seven Churches" von Possessed, wobei Morbid Angel dessen Klasse noch nicht erreicht habe. Zudem sei die in den Texten dargestellte Ideologie, an die die Musiker ernsthaft glaubten, "absolut schwachsinnig". Rückblickend jedoch, so sein Kollege Holger Stratmann, sei das Album dank des "unnachahmlich schnellen Drummings, der verzerrten, exzellenten Gitarrenriffs, der originellen Kompositionen und des tiefen, rauhen Gesangs […] ein Meilenstein des Death Metal". Jason Birchmeier von Allmusic schreibt, dass die Band mit dem Album seinerzeit neue Maßstäbe für den extremen Metal gesetzt habe, wenngleich es nach heutigem Verständnis weder in Sound-Qualität noch in Kreativität mit den späteren Veröffentlichungen von Morbid Angel mithalten könne. Das Online-Magazin powermetal.de bezeichnet "Altars of Madness" als ein Album, "das in jeglicher Hinsicht als epochales Meisterwerk des Genres gehandelt wird und seinen Platz in den todesmetallischen Ruhmeshallen zu Recht sicher hat". (Quelle Zitat: http://de.wikipedia.org/wiki/Altars_of_Madness).
Dem kann man kaum etwas hinzufügen, außer dass ich "Seven Churches" für überbewertet halte.
VOIVOD sind dagegen unterbewertet und fallen einem beim Stichwort Death Metal auch nicht sofort ein. Kommerziell nie besonders durchschlagskräftig, nicht zuletzt aber von Jason Newsted und sicher auch dem Rest von METALLICA verehrt, werden sie meist nur auf ihre "psychedelische" Phase ab "Killing Technology" reduziert. Ihr Debüt ist aber ein oft vergessenes oder auch unterschlagenes Juwel. VOIVOD waren zwar später mit 'Dimension Hätröss' musikalischer und auch erfolgreicher, aber auf "War And Pain" sehr viel durchschlagskräftiger. Piggys sägende Gitarre und Aways wuchtige Drums beeindrucken auf dem gesamten Album, der rohe Sound wurde damals kritisiert, ist aber zeitlos authentisch. Auf den zahlreichen (es gibt noch andere Live-Demos als das auf der fantastischen METAL BLADE-20-Jahre-Jubiläums-3-Disc-Edition aus dem Jahr 2004 vertretene "Morgoth Invasion") Live-Tapes dieser Zeit sind noch einige Nummern des ebenso rohen "Röööaaaarrrrr"-Zweitlings vertreten sowie zahlreiche Huldigungen an die Vorbilder VENOM und SLAYER, die sind ja wohl Death Metal, oder? Der Titeltrack 'War And Pain' ist VOIVODs 'Black Sabbath', mit klasse Doom-Riff und tödlicher Atmosphäre. Aber auch MOTÖRHEAD standen deutlich Pate beim rüpeligen Sound, wie nicht zuletzt 'Live For Violence' mit seinem 'Bomber'-Groove deutlich vor Ohren führt. Das ist durchweg feinste (Death-)Metal-Kost und vom Sound gar nicht mal so schlecht wie damals oft behauptet (man höre zum Vergleich mal BATHORY oder HELLHAMMER auf "Triumph Of Death" oder "Satanic Rites"). Natürlich gibt es öfter mal ein punkiges Riff, wie in der Bandhymne 'Voivod', aber im wesentlichen ist das feister Metal, den Piggy schon damals nur so aus dem Ärmel schüttelte. Weitere Highlights sind das harte 'Warriors Of Ice' und 'Black City', das langsam beginnt, dann aber mit seinen schwingenden Riffs und verschlepptem Rhythmus genauso wie der siebenminütige Schlusstrack 'Nuclear War' den zukünftigen Science-Fiction-Sound andeutet.
