Berlin Friedrichshain - auf der Suche nach dem Metal
Ein Artikel von Opa Steve vom 25.10.2009 (16566 mal gelesen)
Wer noch vor einigen Jahren Berlin besuchte, für den war in Punkto "metallische Abendgestaltung" oftmals guter Rat teuer. Der Westteil der Stadt hatte über eine gesamte Generation hin zwar eine große alternative Szene als Gegengewicht zum Schicki-Micki Nightlife und einer großen Dance-orientierten Clublandschaft aufgebaut, aber für Metaller schien in dieser Metropole nie der richtige Platz gewesen zu sein. Als einen der ersten nennenswerten Clubs kann man das Halford aufführen, welches damals überregional gegen das Image des "Metal-Entwicklungslands" Berlin ankämpfte und auch einige nennenswerte Veranstaltungen an Land zog.
Heute lohnt sich allerdings auf alle Fälle ein Streifzug durch das nächtliche Friedrichshain, was wohl mittlerweile zwischen grauen Häuserfronten und einer bunten Hausbesetzerszene auf konzentrierter Fläche die Vollbedienung für langhaarige Headbanger bietet. Warum sich in dieser gigantischen Stadt ausgerechnet dort alle Metal-Locations konzentrieren ist mir zwar ein Rätsel, aber als Besucher hat es den Vorteil, dass man sich lange Wege sparen kann, wenn man sich für einen Wechsel der Kneipe entscheidet, oder noch einen gepflegten Afterburner nach 'nem Konzert einschieben möchte. Ebenfalls absolut begrüßenswert ist das zivile Preisniveau dieser Region, denn es gibt wohl kaum noch Orte deutschlandweit, die den Besucher mit solch zivilen Getränkekosten zur Kasse bitten. Doch dazu später im Detail mehr.
Beginnen wir mit wohl der heute wichtigsten Location für das hartmetallische Nachtleben überhaupt: das K17. Das K17 ist ein alternativer Musikclub mit mehreren Floors sowie angeschlossener Konzerthalle. Jede nennenswerte Metal-Tour in der 300-700-Nasen-Liga macht hier Station, aber auch bei den Themenabenden auf den Music-Floors, die von 80er Rock über Goth bis zum Grindcore eine Menge zu bieten haben, lohnt sich immer wieder ein Besuch. Angenehm beim Live-Club ist, dass es einen abgetrennten und weiträumigen Barbereich gibt, wo man sich nicht nur während eines Konzertes auch mal unterhalten kann (der Gig aus der Halle wird übrigens per Beamer auf Leinwand übertragen), sondern immer einen Platz zum Sitzen und Ausruhen findet. Die Discos selbst befinden sich in einem Nebengebäude. Auf verwinkelten Fluren und über schmale Treppen erreicht man auf abenteuerliche Weise (einen Feueralarm möchte ich dort nicht erleben) die verschiedenen Ebenen, die allesamt einen eigenen Barbereich haben, und sich eigentlich hauptsächlich in der Menge und Art der Sitzgelegenheiten unterscheiden. Die Gestaltung lädt an einem Abend natürlich zum Wandern durch die Musikstile ein. Außerdem kann von Vorteil sein, wenn man weiß, wo die Drinks besonders großzügig ausgeschenkt werden. Dann geht man sich halt z.B. an der Gothic-Bar seinen Burbon holen, und dackelt damit dann zum gepflegten Abschädeln zum DJ mit dem Holzhacker-Programm. Alles ist möglich. Wer mal ein anderes Bier probieren möchte und nicht unbedingt auf Pils steht, dem kann ich auf alle Fälle das dunkle "Bruno" vom Fass empfehlen. Richtet euch auf eine etwas längere Zapfdauer ein, denn es schäumt ziemlich stark. Dafür ist es ein Gaumengenuss, denn es verbindet Röstmalze mit der Milde eines Hefeweißbiers, und ist auch relativ leicht, so dass man gegen Durst gut und gerne mal 3 auf die Schnelle runterkippen kann, ohne direkt 'nen Brand zu bekommen oder einen sitzen zu haben.
