Ein Interview von Elvis vom 28.03.2022 (19838 mal gelesen)
RECKLESS LOVE haben mit "Turbo Rider" nach einigen Jahren Abstand ein starkes, aber auch kontroverses Album am Start. Sänger Olli Herman stand uns ausführlich Rede und Antwort und plauderte munter darüber, wie es sich anfühlt, ein frischgebackener Vater zu sein, wie er seine Jugend zu einem guten Teil in der Spielhalle verbrachte, warum ihm die Meinung von Kritikern vollkommen egal ist, welche JUDAS PRIEST-Alben ihm die liebsten sind und was Regisseur James Gunn mit dem aktuellen Erfolg von RECKLESS LOVE in den USA zu tun hat. Viel Spaß!
Hallo Olli, schön dass du dir die Zeit für das Interview nimmst! Ich denke, als erstes sollte ich dir gratulieren, denn du bist ja vor ein paar Tagen erst Vater eines Sohnes geworden.
Olli Herman: Vielen Dank! Ja, das ist jetzt vier Tage her und ich muss sagen, es ist der beste Job, den ich jemals hatte. Das sagt einiges, glaube ich, denn auch wenn es natürlich schön ist, für andere ein Rockstar zu sein, das geht wirklich deutlich darüber hinaus.
Vermutlich wird das dein Leben ja doch ein bisschen verändern.
Olli Herman: Ja, das wird immer so gesagt, dass es einen selbst auch ändert. Ich will da nicht in irgendwelche Details gehen, aber ich denke, ich bin immer noch derselbe Mann. Der einzige Unterschied ist, dass ich jetzt einen wunderschönen Sohn habe und darauf bin ich natürlich stolz. Aber ansonsten, derselbe Mann, dieselben schlechten Witze, dieselben Haare. (lacht)
Das neue Album "Turbo Rider" ist ja leider um einen Monat verschoben worden, weil ihr nicht die Vinyl-Käufer gegenüber den Käufern der CDs und Downloads benachteiligen wolltet. Auch wenn es die Wartezeit länger macht, halte ich das für einen feinen Zug. Es ist ja musikalisch zum einen ein bisschen anders als die vorherigen Alben, aber zum anderen auch irgendwie doch nicht. Für mich klingt es immer noch wie RECKLESS LOVE und ich finde, euch ist ein weiteres wirklich gutes Album gelungen.
Olli Herman: Das mit der Verschiebung ist echt eine seltsame Situation. Als es 2020 mit der ganzen Covid-Geschichte anfing, dachten wir, es wäre wirklich damit getan, Shows und Touren zu verschieben. Ehrlich gesagt, wir dachten auch nicht, dass es so lange dauern würde. Hier sind wir jetzt zwei Jahre später und haben sowohl das Album als auch die Tour dazu verschoben. Die wird jetzt im September stattfinden. Aber dass man jetzt momentan sich in unserer westlichen Zivilisation anhören muss, wir haben zu wenig Material für Schallplatten und zu wenig Papier für Hüllen und Booklets, das hätten wir sicherlich nicht erwartet. Wir konnten es auch nicht glauben, aber sie meinten, ja, auch das hinge mit der Covid-Situation zusammen, die Lieferungen kommen einfach nicht vernünftig nach. Na ja, wie dem auch sei, es ist offenbar so. Zum Glück ist es nur ein Monat, aber man kann's natürlich auch so sehen, dass wir dadurch die Albumveröffentlichung trotz Tour-Verschiebung näher beisammen zur Tour haben. Wir haben uns gedacht, dass wir so immerhin noch eine weitere Single veröffentlichen können. Mir persönlich kommt es zumindest insofern entgegen, dass es mir mehr Zeit mit meinem neugeborenen Sohn verschafft. Insgesamt ist es natürlich nicht schön, dass wir es so handhaben müssen, aber ich bin generell ein Optimist. Für mich ist das Glas immer eher halbvoll als halbleer.
Ich finde es wie gesagt gut, dass ihr nicht nur die Vinyl-Freunde warten lasst. Das ist fairer als zu erwarten, dass diese Fans stattdessen notgedrungen ausweichen müssten, wenn sie es hören möchten.
Olli Herman: So sehe ich das selbst auch. Ich kaufe selbst gerne Vinyl und mag Schallplatten sehr gern. Es ist ein bisschen schräg, da ich auch Spotify oder Tidal benutze. Tidal mag ich wegen der Klangqualität, was grade auf Tour sehr angenehm ist. Spotify ist im Alltag einfacher, da die Klangqualität niedriger ist und es schneller runterlädt. Das ist etwa beim Laufen oder einfach nur mit Kopfhörern für sich selbst unterwegs praktisch. Daheim sammle ich trotzdem Vinyl. Ich liebe es, mir etwa ein Album auf Vinyl vorzubestellen und mich darauf zu freuen, wenn ich es endlich in der Hand halten kann. Wenn ich selbst also so drauf bin, würde es mir ziemlich fies vorkommen, wenn ich sagen würde "okay, auf die Vinyl müsst ihr noch einen Monat warten, aber hört es euch doch einfach bei Spotify an!" Ich fände das sehr enttäuschend. Für uns war diese Entscheidung daher eigentlich nur Fair Play, dass es eben alle gleichzeitig bekommen.