Apropos schlechter Sound: Angeblich hatten den AUTOPSY auf ihrem Zweitwerk "Mental Funeral" auch, was Frank Albrecht in seinem Unverständnis erst Jahrzehnte nach Erscheinen dieses ekligen Death-Metal-Klassikers aus dem Jahre 1990 widerrief. Ihrer Zeit voraus waren sie vielmehr damals, die Helden der Kloake um Chris Reifert, der auf DEATHs "Scream Bloody Gore" die Drums einprügelte und hier noch (Vorbild eigentlich nur EXCITER) den Gesang übernahm. Sehr räudig kam der Sound der Band rüber, dazu noch diese doomigen Parts und fertig waren die legitimen Nachfolger von REPULSION und den frühen DEATH. Dazu verfasste Chris Reifert die abartigsten Blut- und Gedärme-Texte, später nur noch getoppt in seiner (Scheisse-)Combo ABSCESS. AUTOPSY waren damals sogar mehrfach auf Tour, unter anderem mit BOLT THROWER, was diese kürzlich bei einer Geburtstags-Party namens BOLT-Fest feierten. Dabei trat bis auf Bassist Steve Cutler die gesamte Band von damals an. Bei meiner CD-Ausgabe kann man anhand der beiliegenden Auftritte aus Holland und Kalifornien bestaunen, wie es damals bei Death-Metal-Shows abging. Reifert erzählt zu 'In The Grip Of Winter', dass ihn BUDGIE (!) zu diesem exzentrischen Songtitel inspiriert hätten und er nennt natürlich auch SAINT VITUS als wichtigen Einfluss für den Bandsound. Das hört man unter anderem auch in 'Torn Fromb The Womb' und 'Slaughterday' die beide reichlich Doom auffahren. Damals war der Death Metal eben hauptsächlich im Uptempo bis Grind-Blast und AUTOPSY somit die Aussenseiter und Geheimtip. Zumal zum Vorgänger "Severed Survival" eine Verlangsamung eingesetzt hatte. Ich fand's schon damals recht geil, obwohl auch ich damals von Härter-Schneller-Brutaler begeistert war und insbesondere mit dem meisten Schwedentod so gut wie gar nichts anfangen konnte. Der Nachfolger "Acts Of The Unspeakable" brachte dann wieder eine Veränderung, kürzere Songs und mehr Geprügel, kurz: ich halte "Mental Funeral" für das Meisterwerk von AUTOPSY, auch wenn die anderen Alben ebenfalls eine Wiederentdeckung lohnen. Wie schon erwähnt ein Klassiker, den Death-Metal-Musiker oft nennen und mit der Doppel-CD+DVD aus dem Jahr 2011 würdig aufbereitet wurde.
Das sollte man vielleicht auch mal mit den Klassikern von CARCASS tun. Zwar sind die Alben gut erhältlich, auf "definitive" Editionen mit Bonus-Demo/Live/Bildmaterial wartet der geneigte Fan aber bis zum heutigen Tag vergebens. CARCASS war lange Zeit die "Zweitband" von (damals eben auch NAPALM DEATH-Gitarrist) Bill Steer. Zusammen mit Dreadlock-Frontmann und Bassist Jeff Walker sowie Drummer Ken Owen hatte der auch "singende" Gitarrist bereits einige Demos und das rumpelige Debüt "Reek Of Putrefaction" aufgenommen. Dann erfolgte ein Quantensprung und "Symphonies Of Sickness" ließ einem die Ohren schmelzen. Der Sound war zwar roh und unverwechselbar geblieben, jedoch wesentlich verfeinert, die Songs nicht mehr NAPALM DEATHsche Miniaturen sondern ausgearbeitete 4 bis 5 Minuten-Werke und das beste: der Grind-Anteil war unvermindert hoch, erst auf dem nächsten (mir etwas zu glatten aber natürlich trotzdem sehr guten) Album "Necroticism" gewannen die Midtempo-Heavy Metal-Anteile die Oberhand. Hier regierte jedoch noch der räudige REPULSION-Blast, vermischt mit wahnwitzigem Gekrächze, Gegurgel und Geröchel und ordentlich Heavy-Metal-Power. Dazu kamen die lustigen Medizinertexte und die (damals durch ein geschmackvolles schwarzes Cover ersetzte) Leichencollage auf der Vorderseite. Ekliger ging's bis auf AUTOPSY damals nicht und ein völlig eigenständiger und viel kopierter Stil namens Goregrind war nun endgültig geboren.
Kurz angedeutet wurde die Frage schon, aber hier nun endgültig: Sind SLAYER und VENOM Death Metal?
SLAYER sind auf "Hell Awaits" und dem rasante "Reign In Blood" zwar ganz sicher auch Thrash Metal, aber haben auch genügend "tödliche" Anteile in ihren Songs, wie z. B. die provokanten Texte, die langsame Einleitung von 'Hell Awaits' oder 'Raining Blood'. Ausserdem haben wohl wirklich ALLE Death Metal Bands SLAYER zumindest als sanften Einfluss. "Hell Awaits" hat sicher auch seine Höhepunkte, 'Reign In Blood' ist aber mit Abstand mein liebstes SLAYER-Album. Ihre erstes auf "Def Jam", das heute "American" heisst. Rick Rubin, der Eigner und Produzent, gab den Totschlägern einen neuen Sound. Was für ein Unterschied zu "Hell Awaits"! Kein langsames Intro, ein paar Riffs und 'Angel Of Death' knüppelt alles nieder. Hammerhart für 1986 ist die Drumarbeit, auch später im langsamen Mittelteil, der Lombardo-Beat ist sprichwörtlich geworden und maßgebend für alles, was im Thrash und auch Death Metal danach kam. Die kurzen Titel waren revolutionär, ihren Hardcore-Heroen geschuldet und weniger JUDAS PRIEST als vorher. 'Piece By Piece' und 'Necrophobic' huldigen DISCHARGE, den DEAD KENNEDYS und diversen anderen Helden. Insbesondere letzteres hat die typische Stumpf- und Bösartigkeit. 'Altar Of Sacrifice' mochte ich schon immer besonders, der Refrain ist knallhart und trotzdem steckt ein bisschen Melodie in dem ganzen Gebolze. "Enter to the realm of Satan..." hahaha. Das ist "satanischer" Death Metal, keine Diskussion. Nur ohne tief gestimmten Gitarren. Der Schluß wird ja mal richtig langsam. 'Jesus Saves' (wieder hahaha): Tom Araya ist ja heute bekennender Christ, hat er vielleicht zu tief ins Teufelsglas geguckt? Die Nummer geht ein bisschen lahm los, dann endlich wieder Gedresche, geiler Refrain und Araya am rappt. Wie immer willenloses Gitarrensolo und nach knapp drei Minuten ist die erste Seite um.
