Interview mit Tommy Victor von Ministry

Ein Interview von Opa Steve vom 29.03.2008 (16224 mal gelesen)
Ministry schießen das letzte Album raus, gehen auf die letzte Tour. Das Kapitel soll endgültig geschlossen werden. Tommy Victor gibt aber leise Hoffnung, dass solche Dinge wie das aktuelle Coveralbum vielleicht auch weiterhin in Zukunft von Al Jourgensen ausgehen könnten...

  Hallo Tommy, war es neben dem ernsten Stoff von MINISTRY und PRONG ein Vergnügen, mal Coverversionen einzuspielen?

Tommy Victor:   Weißt du, ich hatte an "Cover Up" weniger Anteil als mir lieb war. Ich war mit PRONG's "Power Of The Damager" zu sehr beschäftigt. Dennoch haben mir die Gesangseinsätze sehr viel Spass gemacht.

  Die Coverversionen sind überraschend nah am Original. Natürlich mit einem anderen Sound, aber ihr habt den Geist der Stücke bewahrt. Was war eure Intention bei der Songauswahl?

Tommy Victor:   Al und ich hingen eine ganze Weile rum, haben immer Radio in unserem Schnapsladen gehört. Und dabei fiel uns auf, dass auf klassischen Rock-Sendern manche Stücke immer wiederkehren. Der LOUIS AMSTRONG Titel war natürlich eine Ausnahme, aber Al hat einen besonderen Geschmack für absurde Dinge, und ein gutes Händchen bei der Songauswahl bewiesen.

  Habt ihr auch mal versucht, manche Songs eher im typischen MINISTRY-Stil und in der entsprechenden Geschwindigkeit zu spielen? Ich glaube, "Roadhouse Blues" war ein solches Experiment...

Tommy Victor:   .....ich würde behaupten, alle Titel sind MINISTRYsiert worden.

  Welche Reaktionen erwartet ihr, wenn MINISTRY-Fans auf einmal Weichspüler-Melodien wie im Opener hören?

Tommy Victor:   Keine Ahnung. Wir versuchten, mit dem STONES-Song in Richtung Dance Club zu gehen. Manche Leute werden es sicherlich nicht mögen, aber es kam so flockig rüber, dass der Großteil der Hörer sicher den Kick spürt.

  Um noch etwas mehr über die "Band" MINISTRY zu sprechen - hast du dich jemals wie ein echtes Bandmitglied gefühlt, oder war MINISTRY nur ein Besuch? Du hattest recht wenig Zeit, und wenn man Al trauen kann, ist das Kapitel ja bald endgültig vorbei.

Tommy Victor:   Es ist Al's Band, darüber besteht kein Zweifel. Ihm gebührt der Dank, denn er hat sich den Arsch aufgerissen, dieses Projekt am Leben zu halten. Ich bin glücklich darüber, dass ich beteiligt wurde und auch dankbar für die geilen Clubgigs, die wir absolviert haben.

  Wie war die Arbeit für dich als du in zwei Bands spieltest? Hattest du genügend Zeit für alles?

Tommy Victor:   Nö. Das war echt wie ein Pickel am Arsch, da will ich nicht lügen. Allein für die Gitarrenarbeit gab es so viele Tunings und Songs, die ich mir auf Anhieb draufschaffen musste. Ich hab's geschafft, aber ich weiß nicht, ob das ein Segen oder ein Fluch war.

  Erzähl mir doch noch etwas über die unterschiedlichen Positionen und Herangehensweisen, wenn man PRONG mit MINISTRY vergleicht. Was war die schwerste Umgewöhnung?

Tommy Victor:   PRONG ist immer eine Herausforderung und ein Kompromiss. Ich singe bei PRONG, also muss ich die Gitarre passend zu den Vocals schreiben und umgekehrt. Bei MINISTRY spiele ich eine Menge Songs, die ich selbst nicht geschrieben habe. Ich spiele einfach nach, was ich auf der Platte höre. Dazu paar Soli und bisschen Background-Gesang. MINISTRY werden ziemlich professionell produziert, während ich mit PRONG einfach mit paar Amps auf die Bühne gehe. Wir killen einfach unsere Instrumente, und das war's. Wie MOTÖRHEAD halt.

  Wirst du MINISTRY vermissen?

Tommy Victor:   Ich habe die ganze Zeit auf Al eingeredet, das Projekt fortzusetzen. Ich liebe es, bei MINISTRY zu spielen - es ist eine Ehre.

  Begrabt ihr MINISTRY am Ende der George-W.-Bush-Ära?

Tommy Victor:   Nein. MINISTRY sind nicht komplett mit der ganzen Bush-Geschichte verbunden. Es gibt einen Haufen Songs, die nichts damit zu tun haben.

  Was ist deine persönliche Meinung: wird Al die Labelarbeit auf Dauer reichen, oder werden MINISTRY zurück kommen?

Tommy Victor:   "Cover Up" wurde von MINISTRY und Gästen geschaffen. Ich glaube, solche Co-Produktionen könnte es auch in Zukunft geben.

  Gibt es nicht vielleicht eher "persönliche Gründe" für Al, MINISTRY an den Nagel zu hängen? Zum Beispiel wegen Gesundheit und Familie, Alter....

Tommy Victor:   ....Yeah, das kommt schon bisschen durch. Er leidet ziemlich darunter, auf Tour zu sein. Ich verstehe das. Er hat sich so stark eingebracht. Zu stark. Wir sind jetzt schon einen Monat am Proben. Er liebt es, ein großartiges Produkt herauszubringen, und spart nicht an Details. Aber ich fühle, dass er es sich etwas leichter machen sollte und vielleicht auch mal hier und da kürzer treten.

  Und die letzte Frage: gib unseren Lesern doch mal einen Tipp, was wir auf der kommenden Tour erwarten dürfen. Ist es einfach nur eine "Tour", oder habt ihr etwas Besonderes vor?

Tommy Victor:   Die Produktion dieser Tour ist völlig durchgeknallt. Das ist nicht nur eine Tour. Al hat ein Statement in das Zentrum gerückt. Man muss es erleben, um es sich vorstellen zu können.

  Vielen Dank, und vielleicht sehen wir uns ja dann.

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