Ein Interview von Eddieson vom 25.06.2023 (26009 mal gelesen)
PHANTOM CORPORATION hauen mit ihrem ersten Longplayer "Fallout" ein ordentliches Geschoss raus, welches in knapp 36 Minuten den Hörer glattbügelt. Sänger Leif erzählte mir mehr dazu.
Moin Leif. Wie geht es dir?
Leif: Hey Jan ... hier alles gut, danke! Ich war gestern Abend auf einer coolen Show von THE HELLACOPTERS hier in Dortmund, wo ich sogar hinlaufen konnte. Das ist natürlich unschlagbar! Ansonsten kommt ja morgen das "Fallout"-Album endlich raus, worauf wir uns alle sehr freuen!
Erzähl doch mal kurz, wie es zu der Gründung von PHANTOM CORPORATION kam?
Leif: Hmmm, das ist ja schon eine längere Weile her. So um 2015 herum hatten wir (unter anderem auf einem Party.San Open Air) die Schnapsidee, die Freundeskreise einiger Mitglieder zu vereinen und dabei PHANTOM CORPORATION zu gründen. Aber wir hielten ein recht entspanntes, diskretes Auftreten zum Bandstart und haben erst mal nur Material angesammelt für unsere ersten DIY-Veröffentlichungen: Das Sechs-Track-Mini-Album "First Commandment" und dann zwei 7" EPs. Ab Oktober 2016 haben sich allerdings dann recht überraschend erste Möglichkeiten für Shows ergeben, also mussten wir einen Gang hochschalten und auch ein dafür passendes Line-up auf die Beine stellen. Seither gings relativ pausenlos weiter und wir haben auch vor allem die langsamere Zeit der Pandemie genutzt, um kreativ zu bleiben. Das erklärt das Split-Release "Banner Of Hatred" vom letzten Jahr und nun auch das "Fallout"-Album via Supreme Chaos Records.
Musikalisch waren die Gründungsmitglieder der Band mit DEW-SCENTED und WEAK ASIDE eher im Thrash und Death unterwegs. Jetzt gibt es mit der neuen Band zwar auch etwas Death, doch überwiegt der Crust bei PHANTOM CORPORATION. Wieso der musikalische Wechsel?
Leif: Naja, eher als "Wechsel", war PHANTOM CORPORATION als "Ergänzung" gedacht, da ja die Band auch parallel zu den damals noch existierenden Hauptbands einiger Mitglieder anfing. DEW-SCENTED gab es zum Beispiel ja noch zirka drei Jahre und ich habe sogar zwei Gigs mit "Doppelfunktion" gespielt, weil beide Bands für Festivals zusammen gebucht worden waren (Protzen Open Air und Wonnemond Festival). Ich hatte vor langer Zeit mit Drummer Marc-Andree - der ja auch zweifach (2003 und dann 2009-2011) bei DEW-SCENTED war - mal darüber gesprochen, dass es geil wäre ein D-Beat-basiertes, punkigeres Projekt nebenher zu machen, wo alles etwas spontaner und mehr ausm Bauch, ohne viel Termindruck und so weiter passieren würde. Und ja, wir kommen halt alle aus dem Thrash und Death Metal, also hört man das natürlich immer raus ... was aber eventuell auch den Reiz der Mischung für uns selber, und eventuell auch den Hörer ausmachen könnte?! Es muss bei PHANTOM CORPORATION immer schön heftig und dreckig bleiben, aber es darf gerne abwechslungsreich sein und mit verschiedenen Stilelementen spielen. Die neuen Songs, an denen wir gerade arbeiten, setzen den Vibe von "Fallout" ganz gut fort.
Als ich das Album gehört habe, sprangen mir sofort DISFEAR ins Ohr, die auch mit ihren Veröffentlichungen eine unbändige Energie entfesselten. Hattet ihr einen musikalischen Einfluss von DISFEAR und anderen Bands?
Leif: Das nehmen wir durchaus als Kompliment auf, denn DISFEAR sind eine der Konsens-Lieblingsbands aller Mitglieder und somit auch ein gemeinsamer Nenner als Einfluss für uns. Dazu kommen aus dieser Richtung auch WOLFBRIGADE und TRAGEDY, sowie etliche weitere "Crossover"-Acts. Die D-Beat-Orientierung geht natürlich für alle Bands auch auf DISCHARGE zurück, aber auf uns haben dann schon eher härtere, metallischere Bands der Gegenwart einen Einfluss statt die UK-Punkszene der 80er. Es ist ein recht breites Feld an Bands und Einflüssen, die für PHANTOM CORPORATION relevant sind. Und dadurch, dass wir mit unseren beiden Gitarristen Arne und Philipp recht unterschiedliche Spieler und Songwriter am Start haben, die beide fast gleichwertig separates Material geschrieben haben, bleibt das Ergebnis natürlich etwas unterschiedlich und dadurch auch interessant. Es muss aber immer extrem und energetisch bleiben ... das war also schon ein gutes Stichwort da von dir!
