Up From The Ground 2005

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Take off: 26.08.2005 - Review (9886 mal gelesen)
Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser. Mit diesen Worten hat Gerhard Schröder sich vor ein paar Jahren (die älteren unter den Lesern werden sich vielleicht erinnern) mal zur Wahl zum deutschen Kandesbunzler gestellt.

Ungefähr das hatten sich die Veranstalter des diesjährigen UP FROM THE GROUND-Festivals wohl auch vorgenommen, und ebenso wie bei der Politik der Regierung Schröder kann man geteilter Meinung sein, ob das wirklich gelungen ist.

Verändert wurde z.B. die Security bzw. deren Zusammensetzung: an allen kritischen Punkten (Zeltplätze, Bühne, Einlaßkontrolle) wurden Profis mit teilweise verdächtig sächsischem Akzent eingesetzt, ob da nicht die berüchtigten Leipziger Löwen zum Einsatz kamen? Nun, im Gegensatz zu gewissen Securityvollspacken vom letzten Jahr nahmen die hier sich zwar auch furchtbar wichtig und waren weit davon entfernt, freundlich zu sein, aber immerhin hab ich nicht mitbekommen, daß irgendjemandem seitens der Security Gewalt angetan worden. An weniger kritischen Stellen wie Bändchenausgabe, Bier- und Freßstand etc. kamen wie im Jahr zuvor wieder ehrenamtliche Helfer zum Einsatz, die sich allesamt als freundlich und meist auch kompetent erwiesen.

Weitere Änderung gegenüber 2004: Parktickets, von deren Existenz bzw. Notwendigkeit ich erst durch eine Meldung auf der Homepage erfuhr, welche besagte, daß ebendiese ausverkauft seien. Nüja, in Ermangelung eines solchen P-Tickets (P wie Privilegierte) mussten wir dann das Auto draußen stehen lassen und unseren Kram auf den Fußvolkcampingplatz ganz am Ende der Mainwiesen schleppen, was aufgrund der Topographie vor Ort (schmale, aber langgestreckte Wiese entlang des Mainufers) einen Fußmarsch von schätzungsweise zwei Kilometern bis zur Bühne und einem bis zum Auto bedeutete. Tjaha, hätt man das mal eher gewusst...

Und noch eine kleine Änderung gab's: statt nur einem "Ichbinwichtig"-Ausweis gab's diesmal gleich zwei davon für mich, einmal für Presse und einmal für Photo, na wenn ich mir da mal nicht toll vorkomme!

Ansonsten blieb alles beim alten: meist ordentlicher Sound, vernünftige Bier- und Freßpresse, allerlei lustiges Metallervolk und sehr gute Bands.

Bands! Da wären wir auch schon fast beim Thema. Da nämlich mein Bier im Zelt bzw. am Auto war, dort aber keiner mit mir saufen wollte, war ich doch tatsächlich gezwungen, meinen Pegel nahezu komplett am Bierstand einzustellen, was zwar meinen Geldbeutel weniger freute, mir aber immerhin ermöglichte, mir fast alle Bands anzugucken.

Selaiah
Selaiah

Das Festival eröffnen am Freitag SELAIAH, und bei dem Namen bin ich doch froh, daß ich mir noch einen Festivalguide mit Running Order aufgehoben habe. Stellenweise hat's mich ein wenig an AT THE GATES erinnert, jedenfalls gehören die vier Franken und eine Fränkin in die Schublade, wo Melodischer Death Metal drauf steht. War jedenfalls recht ordentlich und als Auftakt sicherlich in Ordnung.

ANTICHRIST sind erstaunlicherweise nicht ganz so peinlich, wie der Name vermuten ließ, dennoch gibt's genug Grund, sich zu schämen, aus der gleichen Stadt wie die vier Pandas zu kommen, die sich mehr schlecht als recht durch ihr Set holpern und zu allem Überfluß auch alle noch das gleiche Bandshirt tragen, nämlich das ihrer eigenen. Black Metal für solche, denen IMMORTAL zu tight und nicht true genuch sind...

Alkleiche
Das erste Alkoholopfer des Festivals

Auf dem Weg zu FEARER entdecke ich dann die erste Alkoholleiche des Festivals, dessen unbenommen und ungeachtet des hier relativ beschissenen Sounds ballern die Florida-Death-Liedchen der vier Friesen denen, die noch stehen können, ganz ordentlich das Hirn raus. Der selbstangestellte Vergleich mit MALEVOLENT CREATION ist durchaus berechtigt.

