Interview mit Mike von Suicidal Tendencies

Ein Interview von Eddieson vom 23.02.2017 (23106 mal gelesen)
Ein Gespräch mit Mike Muir von den SUICIDAL TENDENCIES ist doch immer etwas Besonderes. Ich wusste schon im Vorfeld des Gesprächs, dass Mike ein Typ ist der gerne und ausschweifend erzählt, vielleicht ist auch deshalb die Interviewzeit auf 15 Minuten begrenzt. Natürlich mussten wir Mike auch auf den kommenden Auftritt beim BÖHSE-ONKELZ-Festival ansprechen, zu dem er auch Stellung bezog.

Es sei noch angemerkt, das wir nach dem Interview noch weiter mit Mike über die BÖHSEN ONKELZ gesprochen haben, er uns auch nach unserer Meinung über die Band gefragt hat. Aber ich denke, er hat in diesem Interview klar Stellung bezogen und damit sollte es auch reichen.

Hi, Mike. Vielen Dank, dass du dir kurz Zeit nimmst. Wie geht es dir?

Mike: Danke. Sehr gut. Die Tour nähert sich dem Ende.

Richtig, morgen geht es noch nach London und dann nach Hause. Da müsst ihr euch aber ganz schön beeilen. Heute Oberhausen und morgen London.

Mike: Ja, die Tour ist schon ganz schön verrückt. Gestern sind wir aus der Schweiz gekommen, dann der ganze Stress an den Grenzen und man sitzt da auf heißen Kohlen. Außerdem ist es sehr kalt hier. Ich komme aus Australien und diese Minusgrade sind ganz schön anstrengend. [lacht]

Wenn man mal auf die Tour zurückblickt, dann waren einige Shows ausverkauft. Kann man also davon sprechen, dass es der Hardcore-Szene ganz gut geht?

Mike: Ich denke, das sieht jeder anders. Wir touren jetzt schon eine ganze Zeit lang. Man ist in verschiedenen Ländern, an vielen verschiedenen Orten. Aber wir haben, denke ich, einen gute Fanbase. Außerdem ist es in Europa noch ein bisschen anders. Hier ist es kalt, aber die Leute freuen sich auf die Show. Dann hast du aber auch wieder nur die Leute, die z. B. auf Festivals gehen, und Festivals sind dann wieder eine ganz andere Geschichte. Da erreicht man dann wieder ganz andere Leute, Leute, die vielleicht sonst nicht auf eine "normale" Show gehen würden. Und man trifft immer mal Leute, die mittlerweile mit ihren Kindern eine Show besuchen und das ist natürlich ziemlich cool.

Euer neues Album heißt "World Gone Mad", welches ein perfekter Titel für die heutige Zeit ist. Wenn du das Album jemanden beschreiben müsstest, der es bisher noch nicht gehört hat, wie würdest du das tun?

Mike: Ich glaube, dass man eine SUICIDAL-Platte schwer beschreiben kann. Wenn man mal an unsere erste Platte denkt, da waren Punk-Fans, die sagten es wäre Metal und Metal-Fans, die sagten es wäre Punk. Wir haben nirgends richtig reingepasst, aber das war uns egal. Wenn man damals in den Magazinen geblättert hat, da sah man auch, dass wir völlig anders angezogen waren als der Rest. Die Zeit über haben wir uns kaum verändert, während die Leute um uns herum sich stark verändert haben. Wir wurden damals für viele Sachen kritisiert, die andere aber heute machen. Wenn man SUICIDAL nicht kennt, dann kennst du auch nicht unseren Background. Als ich das erste Mal hier hin kam wurde ich gefragt, warum ich aussehe wie Axl Rose. [lacht] Aber seht euch mal an, wie GUNS N ROSES aussahen damals und wie wir ausgesehen haben. Leute haben uns oft mit anderen Bands verglichen, aber schaut man mal genauer hin, wie kann dann einen unsere Platte wie eine andere klingen, wenn unsere 20 Jahre früher auf den Markt kam? Da gab es viele solcher Geschichten. Das Beste für SUICIDAL war aber, dass wir auf vielen Festivals spielen durften, und die Leute uns dort gesehen haben. In den USA haben wir viel mit den alten Metal-Bands gespielt und die haben ihre Kinder mitgebracht und die kamen mit einem Shirt der Headliner-Band und am Ende trugen sie dann ein SUICIDAL-Shirt. [lacht] Das nehme ich natürlich als großes Kompliment! Mein Dad sagte schon immer, wenn du etwas tust, dann musst du auch daran glauben, denn du kannst niemand vortäuschen, dass du etwas tust und nicht daran glaubst. Viele machen irgendwas, weil es ihr Job ist, sie aber nicht wirklich daran glauben. Wir bei SUICIDAL glauben an das, was wir tun. Ich komme aus Australien, ich könnte schön in der Sonne liegen und so, aber ich will hier sein, weil viele Leute uns sehen wollen. Niemand kann uns vorwerfen, dass wir nicht daran glauben, was wir tun.

Dave Lombardo ist mit auf der neuen Platte. Hatte er Einfluss auf die Musik.

