Interview mit Marcus Heinonen, Johan Bergman, Daniel Almqvist von Aerodyne

Ein Interview von baarikärpänen vom 29.11.2019 (33065 mal gelesen)
Das zweite Album erst und sofort bei uns die Höchstnote eingefahren. AERODYNE haben einen Blitzstart nach Maß hingelegt. Was lag also näher, als sich Marcus Heinonen (Vocals), Daniel Almkvist (Gitarre) und Johan Bergman (Gitarre) zu schnappen, um mehr über "Damnation" und die Band zu erfahren.

Es kommt nicht oft vor, dass eine relativ unbekannte Band ihr zweites Album veröffentlicht und dafür mit der Höchstnote belohnt wird. Vor allem dann nicht, wenn das Debüt zwar nicht schlecht, aber alles andere als eine Perle in Sachen traditioneller Metal war. Marcus Heinonen, Daniel Almqvist und Johan Bergman erwiesen sich im Gespräch als superfreundliche geerdete Musiker, bei denen aber auch der Spaß nicht zu kurz kommt. Wundert einen auch nicht, wenn die Musik auf "Damnation" schon jede Menge Spaß macht und ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubert.
imgcenter

Gratulation zu diesem verdammt feinen Album, das jetzt schon zu meinen Favoriten in 2019 zählt. Euer Debüt war ja, bei allem Respekt, gerade mal so in Ordnung, aber "Damnation" ist einfach nur bärenstark. Was habt ihr im Gegensatz um Debüt alles verändert?

Johan: Vielen Dank! Wir sind selbst mehr als zufrieden mit dem Ergebnis. Die größte Veränderung gab es in der Besetzung. Mit Marcus als Sänger konnte sich Daniel komplett auf die Gitarre fokussieren. So konnten wir die nächste Stufe nehmen und es war eine geradezu natürliche Entwicklung, schnellere und härtere Songs zu schreiben.

Marcus: Wir wollten einfach aus dem vorher gesteckten Rahmen ausbrechen und schauen, was dabei rauskommt. Einige Songs waren schon fertig, als ich zur Band gestoßen bin, und die waren deutlich härter als das Material auf dem Debüt "Breaking Free". Am Ende wurde es sogar zu einem richtigen Wettstreit zwischen den Songschreibern, wobei dann "The Nihilist" rauskam, der dunkelste und härteste Song.

Erzählt doch mal kurz was zur Geschichte von AERODYNE.

Johan: AERODYNE gibt es seit dem Frühjahr 2016 und wir starteten mit Daniel Almqvist an der Gitarre/ Gesang, mit mir an der zweiten Klampfe, Timmy Kan am Bass und Christoffer Almkvist an den Drums. Die erste Single und die selbstbetitelte EP wurden im Juni 2016 veröffentlicht. Im gleichen Jahr haben wir dann auch angefangen, Songs für unser Debüt "Breaking Free" zu schreiben, das im Dezember 2017 dann über Street Symphonies Records erschien. Die Reaktionen darauf waren durchweg positiv, aber kurze Zeit später verließ Timmy Kan leider die Band. Also holten wir Marcus Heinonen als Ersatz-Bassisten für die anstehende Tour in Italien an Bord und nach der Tour wurde er festes Mitglied. Während der Arbeit an "Damnation" tauschten Marcus und Daniel die Instrumente. Heißt, Daniel übernahm für eine Weile den Bass, bevor dann Thomas als fester Bassist zur Band kam und aus einem Vierer ein Fünfer wurde.

Marcus: Den schwersten Job habe ich, weil ich der Big Boss bin (lacht). Nein, Thomas und ich sind die neuesten in der Band. Ich hab vorher schon mal mit Thomas zusammen gespielt, bevor ich zu AERODYNE gewechselt bin und wusste, dass er gerade in keiner anderen Band aktiv war, also fragten wir ihn. Und er war verzweifelt genug, ja zu sagen. Thomas schreibt selbst Songs, also könnte das für kommende Alben ganz interessant werden.

Wer ist bei euch für das Songwriting zuständig oder ist es eine Art Teamwork?

Daniel: Johan und ich sind für die Musik zuständig und wenn wir eine gute Idee haben, dann spielen wir sie den Anderen vor. Wenn die dann der Meinung sind, das Material ist geeignet für AERODYNE, kommt Marcus ins Spiel, der die Lyrics und Harmonien ausarbeitet.