Denkst du, dass der mittlerweile stark vorherrschende Musikkonsum über Streaming-Services für euch als Band die Dinge deutlich verändert hat?
Olli Herman: Ich denke, das hat die ganze Musikindustrie dauerhaft verändert. Ob das nur zum Schlechten ist, möchte ich nicht sagen, es hat auch seine guten Seiten. Gut, Geld ist dabei für die Bands quasi nicht vorhanden. Wenn Du etwa eine Million Streams hast, ist das für eine Band vielleicht zwanzig Dollar Vergütung. Das ist zweifellos lachhaft. Auf der anderen Seite, es ist einfacher als jemals zuvor, neue Künstler zu finden, es ist einfacher als jemals zuvor, sich Musik anhören zu können. Es gibt fraglos gute Effekte. Man wird leichter inspiriert, man findet leichter neue Sachen, die einen begeistern. Es hat also wirklich viel verändert. Wenn es ums Schreiben von Musik geht, unsere Songs etwa, denke ich, dass da ein gewisses Missverständnis vorliegt. Wenn ich Musik oder Texte schreibe, denke ich nicht über die Fans nach. Erst recht denke ich dabei nicht über irgendwelche Hater nach. Die Musik muss von Herzen kommen und einen selbst glücklich machen. Wenn man dann Glück hat, ist es etwas, was andere Menschen auch mögen. Das ist für mich im Grunde die Quintessenz, es muss einen selbst glücklich machen, bevor es jemand anders glücklich machen kann. Für uns ist es immer das Ziel, ein Album zu machen, was wir uns selbst kaufen würden. Und dieses Missverständnis, was ich da meine, besteht darin, dass Leute denken, es hat einen Einfluss auf uns, wenn sie grade online ein schlechtes Review schreiben. Das hat natürlich einiges mit Social Media zu tun, vielleicht denken die Leute teilweise, es sei wie mit einer Restaurantkritik, wenn man entsprechend negativ darüber schreibt, würde sich dort etwas ändern. Das ist das ganze Missverständnis mit den sozialen Medien, die Vorstellung, dass sich jemand für die eigene negative Meinung interessiert. Ganz ehrlich, mir sind negative Reviews wirklich komplett egal. Ich bin zum Beispiel immer ein großer Fan von VAN HALEN gewesen. Mir wäre es echt peinlich gewesen, zu schreiben, dass sie bei neuen Songs etwa zu ihrem Sound von 1978 hätten zurückkehren sollen. Abgesehen davon, dass sie das mit hoher Wahrscheinlichkeit eh nicht gelesen hätten, ich hätte es für total bekloppt und naiv gehalten zu denken, dass Musiker ihre Musik quasi auf Bestellung für die Bespaßung ihrer Fans schreiben. Das wäre für mich auch dermaßen ein Fake. Ich meine, ganz ehrlich: die Musik von damals haben die Fans doch auch schon, oder?
Das stimmt. Klar, manche Bands versuchen ja tatsächlich krampfig den Erwartungen der Fan-Basis gerecht zu werden, oder einfach in der Hoffnung auf bessere Verkaufszahlen. Da sind dann irgendwann die Alben kaum auseinanderzuhalten. Mir gefällt es besser, dass RECKLESS LOVE etwa bei jetzt fünf Alben mit jedem einen gewissen eigenen Sound haben und nicht einfach nur versuchen, eine bestimmte Formel durchzuziehen. Es klingt - wie jetzt auch "Turbo Rider" - nach RECKLESS LOVE, hat aber trotzdem neue Elemente und Details darin. Die Herangehensweise ist doch viel spannender.
