Interview mit Bernd Gossi von Austrian Audio

Ein Interview von des vom 09.07.2024 (34568 mal gelesen)
Da gab es eine renommierte Kopfhörer- und Mikrofonschmiede namens AKG, die bekannt war für exzellente Produkte. AKG gibt es nicht mehr, dafür AUSTRIAN AUDIO. Wir durften ausführlich mit Bernd Gossi, dem Artist Relations & PR Manager von AUSTRIAN AUDIO plaudern, der sich die Zeit nahm und uns viel über die Firmengeschichte und Produkte erzählte, sowie über die Leidenschaft, die ihn und seine Kollegen antreibt.

Hallo Bernd, ich war auf der Suche nach einem neuen Kopfhörer und ein alter AKG-Fan, fand aber stattdessen AUSTRIAN AUDIO. Kannst Du mir dazu was sagen? imgright

Bernd Gossi: Es ist so, dass AUSTRIAN AUDIO aus der Asche von AKG entstanden ist. AKG wurde schon 1997 an den Harman Konzern verkauft, zu dem auch JBL und so weiter gehören. Und als Samsung Harman gekauft haben, haben die sich 2017 dazu entschlossen, das Werk in Wien zuzusperren und die Produktionsstätten nach Osteuropa und Fernost zu verlagern. Und somit waren in Wien mehr als 100 Leute arbeitslos. Unser CEO, der auch schon bei Harman gearbeitet hatte, fand, dass es schade wäre, wenn unser Ingenieurswissen verloren ginge - und wenn Harman kein Interesse daran hat, dass wir Mikrofone für sie bauen, dann bauen wir sie unter unserem eigenen Namen. Er hat anfangs 22 der damaligen AKG-Mitarbeiter um sich geschart und AUSTRIAN AUDIO gegründet, um das Traditionshandwerk in Wien weiter am Leben zu lassen und das auch mit Innovation zu befüllen, die es zuletzt nicht mehr gegeben hatte. So wurde das erste Jahr dazu verwendet, eine neue Kapsel zu entwickeln für Großmembran-Mikrofone, Kondensatormikrofone, und eine neuen Kopfhörertreiber zu entwickeln. Erst Ende 2019 waren die ersten Produkte im Regal in Form der beiden Kopfhörer Hi-X50 und Hi-X55. Der Hi-X55 ist ein Over-Ear-Kopfhörer und der Hi-X50 ein On-Ear-Kopfhörer. Und mikrofonseitig wurden das OC818 und das OC18 gebaut. Das OC818 ist immer noch das Flagschiffmodell, viele nennen es das C414 auf Steroiden, weil man am Mikrofon direkt, aber auch remote die Richtcharakteristik ändern kann. Wir haben darin noch einen zweiten Output integriert, sodass man ein zweites Kabel anhängen kann, wodurch wir in der Postproduktion große Vorteile haben, weil es dadurch die Möglichkeit gibt, die vordere und hintere Membran getrennt anzusprechen. Man kann mit bis zu fünf Bändern arbeiten, zum Beispiel kann man abhängig von der Raumakustik festlegen, dass man bei den Bässen eine Kugel hat und dafür in den Mitten eine Niere oder man kann auch, wenn man den zweiten Output nicht verwenden will, einen Bluetooth Tongle anstecken und das Mikrofon fernsteuern. Das spielt eine Rolle in Spielstätten, in denen Mikrofone nicht erreichbar sind, weil sie zu Beispiel an der Decke hängen. Man kann auch über die Fernbedienung die Richtcharakteristik in 255 Schritten ändern wie auch alle anderen Funktionen des Mikro.

AKG hat aber nur Kopfhörer gemacht und keine Mikrofone, oder?

Bernd Gossi: Doch, doch, AKG hat sehr wohl Mikrofone gebaut und darunter waren auch sehr legendäre.

Okay, ich kannte nur die Kopfhörer. Ich verwende den AKG K550, der eigentlich super klingt. Was ist bei Kopfhörern von AUSTRIAN AUDIO neu?

