Interview mit Chris von Motorjesus

Ein Interview von Stradivari vom 17.02.2011 (14285 mal gelesen)
Die Rheinländer MOTORJESUS gehören mit ihrem Knalleralbum "Wheels Of Purgatory" zu den aktuell angesagtesten Metalacts aus deutschen Landen und haben es mit ihrem eigenständigen Heavy Rock geschafft, auch außerhalb der Schwermetallszene ein extrem positives Echo mit entsprechender Medienpräsenz zu ernten.
Grund genug, dass auch bleeding4metal mal nachfragt, wie's ist, auf einer Euphoriewelle zu surfen. Ergo traf man sich zu einem lauwarmen Jasmintee im Stuhlkreis. Oder so ähnlich...

Erst mal herzlichen Glückwunsch zu "Wheels Of Purgatory". Ich muss zugeben, ich bin schwer beeindruckt, zumal ich mich erinnere, dass Ihr im April 2009 auf der Bühne des "Pitch Black" in Niederkrüchten - im Vorprogramm von PAUL Di'ANNO - fast schon das Ende der Band verkündet habt. Wie habt Ihr es denn geschafft, das Ruder nochmal rumzureißen?

Chris: Wir hatten zu der Zeit alle 'n bisschen viel privat um die Ohren und haben in verschiedenen Konstellationen versucht, MOTORJESUS am Leben zu halten. Aber irgendwie war das alles nicht so das Gelbe vom Ei. Zwischendurch hatten wir tatsächlich schon mal in Betracht gezogen, die Geschichte auslaufen zu lassen. Aber irgendwie kam es so, dass wir stattdessen wieder mit den alten Leuten, in erster Linie Guido und Olli, wieder mehr zu tun hatten und irgendwann beschlossen wir, einen Neustart in fast alter Besetzung zu wagen. Wir sind alle froh, es gemacht zu haben, denn es klappt besser als je zuvor. Wir sind halt auch klüger und weiser geworden... Hahaha...

Bleiben wir noch beim neuen Album. In den glorreichen 80igern wäret Ihr mit einem solchen Output und dem Label im Kreuz sicher 'ne ganz große Nummer geworden. Heute besteht natürlich die Gefahr, auch mit einem geilen Produkt einfach nur erbarmungslos unter zu gehen, vor allem auf Grund der Veröffentlichungsschwemme und der iTunes-Generation. Bedauert man da manchmal, zu spät geboren zu sein oder wie schätzt Ihr Eure persönlichen Chancen und die Metal-Szene allgemein sowie deren Perspektive aktuell ein?

Guido: Also persönlich glaube ich, dass sich Qualität und Herzblut IMMER durchsetzen wird! Ohne die Einflüsse aus den 70iger bis 90iger Jahren würden wir natürlich auch anders klingen... ...alles in allem bin ich mit der jetzigen Situation mehr als zufrieden. Wir machen unser Ding und es sind zu 100% UNSERE Ideen. Gibt's was Schöneres, als genau jene Musik zu machen, die wir persönlich lieben...!?

War jetzt nicht wirklich eine Antwort auf meine Frage, aber trotzdem interessant... Hahaha... Am letzten Freitag ist "Wheels Of Purgatory" als bester Neueinsteiger auf Platz 11 der offiziellen media control Newcomer-Charts gelandet. Bei allem Optimismus im Vorfeld, ich denke mal, das ist dann doch eine unerwartet positive Überraschung. Wie habt Ihr es gefeiert?

Roman: Das haben wir ehrlich gesagt ganz nebenbei erfahren, weil uns Freunde durch Emails darauf hingewiesen hatten. Wie es sich für richtige Rocker gehört, haben wir das in einem Stuhlkreis bei lauwarmen Jasmintee stundenlange ausdiskutiert. Hahaha... Nee, quatsch, an dem Abend war jeder von uns zuhause und ich glaube, jeder hat sich erst mal ein Fläschken Bier aufgemacht und im Kreis gegrinst... ...so war's zumindest bei mir!

Nicht nur die neue Scheibe klingt locker und wie aus einem Guss, auch wenn man Euch so hört, scheinen Aufnahme und Produktion ganz easy gewesen zu sein. Warum gibt es dann eigentlich so verdammt wenige, richtig geile Scheiben, wenn's denn so einfach ist oder sein kann?

