Wulfgars Metal Pilgerreise (Teil 2)

Ein Artikel von Wulfgar vom 05.10.2014 (20175 mal gelesen)
Ende September: Check
Wetter: meh
Feierlaune: Check
Zeit: Check
Kollegen: Check
Wochenende: Check

Das bedeutet für mich: auf zur zweiten Station meiner Pilgerreise. Um die überbordende Neugier gleich anfangs zu stillen, diesmal führt mich meine Reise nach Bonn. Als ehemaliger Regierungssitz wahrscheinlich eine der deutschesten Städte überhaupt. Die Stadt ist mir von einigen wenigen Besuchen mehr schlecht als recht bekannt und spontan fällt mir auch keine allzu häufig von Metal gesegnete Konzertlocation in der Nähe ein. Was kann mir Bonn dahingehend also bieten? Um damit direkt aufzuräumen, diesmal gab es kein Konzert. Der zuvor ins Auge gefasste STORMWARRIOR Gig wurde nämlich leider ein paar Tage vorher ersatzlos gecancelt. Der logische Ersatz wäre in so einem Fall eigentlich Köln. Aber auch dort war absolut kein adäquates Ersatzprogramm auffindbar. Das fängt ja gut an denke ich auf der Hinfahrt ganz bei mir. Aber zumindest die Kollegen Kex und Contra kenne ich schon und weiß noch von vorigen Begegnungen, mit denen ist gut Kirschen essen. Wobei die Kirschen hier ein Synonym für mehr oder minder alkoholhaltige Getränke sind und "essen" für trinken. Dessen geachtet fahre ich also vollkommen ohne Ahnung, was mich da im Rheinland so erwartet, vorbei malerischen Hügeln und kompliziert kolorierten Rettungshubschraubern (geparkt auf der Fahrbahn) Richtung Westen.

Irgendwann stehe ich dann vor dem Fachwerk-Hexenhäuschen im Bonner Hinterland, in dem die Gastgeber logieren. Vom letzten Besuch hier weiß ich noch, dass man, so man drinnen steht, vor einem freudigen Luftsprung besser in die Knie gehen sollte. Zumindest dann wenn man über 1,80 m misst. Ich nehme mir vor, nicht zu springen, möglichst weder drinnen noch draußen. Endlich angekommen begrüßen mich Kex und Contra freudig und fangen auch unmittelbar nach den Einlassformalitäten (à la "Hier schläfst du, ich geh derweil mal Bier holen") zu erzählen was heute so ansteht. Da einfach kein ordentliches Ersatz-Konzert aufzutreiben war, haben die Gastgeber entschieden, eine Kneipentour durch die Bonner Innenstadt zu veranstalten. Dabei sollten die für Metaller typischsten Lokalitäten aufgesucht werden. Und damit man diese Ochsentour auch durchhielte, müsse man vorher ja noch stilecht schnabulieren, so die Gastgeber. Und was wäre stilechter als ein ordentlicher Burger aus der "Frittebud". Doch vorher kann man sich ja noch warm machen. Das heißt in diesem Fall, dass die restlichen Bestände an Kexens Festival-Dosenbier (gutes Kulmbacher) und das eine oder andere leckere Destillat schottischer Herkunft über den Jordan gehen. Währenddessen unterhält man sich zunächst gemütlich, doch mit voranschreitender Zeit immer ausgelassener über musikalische Entdeckungen. Es dauert nicht lang und der ultimative Partykiller läuft. YouTube! Und da das eine allgemeingültige Wahrheit ist, erkläre ich jetzt kurz den typischen Ablauf: ein Lied läuft im Player für etwa 30 Sekunden, wenn es hochkommt 1 Minute. Danach wie folgt.