Marcus: Dass ich die volle Kontrolle über die Lyrics habe, ist auch meine einzige Bedingung an die Band. Na ja, die anderen Jungs sind auch einfach zu gut drauf, um sich diese dunklen, fast schon "perversen" Sachen auszudenken. Kein einfacher Job, aber einer muss ihn ja machen (lacht).

imgcenter

Euer Sound basiert schon auf traditionellem Metal, aber ihr habt einige andere Einflüsse wie Sleaze oder Kick Ass Rock'n'Roll integriert.

Marcus: Mit dem Begriff Sleaze hab ich so meine Probleme, weil ich denke, er steht mehr für eine gewisse Haltung, Attitüde und nicht so sehr für die Musik selbst. Mir kommt es so vor, als ob alle Melodic Metal-Acts aus den 80ern, wenn sie nicht wie METALLICA oder MAIDEN klangen, entweder als Sleaze oder AOR eingeordnet wurden. Zumindest, wenn Leute heutzutage auf die Zeit damals zurückschauen. Aber gut, wir haben alle vorher in verschiedenen Sleaze-Bands gespielt, also könnte das schon stimmen mit dem Sleaze-Einfluss in der Musik von AERODYNE.

Da muss ich dann aber fragen, wer von euch Jungs ist also mehr Sleaze und wer mehr Metal?

Marcus: (mit ernster Miene) Hm, ich höre eigentlich sehr gerne softe Musik, also alles unterhalb der Härtespanne zwischen ACCEPT und DEATH ANGEL. Daniel und Johan kümmern sich mehr um ihr Aussehen als um Musik. Das ist natürlich alles andere als Metal. Christoffer dagegen ist Metal, weil er der Stärkste und Gemeinste von allen ist. Aber so richtig sleazy ist Thomas, weil er nur softe Musik hört und bei den Frauen am besten ankommt. Aber hey, ich hab beim letzten Konzert 'ne Zebrahose getragen, zählt das?

Gut, dass wir das auch geklärt hätten, aber back to business. Jedes Mal, wenn man denkt, in Sachen traditionellem Metal wäre so langsam mal alles gesagt, kann man sicher sein, dass die nächste Band aus Schweden um die Ecke kommt und einen Lügen straft. Was macht Schweden zu solch einem speziellen Land?

Marcus: Grob gesagt die starke Tradition in Sachen Metal. Schweden ist ja ein recht reiches Land, was dann auch dazu führt, dass es staatliche Zuschüsse für Equipment gibt. Und dann noch die kommunalen Einrichtungen, die Geld erhalten, um kostengünstige Proberäume zur Verfügung zu stellen. Aber all das ändert sich gerade irgendwie. Mal schauen, was die Zukunft so bringt. Wenn viele Clubs dicht machen, vielleicht hat das auch einen negativen Einfluss auf die schwedische Szene.

Einige Teile in euren Songs, besonders in 'March Davei' erinnern mich irgendwie an RATT. Lieg ich da komplett falsch?

Johan: Hehe, wirklich? Das kommt jetzt irgendwie unerwartet. Vor allem, weil keiner von uns jetzt ein großer Fan der Band ist.

Marcus: Ich hab früher als Teenager öfters RATT gehört und dann fleißig mitgesungen. Könnte sein, dass da unterbewusst was mit eingeflossen ist. Aber ehrlich gesagt, kann ich das in unseren Songs nicht raushören.

Für andere Teile wiederum, vor allem in 'Under The Black Veil', würden JUDAS PRIEST heutzutage jemanden umbringen, wenn sie das so schreiben könnten (auch wenn "Firepower" ein super Album ist). Welches sind aber eure Haupteinflüsse?

Johan: Danke! Komischerweise, weil du es ja schon öfter angesprochen hast, aus dem Bereich Sleaze überhaupt nichts. Die Bands, die unseren Stil am meisten beeinflußt haben sind IRON MAIDEN, METALLICA oder JUDAS PRIEST.