'Criminally Insane' gibts auch als Remix auf der "Expanded-Edition" (spendiert dem geneigten Käufer zum 29minütigen Album immerhin noch 5 Extra-Minuten, der beste SLAYER-Witz, wie ich finde) und das geht mit sphärischen Gitarren-Effekten los, der Drum-Sound klingt anders (etwas langsamer) und die Gitarren sind klarer, ein (fast-)Malmsteen-Solo vor dem Gesang, dann Midtempo im Refrain statt Speed, interessant. 'Reborn' geht wieder mit Midtempo los, dann Gehacke mit Hardcore-Schlagseite. 'Postmortem' hat wohl eher die Thrash-Gemeinde geeicht, zügiges Tempo und klasse Riffs reissen einen mit, das ist Thrash Metal, gnadenlos. Wird auch heute noch oft nachgeahmt. Der Midtempo-Teil ist wieder klassischer Metal. Ein Klassiker, der im SLAYER-Kanon der besten Songs nicht so oft erwähnt wird! Das Schlussepos ist natürlich der Titeltrack, lustigerweise in einer leicht verwandelten Schreibweise mit ganz neuer Bedeutung (der zweitbeste Slayer-Witz). Das Midtemporiff pflügt alles nieder, die Bridge kann jeder mitpfeifen und Wippen, der Speed-Part ist eher locker angehängt, instrumental, mit ordentlich Double-Bass und dann kommt die Coda (sozusagen): wahnwitzige Steigerung, "do you wanna diiiieeee" singt Araya, "...only after Death..." und ein Gewitter kommt. Aus Blut und Tränen.
Es stellt sich zum Schluss die Frage nach der ersten Death-Metal-Scheibe, die erstens diesen Namen auch verdient und zweitens es zudem noch wert ist, auf die einsame Insel (Wolf Hoffmann würde übrigens auf diese nur seine Gitarre mitnehmen, da es ohnehin keinen Strom und Plattenspieler gibt).
Mir fällt da zunächst VENOM mit ihrem Zweitwerk "Black Metal" ein. Hatte mir damals ein Bekannter während einer Reise nach England empfohlen. Und ich war nicht so begeistert. Ohne Frage titelgebend für ein ganzes noch in der Zukunft liegendes Heavy-Metal-Genre, würde man den Opener und Titeltrack heute als Black-Thrash einordnen.Der Sound ist nicht gerade mächtig, dafür verwaschen und nicht wirklich heavy. Trotzdem gefällt der mit Double-Bass-Drums unterlegte Refrain aber weder die Gitarre, noch die ansonsten etwas hoppelnden Drums erzeugen übermäßig Druck und Sänger Cronos war damals für MOTÖRHEAD-unerprobte Ohren nicht erträglich. Die zweite Nummer 'To Hell And Back' fand ich aber irgendwie lächerlich. Die Drums noch tumber. Und wieder Cronos, der sich einen abgröhlt. Dann aber Aufhorchen: das Grusel-Epos 'Buried Alive' mit tollem Anfangs-Hörspiel fand ich schon damals beeindruckend. Komplett mit dem nahtlos anschließenden 'Raise The Dead' ein echtes Death(!)-Metal-Epos. 'Countess Bathory' ist neben 'Buried Alive/Raise The Dead' und 'Black Metal' der dritte große Hit des Albums und hat BATHORY nicht nur zur Namensgebung inspiriert. Der Gitarrist von MARDUK zählt ihn auch zu den ganz großen Tracks der Black- und Death-Metal-Geschichte, der muss es ja wissen. Alle nordischen Black-Metal-Götter haben sich über die Jahre als Spaßvögel auf KISS-Pfaden entpuppt (DARKTHRONE, MARDUK, ENTOMBED, DISMEMBER, UNLEASHED, nur zwei sind/waren Superspinner, nämlich Jon Nödveidt von DISSECTION und Varg Vikernes von BURZUM). VENOM auch und versuchten auf dem nächsten Album, die Progrock-Epen von RUSH zu imitieren. Das Ergebnis kündigten sie am Schluss von Black Metal an: "At War With Satan".
