Interview mit AGAEL von Agael

Ein Interview von grid vom 21.03.2014 (6489 mal gelesen)
Mit "Trost" hat AGAEL ein emotional tief berührendes Album geschaffen, das einen willkommenen Anlass für Nachfragen bot – offen und sehr bewegend fielen seine zum Nachdenken anregenden Antworten aus ...

Zuerst möchte ich Dir zu Deinem Album "Trost" gratulieren und gleich die Frage anschließen: Was bedeutet der Name AGAEL? Bitte stelle doch Dein Bandprojekt unseren Lesern vor.

AGAEL: Der Name AGAEL selbst hat keine spezielle Bedeutung. Gestartet wurde das Projekt als "Zweimannband" mit meinem Bruder Vito unter dem Namen UNBATHOR ... Als ich dann alleine weitermachte, beschloss ich den Namen zu ändern und lies es einfach auf mich zukommen. Nach unzähligen Wortspielereien und Spaziergängen durch den Heidelberger Wald war er auf einmal da. Als ich mich dann an das Logo machte und mir das Ergebnis gefiel, war die Sache klar. Ich lass die Dinge auf mich zu kommen ... Wie bei der Musik! Das "Innerste" braucht Zeit, dann wird es gut, dann ist es kreativ und im Anschluss kann "Schöpfung" sehr schnell gehen. Kunst hebt sich von der Kalkulierbarkeit ihrer Zeit ab ... Ich für meinen Teil nenne das "AGAEL"! Musikalisch setz ich dadurch auch auf Improvisation.

Wie würdest Du Deine Musik jemandem beschreiben, der noch nie etwas von Dir gehört hat?

AGAEL: Authentisch, emotionsgeladen, nachdenklich, differenziert, polarisierend und lyrisch gehaltvoll. Ich würd mich freuen, wenn meine Lieder auch mal die lyrische Aufmerksamkeit bekommen.

Wer sind Deine musikalischen Vorbilder?

AGAEL: Na ja, in Zeiten in denen ich komponiere, höre ich keine anderen genretypischen Bands, um einfach eigenständiger zu bleiben. Aber wie jeder andere habe ich mit ein paar Bands so meine ersten Sympathien für diese Musik entwickelt. Da waren Bands und Projekte wie LUNAR AURORA, WINDIR, SUMMONING, AGALLOCH, BLACK AUTUMN und viele mehr ... Ich bin auch mit der Musik der 70er Jahre aufgewachsen und da wäre meine Leidenschaft für MIKE BATTs "Tarot Suite" zu erwähnen oder Gruppen wie MANFRED MANN's EARTHBAND und NECTAR. Wichtig ist aber, meinen eigenen Stil gefunden zu haben.

"Trost" ist nach "Hybris" und einer Split mit LEBENSNACHT Dein zweites Vollalbum. Du befasst Dich hier mit der modernen Gesellschaft und wie wir modernen Menschen mit dieser sich verändernden Welt umgehen. Was möchtest Du mit Deiner Musik beim Hörer erreichen?

AGAEL: Diskurs zum einen, aber auch das "sich dem Moment widmen". Zwiespalt ist viel zu negativ besetzt. Ich möchte etwas weitergeben. Musik hat mich mein ganzes Leben begleitet und nicht nur Metal. Ich habe Botschaften aufgenommen, sie in meinen inneren Diskurs aufgenommen, verarbeitet und mir irgendwann gedacht: Hey, da ist irgendwo einer, der ist wie ich, mit seinen Problemen, Ecken und Kanten, aber er schafft es, daraus etwas zu schaffen und sich auf eine künstlerische Art mitzuteilen. Wenn sich nur einer entscheidet, solch einen Weg einzuschlagen, weil er meine Musik und Gedanken verfolgt hat, dann hab ich etwas bewirkt, was mir selbst einmal zuteil wurde. Ich will nicht mit Weisheiten um mich werfen, aber ich werfe meine Gedanken in den "Topf", auf meine Art und Weise und dazu steh ich.

Die Lyrics sind als ein einziges langes Gedicht zu verstehen. Bitte gib uns doch einen Einblick, worum es in den einzelnen Songs geht und welche Denkanstöße Du geben möchtest?

AGAEL: Einige, die mich kennen, würden jetzt sagen: "Hättste bloß nicht gefragt, jetzt fängt er gleich wieder an!". Nein, im Ernst, ich versuch's, kurz zu machen. Trost ist nur instrumental zu differenzieren. Die Lyrik ist streng ineinander verwoben und entstammt, wie erwähnt, einem langen Gedicht, das ich schrieb. Es ist ein Gedankenkonstrukt, das zwei innere Stimmen beinhaltet. Die eine repräsentiert das Kleine, Naive, Verlorene in uns, begrenzt durch ein unendliches, unbegehbares und subjektives Universum. Die andere symbolisiert die Endlichkeit (oder den Tod). Sie zeigt uns die Grenzen, sie verhöhnt uns und zeigt uns, wie wir im Alltag unsere Objektivität verlieren. Sie ist die geistige "Herdplatte" und soll dem Kinde in uns dienen, sich zu überdenken. Sinnsuche beginnt nach meiner Auffassung mit innerer Ehrlichkeit und seiner Existenz Leben zu verleihen. Aber das mit der inneren Ehrlichkeit ist der schwierigste Part, weil wir alle Traurigkeit akzeptieren müssen.

