Deep Purple - 1 | |
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Review von Rockmaster vom 21.08.2024 (13229 mal gelesen) | |
Für den Leser von Musikrezensionen mag es ein bemerkenswertes Phänomen sein, dass die Rezensenten schier alles über die Künstler wissen, deren Werk gerade beschrieben wird. Umgekehrt dürfte es auch dann und wann verwundern, dass sie dennoch so viel Unsinn schreiben. Die erste Beobachtung lässt sich zumindest recht leicht erklären: Natürlich saugen sich die Mitglieder der schreibenden Zunft die Musik nicht irgendwo aus dem Netz und überlegen dann, was man am besten bekritteln kann, sondern sie werden von umtriebigen Musikpromotern mit Streams, Downloads und dann und wann auch mit dem fertigen Silberling ausgestattet und erhalten frei Haus das, was wir hier gerne als "Beipackzettel" zitieren - eine kompakte Übersicht von Information (oder manchmal auch weniger davon oder unnütze) über Band, Künstler und Hintergründe des Albums. Nicht so bei DEEP PURPLEs 23. Studioscheibe (und das habe ich selber zählen müssen, hoffentlich stimmt's) "=1" (lies: "equals one", "ist gleich Eins"). Bei den Briten im fortgeschrittenen Rentenalter und dem etwas jüngeren Iren kann man es sich mal leisten, den Musikfachfreizeitler komplett im Dunkeln tappen zu lassen, was Band und Album anbelangt. Gerade mal die Lyrics gibt's, und das ist hoch respektiert! Wer damit nicht klarkommt, sollte halt den Job lassen! Zum Glück habe ich die Macher des aktuellen Werks schon zwei- oder dreimal in den letzten vier bis fünf Jahrzehnten gehört - leider zum ersten Mal altersbedingt erst nach der Auflösung 1976. Natürlich sind zuallererst aller Ohren auf Simon McBride, den neuen Mann an der Gitarre, gerichtet, der den langjährigen Gitarristen Steve Morse, der sich um Familienangelegenheiten kümmert (die besten Wünsche von hier), zuvor schon live vertreten hat. Der eigene, straighte Stil fällt durchaus auf, aber die oberflächliche Wahrnehmung weicht schnell einer anderen Erkenntnis: Die alten Herren spielen gleich bei 'Show Me' derart unbeschwert auf, wie man es nur kann, wenn man sich über das eigene Rentenniveau schon seit Jahrzehnten keine Sorgen mehr macht. Auch inhaltlich gibt sich "=1" entspannt, ganz in der Tradition des Cover-Albums "Turning To Crime". Gab es auf "Whoosh!" noch bissige Seitenhiebe auf das Zeitgeschehen ('No Need To Shout') oder Kritik an unserem Umgang mit der Erde, auf der wir leben ('Man Alive'), hören und lesen sich die Lyrics (man möge mich korrigieren, wenn jemand tiefere Insights hat) von "=1" wie aus dem vollen (Ian Gillans?) Leben gegriffen. Musikalisch braucht das Album bei mir ein wenig Zeit, bis es sich endgültig in die Gehörgänge gefressen hat. Tatsächlich mag ich die Synthi-Soli vom Tastenmeister Don Airey nicht wirklich, aber dankenswerterweise orgelt er auch seine Hammond oft genug durch. Abgesehen davon vermisse ich ein wenig der künstlerischen Ernsthaftigkeit von "Whoosh!", denn hier spielen DEEP PURPLE vorwiegend leichtfüßige, geradlinige Rocknummern, die von Simons Riffs und Dons Hammond getragen werden. Mit 'A Bit On The Side' hat mich die Band aber doch zum ersten Mal, und die Midtempo-Nummer 'Old-Fangled Thing' macht so richtig Bock. Simons Stil ist vielleicht nicht so einzigartig wie zuvor der von Steve Morse oder der von Gitarrenlegende Ritchie Blackmore (der uns "in den 70ern mal eine anständige Kelle eingeschenkt hat", Grüße an Erbsenelrond), und die Solo-Duelle mit Don haben nicht das Feuer, das damals Ritchie und Jon Lord entfacht hatten. Auf der anderen Seite fügt sich sein Spiel schnörkellos in den lockeren, aktuellen Stil ein. Der unbedarfte, uninformierte Rezensent könnte meinen, DEEP PURPLE hätten nie einen anderen Gitarristen gehabt. Wundervoll ist das bluesige Solo auf 'I'll Catch You'. Das dienstälteste Bandmitglied Ian Paice galt vor fünf Jahrzehnten als einer der besten Schlagzeuger der Welt. Inzwischen, im Alter von 76 Jahren, erwartet sicher niemand, dass er einen Drummer der "schnellen" Schule abhängt. Die Rhythmusarbeit, die er mit Mark II-Legende Roger Glover am Bass bestreitet, lebt viel von Standards. Man hört dem Mann seine Erfahrung an, sein technisches Niveau ist aber noch weit über dem Durchschnitt vieler aktueller Rock-Drummer, und für sein Alter schlägt er auch noch sauber an. Über die Tragödie, dass die Stimmbänder schneller altern als sich die Arthrose in die Finger des Gitarristen (Damals: Kelle-Ritchie) frisst, haben sich profilierte Kritiker schon in den 90ern mokiert. Get over it! Drei Jahrzehnte und eine Stimmband-OP später sollte man sich auf das konzentrieren, was geht. 'Child In Time' wird Mark II-Legende Ian Gillan nie wieder so präsentieren können wie auf der "Made In Japan". Seine (wenigen) Screams (zum Beispiel auf 'Now You're Talking') auf der aktuellen Scheibe zeigen schon deutlich die Limits auf. Vielleicht hatte er uns auf "Whoosh!" mehr zu sagen, aber heute, im Alter von 79 Jahren, hat hat offenbar noch etliche Geschichten zu erzählen. Und ich höre gerne zu. Die ausgekoppelten Singles von "=1" ('Portable Door', 'Pictures Of You', 'Lazy Sod') sind sicher gut gewählt. Aber meine persönlichen Highlights (neben den bereits erwähnten "Portable Door"-Openern) verstecken sich ein wenig auf der zweiten Hälfte des Albums. 'Now You're Talkin'' punktet mit einem lässigen Shuffle und dem Duett von Simon und Don sowie einigen schönen Soli. 'I'll Catch You' berührt zutiefst. Und 'Bleeding Obvious' wartet erneut mit einigen schönen Duetten (gleich beim Intro), (endlich mal) bissigem Wortwitz und einer abwechslungsreichen Komposition auf. Gesamtwertung: 9.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Show Me (3:59) 02. A Bit On The Side (4:11) 03. Sharp Shooter (3:44) 04. Portable Door (3:48) 05. Old-Fangled Thing (4:08) 06. If I Were You (4:43) 07. Pictures Of You (3:51) 08. I'm Saying Nothin' (3:28) 09. Lazy Sod (3:41) 10. Now You're Talkin' (4:05) 11. No Money To Burn (3:22) 12. I'll Catch You (3:20) 13. Bleeding Obvious (5:51) | Band Website: www.deeppurple.com Medium: CD+digital Spieldauer: 46:19 Minuten VÖ: 24.07.2024 |
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