Marcus: "Firepower" war wirklich stark. Aber für mich ist 'Under The Black Veil' eher sowas wie unser Tribut an RUNNING WILD, die ich wirklich mag. Es hört sich für mich doch sehr "Deutsch" an, wenn du weißt was ich meine.

imgcenter

Wo wir gerade von JUDAS PRIEST gesprochen haben, fällt mir ein Review ein, in dem stand, dass du dir sehr viel Mühe gibst, so wie Rob Halford zu klingen. Ich fand, der Vergleich war absoluter Nonsens, weil du ja doch eine sehr einzigartige Stimme hast. Welche Sänger zählen zu deinen Favoriten?

Marcus: Der Vergleich war wirklich daneben. Ich würde niemals versuchen, so wie Rob Halford, der Metal God, zu klingen, selbst wenn ich es könnte. Zu meinen frühesten Einflüssen zählen Alice Cooper und Ozzy Osbourne. Danach hab ich mich eine ganze Weile mit W.A.S.P. beschäftigt. Irgendwann waren es einfach zu viele verschiedene Sänger, um sie noch zu zählen. Ich gebe mir wirklich viel Mühe, keinen anderen Sänger zu kopieren. Es ist ja auch langweilig, wenn du da einen Sänger hast, der zwar eine tolle Stimme hat, sich aber nicht von den vielen anderen Sängern da draußen unterscheidet. Keine Persönlichkeit, nichts Einzigartiges. Was nutzt es dir, wenn du über mehrere Oktaven jeden Ton perfekt triffst, aber dir genau das fehlt.

RAM haben in all ihren Alben den Stil immer ein wenig variiert, waren am Ende des Tages aber immer Metal. ENFORCER dagegen haben sich gerade mit ihrer letzten Scheibe eindeutig im Melodic Metal positioniert. Da ich nicht davon ausgehe, dass AERODYNE sich auf kommenden Alben wiederholen wollen, was können wir erwarten?

Daniel: ENFORCER waren schon immer eine sehr melodische Band. Aber du hast Recht, jetzt sind sie nochmal einen großen Schritt in diese Richtung gegangen. Auch wir haben unseren Sound seit 2016 immer weiter entwickelt. Ich schließe nicht aus, dass bei uns auch mal Melodic Metal durchschimmert, aber auch nur in einem einzelnen Song und auch nur dann, wenn es wirklich zu diesem Song passt.

Marcus: Keine Sorge, wir haben schon einiges an neuem Material, das zwar melodisch, aber nochmal eine Spur härter und schneller ist. Ob wir weiterhin in diese Richtung gehen, kann ich nicht zu 100% garantieren. Wie du es ja bereits gesagt hast, Bands entwickeln sich und in die Zukunft schauen kann keiner.

AERODYNE sind ja bereits sehr fleißig, was Gigs angeht. Können wir denn auch auf eine Tour hoffen, um "Damnation" zu promoten? Und was war euer größter Auftritt bis jetzt?

Marcus: Wir sind gerade dabei, Gigs oder eine Tour für 2020 zu buchen. Lustigerweise ist es für uns verdammt schwer, an Auftritte in Deutschland zu kommen, obwohl die Szene bei euch richtig stark ist. Wir sollten vielleicht mal darüber nachdenken, eine Single exklusiv für Deutschland zu veröffentlichen. Die größte Show haben wir im Mai diesen Jahres beim Wildfest in Geerardsberg/Belgien gespielt.

Reiner und traditioneller Metal war immer da. Selbst in den 90ern (Grunge) oder frühen 2000ern (Nu Metal), als der traditionelle Metal und seine Bands eine verdammt schwere Zeit hatten, war er weit davon entfernt, tot zu sein. Gottseidank, da können wir sicher sein, werden Grunge oder Nu Metal keine Auferstehung mehr feiern, aber was denkt ihr, hält traditionellen Metal nach all den Jahrzehnten immer noch am Leben?

Marcus: Die alte Garde an Bands ist immer noch da, mit ihnen auch ihre Fans von damals. Und es kommen auch immer neue hinzu. Metal ist halt eine recht aggressive Form von Musik. Auf der anderen Seite sind aber auch Konzerte von IRON MAIDEN oder NIGHTWISH ein fast schon ästhetisch-magischer Moment an musikalischer Perfektion, auch ohne das Aggressive in der Musik. Metal ist jetzt nicht das größte Genre, das wäre wohl Rap, aber Metal ist halt ehrlich und unschlagbar. Aber da wäre halt auch noch die wirtschaftliche Seite. Wenn die leidet, das wird auch der Metal merken. Deshalb ist es vielleicht ganz gut, dass Metal auch im Untergrund ganz gut funktioniert. Schließlich kam er ja auch von dort.