Partyteilnehmer 1: Whao cooler Song, kannte ich ja noch gar nicht. Aber weißt du was jetzt auch richtig gut wäre? (Hier Songtitel und Band einfügen).
Partyteilnehmer 2: (Lädt das vorgeschlagene Video) Ja, hört sich ganz nett an. Aber kennst du das schon? (Hier Songtitel und Band einfügen).
(Anm d. A. Dieser Dialog lässt sich mit leichten Variationen in der Wortwahl pro Abend noch ungefähr 200 Mal wiederholen)

Und ungefähr so läuft auch die Vorbereitungszeit auf die Kneipentour. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass in diesem Fall alle Partygäste daran teilnehmen und nicht ein Großteil nach 4-6 Zyklen dieses YouTube-Dialogs das Zimmer verlassen. Bei dieser sehr interessanten Diskussion, kam allerdings ein recht beachtliche Liste an verdammt guten Metalsongs heraus, die ich den verehrten Lesern natürlich nicht vorenthalten möchte:

(Die Liste ist in keinster Weise als Ranking zu verstehen und gibt nur die zeitliche Abfolge der Songs an diesem Abend wieder. Anm. d. A.)
GORMATHON – Skyrider
STRAPPING YOUNG LAD – Detox
MASTERS OF DISGUISE – For Now And All Time (Knutson's Return)
KROMLEK – Moritvrvs Immortalis
DETHKLOK – Hatredcopter
VALLENFYRE – Ravenous Whore
AKREA – Imperium
CONSIDERED DEAD – Mentally Tortured
OFFICIUM TRISTE – The Wounded And The Dying
INSOMNIUM – Mortal Share

Doch so schön es auch ist sich in den heimischen Hallen den Metal um die Ohren zu hauen, irgendwann müssen wir ja mal los.
Mit dem Bus fährt man ungefähr 20 Minuten in die Innenstadt. Währenddessen passiert naturgemäß nicht viel, abgesehen von der Tatsache, dass Contra ein älteres Pärchen (um die 60) fast zu Tode erschreckt, als er mit lautem Knallen das Busfenster schließt. Ich bemerke lakonisch, dass so ein kurzes Kammerflimmern einen doch wieder richtig nach vorne bringt. Sie nehmen es mit Humor. In der Innenstadt geht es nach der Sparkasse und einer Pinkelpause im Gasthof zum güldenen M in Richtung Frittebud, dessen starke Frequentierung schon für die Qualität der Lokalität spricht. Als mir dann noch vor Eintreten der Bude jemand mit einem ca. 20cm hohen und dreifach befleischtem Burger entgegen kommt, weiß ich, dass eine solide Grundlage heute auf jeden Fall gegeben ist. Noch während des Essens kommt das 2. Pärchen des Abends daher. Beide unverkennbar Metalheads im klassischen Sinne. Kutte, Patches, Accessoires ist alles vorhanden und da alle Tische besetzt sind bitten wir die Zwei kurzerhand an unseren Tisch. Es stellt sich heraus, dass die beiden Hard'n Heavy's sind. Also Mitglieder in einem Verein, der um die Erhaltung der metallischen Musiklandschaft in Bonn und Umgebung bemüht ist. Wir unterhalten uns gut und verabreden uns, später in einem Laden namens Stachel zu treffen wo die Hard'n Heavy's heute Stammtisch haben.