Olli Herman: Vielen Dank! Für mich ist das ein wichtiger Teil von RECKLESS LOVE, dass wir uns immer weiter fortentwickeln. Ich weiß genau, was du mit diesen Bands meinst. Wenn du ein positives Beispiel nehmen magst, wäre das für mich etwa AC/DC. Die haben jetzt seit fast 50 Jahren denselben Song immer wieder geschrieben. Und bevor das falsch rüberkommt: ich liebe AC/DC! Aber ich höre mir ihre neueren Alben gar nicht an, ich höre eher die Singles und halte mich ansonsten an die alten Alben. "Back In Black" ist weiterhin mein Favorit, "Highway To Hell" ist auch weiterhin grandios. Die neuen Alben höre ich mir nicht wirklich durch. "Ballbreaker" war das letzte Album, was ich mir am Stück gegeben habe. Es freut mich wirklich, dass du das so aussprichst und ich möchte, dass das auch die Wahrnehmung von RECKLESS LOVE ist. Wir müssen uns weiterentwickeln, wir müssen uns ändern, um zu überleben und immer wiederzukommen. Ich finde es klasse, dass du sagst, der Kern von RECKLESS LOVE für dich immer noch vorhanden ist und durchscheint, denn so empfinde ich das selbst auch. Das ist etwas, auf das ich selbst stolz bin, auch wenn es ein wenig anders ist, es ist immer noch RECKLESS LOVE. Um dir ein anderes Beispiel zu geben: QUEEN! Nicht dass ich uns im Entferntesten mit ihnen vergleichen würde - auch wenn ich es natürlich gern täte (lacht) - QUEEN ist eine dieser Bands, die bei jedem Album mit etwas Neuem um die Ecke kamen. Ich meine, wie verrückt war das? Zuerst kamen sie mit Glam Rock und auf einmal machen die Songs wie 'Radio Gaga'. Das fand ich einfach total spannend.
QUEEN finde ich sehr gut als Beispiel, denn jedes Album ist irgendwie anders, klingt aber dennoch immer noch nach QUEEN. Man kann jedes Album für sich betrachtet genießen und so viel Abwechslung, wie die einzelnen Platten von den Songs her schon haben, ist auch einfach toll.
Olli Herman: Genau das!
Ich mochte bislang alle eure Alben gerne, aber mir fällt es wirklich schwer zu sagen, welches mein Favorit wäre und es ändert sich auch immer mal wieder. Manchmal ist es das erste Album, was mein erster Berührungspunkt mit RECKLESS LOVE war, aber dann merke ich wieder, wie gern ich etwa "Animal Attraction" mag, was auch toll ist, aber auf andere Weise. "Spirit'" ist kürzlich ja nochmals mit den drei Bonustracks rausgekommen und hat damit auch nochmals für mich gewonnen. In diesem Zusammenhang grade: die älteren Alben sind ja teils nicht mehr so gut physisch verfügbar. Ich weiß, dass "Reckless Love" und "Animal Attraction" im März in Japan nochmals veröffentlicht werden. Ist allgemein noch etwas an Re-Releases analog zu "Spirit" geplant?
Olli Herman: Ja, weitere Re-Releases sind definitiv geplant, aber wir können noch kein Datum nennen.
Ok, danke. Nun ja, "InVader" hatte ich einige Zeit nicht mehr gehört und das Album ist für mich mit ein bisschen Abstand jetzt nochmals gewachsen. Bei "Turbo Rider" finde ich, es macht auch einen großen Unterschied, erst mal nur die Singles zu hören und dann das ganze Album...
Olli Herman: ...es gibt ein anderes Gesamtbild…?
Genau, es wirkt nochmals deutlich anders.
Olli Herman: Oh ja, wir hätten nämlich von Anfang an eine Idee dafür im Kopf. Es ist insofern zumindest klanglich ein Konzeptalbum, denn es sollte einen ganz bestimmten Klang haben. Wir wollten nicht bloß eine Sammlung von Songs, sondern ein Album, bei dem die Songs am Stück funktionieren. 'Turbo Rider' und 'Eyes Of A Maniac' sind für mich zum Beispiel Songs, die zusammengehören und die man an sich nicht trennen kann. Das sind für mich zwei Details in einem größeren Bild.
Mit dem OZZY OSBOURNE-Cover 'Bark At The Moon' war ich mir im ersten Moment nicht sicher, das stach ein bisschen aus dem Gesamtbild raus, als ich las, dass es Teil des Albums ist. Und ich liebe sowohl den Song als auch OZZY grundsätzlich.
Olli Herman: Oh, ich liebe OZZY einfach! (lacht und zeigt auf sein "The Ultimate Sin"-Shirt, was er beim Interview trägt)
Hey, ich steh auf "Turbo" (T-Shirt des Interviewers), mittlerweile ist das mein liebstes JUDAS PRIEST-Album. Auch wenn das sicherlich einige Leute nicht verstehen werden.
Olli Herman: Ich schon, das ist nämlich auch bei mir ganz weit oben. "Turbo" war mein erstes Album von JUDAS PRIEST, was vielleicht ein bisschen der Grund ist. "Painkiller" ist meine Nummer zwei. Aber ich liebe "Turbo" einfach.
Schön, dass ich da nicht allein mit meiner Meinung bin. Jedenfalls, wenn man sich euer 'Bark At The Moon'-Cover anhört, im Gesamtbild des Albums macht es wirklich Sinn. Ich verstehe jetzt, warum es Teil des Albums geworden ist.
