Animals As Leaders - The Joy Of Motion

Review von Opa Steve vom 21.04.2014 (6949 mal gelesen)
Animals As Leaders - The Joy Of Motion Die verrückten Musikgenies um Tosin Abasi sind zurück! ANIMALS AS LEADERS, die vermutlich exzessivsten Vertreter anspruchsvoller Musikalität (seelenlose Frickel-Kapriolen anderer Hightech-Instrumentalisten zähle ich entschieden nicht dazu), liefern nach dem bisher leider zu wenig beachteten Debüt und dem fantastischen "Weightless"-Album ein neues Werk ab. Die drei Ausnahme-Musiker präsentieren auf dieser Scheibe zum ersten Mal Neu-Drummer Matt Garstka, der schon auf der Bühne vor zwei Jahren den zuvor ausgeschiedenen Navene Koperweis ersetzen durfte. Garstka beherrscht genauso die extrem gegenläufigen Beats und die komplexen Jazz-Figuren, die dem Zuhörer sogar das Zählen der wirren Taktstrukturen wie 10/8 zusätzlich erschweren. Überraschenderweise wird Koperweis nach wie vor bei den Credits aufgeführt, nämlich bei der Electronic Production. So ganz ist er also aus dem Dunstkreis der Band nicht verschwunden, und zu dieser Entscheidung werden wir Tosin an anderer Stelle noch befragen.

Zur Musik. Wer geschliffenen Fahrstuhl-Metal, mitgröhl-taugliche Refrains oder Headbanger-Stoff erwartet, sollte nun aufhören zu lesen. Natürlich ist auch die neue Scheibe, "The Joy Of Motion", trotz ihres dance-affinen Titel eine Herausforderung an Verstand und Toleranz. Das Trio mit den beiden Wahnsinns-Gitarristen Tosin Abasi und Javier Reyes holt aus seinen 8-Saitern und Drumkesseln wieder unglaubliche Figuren heraus. Genauso wie abgefahrene Sounds und Perkussivität, vermutlich zusätzlich gepitchte Bass-Simulationen und einen auffällig großen Synthie-Anteil, der wie bereits erwähnt von ihrem Ex-Drummer beigesteuert wird und in Titeln wie 'Crescent' sogar stellenweise tonangebend ist. Obwohl die neue Scheibe erst einmal mit einem brachialen Opener beginnt, der an das Debüt-Album unmittelbar nach Tosins Metalcore-Vergangenheit erinnert, ist die Scheibe nicht mehr so ein durchgehender Mindfuck wie früher. Der dritte Song, 'Air Chrysalis', ist schon auf einer Entspanntheit, die man vom "Weightless"-Album kennen und schätzen gelernt hat. Und auch insgesamt klingen ANIMALS AS LEADERS anno 2014 weiterhin ein Stück versöhnlicher und achten darauf, dass sie nicht 60 Minuten 95% ihrer Zuhörer mental überfordern. Viele Fusion-Sounds haben sich eingeschlichen, die man beinahe als "smooth" bezeichnen könnte. So ist das Stück 'Physical Education' sehr Funk-betont, und ebenso lässig klingt der südamerikanisch-jazzige Crossover in 'Para Mexer'. Wer auch mal verträumte Sounds hören möchte, der wäre bei 'The Future That Awaited Me' perfekt aufgehoben. Ein akustischer Titel mit wunderbarer Harmonieführung und oftmals von einer PINK FLOYDschen Atmosphäre umgeben. Ebenfalls sehr lässig ist der etwas flottere Lounge-Jazz in 'Another Year', mit dem man durch die erst ab der zweiten Hälfte zugeschalteten Distortions ein paar unbedarfte Zuhörer zu grimmigen Blicken provozieren kann. Die anderen Extreme in Richtung gnadenloser Härte werden in gewohnter Weise vom Opener 'Ka$cade' und dem unglaublich anstrengendem 'Mind-Spun', bei dem man das Taktmaß alle 10 Sekunden neu ausgewürfelt zu haben scheint, abgedeckt. Eine Explosion von Dissonanz, Rhythmik und schwindelerregend versetzten Läufen.

ANIMALS AS LEADERS scheinen auf "The Joy Of Motion" eine Art Altersgelassenheit zu erreichen. Es werden nicht mehr durchgehend sämtliche bisher bekannten Gitarrenhelden als zweitrangig deklassiert, sondern das Album atmet mehr Ruhe. Die verrückten Elemente und gnadenlosen Attacken jenseits der verbreiteten Musikmaßstäbe sind nach wie vor enthalten, aber die Ausgeglichenheit zwischendurch ist sehr angenehm. Das mag die Nerds stören, die pausenlos die aberwitzigsten Dinge hören möchten, aber es hat mir an ANIMALS AS LEADERS schon immer gefallen, dass sie trotz aller Ansprüche einfach verdammt emotionale Musik machen. Die Glücksgefühle stellten sich vielleicht bisher nur bei Musikern ein, die die formelle Schönheit dahinter bewundert haben. Mit den spürbaren akustischen und auch ruhigeren Passagen lädt "The Joy Of Motion" aber auch einen größeren Hörerkreis ein, sich vorsichtig in das musikalische Paralleluniversum eines Tosin Abasi hineinzutasten, ohne direkt überrollt zu werden.

Gesamtwertung: 9.0 Punkte
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Trackliste Album-Info
01. Ka$cade
02. Lippincott
03. Air Chrysalis
04. Another Year
05. Physical Education
06. Tooth And Claw
07. Crescent
08. The Future That Awaited Me
09. Para Mexer
10. The Woven Web
11. Mind-Spun
12. Nephele
Band Website:
Medium: CD
Spieldauer: 54:21 Minuten
VÖ: 18.04.2014

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