Bernd Gossi: Es gibt unterschiedliche Bauarten, zum Beispiel On-Ear, die direkt aufliegen - man nimmt daher schon die Ohrmuschelgröße aus der Berechnung raus, sie klingen an jedem Ohr eher gleich. Wenn du dagegen einen ohrumschließenden Kopfhörer hast wie den AKG K550, muss man berücksichtigen, dass jedes Ohr unterschiedlich groß ist. Wenn sich der Kopfhörer bewegt, ändert sich der Sound, weil der Treiber relativ zum Gehörgang an einer anderen Position ist. Dazu gibt es noch die beiden Optionen, den Kopfhörer geschlossen oder offen zu bauen; der offene Kopfhörer filtert die Umweltgeräusche nicht völlig weg, sodass man noch mitbekommt, was rundherum passiert, während der geschlossene Kopfhörer die Umwelt aussperrt. Nachdem wir uns zum Ziel gesetzt haben, Pro-Audio-Kopfhörer herzustellen, sind unsere Kopfhörer jetzt keine Bassmonster, gehen aber in einstellige Hertz-Bereiche, ohne zu verzerren. Das heißt, man hört die Bässe von Aufnahmen sehr akkurat, aber sie sind nicht so überhoben, dass sie über andere Frequenzen drüber fahren, die man dann nicht wahrnehmen kann. Wir haben für verschiedene Anwendungsgebiete verschiedene Kopfhörer. Der Hi-X55, unser erstes Modell, ist ein sehr analytischer Kopfhörer - mit dem macht es keinen Spaß, Musik zu hören, weil man wirklich jeden Fehler in der Aufnahme hört, weshalb wir auch immer sagen, dass dieser Kopfhörer ein Skalpell ist. Besonders beliebt ist er bei Synchronsprechern und Leuten, die Hörbücher einlesen, weil sie im Kopfhörer genau hören, ob sie zum Beispiel zu viel schmatzen oder zu laut atmen, was oft nicht so gut hörbar ist. Dann haben wir den offenen Hi-X65, der eher für Mixing und Mastering gedacht ist. Der Nachteil der Bauweise ist, dass beim Lauterdrehen recht viel Schall nach außen geht, aber der Vorteil ist der, dass man nicht so abgeschottet ist wie bei einem geschlossenen Kopfhörer; man nimmt den Raum ein bisschen mit. Und dann gibt es noch den Hi-X60, der wirklich gerne von Front Of House-Leuten genommen wird, die während eines Konzertes ins Mischpult reinhören wollen, um zu überprüfen, was sich da tut. So hat jeder Kopfhörer sein eigenes Einsatzgebiet und eigene Charakteristiken. Aber aufgebaut sind sie alle am gleichen 44mm-Treiber, den wir entwickelt haben. Im Consumer-Bereich haben wir einen Bluetooth-Kopfhörer, den man aber auch an ein USB-C-Kabel anschließen kann, um Musik zu hören. Der ist vom Tuning her aber auch nicht bassgehypt; ich benutze ihn, wenn ich herumgehe und Musik höre und habe mich an das Tuning gewöhnt und mag es. Bei einer Hip Hop-Konferenz hatte mal jemand probegehört und gesagt, "die haben ja keinen Bass", woraufhin sein Kollege gesagt hat "das gehört genau so"!

Welche Musik hörst du eigentlich?

Bernd Gossi: Ich bin eigentlich auch eher von der härteren Fraktion; ich sage mal, ich höre alles von Punk Rock bis Black Metal sehr gerne, dazu etwas Blues und ein wenig Hip Hop.

Welche Metal-Platte hat für dich Referenzsound? Was hörst du zum Testen eines Kopfhörers?

Bernd Gossi: Hm, da habe ich mich schon ein wenig eingehört auf alte BLACK SABBATH-Alben, "Master Of Reality" höre ich gerne. Aber es gibt sogenannte Referenztracks, die viele hören, zum Beispiel werden viele Leute STEELY DAN nennen, wenn man sie fragt, was sie zum Testen von Kopfhörern nehmen. Manche vielleicht auch PINK FLOYD. Bei mir ist es so, dass ich als erstes BLACK SABBATH höre oder THE STOOGES mit 'I Wanna Be Your Dog', weil das so eine Nummer ist, die ich auswendig kenne. Und was für mich ein echtes Erlebnis war, als ich auf unsere Kopfhörer umgestiegen bin, war bei BAD RELIGION 'Sorrow', ein Song, bei dem Kanonenschüsse im Refrain sind. Ich wusste, bei dem Song tut sich was, ich habe den Song sicher schon 15 Jahre gehört und dann setzt man den Kopfhörer auf und bekommt das erste Mal mit, dass das wirklich Kanonenschüsse sind. Und da habe ich gelernt, dass man sich an Schlecht-Hören und schlechte Qualität gewöhnen kann. Ich bin damals immer nur mit den mitgelieferten Airpods herumgelaufen.

