Lenore S. Fingers - All Things Lost On Earth | |
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Review von Opa Steve vom 11.04.2018 (7893 mal gelesen) | |
Ganze vier Jahre hat es gedauert, bis die italienischen Newcomer LENORE S. FINGERS ihr zweites Album, "All Things Lost On Earth", eintüten konnten. Normalerweise würde man einer Band gewisse Trägheit unterstellen, aber die Bedingungen bei LENORE S. FINGERS sind in vielen Teilen andere, als man sie bei üblichen Bands vorfindet. Musikalisch ist es vor allem der kaum festlegbare Stil der Band und der weite Abstand zur Stangenware. So etwas braucht Zeit. Und der zweite Unterschied ist, dass Frontfrau Federica zur Zeit des Debütalbums noch die Schulbank drückte, wie sie uns im Interview verriet. Da kann man nicht mal eben ausgiebig touren und Promo machen, und da man von der Musik nicht leben kann, benötigt man in jungen Jahren ein zweites Standbein. Die unglaubliche Reife und Tiefe der Songs, die Federica teilweise schon als Teenager akustisch komponiert hatte, überzeugte mich als Rezensenten sehr, denn 9 Blutstropfen für einen Newcomer zu vergeben, passiert mir nicht alle Tage. Nun ist endlich der mit Spannung ersehnte Nachfolger da. Und irgendwie scheinen LENORE S. FINGERS die Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben, denn sie wurden durch Anna Murphy (CELLAR DARLING, Ex-ELUVEITIE) geadelt, die sich um die Produktion des Zweitlings kümmerte und auch einige Akzente selbst beisteuerte. Ich persönlich war beim ersten Überfliegen geneigt, dem Album die Frische des unbekümmerten Debüts abzusprechen, wenngleich mir schnell klar war, dass auch das neue Werk wieder ein sehr angenehmes Stück Musik ist. Doch nach 2-3 Komplettdurchläufen muss ich diese Meinung komplett revidieren und sie ins Gegenteil umkehren. LENORE S. FINGERS haben ihren Stil einfach nur reifer gestaltet und es wirkt zwar nicht mehr so unbekümmert, aber strahlt stilistisch noch eine viel größere Perfektion aus. Das ist sicherlich der Erfahrung geschuldet, aber man spürt, dass die Band nun auch in der Lage ist, nicht einfach zufällig geile Musik rauszuschütteln, sondern dass sie ihre Musik auch bewusst groß gestalten können und ihre Stärken ausspielen. Die Gothic-Einflüsse sind immer noch vorhanden und natürlich wären LENORE S. FINGERS nicht LENORE S. FINGERS, wenn da nicht diese verspielte Melancholie wäre, die vor allem in der unperfekten, aber dennoch außergewöhnlichen Stimme von Federica liegt. Sie macht da irgendwie ihr eigenes Ding, die Melodien haben Wiedererkennungswert ohne Ende und sie verliert sich spürbar in der Musik. Instrumental hält man sich durch den zusätzlichen Einsatz von MIDI-Pickups die Welt der Sampler und Synthies offen, die ebenfalls per Gitarre angesteuert werden. So schöpft das Quartett aus einem ungewöhnlich dichten Soundfundus, der songdienlich eingesetzt wird. Dies wird vor allem beim Titelsong deutlich. Das Drumming von Gianfranco unterstützt verspielt die Geschichten und Mysterien, die sich in der Musik wiederfinden. Gerade damit hebt sich die Band von vielen anderen dunklen Bands ab, da sie nicht einfach düster, sondern ungewöhnlich klingt. Schon wenn im Opener die Worte "My name is Snow" zur simplen Akustikgitarre phrasiert werden, braucht die Band gerade mal 30 Sekunden, um die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die Erwartungshaltung richtig hoch zu schrauben. Das schaffen die wenigsten Intros. Die Gänsehaut wurde auf "All Things Lost On Earth" konserviert und findet sich in fast allen Songs, die alle einen starken Spannungsbogen haben. Möglicherweise mag es manche Hörer stören, dass der stimmliche Charakter manchmal etwas sediert klingt, aber gerade das macht in meinen Augen die schlüssige Mischung aus. Und ich bin heilfroh, dass die Band auf den obligatorischen männlichen Zusatzgrunzer verzichtet. Wer aber nun glaubt, das Album wäre eine ausschließlich lethargische Trauerweide, der täuscht sich. Dazu sind die Songs in sich zu dynamisch und die Band kann auch richtig große Power entfesseln. 'Ever After' mündet gegen Ende in einen richtig starken Melodic Thrash-Part, 'Luciferines' und 'Decadence Of Seasons' sind immer wieder richtig heavy. Und auf der Gegenseite erfreut man sich an den minimalistischen Momenten, wo statt Schalldruck die Seele blank liegt, wie z.B. in 'Lakeview's Ghost' oder dem fantastischen 'Epitaph', welches mich an die von mir ebenfalls hoch geschätzten TREES OF ETERNITY erinnert. Ganz ungeachtet des Alters der Band ist "All Things Lost On Earth" ein fantastisches, rundes Album, an dem ich auch beim besten Hinhören nichts entdecke, was falsch wäre. Stattdessen bekommt man eine volle Dreiviertelstunde eine großartige Bandbreite authentischer Emotionen und Musik voller Herzblut in jedem Melodiebogen. Eben mal reinhören bringt da gar nichts, da isolierte Segmente wie anfangs erwähnt zu routiniert scheinen mögen. Allein die Tatsache, dass sich manche Gesangsmelodie über 12 Takte entfaltet, muss als Grund dienen, sich dieses Album in voller Länge anzuhören, bevor man urteilt. Daher entfallen auch Anspieltipps. Gesamtwertung: 10.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. My Name Is Snow 02. Lakeview's Ghost 03. Rebirth 04. Ever After 05. Luciferines 06. Epitaph 07. My Schizophreniac Child 08. Decade Of Seasons 09. All Things Lost On Earth 10. Ascension | Band Website: www.lenoresfingers.com Medium: CD Spieldauer: 46:46 Minuten VÖ: 23.03.2018 |
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