Agalloch - The Serpent & The Sphere | |
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Review von Zephir vom 17.05.2014 (6636 mal gelesen) | |
Seit ihrem ersten Longplayer von 1999, "Pale Folklore", zeigen AGALLOCH, was Metal jenseits vom klassischen Heavy auch sein kann: melancholisch wie einsame Felder und Wälder, schwer und monumental wie felsige Berge, weitschweifend wie graue Wolken unter einem verhangenen Himmel. Weniger lyrisch ausgedrückt: neo-folkig, progressiv, schwarz, doomig, atmosphärisch. Die verschiedenen musikalischen Einflüsse, die die Amerikaner aus dem US-Staat Oregon zu einem unverkennbar charakteristischen Stil geformt haben, sind an dieser Stelle kaum alle zu nennen, und wie jedes wahre Kunstwerk ist das Ganze ohnehin auch weit mehr als die Summe seiner Teile. Von erstaunlicher Durchschlagkraft waren das zweite und das dritte Release, "The Mantle" (2002) und "Ashes Against The Grain" (2006). Gemeinsam mit dem ersten Album und der 2001 veröffentlichten EP "Of Stone, Wind, and Pillor" werden sie gern als tetralogische Einheit zusammengefasst. Zweifelsfrei haben AGALLOCH Meilensteine gesetzt auf dem Weg der Abkömmlinge und Erneuerer des Schwarzen Metals - und zwar Meilensteine, die hier und da gern einmal nachzubauen versucht wurden. Mit dem Aufstieg der innovativen Amerikaner wuchs konsequenterweise auch die Erwartungshaltung der Fans, weswegen das letzte Release, "Marrow Of The Spirit" (2010), trotz jubelnder Rezensionen von einigen Stimmen als schwierigstes und unzugänglichstes Album überhaupt befunden wurde. Ungefähr vier Jahre hatte man Zeit, über stilistische Weiterentwicklung oder Sakkadensprünge zu debattieren - so lange dauerte es, bis die Folgeschöpfung vollendet wurde. Nun erfüllt "The Serpent & The Sphere" die Ohren und Seelen der Fans, und AGALLOCH wenden sich ab von dem rauhen, ungeschliffenen Produktionsstil, der auf "Marrow Of The Spirit" dominierte. Ihrer pantheistischen Linie bleiben sie treu, doch geht es nun verstärkt um kosmische Essenzen und Entitäten - eine Dimension, mit der AGALLOCH noch einmal über sich hinauszuwachsen scheinen. Das Album ist, wie AGALLOCH selbst vermelden, ein Puzzle aus diversen Teilen und Teilchen, die sich nahtlos zu einem Ganzen fügen. Zwischen ausladende Klangmonumente fügen sich neo-folkige Instrumental-Intermezzi, die von einem Gastmusiker mit dem schönen Namen Nathanaël Larochette auf der Akustikgitarre eingespielt wurden. (Larochette bewegte sich auch einst im Dunstkreis der Kanadier WOODS OF YPRES, die ganz gerne mal mit den US-Kollegen in einer Phrase erwähnt werden.) "The Serpent & The Sphere" ist, wie zu erwarten war, kein einfaches Oeuvre. Schon der Opener 'Birth and Death of the Pillars of Creation' ist ein gewichtiger Koloss, in dem die Gezeiten von verhaltener Kontemplation und tiefschwerer Versenkung heranrollen, sich zurückziehen, wieder heranrollen: Birth and death. John Haughms mystische Wind-und-Wasser-Stimme wechselt zwischen Fauchen und Flüstern. Ganz wie auf älteren Werken hören wir in der Ferne Don Andersons Backing Vocals, ganz wie auf älteren Werken erfährt man durch die Musik sämtliche räumlichen Dimensionen, Höhe, Tiefe, Weite und vielleicht noch andere, unbekannte. '(serpens caput)' ist das erste akustische Interlude, in das lückenlos übergeleitet wird - untermalt von sphärischem Rauschen und sparsam eingesetztem Astralflimmern. Ohne Zweifel in die alte Form findet man sich bei 'The Astral Dialogue', einem temporeichen Track, dessen schnelle Gitarren und Drums die jagenden Vocals fliehen. Unmerklich fließen wir in das vielleicht beeindruckendste Stück des Albums, 'Dark Matter Gods', eine dunkle Hymne. Hier mischen sich elementare Ursprünglichkeit und konsequente Ruhelosigkeit; zwischendurch fallen Kadenzen, die sich durch die nie bei sich selbst ankommenden Harmonien ins Unendliche zu erstrecken scheinen. Wohl man es kaum als Einzeltrack betrachten kann - "The Serpent & The Sphere" lebt von der Komposition des großen Ganzen - ist 'Dark Matter Gods' als unbedingter Anspieltipp zu empfehlen. 'Celestial Effigy' erinnert musikalisch an manch altes Werk des Albums "Pale Folklore". 'Cor Serpentis (the sphere)', das Herz der Schlange, ist abermals ein Gitarreninterlude voll mystischer Versenkung. Im nachdenklichen, aber keineswegs ruhigen 'Vales Beyond Dimension' begegnen uns zwischenzeitlich heiser eingesprochene Textpassagen. Dieser Track fadet interessanterweise aus - währenddessen ein episches Instrumentalwerk eingespielt wird, 'Plateau Of The Ages'. Fast zwölfeinhalb Minuten baut sich hier eine zeitloses Monument auf, das, zum Schluss zunächst von ethno-angehauchten Drums untermauert, in einen postrockigen Flow aus Dur-Harmonien mündet. Obwohl dieses Finale überraschend und untypisch daherkommt, passt es doch in den Gesamtzusammenhang, dessen Puzzleteil-Wechsel eben das Bild als Ganzes ausmachen. Das Outro '(serpens cauda)' ist abermals ein akustisches Gitarrenstück, das zum Schluss in den Weiten des Himmelsgewölbes entschwindet. Was genau haben wir jetzt für Musik gehört? Trotz zahlreicher durch AGALLOCH Inspirierter (und auch zahlreicher Nachahmer) in der Metal-Welt lassen sich die schnell mal herbeigeschnippten Genrebezeichnungen auf die vorliegende Plate schlecht anwenden. Es ist eben AGALLOCH, der Stil hat sich nicht rundumerneuert, sondern ist - was Kenner freuen wird - gleichzeitig gewachsen und beständig geblieben. Am besten rezipiert man "The Serpent & The Sphere" in innerer und äußerer Stille, und zwar vom Anfang bis zum Ende im Ganzen. Möglicherweise muss man das Album mehrmals durchlaufen lassen, um mitzufühlen, was sich hier entfaltet. Mit jedem Hören offenbaren sich neue Schichten und Dimensionen - das Erlebnis lohnt sich auf alle Fälle. Gesamtwertung: 9.0 Punkte | |
Trackliste | Album-Info |
01. Birth and Death of the Pillars of Creation 02. (serpens caput) 03. The Astral Dialogue 04. Dark Matter Gods 05. Celestial Effigy 06. Cor Serpentis (the sphere) 07. Vales Beyond Dimension 08. Plateau of the Ages 09. (serpens cauda) | Band Website: www.myspace.com/agalloch Medium: CD Spieldauer: 59:57 Minuten VÖ: 16.05.2014 |
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