A propos Alkoholleiche: passend dazu der Name der nächsten Band, DELIRIUM TREMENS. Sound ist wieder besser, und eigentlich, ja eigentlich... Ja, eigentlich ganz geiler Thrash, wenn das Wörtchen wenn resp. der Sänger nicht wäre. Denn der klingt wie eine Kreuzung aus Rob Halford und King Diamond auf Amphetaminen. Aber von weiter hinten vom Bierstand aus isses auszuhalten. Insgesamt aber doch: Daumen hoch!

Dark Fortress
Dark Fortress

Danach sind wieder irgendwelche Pandas aus dem Zoo ausgebrochen, um "klirrende Kälte zu verbreiten" (Presseinfo). Ähja. DARK FORTRESS machen halt auch wieder genau die Sorte Black Metal, die ich überhaupt nicht ausstehen kann, immer nach dem Motto "stumpf ist trumpf" und bloß nicht mehr als zwei Riffs pro Song. Von Breaks oder andern als Schrummelrhythmen mal ganz zu schweigen. Wer's mag...

Da geh ich lieber mal zum Zelt zurück, wo mir ein Securityfutzi (einer von den "Profis") mitteilt, daß das betreten des Bahndamms verboten sei, weswegen das Absperrband nämlich auch hinter demselbigen gespannt ist. Ahja, gut zu wissen. Pinkel ich halt woanders.

Limbo
Improvisiertes Limbogerät, zusammengehalten von verbotenerweise vom im Hintergrund zu sehenden Bahndamm geklauten Absperrband

Pünktlich zu MY DARKEST HATE steh ich aber wieder vor der Bühne, und was soll man groß sagen: wer die deutsche Antwort auf BOLT THROWER noch nicht gesehen hat, hat was verpasst. Geboten wurden die üblichen Hits wie 'Eye for an Eye' oder 'Tank', allerdings meine ich mich auch an einen neuen Song zu erinnern, möglicherweise spielt mir der Alkohol, der böse Geist, da aber auch einen Streich (wenn man die eigene Schrift im Notizbuch nimmer lesen kann...).

An dieser Stelle wird es Zeit, endlich mal auf das Wetter einzugehen: denn das UFTG war für mich dieses Jahr das erste Festival (und ich war auf deren fünf!Wenn ich hier mal rumprotzen darf...), auf dem's nicht ein einziges Mal geregnet hat, nein, ganz im Gegenteil, die Sonne lachte unschuldig und strahlend vom Himmel und konnte zeitweise sogar darüber hinwegtäuschen, daß es eigentlich saukalt war (vielleicht waren da die eben erwähnten Pandabären dran schuld. Hm, ob man die globale Erwärmung stoppen oder umkehren könnte, indem heiße Latinorhythmen verboten werden und nur noch Black Metal gespielt wird? Ich werd das mal nachrechnen...). Jedenfalls nicht ganz das optische Ambiente, das man sich für eine Band wie END OF GREEN wünscht, da müsste

End of Green
End of Green spielen, der Basser trinkt derweil Bier
nämlich mindestens mal Dämmerung mit Nebel, optimalerweise auch einem ordentlichen Nieselregen oder vielleicht sogar einem kleinen Hagelschauer her. Bei den erwähnten Wetterverhältnissen will sich die düstere Athmosphäre, die die fünf Schwaben zum Zelebrieren ihres Gothic Rocks aufzubauen versuchen, nämlich nicht so recht einstellen. Gleichfalls zur Nichtverdüsterung meiner Stimmung trägt das Gehabe von Sänger Michelle "Oh yeaaah!" Darkness bei, der sich wahlweise an Mikroständer oder Gitarre festklammert, ohne letztere wirklich zu bedienen. Abgesehen davon aber ein sehr geiler Gig, für mich bis dahin die beste Band des Tages, auch wenn zum Mißfallen einiger Mitanwesender fast nur "neuer" Kram der letzten vier Alben oder so gespielt wird.
Primordial
Primordial guckt ganz bös

PRIMORDIAL machen laut Programmheftle Black Metal mit keltischer Folklore, und im großen und ganzen stimmt das auch, allerdings krankt der insgesamt eigentlich recht gute Eindruck wieder einmal am Sänger, der auf unbestimmbare Art ziemlich nervt. Lustigerweise hat mich die Musik stellenweise ziemlich an neuere QUEENS OF THE STONE AGE erinnert.