Olli Herman: Ja, und dabei war es nicht mal unsere Idee, sondern die Idee unseres Produzenten Joonas Parkkonen. Wir kennen ihn schon über zehn Jahre und er ist mittlerweile ein guter Freund. Seine Arbeitsweise ist auch sehr freundlich und zudem ist er selbst ein sehr guter Gitarrist. Er kann wirklich einiges als METAL-Produzent und hat sich in Finnland schon einen sehr guten Namen gemacht. Zudem bringt er wirklich sehr viele Ideen ein und stellt uns immer vor viele Herausforderungen. Ich meinte zu ihm, dass RECKLESS LOVE noch kein richtiges Cover gemacht hätten. Klar, wir hatten Akustikversionen von 'Hysteria' und von 'The Boys Are Back In Town' für die "Born To Break Your Heart"-EP. Aber ein richtiges Cover hatten wir nie, und ich meinte, mir sei bislang keins untergekommen, was gepasst hätte. Wenn man einen guten Song gefunden hat, muss es ja in irgendeiner Form auch anders oder gar besser gemacht werden. Das hat er wohl als Herausforderung betrachtet, denn zwei Tage später kam er ins Studio und schlug vor, dass wir OZZYs 'Bark At The Moon' covern sollten. Ich war erst mal skeptisch, weil der Song ikonisch ist und im Grunde auch perfekt so, wie er ist. Was sollten wir damit anfangen, zumal grade auch die Gitarre ikonisch ist. Was sollten wir also damit anstellen? Das führte dazu, dass er uns einen fünfzehnminütigen Vortrag hielt. Er sprach unter anderem über die rhythmische Qualität des Songs, die nah an unseren Songs für "Turbo Rider" sei, grade dem Titelsong. Er ist ebenfalls ziemlich flott vom Tempo her und seine Idee war es, das ikonische Gitarrenriff mit den Synthesizern zu doppeln. Und nicht zu vergessen natürlich die elektrischen Drums, was von der Idee her schon fast wahnwitzig ist. Ich meinte also, dass wir es einfach mal versuchen könnten, auch wenn ich ihm im Grunde nicht glauben wollte. Dann haben wir die Vocal Harmonies ausprobiert, die ja ein essentieller Teil unseres Sounds als RECKLESS LOVE sind - OZZY hat ja nur seine Stimme im Song. Und ich glaube das war der Moment, als wir uns gegenseitig High Fives gaben, als wir den Chorus mit unseren Vocal Harmonies testeten. Ich möchte nicht sagen, dass wir den Song besser gemacht haben, aber wir haben ihn anders gemacht. Das ist für mich auch der einzige Grund, ein Cover überhaupt zu machen, es muss einen eigenen Beigeschmack haben. Sicherlich werden manche OZZY-Fans es hassen, es ist eben nun mal eine Ikone von Song. Und ich glaube, so über den Daumen gepeilt, ich habe bestimmt zehn OZZY-Shirts im Schrank, ich bin wirklich ein großer Fan von ihm. Es fühlte sich wirklich erst mal fast wie ein Sakrileg an, das zu tun und ich war mir zunächst auch nicht sicher. Und letztlich haben wir es getan und jetzt denke ich, dass es doch ganz anders ist als das Original. Am nächsten dran ist eigentlich noch der Gitarrenpart, aber alle anderen Elemente sind anders. Es klingt anders und es funktioniert so.
Ja, ich hätte es auch nicht erwartet, aber im Gesamtkontext des Albums funktioniert es tatsächlich. Gut gemacht, würde ich sagen.
Olli Herman: Vielen Dank!
Auch wenn es vermutlich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sein dürfte, das abschließend zu beantworten: Welchen der Songs würdest du am liebsten sofort live spielen? Oder ist das zu schwierig zu beantworten?
Olli Herman: Das ist wirklich nicht einfach. Vermutlich jetzt grade 'Turbo Rider', also den Titeltrack. Das war der erste Song, den wir kürzlich getestet haben bei den Tour-Proben. Wir hatten den Song zwar schon gespielt, aber noch nicht über ein PA-System, also nicht so, wie es am Ende auch die Leute beim Konzert hören. Über die Monitore allein ist es ja ganz anders, da höre ich vor allem meinen Gesang, die Gitarre und Drums und das relativ laut. Das mit den Synthesizern können wir ja nicht mit vier Leuten einfach so proben. Nun ja, wir haben es hier in Helsinki im Tavastia Club gespielt, also einer legendären Location. Der hat ein verdammt gutes Soundsystem. Und wie gesagt, 'Turbo Rider' war der erste Song, den wir gespielt haben mit diesem System. Das hat mich gradezu weggepustet! (lacht) Ich wurde jetzt immer mal wieder gefragt, wie denn die Songs mit den elektrischen Drums und Synthesizern klingen werden. Ich war mir da selbst nicht ganz sicher. Jetzt, wo ich es gehört habe, muss ich sagen, es hebt die Band auf ein ganz anderes Level. Das wird die Leute wegpusten! Wir werden die elektrischen Drums und Synthesizer dabeihaben und das wird verrückt werden. Der Sound ist so mächtig und wesentlich größer als das, was man bislang von RECKLESS LOVE kannte.