Guido: Ja, so langsam sind wir auch eine eingespielte Truppe, wir kennen uns sehr gut - unsere Stärken und Schwächen ebenso. Vor allem ergänzen wir uns gegenseitig im Songwriting. "Wheels Of Purgatory" haben wir innerhalb von einem halben Jahr geschrieben, wobei einige Riffs auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatten. Aber der Spaß und die Euphorie, die wir alle beim Songwriting hatten, war schon ein großer Bonus. Aber so ganz easy, wie es dann klingt, war es natürlich nicht... Die Aufnahmesessions haben sich schon etwas hingezogen und wir alle haben um jeden Ton gekämpft und unser Bestes gegeben. In der Studiozeit haben wir die Songs alle hundert Male gehört um an den Feinheiten zu feilen... ...also easy... ...ich weiß nicht, aber Spaß gemacht hat's!!!

"Wheels Of Purgatory" ist erfreulicherweise auch auf Vinyl erhältlich. Was eine unglaublich tolle Sache ist, da die Scheibe ein absolut geniales Artwork hat. Wie in guten, alten Zeiten, als sich Platten teilweise noch über die Hülle verkauften und das passende T-Shirt dazugehörte. Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten Monaten oder Jahren in so vielen Reviews das Cover erwähnt wurde, wie bei Eurem aktuellen Output. Blöde Frage vielleicht, aber wie habt Ihr es geschafft, ein derart gelungenes Gesamtpaket zu schnüren? Will sagen, habt Ihr gezielt das Artwork mitgestaltet, um aus eigenem künstlerischen Anspruch eine perfekte CD auf den Markt zu bringen oder steckt da - was ja auch völlig legitim wäre - zumindest nicht auch ein wenig kommerzielles Kalkül dahinter, da Merchandise bekanntlich eine der letzten lukrativen Einnahmequellen für Bands ist...

Chris: Für uns war es wichtig, dass diese CD irgendwie eine "runde" Sache wird, vom Artwork angefangen, über die Songs, Bandname und Plattentitel. Alles sollte eine Einheit bilden. Nicht aus kommerziellen Gesichtspunkten, sondern weil bei unseren alten Platten oft alles recht konzeptlos war. Da hat man halt'n cooles Cover genommen, aber die Songs hatten mit dem Artwork nichts gemein. Sah alles cool aus, Mucke war auch cool, aber der Zusammenhang fehlte teilweise. Wir hatten für das dritte Album schon sehr früh die Idee, den Motorjesus auch als Person in Erscheinung treten zu lassen und was stellt die Band und deren Attitüde besser da, als 'n Jesus mit Kippe im Mund, der im fetten Pontiac durchs Fegefeuer brettert? Eben! Mehr MOTORJESUS geht fast nicht... Anhand der Idee entstanden auch teilweise Texte, die Bezug auf das Thema nehmen und von Freiheit, Spaß, Grenzen einreißen und Neues ausprobieren handeln. Das alles ergibt ein sehr rundes Ding. Unserer Meinung nach...

Was heutzutage echt ätzend ist, sind diese ganzen verschiedenen Versionen von CDs und DVDs. Das geht Dir doch mit Sicherheit selbst mächtig auf den Sack, wenn Du Dich eindecken gehst, oder? Ich will natürlich mit Euch nun nicht über das Musikbusiness philosophieren, aber Ihr habt als Künstler auch gerade ein neues Werk mit zwei sogenannten Bonustracks rausgebracht. Was soll das? Warum habt Ihr nicht ganz simpel und einfach ein Album mit vierzehn Titeln veröffentlicht?

Chris: Ich geb' Dir da recht, bin aber selber Fan von allen Medien. Ich bezeichne mich ja eh selbst als Medien-Messi. Hahaha... Ich steh' total auf Vinyl und vor allem auf geile Picture Discs, die man sich schön zuhause auf den heimischen Plattenteller knallt. Das ist immer noch unbezahlbar und steigert den Wert der Musik für mich enorm. Kauft Euch echt mal 'ne Picture Disc von "Master Of Muppets", das ist einfach viel "erhabener", so 'nen Klassiker in so 'nem Format aufzulegen, als das Teil als mp3 auf'm Handy zu hören. Trotzdem hör' ich im Auto noch CDs oder eben auch mal mp3s, das hat alles so seine Vor- und Nachteile. Auch Special Editions von CDs im Digipack kauf' ich mir ganz gern. Ich glaub', ich lieg' da so fünfzig fünfzig bei Vinyl und CDs. Bonustracks find' ich aber auch immer cool, dann hat man eben ein paar Songs mehr, die in der Standardversion nicht drauf sind. Für mich waren Bonustracks immer was Besonders. Für Fans, die eben direkt in den Laden gehen und das Teil kaufen.

MOTORJESUS gelten als formidable Liveband. Das ist ein Riesenkompliment, aber wenn mir anschaue, dass selbst ein namhaftes Package mit fettem Nightliner durch Deutschland tourt, um vor 70 Nasen, von denen 25 noch auf der Gästeliste stehen, in einem Club zu spielen - welchen Stellenwert haben Gigs für einen Act wie Euch überhaupt noch? Erreicht man das Publikum, außer den obligatorischen Die-hard-Fans, nicht mittlerweile eigentlich nur noch auf einem der inflationären Festivals?