KISS verabschieden sich gerade (mal wieder) von ihren Fans, SLAYER auch, BLACK SABBATH haben es schon getan. Auch wenn JUDAS PRIEST ein starkes Album veröffentlicht haben, auch wenn IRON MAIDEN oder METALLICA immer noch großartige Konzerte spielen, über kurz oder lang werden auch sie verschwinden. Wer denkt ihr, kann die entstehende Lücke füllen?

Marcus: Das Problem ist, dass genau diese Bands immer noch die wirklich großen Festivals headlinen, den Nachwuchs also irgendwie kleinhalten. Sweden Rock hat SABATON 2017 die Chance gegeben, als Headliner aufzutreten. Das war ein Schritt in die richtige Richtung (obwohl ich persönlich wenig von ihnen halte). Ich denke, dass VOLBEAT, IN FLAMES, SABATON oder GHOST die besten Chancen haben. Musikalisch nicht zu extrem, und sie ziehen jede Menge Leute. Und dann wären da ja auch noch AERODYNE ...

Metal-Fans gelten als sehr loyal, einige würden sogar sagen altmodisch. Sie kaufen immer noch lieber physische Tonträger wie Vinyl, CD oder sogar Tapes, anstatt sich komplett auf Downloads oder Streams zu beschränken. Es gab sogar vor einigen Jahren Leute, die behauptet haben, Vinyl oder CD würden verschwinden. Wie seht ihr die Zukunft, vor allem, weil immer weniger Menschen noch die nötige Aufmerksamkeit mitbringen, um sich einen Song komplett anzuhören, von kompletten Alben ganz zu schweigen?

Marcus: Es stimmt, dass Fans anderer Genre mittlerweile fast vollständig darauf verzichten, sich solche Dinosaurierknochen wie Vinyl oder CD zuzulegen. Aber dieses spezielle Gefühl, wenn du eine neue Vinyl-Scheibe in Händen hältst, das kann dir kein Spotify-Stream geben. Was die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne betrifft, damit werden andere Genre weitaus mehr zu kämpfen haben, was besonders die Literatur zu spüren bekommen wird. Nenn mich naiv, aber ich glaube, Metal-Fans sind einfach zu stur, was ihre Hörgewohnheiten angeht und werden auf absehbare Zeit von diesem Phänomen verschont bleiben.

Auch wenn ihr mit AERODYNE auf einem guten Weg seid, ist die Band noch weit entfernt, eine große Nummer im Business zu sein. Also werdet ihr wohl auch noch reguläre Jobs haben. Wie bringt ihr beides, Job und Band, unter einen Hut?

Daniel: Das klappt meistens eigentlich ganz gut. Aber gerade in den Momenten, wenn die Band eine Menge Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, musst du damit leben, fast keine Freizeit mehr zu haben. Wirklich jede Minute, die du nicht bei der Arbeit verbringst, steckt dann in der Band.

Marcus: Ich habe Glück, weil ich mich auch während der Arbeitszeit um Dinge kümmern kann, die die Band betreffen. Normalerweise treffen wir uns immer an den Wochenenden zum Proben und da gibt es dann so gut wie keinen Schlaf. Die anderen Jungs haben da leider nicht so viel Glück. Thomas sitzt zum Beispiel mehrere Stunden im Bus, bis er im Proberaum aufschlägt und Christoffer muss auch an den Wochenenden nachts arbeiten. Das ist natürlich hart. Aber wir sind im Moment sehr produktiv und wenn es die Sache wert ist, dann machst du es eben. Letzten Endes ist eine Band ja auch immer so ein soziales Ding und ich würde es nie für was anderes eintauschen.

Da ihr ja ein recht lustiger Haufen seid, kann ich mir die letzte Frage nicht verkneifen. Wenn ihr eure persönliche Supergroup zusammenstellen könntet, wer wäre dabei?

Marcus: Vince Neil an den Drums, Rick Allen am Bass, Lars Ulrich Rhythmusgitarre, Ozzy Osbourne an der Leadgitarre und Nicko McBrain am Mikro. Die würde ich mir sofort ansehen!

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten