Interview mit Rikard Sjöblom von Beardfish

Ein Interview von Warlord vom 09.10.2012 (11920 mal gelesen)
BEARDFISH-Sänger, Keyboarder und Hauptkomponist Rikard Sjöblom gab mir teilweise recht ausführlich Auskunft zu seiner Band, die mit "The Void" gerade ein Klasse-Album veröffentlicht hat und auch ansonsten recht aktiv ist. Eine echte, lebendige und auch sehr kreative Band eben, von der man auch in Zukunft sicher noch eine Menge hören wird, auch wenn das einige Prog-Sachverständige nicht so richtig wahrhaben wollen.


Hallo Rikard, zuerst einmal Gratulation zum neuen Album "The Void", das mir mit seiner kernigen Mischung aus klassischem Progressive Rock und einer Prise Metal sehr gut gefällt. Wie fallen die Resonanzen beim Rest der Welt aus und was gibt es ansonsten zu BEARDFISHs momentanen Aktivitäten zu berichten?

Rikard Sjöblom : Ich glaube das Album kommt gut an. Das ist zumindest das, was ich zuletzt gehört habe. Im Moment sind wir gerade nach einer zweiwöchigen Europa-Tour als Opener für FLYING COLOURS wieder nach Hause gekommen und werden nächste Woche eine Show in Tallinn spielen.

In eurer "Press-Bio" mochte ich die Abschnitte, in denen du von den vier musikalischen Individuen sprichst, aus denen sich die Band BEARDFISH zusammensetzt. Erzähl mir doch bitte ein bisschen zu den Umständen, unter denen sich das heutige Line-Up gefunden hat? Vielleicht kannst du mir auch eine kleine Charakterisierung der anderen drei Bandmitglieder mitgeben?

Rikard Sjöblom : David (Zackrinsson, Gitarre) und ich starteten BEARDFISH im Jahr 2001 mit einem anderen Bassisten und Drummer. Magnus (Östgren, Drums) stieß noch im gleichen Jahr zu uns und brachte auch gleich Robert (Hansen, Bass) mit, den er praktisch schon sein ganzes Leben kennt. Für mich ist Magnus ein sehr spezieller Schlagzeuger, wir nennen ihn gerne den "Basher", aber er hat wirklich einen eigenen Stil. David ist ein Meister der kleinen Details, die man manchmal erst Jahre nach den eigentlichen Aufnahmen bemerkt. Natürlich ist er auch ein großartiger Gitarrist. Robert ist für mich die personifizierte Musik, er hat ein Gespür für alles und taucht kopfüber in die Songs ein.

Wieviel Zeit habt ihr für das aktuelle Album gebraucht, von der ersten Song-Idee bis zur Veröffentlichung? Das neue Material hat (teilweise) eine Metal-Kante, wie man schon beim Opener 'Voluntary Slave' hören kann. Ich kenne eure früheren Veröffenlichungen nicht, siehst du einen signifikanten Wechsel des musikalischen Stils?

Rikard Sjöblom : Ich glaube, das dauerte insgesamt etwa ein Jahr. Wir spielten jedenfalls 'Voluntary Slave' bereits im Sommer letzten Jahres live. Über den Stil kann ich so viel nicht sagen, es gibt ja bereits einige Meinungen dazu im Internet und den entsprechenden Foren, also lasse ich lieber die Leute entscheiden. Wir versuchen nur, gute Musik zu machen.

Nicht alle Nummern haben diesen "Heavy-Vibe" - das Material verfügt oft über einen enormen "Swing", obwohl es natürlich insgesamt rhythmisch ziemlich komplex zugeht. Dazu passt die enorme Spannbreite deiner Stimme sehr gut, die so einiges zwischen GEORGE MICHAEL und (manchmal) Death-Metal-Growls abdeckt. Singst du sämtliche Vocals, und damit meine ich auch die oft eingesetzten und sehr gelungenen Harmonien selbst?

Rikard Sjöblom : Dankeschön! Ich singe alle Leads und eine Menge der Harmonien, aber auch David und Robert haben da auf dem neuen Album einiges beigetragen.