Nach einer Mini-LP, einer Single und zwei Splits erscheint nun am 23.06. euer erstes Album "Fallout". Wie würdest du beschreiben, was die Hörer auf dem Album erwartet?
Leif: Okay, das ist immer wieder eine komplizierte Frage, denn eigentlich sollte sich ja jeder mal kurz die Zeit nehmen können, um selber reinzuhören und sich eine eigene Meinung zu bilden?! Man findet ja genug unserer Musik im Internet, zum Beispiel auf Bandcamp und ab morgen dann ja auch das komplette Album, nachdem wir ja zwei neue Songs ('Dead Inside' und 'No Tomorrow') schon vorab mit Videos veröffentlicht haben. Aber aus meiner Sicht bündeln wir auf "Fallout" diverse Facetten aus den Subgenres Death, Thrash, Crust und so weiter auf sehr ehrliche und kompromisslose Weise, die uns selber ausreichend Spaß gemacht hat zu spielen, dann aufzunehmen und im Anschluss sogar für Dritte zu veröffentlichen. Da sind also bereits drei Kontrollstufen gemeistert worden, sodass das Material gar nicht soooo schlecht als stiltreuer Nachfolger unserer letzten Veröffentlichungen funktionieren sollte.[lacht] Die "Banner Of Hatred"-EP, die letztes Jahr unter anderem als Split mit HARROWED aus Schweden via SCR rauskam, gehört ja technisch gesehen fast zur "Fallout"-Session, wurde bloß etwas früher fertiggestellt und sollte als Vorgeschmack für das Album und das Comeback nach den zwei Jahren "öffentlicher Pause" dienen.
Ich würde ja sagen, dass es bei PHANTOM CORPORATION noch etwas wilder und ungestümer zugeht als damals bei DEW-SCENTED. Von Altersmilde also keine Spur?
Leif:[lacht] Ja, könnteste Recht mit haben! Aber ich denke, die punkigere Attitüde und dass hier etwas mehr Bauch am Start meinerseits ist, könnte das auch erklären?! Unsere Absicht ist es, immer hart und direkt auf den Punkt zu kommen mit den Songs und von mir aus kann es alles immer sogar eine Ecke rotziger dabei werden.[lacht] An's tatsächliche Alter denke ich nicht so oft, auch wenn die Zeiten von langen Tourneen inzwischen für mich vorbei sind. Musik hält aber frisch und inspiriert, darum geht's ja! Wenn wir uns mit PHANTOM CORPORATION auf ein Probewochenende treffen und zusammen zum Beispiel "Twisted Into Form" von FORBIDDEN durchhören oder gemeinsam mit einem Kühlgetränk eine neue Band anchecken (wie letztens TWIN TEMPLE), fühlt es sich in etwa so an wie vor 30 Jahren als Teenies! Naja, fast ... je nachdem wie man dabei sitzt![lacht wieder]
Standen die Songs schon, als ihr ins Studio gegangen seid, oder war während der Aufnahmen noch die Möglichkeit für spontane Änderungen in den Songs?
Leif: Ja, die Songs stehen bei uns meistens sogar komplett, bevor wir ins Studio gehen, da sind wir schon die klassische "Proberaumband" und verbringen dort gerne auch die Zeit zusammen, um gemeinsam Songs auszuarbeiten, die vorab von Arne oder Philipp geschrieben und rumgegeben worden sind. Spontane Änderungen sind zwar prinzipiell nicht verboten, aber wir versuchen im Studio eigentlich nur noch das geschriebene sauber und druckvoll einzuspielen, am besten so schnell und unverkopft wie es nur geht. Unsere letzten Aufnahmen waren aber durchaus anders als geplant, wegen der komplexeren Situation mit der Pandemie, da wir uns nicht vollzählig oder oft sehen konnten. Wir entschieden uns also für viel "Hausarbeiten" und individuellere Vorbereitungen, wobei Arne und Marc-Andree die Fahne im Proberaum hochgehalten haben. Final sind wir dann in verschiedenen kurzen Sessions einer nach dem anderen zum Jörg Uken ins Soundlodge Studio in Ostfriesland eingefallen und haben an "Banner Of Hatred" sowie an "Fallout" über den Zeitraum von beinahe einem Jahr gearbeitet. Immer on-off, so wie es unsere persönlichen Kalender, aber auch die gesellschaftlichen Vorgaben zugelassen haben. Das war alles natürlich recht anstrengend, aber insgesamt hat sich das so mehr als gelohnt und wir sind mit dem Ergebnis total zufrieden!