Randnotiz am Rande: bei einem kleinen Ausflug auf den Zeltplatz treffe ich zwei Leute, die ich anhand des Kennzeichens des Autos, in dem die beiden sitzen, meinem Heimatlandkreis zuordne, und es stellt sich heraus, daß einer der beiden sogar aus meinem Kaff stammt, was umso erstaunlicher ist, weil das eigentlich eins jener Käffer ist, wo jeder jeden kennt und ich den jungen Mann eben grade nicht kannte. Aber die jungen Herren haben kein Ur-Pils, also weiter im Text.

Hab ich schonmal erwähnt, daß ich von EKTOMORF nicht viel halte? Nein? Doch, ich glaube schon.

Ensiferum
Ensiferum

ENSIFERUM hingegen machen das, was neuerdings unter dem Rubrum "Viking Metal" firmiert, wenn sie dieses Genre nicht gar erfunden haben (meiner Meinung waren das aber Unleashed, aber dazu später). Jedenfalls ziemlich beeindruckend und lustig, aber nichts, was ich mir privat anhören möchte.

Napalm Death
Napalm Death

Den Headliner des Tages geben dann die Briten NAPALM DEATH, und wie nicht anders zu erwarten, geht's ab. Und wie! So sehr, daß sich sogar ein alter Mann wie ich mal wieder in den Moshpit traut. Und Pogo macht müde Männer munter! Auf Dauer wird das allerdings anstrengend, also mach ich erstmal von meinem "Ich bin wichtig"-Paß Gebrauch und begebe mich ins Pressezelt, wo's aber auch nix dolles gibt, also mach ich im Photograben noch ein paar Bilder und mische mich wieder unters Volk.

Fleischkäse
Fleschkäse mit Kartoffelpüree im Presszelt

Musikalisch gibt's nix zu meckern, von der "Scum" bis zum aktuellen Machwerk "The code is red...long live the code" gibt's etwas über anderthalb Stunden lang voll auf die Glocke.

Danach iss dann erstmal Ruhe für heute, es wird noch ein bißchen rumgesoffen mit meiner zukünfigen Band (zumindest Teilen davon - lustig, wen man so alles trifft) und dann brav in die Heia gegangen.

Am Samstag "morgen" ist erstmal ordentlich kacken angesagt, und am nächsten liegen erfreulicherweise die Spül-WCs. Unerfreulicherweise ist da so'ne riesige Schlange vor, daß ich's vorziehe, bis ganz vor zum Festivalgelände zu wandern, was den positiven Nebeneffekt hat, daß mir FRAGMENTORY, die gerade anfangen, den Soundtrack zu dem halbstündigen Epos "Wie ich weiland eine Affenfamilie durch die Brille boxte" liefern können. Der musikalischen Untermalung nach muß das ein ziemliches Gemetzel gewesen sein. Bemerkenswerterweise fangen fast alle Songs mit nem Bassintro an, und ansonsten ist die Musik ziemlich simpel gestrickt, der zwote Song beispielsweise kommt mit zwei Riffs aus, die gelegentlich etwas variiert werden. Dennoch wird's nicht langweilig, und so kommt insgesamt doch ziemlich geiler, brachialer und doch melodischer Death Metal raus. Oder halt eben ein Kack-Soundtrack.

Zum Zelt und zurück gelatscht spielen mittlerweile PATH OF GOLCONDA, und eigentlich könnte ich die Beschreibung da grade eben nehmen und hierhin pflanzen, würde auch passen, man müsste nur die Bassintros durch Gitarrencleanparts ersetzen.

DISINFECT suchen nicht nur "einen jungfräulichen Sänger", sondern machen derweil auch noch ganz passablen DEATH METAL à la americana. Da fällt mir ein, ich könnt ma wieder Hackfleischpizza...

Dark Age
Dark Age

DARK AGE hingegen machen mal ausnahmsweise keinen Death Metal, jedenfalls keinen reinrassigen, sondern bringen auch noch Rockeinflüsse drin unter. Oder machen sie etwa Rock mit Death-Einflüssen? Überzeuge sich selbst, wer die Gelegenheit dazu hat, meinereiner fand's jedenfalls recht unterhaltsam.