In Deutschland wird eure Musik manchmal mit den holländischen FLOWER KINGS verglichen, eine Meinung, der ich mich nun so gar nicht anschließen kann. Natürlich haben BEARDFISH nach sieben CDs in neun Jahren einen eigenständigen Sound entwickelt. Vieles ist dabei aber auch den in der "Press-Bio" reichlich zitierten Einflüssen geschuldet. Was sind eure liebsten Alben der dort genannten "Klassiker" (des Progressive Rocks) und inwieweit spiegelt sich das z. B. auf "The Void" wieder?

Rikard Sjöblom : Die FLOWER KINGS sind in Wahrheit schwedische Landsleute (peinlich, ich hielt die Band um Roine Stolt tatsächlich immer für Niederländer -Warlord) und nein, den Vergleich verstehe ich nun wirklich nicht. Sie sind natürlich trotzdem eine gute Band und ich liebe Roine Stolts Gitarrenspiel. Lieblings-Alben sind sicher GENESIS' "Selling England By The Pound", YES' "Close To The Edge", KING CRIMSONs "The Night Watch (Live 1973)", GENTLE GIANTs "Aquiring The Taste" sowie "Roxy & Elsewhere" von FRANK ZAPPA. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Künstler das neue Album nun wirklich direkt beeinflusst haben, aber wir haben uns diese Platten angehört, seit wir Teenager waren, also schätze ich schon, dass sie immer einen große Inspiration sind. Das ist aber mit fast jeder anderen Musik, die Qualität hat, genauso: sie regt wiederum uns an, Musik zu machen.

Das 16-Minuten-Epos 'Note' ist ein Highlight des Albums. Worüber handelt der Text dieser Mini-Oper und gibt es generell ein lyrisches Konzept hinter den BEARDFISH-Songs?

Rikard Sjöblom : 'Note' ist im Grunde geschrieben wie der Abschiedsbrief eines Selbsmörders, ich dachte, das wäre einmal interessant. Üblicherweise haben wir schon ein lyrisches Konzept hinter den Songs, es geht meist um das Leben im Allgemeinen.

Würdest du den so wie mir unkundigen Lesern in ein paar Sätzen die vorherigen sechs Veröffentlichungen vorstellen?

Rikard Sjöblom : "Från En Plats Du Ej Kan Se" aus dem Jahr 2003 ist ein hart rockendes Album mit nur gelegentlichen Ausflügen in's Land des Prog. Wir haben es noch zu fünft eingespielt, aber vor der Veröffentlichung verließ uns unser Keyboarder Stefan Aronsson und ich übernahm seinen Platz, obwohl ich auch noch einen guten Teil der Gitarren spielte. Das Keyboard und besonders das Komponieren auf dem Instrument war dann eine große kreative Spielwiese für mich und so schrieb ich Tonnen von neuen Songs, die wir aufnahmen und schließlich 2005 als Doppel-CD unter dem Namen "The Sane Day" veröffentlichten. Im Anschluß machten wir uns 2006 an "Sleeping in Traffic: Part One". In dieser Zeit nahmen uns "Inside Out" unter Vertrag und veröffentlichten das Album dann 2007. Noch im selben Jahr entstand "Part 2", das dann 2008 veröffentlicht wurde, während wir mit THE TANGENT und RITUAL in Europa unterwegs waren. Beide Alben haben eine Menge guter Besprechungen erhalten. Ich schrieb eine Menge neuer Songs, die (zumindest für uns) recht kompliziert und auch ausgedehnter waren. Trotzdem haben wir sie im Dezember 2008 in nur einer Woche (!!) aufgenommen und 2009 als "Destined Solitaire" veröffentlicht. Es sollte ein Konzept-Album werden, genauso wie die "Sleeping"-Teile, aber das Konzept war dann doch etwas vage. Unser vorletztes Album "Mammoth" haben wir bereites Anfang 2010 aufgenommen, es war schon gemischt, gemastert und fertig zur Auslieferung, als wir unsere Meinung änderten und einen Remix anfertigten. Das verzögerte natürlich die Veröffentlichung bis ins Jahr 2011. Dann passierte noch einige Scheiße, bis ich anfing, die Songs für "The Void" zu schreiben und das ist das vorläufige Ende der Geschichte.