Roman: Danke erst mal für das Kompliment! Bei manchen Gigs der bekannteren Bands ist es tatsächlich oft so, dass diese vor relativ wenigen Leuten spielen. Ich glaube, das liegt an dem Überangebot der ganzen Veranstaltungen, die jedes Wochenende laufen. Gerade in größeren Städten gibt's an jeder Ecke Konzerte für wenig Kohle, mit wirklich sehr geilen und teilweise leider auch sehr unbekannten Bands. Für uns hat das "live" spielen 'nen sehr hohen Stellenwert, um es mal so zu sagen. Da sind wir "am Mann" und erreichen die Leute persönlich. Bisher ist wirklich bei jedem Gig was passiert. Wir haben neue Fans und Freunde hinzugewinnen können sowie mächtig viel Spaß gehabt, unabhängig von der Anzahl der Besucher. Wichtig ist ja, dass von den Leuten was zurück kommt und das war bisher immer der Fall.

In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass Ihr neben einer weit überdurchschnittlichen Homepage auch in sozialen Netzwerken wie Facebook und anderen Plattformen sehr aktiv seid und das auch noch mit aktuellen, gut gepflegten Seiten. Das Internet scheint Euch sehr am Herzen zu liegen. Ersetzt es inzwischen das Bier mit den Fans nach dem Auftritt oder habt Ihr tatsächlich eine weltweite Gefolgschaft, die entsprechend bei Laune gehalten werden muss?

Guido: Also, das Bierchen mit den Fans ersetzen die Internetseiten nicht. Aber wie die meisten anderen Bands nutzen auch wir die Möglichkeiten des WWW um uns zu präsentieren und unsere Fans - die es tatsächlich nahezu auch weltweit gibt - auf dem Laufenden zu halten... Das geht natürlich nur mit aktuellen Inhalten... Hahaha...

Man traut Euch im Grunde den verkörperten Booze and Kerosene-Lebensstil bedingungslos zu. Aber, Hand aufs Herz, steht bei Euch nicht auch ein Golf IV mit Kindersitz vor der Tür und Sonntag kommen die Schwiegereltern?

Chris: Quatsch, wie kommst Du denn darauf?! Bei uns steht der Opel Manta vor der Türe und sonntagmorgens wird erst mal mit 'ner Kippe und 'nem Konterbier aufgestanden... Hahaha... Dann ab zum Frühschoppen...

Beim Thema Image ist es für mich als Biker übrigens etwas verwunderlich, dass Ihr - zumindest nach meiner Wahrnehmung - nicht wirklich in der Motorradszene verwurzelt und präsent seid. Wie kommt´s?

Roman: Oh, Du fährst auch Mopped? Ich hab 'ne ganz olle Kawa Z von 1977, schön in Eigenregie um- und aufgebaut und seitdem ein reines Schönwetter-Mopped... Hahaha... Ja, das ist wirklich 'ne gute Frage, die ich mir ehrlich gesagt auch gerade stelle. Ich denke, hier müssen wir noch etwas aktiver werden und hier und dort Fuß fassen. Das Image passt ja schon arg in die Auto- und Motorrad-Ecke. Wir kümmern uns darum!!! Aktuell laufen auf DMAX Trailer mit unserer Mucke sowie Werbung für's neue Album, das ist schon mal ein sehr großer Schritt in diese Richtung.

Im kommenden Jahr 2012 habt Ihr zwanzigjähriges Dienstjubiläum. Steht uns da etwas Größeres ins Haus? So'n Termin werdet Ihr doch nicht gewiss nicht sinnlos verstreichen lassen... Hahaha...

Guido: Ja, es stimmt, es gibt Gerüchte, dass da was Großes passieren wird... Hahaha...

Zum Schluss noch etwas ganz anders. Da ich ja selbst vor den Toren von Mönchengladbach lebe, bekomme ich - auch wenn ich persönlich einen anderen Verein favorisiere - natürlich mit, wie die ganze Region unter dem fast unausweichlichen Abstieg der Borussen leidet. Ihr auch oder habt Ihr mit Fußball nichts an der Baseballmütze?

Chris: Sorry, aber Fußball ist nur bedingt unser Ding. Ich persönlich steh' gar nicht darauf und hatte schon immer mehr Spaß und Leidenschaft für die Mucke. Mein Lieblingsverein heißt 1. FC ANTHRAX... Hahaha...

Okay, okay, lass gut sein! Vielen Dank für das Interview, ich muss das jetzt erst mal alles verarbeiten... Hahaha...

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