Unterhaltsam waren auch die Ansagen von HATESPHERE, unsere nördlichen Nachbarn sind offenbar ein lustiges Völkchen. Musikalisch war's halt bissl eintönig, wie das bei Neothrash oder neuerdings auch Metalcore ja öfter mal vorkommt, aber trotzdem ziemlich geil, jedenfalls eine Band, die rockt! Live zumindest, auf Platte konnten mich die Dänen bisher nicht so recht überzeugen.

Eine Libelle (wohl eine grüne Mosaikjungfer) und diverse Schmetterlinge (vornehmlich Kohlweißlinge) lassen sich von dem ganzen Spektakel indes nicht vertreiben und fliegen munter über den Platz und sammeln Nektar resp. jagen Kleininsekten, da kann auch HEAVEN SHALL BURN nix dran ändern. Einmal mehr gilt das eben gesagte: an sich ziemlich geil, aber auf Dauer ziemlich eintönig, auch wenn die Metalschlagseite diesmal mehr aus der Death-Ecke kommt.

Fleshcrawl
Fleshcrawl

FLESHCRAWL machen nun mal wieder (zur Abwechslung und so) in Death Metal und bolzen sich ziemlich tight durch ihr Set, sind dabei aber ziemlich unoriginell und vorhersehbar, so daß es höchstens ein paar Fleißpunkte für Synchronbangen gibt.

Rotting Christ
Rotting Christ

Zur Auflockerung wird danach mal etwas Power Metal geboten, auch wenn das ganze geschickt getarnt als Black Metal-Band auf die Bühne geschickt wird. Die Rede ist von ROTTING CHRIST, die ich von Platte her irgendwie anders in Erinnerung habe, eher weniger nach... HAMMERFALL klingend (zumindest was die Riffs angeht, gesanglich war da schon eher Blackmäßiges Gekeife angesagt).

Wie dem auch sei, spätestens bei MNENIC ist wieder alles beim alten, es gibt... Spannung! Tada: Death Metal, diesmal allerdings eher von der doomigen Sorte. Insgesamt ziemlich lahmarschig und langweilig, deswegen nichtmal Fleißpunkte.

Unleashed
Unleashed

Aber dann! Hossahe, die Wikinger sind da! UNLEASHED blasen alles weg, und erfreulicherweise ist auch alter Kram dabei, von 'Across the open sea' über 'Death Metal Victory' bis hin zu neueren Knallern wie 'Winterland' (womit denn auch das Set eröffnet wurde) wird einem hier eins nach dem andern eine Vollbedienung in Sachen Death Metal verpasst! Hossahe einmal mehr, wer will das noch toppen?

HYPOCRISY könnten es wohl, leider iss mir aber schweinekalt und ich bin todmüde (jaja, Pussy, ich weiß), also muß ich mich hier an Augenzeugenberichte aus erster Hand halten. Von der neuen Platte wurde offenbar nix gespielt, dafür, wenn ich das richtig verstanden habe, irgendwas, was noch gar nicht veröffentlicht ist. Irgendwie sowas in der Art jedenfalls, muß aber wie auch immer tierisch gerockt haben.

Abschließendes Fazit: nächstes Jahr fahr ich mit dem Hausboot dahin und mach direkt hinter den Freßbuden fest, dann ist alles prima. So weit latschen will ich jedenfalls nimmer, zumindest nicht auf nem so kleinen Festival. Ansonsten gibt's diesjahr keinen Mecker, sondern ein dickes Lob an die Veranstalter, deren einer am Sonntag morgen sogar noch höchstpersönlich über die Zeltplätze gelaufen ist und Müllsäcke verteilt hat (natürlich erst, nachdem ich vorne an der Kasse welche geholt habe). Wenn das mit dem Hausboot klappt, dann bis nächstes Jahr!

Billing
ANTICHRIST
BELPHEGOR
DARK AGE
DARK FORTRESS
DELIRIUM TREMENS
DISINFECT
EKTOMORF
END OF GREEN
ENSIFERUM
FEARER
FLESHCRAWL
FRAGMENTORY (R.O.T.S.)
HATESPHERE
HEAVEN SHALL BURN
HYPOCRISY
MISERY INDEX
MNEMIC
MY DARKEST HATE
NAPALM DEATH
PATH OF GOLCONDA
PRIMORDIAL
ROTTING CHRIST
SELAIAH
THE DUSKFALL
UNLEASHED

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