Anomalie - Visions | |
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Review von Zephir vom 19.03.2017 (11290 mal gelesen) | |
Das ist es. Stilsicher und punktgenau. Reif und erwachsen, stark und erhaben: Der Drittling "Visions" von ANOMALIE. Das erste Album "Between The Light" (2014) hatte mich seinerzeit gleich zu Beginn schwer überzeugt, das zweite Werk "Refugium" (2015) nicht minder. Das jüngste Output "Visions" liefert nun aber als Steigerung des Vorangegangenen eine geballte Ladung all dessen ab, was die beiden Vorgängerwerke zwar darstellten – aber noch teilweise Lücken eben jenes antizipieren ließen, was damals noch fehlte. Jetzt kommt Mastermind Christian Brauch alias Marrok zum eigentlichen Nukleus seiner Band, die sich vom Soloprojekt zu einer vier Mann starken Besetzung mauserte: Neben dem Frontmann, der auch Gitarre spielt und die sparsam eingesetzten Synthies bedient, hören wir Thomas Dornig am Bass, Lukas Schlintl an den Drums und Peter Schiendorfer an weiteren Percussions. Aufgenommen, gemischt und gemastert wurde "Visions" abermals von Markus Stock in der Klangschmiede Studio E. Sieben Visionen werden hier klanglich in Silber gegossen, sieben Kapitel aus der zwischenzeitlich vergangenen Lebenserfahrung des jungen Künstlers. Die erste heißt 'Towards The Sun' und eröffnet das neue Opus mit Regenrauschen, Feuerknistern, Akustikgitarre und versonnenem, Tribal-ähnlichem Gesang mit viel Reverb. Das kontemplative Intro lässt sich Zeit, bis die Musik in den vertrauten Depressive Metal übergeht, der noch einmal deutlich an Druck und klanglicher Fülle zugelegt hat. Was sofort auffällt, ist die weitere Reife in den Vocals: Marroks Stimme hat mich schon immer begeistert, und die deutliche Steigerung seines Stimmvolumens zwischen dem ersten und dem zweiten Album war nicht zu überhören. Auf "Visions" tobt uns nun aber ein Organ entgegen, das ganz offensichtlich Säle zu füllen in der Lage ist. Auch bei den zwischenzeitlich eingesprochenen Textpassagen frappiert die volltönende Tiefe dieser Stimme. Unterstützung gibt es in diesem ersten Track vom Gastsänger Bartholomäus Resch (ex-BELPHEGOR), der, so vermute ich, in dem hammermäßigen choralähnlichen Klimax mitmischt, der da lautet: Incende quod adorasti, adora quod incendisti! Die zweite Vision, 'The Wanderer', pustet den Hörer mit einem gewaltigen Blast an die Wand. Hier drückt sich mit gewaltsamer Eindeutigkeit die Stimmung von vieldimensionaler Depression durch, die seit dem ersten Album im Werk von ANOMALIE wabert: Rasende Drums, ein gleichzeitig monomanisches und nervöses Riffing, wie ein schwerer Pfeil darüber hinwegfliegende Gesangshooks. Absolut überzeugend sind auch die Lyrics, die sich mit den quasi anaphorischen Sequenzen I – the wanderer, I – the warrior, I – the messenger im Kopf des Hörers festsetzen. Dann abermals Wasserplätschern, tiefe Basstöne und Percussions, die eine bedrohliche, martialische Stimmung generieren: 'A Monument' ist die dritte Vision, die mit zunächst tief gestimmten, chromatischen, fast doomigen Riffs und mystischen Background-Vocals einen der musikalisch schwersten Tracks des Albums füllt. Das Gewicht wird kaum erleichtert durch das zwischenzeitliche akustische Gitarren-Intermezzo, das gerade einmal zum Atemholen ausreicht, bevor der Song in modernster Black-Metal-Manier losprügelt. 'Vision IV: Illumination' ist hingegen vermutlich der thematisch schwerste Track des Albums. Zu diesem Song wurde ein Video gedreht, das Art of Propaganda auf ihrem YouTube-Kanal zur Verfügung stellen. Der Hinweis im Nachspann – 'In Memoriam Walter Brauch' – lässt erahnen, was den Musiker hier bewegt hat. Der Tribut, den 'Vision IV: Illumination' zollt, ist beeindruckend: In genialer Manier mischt sich akustische Gitarre mit dem restlichen Metal-Arrangement. Im harschen Gesang steckt klares Volumen, das dem Ganzen einen theatralischen Einschlag gibt, der so gut zum schwarzen Genre passt. 'Vision V: Starless Nights' scheint mit der Frage Who took the sky away? direkt daran anzuknüpfen; das Fade-out am Ende markiert eine gewisse verzweifelte Endlosigkeit. Die vorletzte Vision lässt wieder Hoffnung schöpfen. 'White Forest' – ist es jener aus dem Video? – spielt schon in seiner Harmonik mit etwas mehr Lichtschimmer und Farbe; das am Ende sich selbst wiederfindende lyrische Ich ist vermutlich gleichsam das reale. Gerade in den letzten Takten liegt ein rockiger Groove, der auch den Hörer vorantreibt, mitnimmt, pusht. Die siebte und letzte Vision, 'Vision VII: One With The Soil', ist ihrerseits noch viel mehr als die vorangegangenen Titel interpretationsbedürftig. Die zweitweise Background-Stimme von Gastsängerin Heike Langhans (unterwegs bei den Schweden DRACONIAN) ist fragil und transparent, ebenso ihr eingesprochener Text, der den Hörer mit einer Frage entlässt: How many bullets will be enough? Was bleibt, ist eine vereinzelte Gitarrenstimme, die die letzten Worte der Natur in Musik übersetzt. Zum Schluss noch einmal zur Bekräftigung mein Statement zu diesem Album: Das ist es. "Visions" ist, was ANOMALIE schon von Beginn an werden musste. Der mal zum Bersten starke, mal zerbrechliche, mal moderne, mal ursprünglich-martialische Metal, das Nachdenkliche, das Introvertierte in dieser Musik, das gleichzeitig in unbändigem Ausdrucksbedürfnis explodiert, das alles malt ein Bild, das ich nunmehr mit keiner anderen artverwandten Band vergleichen möchte, denn das ist unvergleichlicherweise Marroks ANOMALIE. Gesamtwertung: 9.5 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Vision I: Towards The Sun 02. Vision II: The Wanderer 03. Vision III: A Monument 04. Vision IV: Illumination 05. Vision V: Starless Nights 06. Vision VI: White Forest 07. Vision VII: One With The Soil | Band Website: www.facebook.com/The.Anomalie.Experience Medium: CD Spieldauer: 51:28 Minuten VÖ: 17.03.2017 |
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