Also es wird quasi so klingen, wie es auf "Turbo Rider" klingt, aber auch nicht?
Olli Herman: Es wird mehr von allem sein, und grade mit den elektrischen Drums wird das ziemlich verrückt werden. Die benutzt heute eigentlich keiner mehr und es ist insofern echt lustig, die zu hören. Es geht letztlich darum, eine gute Zeit zu haben und klar, für manche Leute wird es vielleicht eine gewisse Herausforderung sein. Wir möchten die Dinge interessant und aufregend halten, einfach nur auf Nummer sicher zu gehen, das wäre auch gar nicht das, was wir wollen.
'Eyes Of A Maniac' ist für eure Verhältnisse vom Text her ja ziemlich düster. War die Inspiration dahinter der Film "Maniac"? Oder geht es mehr um das Feeling und den Ton dieser Themen?
Olli Herman: Es geht in der Tat mehr um den Vibe und das Feeling. Über den Film habe ich dabei gar nicht nachgedacht. Es geht darin um die eigenen inneren Dämonen, die jeder von uns hat. Die dunkle Seite unserer Persönlichkeit, die jeder hat, die einen immer mal wieder in Schwierigkeiten bringt, auch wenn man es vielleicht vermeiden möchte. Ich bin da auch nicht anders als alle anderen, ich glaube, ich habe da einige von. Und auch ich versuche tagtäglich, damit zurechtzukommen. Der einzige Weg, das zu tun, ist sich ihnen zu stellen. Für mich ist der einzige Weg das zu tun, sich selbst in einem Spiegel tief in die Augen zu sehen. Ich möchte dabei nicht über meine eigenen Dämonen sprechen, ich möchte, dass die Leute ihre eigenen Dämonen finden. Sie sollen sich dabei ein wenig so fühlen, wie ich es tue. Der Text soll quasi ihr eigener Text sein. Deswegen bleibe ich da so vage. Aber du hast Recht, der Text ist für mich eigentlich ungewöhnlich düster. Trotzdem hat auch dieser Song eine positive Note, denn am Ende stellt sich der Charakter, also ich in dem Fall, seinen Dämonen.
Schön gesagt, danke dafür. Was als Thema ja auch - ich denke etwa an 'Kids Of The Arcade' - durchscheint, sind Videospiele. Wie sehr mögt ihr Videospiele, insbesondere du? Ist das noch was, womit du dich beschäftigst oder ist es mehr ein Teil deiner Vergangenheit?
Olli Herman: Für mich ist es tatsächlich mehr das Old School-Zeug. Okay, ab und an spiele ich heute noch ein bisschen mit der PlayStation. Das letzte Spiel, was mich wirklich begeistert hat, war "Uncharted", weil es mich auch ein bisschen an die Art von Spielen erinnert hat, die ich als Kind gespielt habe. Damals habe ich gerne First-Person-Shooter wie "Duke Nukem 3D" oder natürlich "Doom" gespielt. In den Neunzigern haben wir uns auch sehr gerne in den Arcade Hallen getroffen, da gab es in Finnland eine regelrechte Kultur. "Mortal Kombat" habe ich damals sehr oft gespielt, "Tekken" oder auch "Sega Rally". Es war ein Ort, wo man damals abhing als Jugendlicher und im Grunde habe ich die anderen Jungs von RECKLESS LOVE auch quasi dort kennengelernt. Wir waren sehr oft dort, haben Coke getrunken und Air Hockey gespielt. Das war echt lustig und es war sogar einer der ersten Orte, wo wir Rockmusik gehört haben. GUNS N' ROSES war damals sehr groß und der Typ bei unserer lokalen Arcade Halle war sehr stark an Rock 'n' Roll interessiert. Man sah Massen an Shirts von GUNS N' ROSES, aber dann auch NIRVANA. Der Typ spielte sogar seine eigene Musik. Es war eine schöne Zeit und als Kind gab es kaum etwas Besseres, zumindest für mich. Man kann sagen, ich habe damit große Teile meiner Jugend verbracht. Es war auch eine starke Inspiration für dieses Album. Synthwave als moderneres Genre - was ja stark instrumental und selten von Vocals geprägt ist - habe ich in jüngerer Zeit vor allem durch den Film "Drive" kennengelernt. Kennst du den?
Ja, den habe ich auch gesehen.