Mike: Wenn Dave Lombardo etwas spielt, dann hat er immer Einfluss darauf! [lacht] Es ist unglaublich. Aber da ist es dasselbe. Zwei Köche zum Beispiel können ein und dasselbe Gericht kochen, doch sie können völlig unterschiedlich schmecken. Es gibt Leute, die wenden einfach die Burger und andere tun dies mit Leidenschaft und Dave hat einfach die Leidenschaft zum Schlagzeug. Er liebt es zu spielen. Wenn man mit ihm probt oder einfach nur in seiner Nähe ist, dann merkt man, dass er die Musik liebt. Er liebt sie einfach. Es ist egal, was wir spielen, er ist absolut vielseitig. Auch wenn es sehr nach Klischee klingt, aber Dave ist mit ganzem Herzen dabei, wenn er etwas spielt. Das nennen wir den Lombardo-Effekt. Vor einiger Zeit haben wir mit SLIPKNOT gespielt und kurze Zeit später kamen wir mit dem neuen Schlagzeuger an und die Leute sagten, dass es klingen würde, wie eine völlig andere Band. Es ist ein großes Vergnügen, mit ihm zu spielen.

Ist es manchmal nicht desillusionierend, wenn man ein Album veröffentlicht und die Leute dann schlecht darüber reden oder ist es für dich eher ein Motivationsantrieb?

Mike: Ich habe Zuhause eine große Kollektion von Artikeln an der Wand hängen, die nur schlecht über uns reden. Dann werde ich ständig gefragt, warum ich das an die Wand hänge. Ganz einfach: Weil es mir egal ist! Das ist etwas, was mein Dad mir beigebracht hat, es ist einfach, Leute zu ärgern. Ich kann jemanden ärgern, nur weil ich ihn gerade ärgern will. Egal, aus was für einem Grund. Aber das ist falsch. Mein Dad sagte immer, nur weil jemand sagt, dass du ein Arschloch bist, dann bist nicht gleich eins oder wenn jemand sagt du bist Gott, dann bist du nicht gleich Gott. Mach dir keinen Kopf darüber, was andere sagen. Es ist egal, was du tust, solange du daran glaubst, was du tust, wird es funktionieren. Als wir anfingen, war Punk Rock noch sehr klein, man hat vielleicht 2000 Platten verkauft. Man hat Riesenmöglichkeiten, wenn einem das Geschwätz egal ist. Es gibt so viele Leute da draußen, die achten viel zu sehr darauf, was andere über einen sagen. Unsere erste Platte zum Beispiel, wurde damals ziemlich verrissen und heute gilt sie als Klassiker. Es gibt einfach zu viele Bands heute, die Musik machen, von der sie glauben, dass es die Leute mögen und ich glaube, dass wir musikalisch und auch textlich anders sind als solche Bands. Ich ärgere gerne Leute mit unserer Musik. Ich trinke nicht und nehme sonst keine Drogen, sonst wäre ich vielleicht nicht mehr hier. Aber das ist meine Sache, ich will mich damit nicht über andere stellen, verstehst du was ich meine? Wenn andere Leute einen trinken wollen, dann sollen sie das tun. Es ist mir nicht so wichtig.

Wir müssen jetzt auch noch kurz das BÖHSE-ONKELZ-Festival ansprechen. Ihr werdet dort spielen, IGNITE haben mittlerweile die Show gecancelt, auf Drängen der Fans.

Mike: Ja, ich weiß!

Kennst du die Band?