Da das K17 - abgesehen von den Konzerten - recht spät seine Tore öffnet, lohnt sich vorher ein Abstecher in die umliegenden Metal-Kneipen. Das Halford in der Boxhagener Str. 19 liegt schon etwas abseits, aber wer einen gemütlichen Abendbummel vom Alexanderplatz aus machen möchte (bei Nacht wesentlich schöner anzusehen als bei Tag) läuft einfach 'ne halbe Stunde die Karl-Marx-Allee runter und erreicht die Boxhagender Str. über die Warschauer Straße am Frankfurter Tor. Standardclub mit großem Bierangebot, aber für Friedrichshainer Verhältnisse schon recht kommerzialisierten Preisen. Außerdem scheinen in der neuen Location keine Konzerte mehr zu sein, aber man trifft sich hier zu vielen Release- und Aftershow-Parties. Ideal für Leute, die gern und gut zu Fuß sind (oder man fährt nach dem Gig halt nochmal 2 Stationen U-Bahn).
Ansonsten erreicht ihr alles zentral über die Haltestelle "Frankfurter Allee". Vom S-Bahn-Ausgang einfach rechts abbiegen, und ihr seid schon auf der Pettenkofer Straße. Vorher lädt der Dönermann auf der rechten Seite noch zu einem Besuch ein (gute Grundlage für wenig Geld), und dann könnt ihr euch überlegen, wo ihr hinmöchtet. Die Pettenkofer Str. weiter aufwärts findet ihr das K17. Zum Vorglühen bei spätem Einlass empfehle ich allerdings einen Abstecher ins Jailbreak in der Bänschstraße. Eine sehr entspannte Metal-Kneipe mit gelungenen Fantasy-Plastiken als Wandschmuck, klein dunkel, gemütlich. Das Musikprogramm geht durchaus in die härtere Richtung, aber die Lautstärke ist sehr angenehm, so dass man sich nicht 'nen Abend lang stumm angucken muss (oder sich wahlweise ins Ohr brüllt). Unbedingt (!) ins Jailbreak müsst ihr aber gehen, wenn ihr Freunde guter Whiskys seid. Das Whisky-Angebot im Jail ist für eine normale Kneipe sehr ordentlich, und beim Preis läuft euch das Wasser im Mund zusammen. Selbstverständlich ist die Bedienung so höflich und verwässert den guten Tropfen nicht ungefragt "on-the-rocks", wie so oft üblich, sondern fragt vorher nach, ob's überhaupt mit Eis gewünscht wird. Das Jail ist eine Raucherkneipe, wobei sich dank Ventilation der Gestank in Grenzen hält.
Zur Beendigung eines Abends eignet sich das Brutz & Brakel. Gleichnamige Herren der Band POSTMORTEM mixen ja schon länger auf dem PartySan gefährliche Drinks, und haben hier neuerdings ihre Dauerstation in der Schreinerstraße (ebenfalls von der Pettenkofer Straße abgehend, von der S-Bahn kommend die erste links). Hier sollte man aber nicht wegen etwaiger später Öffnungszeiten den Abend beenden, sondern wegen der Beschaffenheit der Drinks. Denn viel mehr geht danach nicht mehr, sobald man mal das sichere Bier verlässt und sich in Richtung Hochprozentiges wagt. Während Shots von der Menge noch recht kalkulierbar sind, geht bei den Longdrinks die Lampe an. Die günstigen Preise laden dazu ein, viel zu früh mit starken Sachen (die so nichtssagende Titel wie "Eiterooge" oder "Paar inne Fresse" tragen) anzufangen. Aber für mehr als zwei Drinks der Marke "Paar inne Fresse" sollte man auch entsprechend Zeit und/oder Kondition mitbringen. Nicht umsonst trägt das B&B-Merchandise den Untertitel "National Drinking League". Die Bar selbst wirkt improvisiert, aber gemütlich. Sofa-Ecken, ein gezimmerter Tresen, Dart, und ein Fernseher, auf dem auch mal obskure Schinken laufen. Musik ist querbeet durch den Hartwurstbereich, später auch etwas lauter. Da Brutz & Brakel recht gut besucht sind und es sich ebenfalls um eine Raucherkneipe handelt, sollte man entsprechende Toleranz gegen Qualmgestank mitbringen.
Wer also mal die musikalisch angenehme Seite von Berlin erleben möchte: auf nach Friedrichshain!