Ich habe mir gerade über die Surroundanlage PINK FLOYDs "Animals" im 5.1 Mix angehört, was schon ein spezielles Klangerlebnis ist. Ich habe mir zuhause den "Sweet Spot" meiner Anlage mit Textmarker am Boden markiert, und dort steht mein Hörstuhl.

Bernd Gossi: Das ist auch die Diskussion bei uns; alle Mixer, mit denen man redet, sagen, sie mixen jetzt Dolby Atmos. Wird sich das durchsetzen, ist die entscheidende Frage, man muss ja die entsprechende Technik dazu zu Hause haben. Und man muss im entsprechenden "Sweet Spot" sitzen, um den vollen Soundgenuss zu haben. Das fällt mit einem Kopfhörer weg, weil man keinen optimierten Raum braucht. Um den Surround-Sound einzumessen, braucht es einen gewissen Aufwand und eine Leidenschaft, die auch unsere Techniker auszeichnet.

Wenn du Musik hörst, welches Medium nimmst du?

Bernd Gossi: Wenn ich unterwegs bin, streame ich; wenn ich konzentriert Musik hören will, greife ich schon am liebsten auf Vinyl zurück. Da skippe ich keinen Song, sondern höre konzentriert Seite A, wechsle dann und höre Seite B. Das entschleunigt mich. Ich nehme Musik dann einfach bewusster wahr.

Fangfrage: Klingt Vinyl besser oder nicht?

Bernd Gossi: Es hat was Nostalgisches und es freut mich einfach, dass ich das Booklet angreifen und die Texte lesen kann. Das sind oft echte Kunstwerke. Es ist in meinem Fall eine romantische Entscheidung, auf Vinyl zu setzen. Und so wollen wahrscheinlich auch die Künstler, dass man ihre Platte hört. Der Künstler überlegt schließlich genau, wie die Track-Reihenfolge sein soll, mit welchem Song man ein Album beginnt und mit welchem abschließt. Und da rede ich nicht von Konzept-Alben.

Ihr macht auch Dienstleistungen? Du hattest ja im Zuge deren Wien-Konzerts Besuch vom AC/DC Front Of House.

Bernd Gossi: Der Front Of House von AC/DC benutzt eines unserer Mikrofone für die Abnahme der Gitarrenverstärker auf der Bühne. Und da hat man natürlich ein gewisses Verhältnis zu den Leuten und in diesem Fall wollte sich Paul, der Tontechniker, in einem seiner Day-Offs, die sich AC/DC nehmen, gerne mal die Fertigung der Mikrofone bei uns ansehen. Natürlich haben wir ihm eine Führung gegeben und er konnte sehen, dass bei uns noch sehr viel Handarbeit beim Zusammenbau von Kapsel und Membran dabei ist. Unser zweites Standbein ist der B2B-Markt. Nachdem viele Firmen gehört haben, dass AUSTRIAN AUDIO sich gegründet hat, das so viel Know-how hat, sind sie an uns herangetreten, ob wir ihnen helfen können. Wir haben zum Beispiel das Know-how, um Noise-Cancelling-Kopfhörer zu machen, aber das ist nicht unser Pro-Audio-Bereich. Wir haben auch das Know-how, um In-Ears zu machen, aber da kämpfen wir auf einem ganz anderen Markt mit. Vor allem, wenn es in den Consumer-Bereich geht und man dann gegen Apple antritt. Das ist derzeit nicht unser Bereich.

Wie kann man sich die Mikrofon-Fertigung vorstellen, ist das Fließbandarbeit?

