Desaster - Churches Without Saints

Review von Tailgunner vom 08.06.2021 (11749 mal gelesen)
Desaster - Churches Without Saints Ich muss freimütig zugeben, dass es mir ein besonderes Vergnügen ist, DESASTERs Longplayer Nummer neun hier besprechen zu dürfen, denn in gewisser Weise schließt sich damit für mich ein Kreis, da ich das Schaffen der Truppe bereits so lange begleite, wie ich härteren Metal höre und somit habe ich sämtlichen Albumveröffentlichungen der Band entgegengefiebert. Dabei hatten DESASTER aufgrund ihrer grundauthentischen Attitüde und ehrlichen Verwurzelung im Underground bei mir auch irgendwo immer einen etwas besonderen Status. Von daher freut es mich außerordentlich, dass ich zu dem nun vorliegenden "Churches Without Saints" meinen Senf beisteuern darf. Wer hier eine gewisse Euphorie und Zuneigung zur Band herausliest, liegt da sicher nicht ganz falsch. Das haben sich DESASTER bei mir über die Jahre aber auch ehrlich erspielt und - viel wichtiger - bewahrt. Denn Kuschkes (Markus 'Infernal' Kuschke G) Chaostruppe hat bislang noch mit jedem Album abgeliefert und für mich stellte sich eigentlich immer nur die Frage, ob ein neues Release einfach nur gut ist ("Angelwhore"), sehr gut ("Divine Blasphemies" und "The Arts Of Destruction") oder gar überragend ("Tyrants Of The Netherworld" und "Hellfire's Dominion").

Und somit ist es keine allzu große Überraschung, dass "Churches Without Saints" da keine Ausnahme bildet. Immerhin fünf Jahre mussten wir darauf warten, aber hier hört man dann auch nach dem ersten Auflegen sofort den Unterschied heraus, ob eine Band alle zwei Jahre liefern muss, weil sie sich dazu entschieden hat, von der Musik zu leben, oder es wie DESASTER hält und die Sache aus Spaß an der Freude betreibt. Wobei Spaß hierbei einfach zu euphemistisch klingt. Man hört einfach zu jeder Sekunde die kompromisslose Leidenschaft heraus, die nach über 30 Jahren alles andere als eine Selbstverständlichkeit darstellt. Hier klingt kein Song halbgar oder nach Schnellschuss. Jedes Stück bekam offensichtlich die nötige Zuwendung und Reifezeit, um uns am Ende ein mehr als delikates Mahl zu servieren. Stagnation auf hohem Niveau kann man DESASTER übrigens auch nicht vorwerfen, denn die eine oder andere kleine Überraschung findet sich auf "Churches Without Saints" durchaus. Da ist zum einem der Sound, der auffällig, na ja, dumpfer ausfällt und sich deutlich an den älteren Scheiben orientiert, während die letzten ja etwas höhenlastiger ausgefallen sind. Meinen Nerv haben die Jungs damit direkt getroffen, was aber auch daran liegen mag, dass dieser Sound eher meinen Hörgewohnheiten entspricht.