Das könnt ihr auch absolut sein. Habt ihr euch Gedanken darüber gemacht, wie ihr das mit der Band aufziehen wollt? Also mehr so DIY oder doch schon professioneller? Oder auch eine Mischung aus beidem?
Leif: Naja, PHANTOM CORPORATION läuft ja bereits sieben bis acht Jahre, wenn man es genau betrachtet. Das ist sehr viel DIY, aber wir bekommen auch professionelle Hilfe von Leuten wie zum Beispiel jetzt dem Robby von Supreme Chaos Records als Labelpartner, Marc B. und Jens F. als ergänzende Live-Gitarristen, Jörg Uken als Studio-Engineer, Ula Gehret von Clandestine Music als Digital-Partner, Anastasia Zeller für Videos und Fotos, dem Timo bei unserem Proberaumkomplex in Bremen, verschiedene Artworker, Show-Promoter und viele andere. Schwer zu sagen also, schon DIY und nach unserem eigenen Geschmack sowie Tempo, aber mit einem tollen Netzwerk an fähigen Kumpels, die es uns ermöglichen, am Ende mit einem coolen Ergebnis unsere Musik umzusetzen und zu präsentieren. Das ist ja oft ein Großteil der Reise!
Du bist ja auch noch nebenbei unter anderem als Tourmanager unterwegs. Wie haben sich aus deiner Sicht als Tourmanager die Touren oder Konzerte nach der Pandemie verändert?
Leif: Nein, nicht wirklich Tourmanager. Ich arbeite seit Ende der 90er schon im Musikbusiness und mache dabei unter anderem auch Management- und Consulting-Arbeiten für andere Bands, bin aber eigentlich nicht mit auf Tour. Es kann zwar schon sein, dass ich manchmal "einspringe" beziehungsweise um etwas mehr Zeit mit bestimmten Bands verbringen zu können auch mal zu Shows mitfahre oder sogar temporär das Booking von Konzertterminen mit übernehme, aber eigentlich ist mein Platz am Schreibtisch beziehungsweise am Computer. Aber ja, man sieht auf allen Seiten, dass die Situation für Bands, Veranstalter und dann auch in der Folge vor allem die Fans und Konzertbesucher schwieriger wird. Der "Rückstau" aus der Pandemie, das teilweise unreflektierte Überangebot auf dem Markt - nicht nur für Konzerte, sondern auch generell mit der Anzahl der Bands und ihre Nebenbaustellen mit jeweiligen Veröffentlichungen und Merchandise-Extras - machen es in der aktuell sehr angespannten finanziellen Situation und Personalmagenproblematik, in der wir ja alle stecken, sehr kompliziert und riskant für bestimmte Projekte. Die "ganz Großen" scheinen davon weniger betroffen beziehungsweise machen dann halt etwas weniger Profit als früher, aber vieles für die "mittleren Bands" rechnet sich leider nicht mehr so einfach. Ich denke, es wird im kommenden Jahr alles noch komplexer und sich in Folge auch neu erfinden beziehungsweise ordnen müssen. Aber das ist ein Thema, über das wir hier noch lange (und teilweise auch nur im Kreis!) diskutieren könnten, befürchte ich.
Jetzt im Sommer seid ihr ja schon auf einigen Festivals vertreten. Aber wenn du mal etwas weiter in die Zukunft guckst, was steht da bei euch noch auf der Agenda?
Leif: Ja, wir spielen einige coole Shows in nächster Zukunft mit dem Burning Q, Fuck The Commerce und Dortmund Deathfest. Danach werden hoffentlich auch noch ein paar Weekender-Clubshows folgen, wobei wir hoffen, dass das Album uns dabei unterstützen sollte auch in ein paar andere, neue Städte oder Landstriche zu gelangen. Ansonsten sind wir wie gesagt bereits an neuem Material dran und wollten gegen Jahresende beziehungsweise Anfang 2024 eine Handvoll weiterer Tracks im Studio einmörteln. Die Songs der letzten Sessions haben ja bereits eine längere Zeit auf dem Buckel, aus unserer Sicht, wobei das bei PHANTOM CORPORATION alles relativ zeitlos ist und wir auch keine extreme Eile haben! Also, mal schauen was sich da noch ergibt und was die Zukunft für uns in Planung hält?!
Leif, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche euch für das Album und die Shows viel Erfolg und überlasse dir die letzten Worte.
Leif: Danke für deine Zeit und für die Unterstützung, Jan! Wer sich weiter ein Bild zu PHANTOM CORPORATION machen möchte, darf gerne hier reinschauen beziehungsweise reinhören. Hier sind die beiden aktuellsten Videos zu 'Dead Inside' und 'No Tomorrow' zu finden:
Ansonsten sieht man sich auch hoffentlich da draußen, im wahren Leben mal. Keep on rockin' in the free world!