Bernd Gossi: Es glauben viele, dass es sich um Fließbandarbeit handelt und dort viele Roboter stehen. Aber es ist so, dass es bei uns geschickte Frauenhände sind, die die Mikrofonkapsel zusammenbauen. Das beginnt mit der goldenen Folie, die die Membran bildet. Die wird geschnitten, gespannt, dann kommt ein Membran-Ring drauf und am Ende werden die Goldfolien-Reste mit dem Tapetenmesser abgeschabt, um aus der eckigen Folie eine runde Membran zu machen. Diese Membran muss eine gewisse Spannung haben, und teilweise haben wir so gute Kolleginnen, die beim Ton, der beim Draufpusten auf die Membran entsteht, aussagen können, ob das Mikrofon den Anforderungen entspricht oder nicht. Ich finde es faszinierend, dass so viel Handarbeit drin ist. Ich kann dir quasi die Person vorstellen, die das Mikrofon hergestellt hat, weil sie im Büro neben mir sitzt. Das ist das Schöne an so einer kleinen Firma.

Ist dann jedes Mikro eigentlich anders? imgleft

Bernd Gossi: Das kommt auf das Modell drauf an, aber wir haben einige Modelle, die wir in so engen Toleranzen bauen, dass sie - wenn man zwei beliebige Mikros nimmt - ein Stereopaar ergeben. Früher hat man Mikrofone gebaut und vermessen und anhand der Messwerte entschieden, welche ein Stereopaar ergeben. Wir bauen mit so engen Toleranzen, dass das nicht notwendig ist. Bei uns in der Fertigung sind bis zu vier Leute in der Mikrofon-Fertigung und in Summe sind es in der Fertigung weniger als zehn Leute. Ich sage immer, es ist eine Boutique-Manufaktur und wir verkaufen zu Straßenpreisen. Wir sind wirklich konkurrenzfähig und unser teuerstes Mikrofon kostet gerade mal 999 Euro; und wenn du dir ansiehst, was andere Firmen auf den Markt werfen und mit welcher Streuung und die um einiges mehr verlangen ... Wir habe einen eigenen Ingenieur, der sich nur um Qualitätssicherung kümmert, wir arbeiten da zum Beispiel mit Flüssigkeiten, die Schweiß simulieren oder machen Tests, um zu prüfen, wie oft man Kabel biegen kann. Da hört man oft "Vorsicht Falltest" aus dem Nebenbüro, wenn wieder getestet wird, was ein Kopfhörer mechanisch aushält.

Um als kleine Firma bestehen zu können, müsst ihr irgendwas besser machen als die Großen. Was zeichnet euch aus?

Bernd Gossi: Was uns sicherlich geholfen hat, ist unsere Vergangenheit, nachdem wir kumuliert über 300 Jahre Erfahrung in dem haben, was wir tun. Das sagt unser Chef immer sehr gerne "Wir sind ein Start-up mit 300 Jahren kumulierter Erfahrung". [lacht] Wir kennen unsere Wurzeln, aber wir wissen auch, dass es stetige Entwicklung braucht. Darum wird es auch nie den einen Kopfhörer geben, der jedem über Jahrzehnte gefällt, sondern es gibt stete Weiterentwicklung. Das ist es, was wichtig ist, und auch die Fähigkeit, auf Feedback von außen zu hören.

Man merkt es auch, wenn man die Homepage liest, dass bei euch viel Leidenschaft dabei ist.

Bernd Gossi: Ja, daher ist auch unser Slogan "Making Passion Heard", weil jeder Mitarbeiter ein Unikat ist und ein Naheverhältnis zur Musik hat. Es gibt darunter Tüftler, Bastler und Leute, die alle ihren eigenen Spleen haben in einem Bereich. Und mich wecken teilweise um drei Uhr in der Früh SMS auf - da ruft schon mal der Monitor-Engineer von EVANESCENCE an, weil wir versehentlich zehn statt der fünf bestellten Mikrofone geliefert haben. Oder wenn man freundschaftlich mit dem Front Of House von SLIPKNOT schreibt - ich finde noch immer, ich habe den geilsten Job der Welt.

Das sind schöne abschließende Worte! Danke für Deine Zeit und das wirklich sehr interessante Gespräch! www.austrian.audio

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Bild 2 und 3 (c) Austrian Audio

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