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Die Stücke selber gestalten sich sehr abwechslungsreich und stehen stellvertretend für die vielen Einflüsse die Infernal und seine Truppe verarbeiten, denn die Jungs sind in allererster Linie knallharte Metalfans und das hört man mit jeder Note. Und so bricht das Inferno nach kurzem Intro in Form von 'Learn To Love The Void' über uns herein. Sataniacs ultrabrutale Stimme ist im Alter keinen Millimeter geschmeidiger geworden und so kotzt er uns seine Spells of Vengeance and Battlecrys wie ein verseuchter Dämon vor die Füße, wenn er nicht zwischendurch von seiner unnachahmlich irren Lache gebraucht macht, oder uns wie in diesem Stück, einen Satz in unserer Muttersprache herausfordernd entgegenschleudert. Toller Auftakt, der bis auf einige schnelle Ausbrüche sehr kontrolliert runtergezockt wird. Bei 'Failing Trinity' geht es sogleich etwas flotter zur Sache und spätestens jetzt wird auch klar, dass man sich mit Hont an der Schießbude eher verbessert hat, als dass Huskys Abgang die Truppe geschwächt hätte. Ich meine jedenfalls mehr Wumms und mehr kreative Details beim Drumming wahrzunehmen, als es bisher der Fall gewesen ist, ohne dass die Koblenzer dabei Gefahr laufen, zu einer Jazz-Combo zu verkommen. Mit 'Exile Is Imminent' erwartet uns dann ein sehr ungewöhnlicher, aber außerordentlich starker Song, welcher schon fast eine Art Funky-Auftakt bietet, mit tollen Basslinien von Odin, bevor die komplette schwarze Epik über den Hörer hereinbricht. Vor meinem inneren Auge sehe ich verheerte Landschaften, pyroklastische Ströme und giftige Pestschwaden. Hier wird derart geschickt mit Tempo und Stimmung variiert, das steht so in keinem Lehrbuch und solch einen Song können schlichtweg nur DESASTER schreiben. Da gibt es keine zweite Meinung. Das Titelstück 'Churches Without Saints' klingt daraufhin wie der Soundtrack zu einer Prozession untoter kirchlicher Würdenträger. Langsam und mit der bitterbösen Durchschlagskraft tonnenschweren unheiligen Stahls. Und damit die Nackenmuskeln wieder auf Trab kommen, rotzt danach das punkige 'Hellputa' aus den Lautsprechern und DESASTER präsentieren sich von ihrer immer auch vorhanden schnoddrigen Seite. Auch 'Sadistic Salvation' ist zunächst flott unterwegs und erweist sich als brutaler Nackenbrecher, der durch effektive Midtempo-Parts noch zusätzliche Zerstörungskraft erfährt. 'Armed Architects Of Annihilation' hält das bisherige Niveau recht mühelos, ohne jedoch bis auf den wirklich coolen Auftakt besondere Akzente zu setzen. Das schafft dann wiederum 'Primordial Obscurity', welches wir bereits von der 7" "Black Celebration" kennen und Honts Studiodebüt mit DESASTER darstellte. Es ist gut, dass der Song nicht exklusiv für diese Veröffentlichung zurückgehalten wurde und man ihn für das Album neu eingespielt hat, denn er ist viel zu stark, um ihn der Mehrzahl der Fans vorzuenthalten. Hier wird mir auch sofort wieder bewusst, wie DESASTER mit ihrem Debüt "A Touch Of Medieval Darkness" damals dem Black Metal der zweiten Welle nach Deutschland brachten und mich als jungen Menschen vollkommen in ihren Bann zu ziehen vermochten. Hier gelingt eine aberwitzige Melange aus melodiösen schwedischen Black Metal-Leads (erinnert mich sofort an MARDUKs 'The Black Tormentor Of Satan') und DARKTHRONEs minimalistischen aber absolut songdienlichen Kompositionen. Ganz große Nummer. Mit 'Endless Awakening' zelebrieren DESASTER wieder die für sie so typische schwarz-melodiöse Epik, die sich perfekt eignet, das Album zu beschließen, bevor das eigentlich Outro 'Aus Asche' erklingt und mit dem DESASTER für sie etwas sehr untypisches gewagt haben. Das Ergebnis überzeugt, denn wenn Sataniac uns zum Geleit auf Deutsch etwas mit auf den Weg flüstert, dann hat das schon etwas.

Was bleibt also festzuhalten? DESASTER haben auch nach über 30 Jahren nichts von ihrem Feuer und ihrem Wahnsinn eingebüßt und stellen das mit "Churches Without Saints" auch zweifelsfrei unter Beweis. Das Album vereint sämtliche Stärken und Trademarks, welche DESASTER zu etwas Herausragendem in der deutschen Metalszene gemacht haben und übertrifft dabei den starken Vorgänger. Die Rückorientierung im Sound ist etwas, was ich als alter Fan sehr begrüße, einzig das Coverartwork mag nach meinem Geschmack nicht so recht zum Stil der Band passen, denn es sieht eher nach Death Metal und zudem etwas generisch aus. Aber wenn ich weiter nichts an "Churches Without Saints" auszusetzen habe, dann hat die Band wohl verdammt viel richtig gemacht.




Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01: The Grace Of Sin (Intro)
02: Learning To Love The Void
03: Failing Trinity
04: Exile Is Imminent
05: Churches Without Saints
06: Hellputa
07: Sadistic Salvation
08: Armed Architects Of Annihilation (In Clarity For Total Death)
09: Primordial Obscurity
10: Endless Awakening
11: Aus Asche (Outro)
Band Website: www.total-desaster.com
Medium: CD
Spieldauer: 46:05 Minuten
VÖ: 04.06.2021

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