Olli Herman: Gut, dann weißt du ja, wovon ich rede. Ryan Gosling spielt die Hauptrolle in dem Film. Es ist ein relativ brutaler, düsterer Film, aber der Soundtrack ist voll von Synthwave. Besonders von KAVINSKY ist da viel zu finden, der einer meiner Favoriten im Bereich Synthwave ist. Ich habe also diesen Film gesehen und mir gedacht, der Soundtrack erinnert mich so derart an die späten Achtzigerjahre. Mir kam da etwa auch der Klang in den Sinn, den DAVID LEE ROTH auf "Skyscraper" hatte oder VAN HALEN mit Sammy Hagar vor allem bei "5150". "Turbo", wo wir ja eben drüber gesprochen haben, JUDAS PRIEST hatten da ähnliche Sounds genutzt. Oder denk mal an ZZ TOP auf "Eliminator" oder "Afterburner", das war diese Art von Klang, der die Alben ausgemacht hat. Elektrische Drums und Synthesizer waren dafür vor allem verantwortlich, und genau daran hat mich Synthwave stark erinnert. Da kam mir dann der Gedanke, dass wir vielleicht diese Elemente stärker bei RECKLESS LOVE einbauen sollten. Und wie du es richtig gesagt hast, es ist eigentlich nur eine andere Seite von RECKLESS LOVE, aber trotzdem dieselbe Band. Ich benutze es auch deswegen als Beispiel, weil wir nämlich im Grunde mit diesen Elementen bereits auf unserem ersten Album gearbeitet haben. 'Back To Paradise' hatte die Sequence Synthesizer und die elektrischen Drums. Wenn du dir "Animal Attraction" anhörst, da haben wir mit diesen Elementen 'Dirty Dreams' und 'Dance' auf dem Album drauf. Bei "Spirit" hatten wir 'Edge Of My Dreams' drauf.
Das ist einer meiner Favoriten von RECKLESS LOVE.
Olli Herman: Danke! Der Song hat zum Beispiel auch typische Achtziger-Sequence-Synthesizers. Bei "InVader" waren es 'Scandinavian Girls' und 'Child Of The Sun'. Es ist also etwas, was wir schon immer bei RECKLESS LOVE hatten. Wir haben jetzt lediglich das Medium gefunden, das quasi bis auf 11 zu drehen. Synthwave ist dabei mehr so was wie ein Twist, um das Ganze frischer zu halten. Auch wenn unsere Helden VAN HALEN, DAVID LEE ROTH, JUDAS PRIEST oder ZZ TOP sind, die das eben in den Achtzigern schon hatten, wollten wir nicht so klingen wie vor 40 Jahren, sondern irgendwo sollte es auch nach 2022 klingen. Es sollte also auch frisch und modern klingen, was Synthwave dann tut, wenn man es hineinpackt.
Wie du es jetzt erklärst und ich vorher auch schon gesagt habe, ich denke, es war schon die ganze Zeit da und ist jetzt einfach nochmals richtig hochgeschraubt worden von euch. Ich fand es insofern also nicht allzu überraschend.
Olli Herman:(lacht)
Ihr habt ja mit RECKLESS LOVE kürzlich nochmals einen echten Aufmerksamkeitsschub bekommen, als 'Monster' bei der superpopulären DC-Serie "Peacemaker" mit John Cena auf HBO Max gespielt wurde. Euer Song läuft ja sogar in einer Schlüsselszene der Show komplett durch. Konntet ihr feststellen, dass sich das schon ernsthaft ausgewirkt hat, etwa durch höhere Abrufzahlen beim Streaming etwa?
Olli Herman: Oh, das hat sich wirklich gewaltig für uns bemerkbar gemacht. Klar, zunächst einmal natürlich abhängig vom Territorium, in Finnland beispielsweise nicht sonderlich. Da waren wir ebenso wie in UK schon immer gut dabei. Aber vorher war der US-Markt für uns fast nicht existent, auch weil wir dort bis dato niemals getourt haben. Es ist ein schwieriger Markt. Der US-Markt ist zwar der größte Musikmarkt der Welt, aber der Zugang ist dennoch nicht einfach. Grade Rock 'n' Roll hat es dort heute recht schwer, es ist einfach vor allem Hip Hop, der dort den Markt dominiert. Von daher hat es für uns im Grunde bislang wenig Sinn gemacht, es überhaupt zu versuchen. Was hätten wir davon, dort den dritten oder vierten Support Act zu machen? Das würde uns wahrscheinlich keine neuen Fans bringen und unterm Strich müssten wir finanziell dabei drauflegen. Daher haben wir dort keine Shows gespielt, sondern uns gesagt, wenn's mal passiert, dann sehen wir einfach mal wie es dann läuft. So, und jetzt kommt eben "Peacemaker" um die Ecke und kurz darauf sind die USA der zweitgrößte Markt für uns! Also ja, der Einfluss dieser Show und des Soundtracks ist gewaltig und viele Leute in den USA haben seitdem dadurch RECKLESS LOVE überhaupt erst kennengelernt. Das ist schon toll. Ich glaube, es war sogar schon gemeldet worden, dass wir unsere monatlichen Abrufzahlen bei Spotify verdoppelt haben. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist 'Turbo Rider' unser bislang am häufigsten gestreamter Song überhaupt und der kam ja raus, bevor überhaupt bekannt war, dass wir auf dem Soundtrack zu "Peacemaker" sein würden. Das hat schon viel ausgemacht. Dann kam eben "Peacemaker" hinzu und seitdem ist es nochmals zahlentechnisch explodiert. Die beiden Faktoren haben da wirklich viel bewegt und ich kann sagen, es ist momentan echt eine aufbauende und aufregende Erfahrung, Teil von RECKLESS LOVE zu sein.