Mike: Nein, ich kenne sie nicht. Aber ich habe eine Menge gelernt und ich habe viel über Menschen gelernt. Ich könnte jetzt Stunden darüber reden. Ich hasse es, wenn mir gesagt wird, was ich tun soll. Ich hasse es! Zweitens: Es gibt eine Menge Leute da draußen, die viel Mist schreiben, die kein Konzept in ihrem Leben haben. Leute kommen zu mir und erzählen mir, dass sie unsere Platten verbrannt haben. Ich sage ihnen, dass sie das gerne tun können, aber doch bitte dabei an die Umwelt denken sollen. Schon seit der Anfangszeit haben wir es mit solchen Idioten zu tun. Mir wurde von der Polizei siebenmal die Nase gebrochen, ich hatte das FBI in meiner Wohnung und trotz alledem sind mir solche Leute so was von egal. Es gibt viele Leute, die mir davon berichten und dann frage ich sie einfach nach dem Hintergrund. Da ist also diese Band und soweit ich weiß hatten sie zwei Songs, und das ist 37 Jahre her, bei dem einen ging es darum, Türken zu bekämpfen und bei dem anderen um Deutschland den Deutschen. Ich kenne die Texte nicht. Aber die Band war damals um die 16 Jahre alt oder so. Ich kann das alles nachvollziehen, der Sänger hatte einen Verkehrsunfall, weil er betrunken war. Ich wurde dreimal von Betrunkenen angefahren, ich kann das alles verstehen. Wir haben mal etwas mit CYPRESS HILL gemacht, das hieß "Smoke Out". Aber ich rauche nicht. Ich habe das den Jungs gesagt. Ich rauche nicht. Ich bin da rausgegangen, vor all die rauchenden Leute und sagte ihnen, dass ich vielleicht nicht hier wäre, wenn ich rauchen würde. Wir haben jemanden in unserer Band, der kommt aus Chile. Guck dir die Geschichte von Chile an. Familienmitglieder von ihm wurden getötet. Dave kommt aus Kuba. Aus seiner Familien wurde welche getötet. Wir wissen, was beschissene Faschisten sind. Wir wurden von Deutschen als Nazis beschimpft. Aber die als Deutsche sollten eigentlich wissen, was wirkliche Nazis sind. Leute sagen zu uns, wir dürfen da nicht auf die Bühne gehen. Doch! Ich gehe auf die Bühne und dann singe ich 'Fascist Pig'. Ich ziehe mein Ding durch und ich gehe dahin wo ich will. Ob ich denke, dass die Leute [er meint die BÖHSEN ONKELZ, Anm. d Verf.] Nazis sind? Von dem, was mir erzählt wurde, denke ich nicht, dass die welche sind. Weil sie vor über 30 Jahren etwas gemacht haben? Jeder da draußen im Internet weiß alles. Über all die "Mr. Perfekts" da draußen an ihren Tastaturen lache ich. Verstehst du? Die sitzen da und urteilen über andere. All die selbstgerechten Idioten da draußen, die der Welt absolut nichts Gutes tun, können mich mal. Ich hasse so was! Wir haben einen Song 'One Finger Salute', verstehst du?! Mein Dad sagte mir, wenn irgendetwas falsch läuft, dann hast du die Verantwortung, etwas dagegen zu tun. Egal, was andere tun. DU musst etwas dagegen tun! Viele Leute reden im Internet, sind aber zu feige, um rauszugehen, um in den echten Kampf zu gehen. Du kennst den Song 'War Inside My Head'. Da geht es darum, dass du zwar mit der Faust kämpfst, der richtige Krieg aber in dir stattfindet. Leute sind Feiglinge! Die sagen, dass IGNITE gecancelt haben, also müsst ihr auch die Show absagen. Johnny springt von der Brücke, müssen wir dann auch von der Brücke springen? Ich habe bisher noch niemanden gehört, der etwas Konstruktives gesagt hat. Und wenn mich jemand als einen beschissenen Nazi bezeichnet, dann ist derjenige ein verdammter Ignorant. Ich werde dort auf die Bühne gehen. Ich habe mir einiges an Live-Material angesehen und keine Leute gesehen, die dem rechten Rand zuzuordnen sind. Ich will niemanden, der mir sagt, wie ich mein Leben zu leben habe. Das ist es doch, warum die Welt so abgefuckt ist. Es gibt zu viele Feiglinge da draußen. Steht auf und sagt, woran ihr glaubt.

Okay, leider fehlt uns die Zeit [der Tourmanager steht schon hinter uns] aber wir kennen jetzt deinen Standpunkt. Danke dafür! Es ist schwierig jetzt eine Überleitung zu finden, also suche ich erst gar nicht. Wie viele Kopftücher hast du eigentlich?

Mike: Ich habe eine Menge Bandanas. Ich habe eins, das liegt mir ganz besonders am Herzen. Ich habe auch nie eines an andere Leute abgegeben. Ganz einfach, weil sie etwas Besonderes für mich sind. Von da wo ich herkomme, wurde man wegen jedem Scheiß verhaftet. Und da sind wir wieder bei dem, was ich meine. Man soll sich nicht für jemand anderen verändern. Das ist absolut wichtig. Ich höre mir an, was die Leute zu sagen haben, aber wenn sie nichts Konstruktives sagen, dann bedeutet mir das nichts.

Mike, vielen Dank für deine Zeit und die letzten Worte gehören dir.

Mike: Die letzten Worte?! [lacht] Ich bin sehr glücklich, die Möglichkeit zu haben heute hier zu sein. Ohne die Band und viele Leute drumherum wäre das nicht möglich. Immer wenn ich Leute an den verschiedensten Orten treffe und die mir ihre Geschichte dazu erzählen als sie uns das erste Mal gehört haben, dann erinnert mich das an die Musik, die ich damals angefangen habe zu hören. Musik sollte etwas sein, das bewegt und das dich motiviert, und manchmal ärgert sie dich, manchmal lässt sie dich nachdenken, manchmal willst du sie einfach nur lauter drehen, es geht aber nicht noch lauter. SUICIDAL ist keine Band für jeden, das wollen wir auch nicht. Es gibt eine Million Dinge, die du an der Band nicht magst, und das ist gut so. Wir wollten nie eine Boyband sein, dafür sind wir auch nicht hübsch genug, aber wir wollten auch nie Feiglinge sein. Also, liebt uns oder hasst uns, aber wir werden nicht weggehen.

Besucher-Interaktion

Name:
Kommentar:
(optional)
Meine Bewertung:
(optional)
(Hinweis: IP-Adresse wird intern mitgespeichert; Spam und Verlinkungen sind nicht gestattet)

Artikel über soziale Netzwerke verbreiten