In WIKIPEDIA kann man lesen, dass alle vier Bandmitglieder auch noch bei THE TANGENT aktiv sind, du erwähntest ja schon die BEARDFISH-Tour mit ihnen. Ich weiß gar nichts über diese Band, spielt ihr da noch mit und was kannst du mir über die Musik verraten?

Rikard Sjöblom : Wir sollte eigentlich im Jahr 2008/09 ein Album zusammen mit ihnen aufnehmen, aber das kam dann doch nicht zustande. Stattdessen spielten wir einen Gig zusammen in England. THE TANGENT sind eine wirklich gute Band und Andy Tillison ist ein großartiger Songwriter und Keyboarder.

Hörst du dir neuere Prog-Veröffentlichungen an? Irgendwelche Tipps in dieser Richtung?

Rikard Sjöblom : Ich höre schon eine Menge Musik, obwohl heutzutage nicht sehr viel Prog dabei ist...das letzte DUNGEN-Album fand ich wirklich gut, aber das ist, glaube ich, aus dem letzten Jahr (er meint vermutlich "Skit I Allt" der Stockholmer Prog-Psychedelic-Folk-Rock-Formation DUNGEN aus dem Jahr 2010. Die Band existiert wie BEARDFISH seit 2001 und hat sieben Alben sowie zahlreiche Singles und EPs veröffentlicht -Warlord).

Michael Rensen, seines Zeichens "Prog-Papst" bei Deutschlands führendem Heavy-Metal-Magazin ROCK HARD, hat eine mittelprächtige Kritik (immerhin 7,5 von 10 möglichen Punkten) eures neuen Albums verfasst und bemängelt darin unter anderem eure "mangelnde Fähigkeit, einprägsame Refrains zu schreiben". Wie siehst du das angesichts solcher (in meinen Ohren) Monsterrefrains wie z. B. im schon genannten 'Voluntary Slavery'? Ist es für euch überhaupt eine Notwendigkeit, "kommerziell" bzw. melodisch zu sein und wie gehst du generell mit mittleren oder schlechten Kritiken um?

Rikard Sjöblom : Eigentlich möchte ich gar keine Reviews unserer Alben lesen, aber ich kann's mir natürlich nicht verkneifen. Wenn Leute diese nicht mögen oder verstehen oder was auch immer, dann ist es eben so...ich weiß, dass unsere Musik dem Hörer eine Menge "Mühe" abverlangt, wenn er sie voll erfassen und genießen möchte. Die Songs haben eben viele Details, die nicht viele Leute beim ersten Mal hören auch sofort erkennen. Mit dem Wort "melodisch" wird ja gerne in Reviews und Foren um sich geworfen. Ich glaube, da gibt es ein grundlegendes Missverständnis: nur weil irgendein Typ eine "Melodie" in der pentatonischen Skala rauf und runter singt, erkennen es die Leute für eine ebensolche. Das ist ignorant. Hör dir mal FRANK ZAPPAs 'The Black Page' an, das ist auch wirklich melodisch, aber nicht in der gleichen Art wie 'Paint It Black' von den ROLLING STONES. Melodie ist natürlich wichtig für mich, aber sie muss nicht konventionell sein.

Was gibt es zu euren Zukunftsplänen zu sagen? Wann kann man mit weiteren Auftritten in Deutschland rechnen?

Rikard Sjöblom : Wir lieben es, in Deutschland zu spielen und wenn alles nach Plan läuft, sollten demnächst einige Konzerttermine für's Frühjahr 2013 bekannt gegeben werden.

Vielen Dank für deine Mühen und alles Gute für die Zukunft. Vi ses, hej da! (für Uneingeweihte: so sagt man "Wir sehen uns, Tschüss" in Schweden -Warlord).

Rikard Sjöblom : Danke! Auf something something, haha! Cheers!

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