Ich freue mich mit euch über jeden weiteren Erfolg, den ihr verbuchen könnt.
Olli Herman: Natürlich, wir sind eigentlich immer noch im Underground-Bereich unterwegs, was aber bei Musik, die ja stark von Achtziger-Hairmetal inspiriert ist, nicht so verwunderlich ist. (lacht) Die Charts sind eben so, wie sie nun mal sind und nicht anders. Wir sind also am ehesten was für die Metal- und Rock-Kategorie. Trotzdem ist es eine Erfolgsgeschichte und es gibt mir ein Gefühl von Anerkennung und Wertschätzung. Ich glaube, was mir bei "Peacemaker" besonders viel gibt, sind die Komplimente und das Feedback von Regisseur James Gunn. Der Mann ist wirklich ein großer Name in Hollywood und er scheint diese Art von Musik wirklich sehr zu mögen. Er hat mehrfach gesagt, dass die Szene mit 'Monster' darin eine seiner Lieblingsszenen der gesamten ersten Staffel der Show sei. Das fühlt sich wirklich unbeschreiblich an. Und ehrlich, ich wusste nicht, dass ich so was jemals zu hören bekäme und wie sich das anfühlt. Wie hätte ich denn jemals ahnen können, dass unser Song mal dabei Verwendung finden würde? Das wäre solch ein utopischer Gedanke gewesen.
Ich war auch ausgesprochen überrascht, als ich im Lauf der Staffel den Soundtrack nach und nach gehört habe, der ist tatsächlich verdammt gut. Okay, die Show als solche ist auch unheimlich gut.
Olli Herman: Ja, ich liebe die Serie auch.
Welche Bands James Gunn da neben RECKLESS LOVE ausgesucht hat, ist wirklich unglaublich. Wenn der Mann sich nicht wirklich dafür interessieren würde, hätte er sicherlich niemals auch die ganzen teils eher obskuren Band ausgesucht, die er in die Serie gepackt hat. RECKLESS LOVE ist da ja im Vergleich zu manchen anderen schon eher bekannt.
Olli Herman: Ganz genau, da sind so viele verschiedene Bands auf dem Soundtrack, die man eben sonst nicht kennt, ohne die Musik wirklich zu verfolgen. Gleichzeitig ist er aber trotzdem irgendwo ein bodenständiger Typ, der den Bands auch auf Social Media folgt, dort kommentiert und sich bei ihnen bedankt. Diese Art von Persönlichkeit braucht die Welt im Moment mehr als vieles andere. Die Show selbst ist extrem gut gemacht und ich kann sagen, es ist mittlerweile eine meiner absoluten Lieblingsshows, und damit meine ich all time. Das wäre auch nicht anders, wenn unser Song nicht dabei wäre, allein schon, weil sie so derart lustig ist. Peacemaker ist ja ein Superheld, den die meisten Leute vorher gar nicht kannten, bevor er in "The Suicide Squad" vorkam und James Gunn aus dem Charakter seines Films diese TV-Show machte. Wirklich, es ist eine derart gut gemachte Sendung ... ich musste oftmals laut lachen, aber es gab auch alle möglichen berührenden Momente.
Ich kann kaum in Wort fassen, wie sensationell gut die Anfangssequenz der Credits mit dem Tanz zu WIG WAMs 'Do You Really Wanna Taste It?' gemacht ist. Ich habe mir die Szene mittlerweile unzählige Male angesehen und je öfter man sie schaut, umso mehr merkt man, wie extrem viel Arbeit und Aufwand in diese Sequenz geflossen ist.
Olli Herman: Ja, die ist wirklich unglaublich gut gemacht. Das so glaubwürdig umzusetzen, ist verdammt viel Arbeit, denke ich. Wenn man das nicht richtig machen würde oder vielleicht auch einfach, wenn es jemand anders getan hätte, wäre das vielleicht einfach nur lächerlich. Auch wenn James Gunn ja wirklich viele Witze einbaut, es ist trotz allem immer noch in weiten Teilen auch eine ernsthafte Show. Ich halte den Mann für wirklich genial.