Gibt es einen Song auf "Trost", der eine ganz besondere Bedeutung für Dich hat?

AGAEL: Also, da jetzt einen aus dem Kontext zu nehmen ... Fuh. Nein, geht nicht. Für mich ist das ein Stück. Einem Teil davon einen übergeordneten Stellenwert zuzumessen, bekomm ich nicht hin. Mein Kind ist schön, so wie es ist. Und nur weil alles so ist, wie es ist, erwacht es zum Leben.

Trost spenden bedeutet Anteil zu nehmen und sich einzufühlen, um den zu Tröstenden Zuversicht und Mut schöpfen lassen. Gab es ein konkretes Erlebnis, bei dem Du die positive Wirkung des Trostes - spendend oder empfangend - erfahren hast und was dann der Anstoß für dieses Album war?

AGAEL: Interessante und zugleich intime Frage! Ich glaube, dass Trost auch von innen her kommen kann, sozusagen "Selbsttrost". Eben in sich selbst einzufühlen. Sich seiner Selbst in einem schlimmen Moment bewusst sein. Zu lernen, dass Trost oder Selbsttrost schon im Vorfeld einer Begebenheit stattfindet. Sich klar zu sein, dass die unaufhaltsamen Dinge einen dazu bringen sollten, den Moment zu erkennen, zu genießen und zu leben. Taktvoller Umgang und doch Aussprechen, was man zu sagen hat, bevor es zu spät ist. Ich glaube, dass Trauer immer eine Ohnmacht beinhaltet und wenn man genau hinschaut, eine auf sich selbst gerichtete Wut, eben dieser Ohnmacht, nicht rechtzeitig entgegen gewirkt zu haben. Mein persönliches Erlebnis war der Tod meines Großvaters. Ich stand bei ihm am Sterbebett. Ich nahm seine Hand und schloss ihm die Augen. Das war der schlimmste Moment in meinem bisherigen Leben, aber auch der würdevollste. Um nichts in der Welt hätte ich woanders sein wollen. Wenn ich jetzt darüber schreibe, schnürt es mir immer noch fast die Luft ab. Der Trost lag in der Entscheidung dort zu sein und gemeinsam diesen letzten würdevollen Weg zu gehen. Diese Thematik in die immerwährenden Fragen einzubeziehen, war ab diesem Tag unumgänglich für mich. Wir besitzen etwas, das wahrscheinlich 99,99 % des Universums nicht besitzt und das ist Bewusstsein. Wir schieben oft zu leichtfertig ab, was uns zum lebendigen Menschen macht. Trauer und Depression sollte uns als Teil unseres Lebens bewusst sein, genauso wie Freude und Glück. "Und Heim kehrt das Leben immer zu. Und als du kamst verließt du nur die Ruh. Und Raum und Zeit wart dir gegeben. Nach dieser einen Geschichte nur zu streben. Und dieser Erkenntnis letzter Fluch. Ist der dunklen Ewigkeit Leichentuch." (Ewige Heimkehr)

Mir gefällt die Ausgewogenheit der überwiegend schneidend kalten schwarzmetallischen Gitarrenklänge, die im Kontrast zum entrückten, ambienten Keyboard stehen. Welches Instrument benutzt Du zum Komponieren?

AGAEL: Das ist unterschiedlich. Bei "Trost" war es in der Hauptsache die Gitarre. Aber auch das Keyboard kam zum Einsatz. Mir war diesmal wichtig, die Gitarre das Ganze tragen zu lassen, im Gegensatz zum Album "Hybris". Die Gitarren sind die "emotionalen Schnüre", an denen man sich entlanghangelt, mal rauf mal runter. Und das Ganze auf einem weichen, dahingleitenden synthetischen Teppich.

Was ist Deiner Meinung nach das Schwierigste, wenn es darum geht extreme Musik zu machen? Was war die schwierigste Arbeit bei "Trost"?

AGAEL: Ganz klar emotional so tief "drinzuhängen". Ich musste immer wieder pausieren. Tage, manchmal Wochen! Extreme Musik ... hmm ... des einen Fels, ist des andern Kiesel. Für mich ist das nicht "extrem"! Das ist das Schöne an diesem Genre, dass es alles in sich birgt. Extrem find ich, wenn man sich emotional beschneiden muss, um zurechtzukommen. Extrem finde ich diese ganzen Pauschal-Rezept-Wikipedia-Philosophen, die im heutigen Zustand unserer Welt immer noch glauben, man kann nur gewinnen, indem man andere besiegt. "Giftmischer sind es ob sie es wissen oder nicht" (Nietzsche). Nein ich mache keine extreme Musik. Ich drücke nur Extremitäten aus, die ich sehe und erfahre.