Okkulter, finsterer/ernster, musikalisch jedoch zunächst ähnlich dilettantisch waren die ("Wer hat's erfunden?") Schweizer CELTIC FROST. Aufgestiegen aus den Ruinen von HELLHAMMER wie der legendäre Phönix aus der Asche, zimmerten Thomas Gabriel "Warrior" Fischer und Bassist Martin Eric Ain zusammen mit Stephen Priestley am Schlagzeug im Oktober 1984 die "Morbid Tales" ein. Ursprünglich von der Plattenfirma Noise als Mini-LP veröffentlicht, später um gleichzeitig aufgenommene Tracks erweitert auf CD, weißt die Zusammenstellung eine wahnwitzige Hitdichte auf. 'Into The Crypts Of Rays' ist ein Klassiker, 'Dethroned Emperor' ebenso, eine wahnwitzige Doom-Walze, bei der Priestley mit natürlich-urwüchsigem Schlagzeugspiel besticht (das ANTHRAX-Cover ist auch empfehlenswert), und 'Morbid Tales' ist ein schnelle und harte Nummer mit klasse Refrain ("Are you morbid?"). Bei Einleitung, Strophe und deren Gitarrensound haben TERRORIZER auch das ein oder andere abgekupfert. Die VENOM-Hommage 'Proceation Of The Wicked' ist ebenso kultig verschroben wie einst 'In League With Satan' und hat ein echt unheimliches Gitarren-Solo von Meister Warrior. Ungewöhnlich für damalige Verhältnisse wurde auf Gitarren-Soli (vielleicht auch mangels Fischers Fingerfertigkeiten) fast vollständig verzichtet. Ich fand HELLHAMMER damals auch recht primitiv, konnte aber mit dem gut produzierten "Morbid Tales" schon wesentlich mehr anfangen. 'Return To The Eve' ist vielleicht nicht ganz so toll wie das andere Material und die instrumentalen Zwischenspiele sind für die Gesamtstimmung nicht zu verachten, halten den Fluss aber etwas auf. 'Nocturnal Fear' haute mich auch nicht vom Hocker, war aber immerhin ordentlicher, fast punkiger HIghspeed und wesentlich besser produziert als die Veröffentlichungen der zwei anderen Trios. Die harten Midtempo-Passagen waren stilprägend für NAPALM DEATH, OBITUARY und zahllose andere, auch die Breaks mit anschließendem Blast werden hier schon angedeutet. Toms kehliges "Uhhh" ist ein Trademark geworden, vielbewundert und imitiert im gesamten Death- und Black Metal. Die später ergänzten Tracks wie 'Suicidal Winds' und 'Visual Aggression' variieren dieses Schema, sind thrashpunkiger und im Sound schwächer. Als Bonus natürlich trotzdem nett. Die ursprüngliche Mini-LP zeigt aber schon in Ansätzen recht deutlich wohin die Reise auf späteren Alben gemeinsam mit dem amerikanischen Power-Drummer Reed St. Mark gehen sollte. "Morbid Tales" ist einflussreich und damit frisch geblieben, TRYPTIKON sind als Folgeband heute nicht zuletzt aufgrund dieses fantastischen Erbes so erfolgreich. Mehr Death Metal ging im Jahr 1984 nicht und das wurde vom ROCK HARD konsequent mit dem Prädikat "Europas härteste und extremste Band" prämiiert (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Morbid_Tales).
Man muss sich nicht entscheiden, welches nun das erste, beste oder härteste Death-Metal-Album aller Zeiten ist. Zumal der Stil ja erst in jüngster Zeit wieder einige Erfolge feiern konnte, ich denke da an NILE, GOJIRA, PHOBIA, HATE ETERNAL oder auch OBSCURA, NECROPHAGIST und die JAPANISCHEN KAMPFHÖRSPIELE aus der Heimat (um nur einige wahllose Beispiele aus den letzten 10 Jahren zu nennen). MORBID ANGEL, CANNIBAL CORPSE, DEICIDE, OBITUARY, AUTOPSY, TRYPTIKON, VENOM, SLAYER, VOIVOD und nicht zuletzt NAPALM DEATH, sie sind alle noch aktiv. Das ist gut so. Einige sind nicht mehr dabei: Chuck Schuldiner, Jesse Pintado, Quorthon. Ihnen und meiner schwedischen Freundin widme ich diesen Artikel. Auch als Entschuldigung für mangelnden Schwedentodgehalt. Vielleicht ein andermal...