Ich mochte ihn zuvor schon wegen "Guardians Of The Galaxy", wo er ja ebenfalls sehr gekonnt mit Musik gearbeitet hat. Aber "Peacemaker" ist da nochmals eine ganz andere Liga.
Olli Herman: So habe ich das auch empfunden.
Hinsichtlich der Tour in Richtung Herbst, sind die Daten immer noch überwiegend mit DAN REED NETWORK? An sich finde ich die Kombination nämlich ziemlich reizvoll.
Olli Herman: Die UK-Termine sind es auf jeden Fall. Ich muss gestehen, bevor wir die Tour fix gemacht haben, war ich nicht besonders mit DAN REED NETWORK vertraut und musste mich erst mal wieder ein bisschen schlau machen. An "Slam" konnte ich mich noch erinnern als Album, ich kannte auch noch 'Ritual' als Single. Nachdem ich mich nochmals eingearbeitet habe, muss ich sagen, dass sie wirklich eine sehr gute Band sind. Es geht ein bisschen in Richtung von LIVING COLOUR, die ich sehr gerne mag, oder teils auch mal Richtung FAITH NO MORE. Es hat auf jeden Fall einen starken Eighties-Vibe, der mir natürlich besser liegt.
Sie sind sehr funky und live sind die Jungs ansteckend. DAN REED NETWORK und RECKLESS LOVE an einem Abend sollten wirklich viel Spaß machen. Oh, und sehr nett sind sie auch noch!
Olli Herman: Ja, das dürfte eine echte Party werden. (lacht)
Was denkst du, wie die Chancen für Festivals vor der Tour stehen? Wird das dieses Jahr klappen oder könnte es weiterhin hakelig werden wegen Covid?
Olli Herman: Wir sollen im Frühjahr jetzt mit "Call Of The Wild" in UK ein Festival spielen und im Mai steht auch etwas an. Klar, es kann natürlich pandemiebedingt etwas passieren, aber ich bin eher optimistisch. Nach zwei Jahren möchte die Welt langsam wohl versuchen, irgendwie mit dem Virus zu leben. Für Finnland haben wir jedenfalls eine ganze Latte von Daten an Festivals geplant. Die werden wir nach und nach bekanntgeben. Dann steht Richtung Herbst die Europatour an, danach ist geplant, nach Lateinamerika zu gehen. Japan ist auch in der Mache, natürlich zusätzlich noch mehr in Finnland - es sieht also nach einer umfangreichen Tour aus. Momentan sind wir schon in Richtung 2023 am schielen und hoffentlich bekommen wir da auch diverse Festivaldaten in Europa auf die Ketten.
Das wäre natürlich erfreulich, wenn es halbwegs reibungslos klappen würde.
Olli Herman: Ich hoffe das auch, denn ich spiele wirklich gern die Festivals in Europa. Das macht im Sommer wirklich Spaß.
Was denkst du, wird das Momentum durch "Peacemaker" dann auch ein paar Daten in USA bescheren?
Olli Herman: Ich weiß jetzt nicht mal, ob es wegen "Peacemaker" war, aber wir haben immerhin die "Monsters Of Rock"-Cruise fix für 2023. Darüber hatten wir sogar vor zwei Jahren schon Gespräche gehabt. Ob "Peacemaker" das jetzt nochmals befeuert hat, kann ich nicht sagen. Da wir dort zwei Shows spielen werden, haben wir technisch betrachtet sozusagen schon zwei Termine in den Staaten fix. Darüber hinaus schauen wir natürlich auch, ob sich sonst etwas bietet, es dort mal zu versuchen. Ich würde es jedenfalls sehr gern tun. Okay, wenn ich so zurückdenke, muss ich mich leicht korrigieren: 2011 haben wir glaube ich sogar mal zwei kleine Shows in den Staaten gespielt, also ist es doch nicht das allererste Mal.
Okay, das klingt doch nach einem schönen Abschluss für das Interview. Ich wünsche euch jedenfalls viel Erfolg und dir einen guten Start in dein Leben als Vater eines Sohnes. "Turbo Rider" wird hoffentlich nicht nur mir gut gefallen und ein echter Erfolg für euch werden.
Olli Herman: Vielen Dank, das werde ich definitiv tun. "Turbo Rider" kommt bislang offenbar gut an, denn die drei Singles sind schon mal von den Abrufzahlen besser als alle unsere Songs vorher. Das stimmt mich schon mal optimistisch und ich schaue zuversichtlich in die Zukunft. Wir sehen uns hoffentlich alle bald auf Tour wieder!