Das Cover mit dem vor einer Weltraumkulisse in Händen gehaltenen Baby hebt sich von den gängigen Coverbildern auffallend ab. Wie kam es zu diesem Motiv? Wer war für die Covergestaltung verantwortlich?

AGAEL: Das Layout hab ich auch selbst gemacht. Die integrierten Zeichnungen allerdings stammen von meiner Lebensgefährtin Daniela H. Sie sind lange vor dem Album entstanden. Aber stachen mir immer wieder ins Auge, als ich an der Musik arbeitete. Irgendwann setzte ich dieses Baby auf ein Sternenbild, um sinngemäß mit der Thematik zu spielen, während einer der Songs (noch ohne Gesang) im Hintergrund lief. Der Anblick hat mich fast erschlagen. Chaostheorie hin oder her, in dem Moment wusste ich: Das muss so sein. Das Sternenbild ist im Übrigen der "Adlernebel" und das Baby verdeckt die sogenannten "Säulen der Schöpfung", ein hochaktives Sternenentstehungsgebiet.

Was möchtest Du uns noch zu "Trost" sagen?

AGAEL: Wer etwas Unkonventionelles in diesem Genre sucht, holt euch die Scheibe! Es wird nur 300 geben. Mir wäre wichtig, dass sich die Hörer den Inhalt selbst weiter erschließen. Dann fände das statt, was ich mit diesem Album sagen möchte. Subjektive der Objektivität näherzubringen und das untermalt mit ausdrucksstarker Musik. An der Stelle möchte ich mal meinem Label Naturmacht Productions (Robert und James) danken, das mir erstens die Zeit gibt und zweitens mir vollständige künstlerische Freiheit lässt.

Als Ein-Mann-Projekt kannst Du, ohne Kompromisse eingehen zu müssen, Deine Ideen verwirklichen. Gibt es Situationen, in welchen Du Mitspieler vermisst?

AGAEL: Mit AGAEL definitiv nein. Ich bin aber an dem ein oder anderen Song nicht abgeneigt, mal ein Instrument an einen guten Bekannten abzugeben, wie im Fall vom Splitsong 'Remorphose', den mein ehemaliger Bandkollege bei DEMENTO, Stephan Brand wunderbar am Bass eingespielt hat. Als ehemaliger Livespieler "juckt" es denn schon manchmal wieder, was anzugehen und 'ne Band zu starten. Hmm ... Wer weiß ...

Hast Du die Absicht Deine Musik live zu präsentieren? Planst Du mit Gastmusikern Auftritte?

AGAEL: Also diesbezüglich steht definitiv nichts im Raum! Was die Zukunft angeht, kann ich nicht sagen, ob das mal live in Angriff genommen wird. Theoretisch wäre "Trost" für eine 5-köpfige Band geschrieben, das liegt aber daran, dass ich meine tontechnischen Skills etwas verbessert habe und auf organisiertere Arrangements Wert lege. Falls aber mal jemand live covern möchte, nur zu. Vielleicht komm ich auf 'n Bier und 'ne Gesangseinlage vorbei.

Was dürfen wir von AGAEL in Zukunft erwarten?

AGAEL: Zeitlosigkeit und gute Thematik. Auf jeden Fall bin ich geneigt, mich weiter zu steigern. Eine Split mit der Band "GEÄST" (hört mal rein) dieses Jahr musste ich leider aus persönlichen Gründen canceln. Aber ich denke, ich werde auf jeden Fall schon einmal die ersten Ideen für ein neues Album zusammentragen. Aber vor 2015 wird's da nichts geben.

Verrate uns doch bitte noch, was Black Metal für Dich so faszinierend macht und welches Album dies am Besten widerspiegelt.

AGAEL: Faszinierend ist die Vehemenz und der Ausdruck. Gepaart mit klassischen oder synthetischen Elementen einfach nur mitreißend! LUNAR AURORAs "Andacht" wäre da so ein Kandidat. Das Album auf den Ohren und sich mal durch die Menge schneiden, sich einen Moment anders zu fühlen, das lässt die Säfte kochen. Einfach mal aus dem Eintopf springen und Rohkost sein, das ist Black Metal für mich.

Damit bin ich am Ende meiner Fragen, für deren Beantwortung ich Dir danke. Die letzten Worte sind Deine.

AGAEL: Ich habe zu danken für die tollen Fragen. Und danke an alle, die meine Musik unterstützen und mich anschreiben, nachdem sie das Album gehört haben. Das bedeutet mir sehr viel.

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