Ein Artikel von Jukebox vom 25.07.2012 (12455 mal gelesen)
In dieser kleinen Serie möchte ich hin und wieder Bands oder einzelne Scheiben vorstellen, welche zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind oder nie die Anerkennung erfahren haben, die sie meiner bescheidenen Meinung nach verdient hätten. Heute geht es dabei um die deutsche Progressive Power Metal-Band AVALON und deren 1997 veröffentlichtes Album "Mystic Places".
Die Münchner Band AVALON gründete sich im Jahr 1991, beziehungsweise 1992. Die Angaben in der Encyclopaedia Metallum weichen hier von denen bei Musik-Sammler.de ab. Nach einem ersten Demo erschien 1995 der erste richtige Longplayer namens "Why Now", weitere zwei Jahre später erschien 1997 das für mich beste Album der gesamten Bandgeschichte, "Mystic Places". Zu dieser Zeit war ich blutjunge 16 Jahre alt, steckte tief in der Pubertät, war für diese Phase aber eigentlich recht friedlich. Eines Abends hab ich mich jedoch tatsächlich mal mit meiner älteren Schwester und Freunden auf den Straßen dieser Welt rumgetrieben und die Uhr wurde von uns etwas vernachlässigt. Entsprechend verspäteten wir uns ein wenig, und zu Hause angekommen empfing uns ein vor Wut tobender Vater, der uns mitten in der Nacht fünf Minuten Zeit gab um unsere Klamotten zu packen und uns kurzerhand vor die Tür setzte. Warum erzähl ich diesen Blödsinn hier, und was hat das mit "Mystic Places" zu tun? Ganz einfach: Ich musste zu dieser Zeit von meinem sauer verdienten Azubi-Geld normalerweise 250 DM monatlich als Haushaltsgeld abgeben. Da ich nach dem Rauswurf aber bei meiner damaligen Freundin, heute übrigens meine Frau, untergekommen bin, hatte ich für diesen Monat plötzlich einen nicht eingeplanten Bonus von 250 DM in der Tasche, welche von mir natürlich direkt im Plattenladen versetzt werden mussten, wenn auch nicht komplett. Und so stand ich mit HAMMERFALL's "Glory To The Brave", RHAPSODY's "Legendary Tales" sowie SAVATAGE's Best Of "From The Gutter To The Stage" und "The Wake Of Magellan" in der Hand im Plattenladen, war aber noch nicht ganz zufrieden mit meiner Ausbeute. Beim Durchstöbern des CD-Regals blieb ich dann schon bei "A" bei "Mystic Places" von AVALON hängen, welches allein aufgrund des Covers zusätzlich seinen Weg in meine Hände fand.
Von diesen genannten CDs hat es fast jede zu mehr oder weniger großer Bekanntheit gebracht, mit Ausnahme von "Mystic Places". Dabei hat diese Scheibe auch nach so vielen Jahren noch alles zu bieten, was das Herz eines Melodic- und Power Metal-Fans höher schlagen lässt. Bereits das namengebende Intro jagt mir vor lauter Vorfreude schon einen kleinen Schauer über den Rücken, bevor es mit 'I'm Falling' gleich in die Vollen geht. Das folgende 'Passion For Glory' gehört für mich zu den besten Stücken der Platte und hat mich schon damals durch die Mischung aus Aggressivität und Eingängigkeit sofort gefesselt und überzeugt. Hier kann man zwar nicht von straightem Power Metal sprechen, denn dafür schlagen die Songs zu oft progressive Töne an. Diese sind jedoch so gut in alle Tracks eingebettet, dass die Eingängigkeit und der Fluss der Stücke zu keiner Zeit verloren geht. Sanftere Töne schlägt die Ballade 'Prisoner Of My Mind' an, bei welcher komplett auf harte Gitarrenklänge verzichtet wird und die durch die starke Keyboard-Präsenz und die Akustik-Gitarren sehr verträumt wirkt. Danach lassen es AVALON jedoch wieder ordentlich krachen und nach dem geilen Instrumental 'Two Mental', welches durch eine grandiose Dynamik und viel Abwechslung zu glänzen weiß, und 'Time For The Universe' folgen mit 'Wasted Time' und 'Burning Down The House' zwei weitere echte Highlights dieser Scheibe. Abgeschlossen wird "Mystic Places" durch das brachiale 'Blind Dance', welches zum Schluss nochmal ordentlich nach vorne geht und somit ein beeindruckendes Album beschließt, welches kaum Schwachpunkte vorweist.
Die Instrumentalfraktion macht hier durchweg einen guten bis hervorragenden Job. Getragen werden die Songs stets von einem dezenten Keyboard-Sound, der jedoch gelegentlich auch mal vermehrt in Erscheinung treten darf und vor allem in den eingestreuten Instrumental-Passagen für eine hervorragende Atmosphäre sorgt. Auch die Gitarren und der Bass kommen verdammt gut zur Geltung, so dass ein wirklich guter und drückender Sound entsteht. Sänger Many Stürner prägt die Songs jedoch am allermeisten, denn obwohl weder seine Stimme noch sein Gesangsstil auf besonders hohem technischem Niveau anzusiedeln ist, hat er dennoch das gewisse Etwas, welches seinen Gesang unverkennbar und unverwechselbar zu etwas Besonderem macht. Auch 15 Jahre nach dem Erscheinen dieser Scheibe hat "Mystic Places" für mich absolut nicht von seiner Magie verloren - im Gegenteil. Die Scheibe versetzt mich mit jedem Ton immer wieder zurück in eine Zeit, in der viel Aufregendes passiert ist und in der es sowohl musikalisch als auch anderweitig verdammt viel zu entdecken gab. Daher wird AVALON's "Mystic Places" immer einen besonderen Stellenwert in meiner Sammlung einnehmen und wird mich auch weiterhin regelmäßig in Erinnerungen schwelgen lassen. Davon abgesehen möchte ich sie auch jedem Metalfan ans Herz legen, der sich für Melodic Power-Metal mit einem Hauch Progressivität interessiert. Hörbeispiele gibt es derzeit jedoch leider nur von 'I'm Falling'.
Was wurde aus AVALON? Mit "Vision Eden" legten die Münchner bereits ein gutes Jahr später einen Nachfolger vor, der mit Chity Sompala (FIREWIND, MOONLIGHT AGONY, POWERQUEST, DOMAIN u.v.m.) zwar einen neuen und bekannten Sänger am Start hatte, aber dennoch konnten sie damit "Mystic Places" nicht mehr toppen und konnten nach wie vor keine größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nach einem letzten und auch nicht besonders guten Album im Jahr 2000 ("Eurasia") verschwand die Band leider komplett von der Bildfläche und hat bis auf den heutigen Tag auch nichts mehr von sich hören lassen. Da das vermutlich so bleiben wird, wird "Mystic Places" wohl für immer das Highlight in einer doch relativ kurzen Bandgeschichte bleiben.
Bis zum nächsten Mal, Eure
Jukebox
Tracklist:
01. Mystic Places
02. I'm Falling
03. Passion for Glory
04. Crystal Ball (Instrumental)
05. Through the Eye of the End
06. Prisoner of My Mind
07. Two Mental (Instrumental)
08. Time of the Universe
09. Wasted Time
10. Burning Down the House
11. Isolation (Instrumental)
12. Blind Dance