Nach diesem doch sehr angenehmen Nachtmahl geht die Kneipentour los und man kommt überein, als erste Station einen gediegenen Irish-Pub aufzusuchen. Doch wie das mit Plänen immer so ist, kommt noch eine unvorhergesehene Station dazwischen. Zu unserer nicht geringen Überraschung waren des Nächtens diverse Betreiber dabei, ihre Buden mitten in der Innenstadt zu errichten. Wir diskutieren kurz ob das schon Vorbereitungen für den Bonner Weihnachtsmarkt sein könnten, werden dann aber eine besseren belehrt. Es sei für das Bonn Fest (mega-einfallsreicher Name!). Bei näherer Betrachtung einer dieser Buden glaube ich kurz ich hätte mich verguckt. Nein, da steht doch tatsächlich "Bundesamt für magische Wesen" (BAfmW). Wie geil ist das denn? Und siehe da, die schenken Met aus. Der vorangegangene Lachanfall meinerseits muss honoriert werden und so wird eben noch kurz ein Met zwischengeschoben und noch die eine oder andere Lachattacke folgt. Z.B. auf die Erklärung des Budenbetreibers hin, dass man sich so genannt habe, weil es in Deutschland für alles was es gibt, ein Amt gibt. Gibt es also ein Amt für magische Wesen, folgt daraus logischerweise, dass es auch die geben muss, denn sonst gäbe es ja das Amt nicht. Bestechende Logik! Der Besitzer selbst ist eigentlich Imker, der unter diesem Banner u.A. seine Honigerzeugnisse, aber auch Fantasyliteratur aller denkbaren Gattungen vertreibt. Schließlich zieht es uns aber doch weiter in den Pub, wo allerdings die erste herbe Enttäuschung des Abends lauert (leider nicht die einzige). Pubs sind teuer, das weiß man, damit rechnet man. Aber dieser sprengt die Erträglichkeitsgrenze noch vor dem Frühstück. 7 Euro für einen Pint Cider sind schlicht und ergreifend unverschämt. Da der Laden ohnehin kein bisschen Metalatmosphäre verströmt, beschließt die Gruppe kurzerhand den Pub unversehens zu verlassen und die nächste Station anzusteuern. Diese ist ein Punkschuppen mit dem wohlklingenden Namen Limes. Diese Bar hält nicht nur eine wohlsortierte Bierauswahl bereit, sondern auch amtliche Punkmusik, die zwar streng genommen auch nicht so wirklich Metal ist, aber darüber kann man (unter Zuhilfenahme von Hopfenbrause) ja mal hinweg sehen. So liefern eben RAMONES, MISFITS und Konsorten die musikalische Kulisse. Und man kann sagen: "Et läuft!" Bier, wie uns umgebende Personen gehen definitiv klar und so geht ein Stündchen ins Land ohne dass die Beteiligten gemerkt hätten wann. Bei Diskussionsthemen wie: "Wie laut kann man öffentlich eigentlich rülpsen" kein Wunder. Doch schließlich war der letze Schluck im Limes getan und wir machen uns auf in den Stachel, einer klassischen Kellerbar mit annehmbarer Musikkulisse. Die Hard'n Heavy's sind schnell gefunden, doch die geben sich alles andere als gesprächig und als ich noch ein Foto des Abends schießen will, erklärt mir der Präsi, dass man Clubs nicht so einfach fotografieren darf. Das gehöre zum guten Ton. Mir kommt das eher vor wie weichgespülte Wichtigtuerei und wenig später verlassen wir den Stachel wieder. Ohne Foto, dafür mit der 2. herben Enttäuschung des Abends. Merke: nicht überall, was draußen nach Metal aussieht, ist auch Metal. Den krönenden Abschluss dieses denkwürdigen Abends bildet der Tresor. Warum? 1. Es läuft astreiner Heavy Metal. 2.Der DJ hat Ahnung. 3. Die Leute sind ungezwungen, kontaktfreudig und schütten in rauen Mengen Whiskey in sich hinein. 4. Der DJ (mit Ahnung) spielt Musikwünsche. Verrückt! Der Besuch im Tresor erweist sich als wahre Goldgrube an bierseeligen Weisheiten und auch noch einigen Lachern (u. A. dank der unzähligen Perscheid Comics auf dem Klo). Langsam aber sicher hänge ich aber in den Seilen, denn der unbändige Konsum von Getränken unterschiedlicher Oktanzahl, fordert nun langsam seinen Tribut. Ehre gebührt zu dieser Stunde unserer lieben Kex, die mir ungefragt immer wieder Mineralwasser unterjubelt, so dass mir die Zügel der Selbstkontrolle nicht vollends entgleiten. Irgendwann um ca. 400 Uhr treten wir dann den Heimweg an und philosophieren (so weit möglich) auf der Heimfahrt noch über das soeben Erlebte.

Fazit: Ich habe viel gelacht, viel getrunken und weiß jetzt, wo man in Bonn hingehen kann. Außerdem sind noch ein paar coole Bands und Songs dabei rumgekommen, die ich noch nicht kannte. Dem Auftrag ist also Genüge getan und ich kann schon gespannt auf zukünftige Stationen blicken. Nach einigen sehr nachdenklichen Momenten in Österreich stand diesmal wohl eher das Zwischenmenschliche im Vordergrund. Bonn war nicht unbedingt die logische Konsequenz aus der ersten Station, aber für sich genommen definitiv würdig und recht.

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