Deep Purple - Whoosh! | |
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Review von Rockmaster vom 15.08.2020 (8086 mal gelesen) | |
![]() Schließlich konnten es die fünf aber nicht lassen, und so halte ich in meinen virtuellen Händen den Stream von "Whoosh!". "Schwierig, das braucht echt Zeit", kommentierte mein Ex-Chef und Sportskamerad. Und tatsächlich, vom ersten Takt bis zum letzten Takt auf dem Album frage ich mich: Hat das noch viel mit der Musik zu tun, die mich als kleiner Junge dermaßen geflasht hat? Nein, irgendwie sind die Parallelen mit jedem Jahr geringer geworden. Aber das Album ist bereits veröffentlicht, die Zeit ist knapp, und so kommt "Whoosh!" im Home Office in die Dauerschleife. Fanbrille abnehmen - die Seh-/Hörschärfe passt nach so vielen Jahren nicht mehr, und irgendwie beschlägt die auch so schnell - und die Musik wirken lassen. Und - habe ich eigentlich spätestens seit Beginn der 2000er bei jedem Album mit einem Auge den alten Zeiten hinterhergeweint - so ist dieses Mal doch etwas anders. Dabei fängt "Whoosh!" mit 'Throw My Bones' - musikalisch betrachtet - gar nicht so übergroß und noch ziemlich im Stile der Vorgängeralben an. Dafür sollte man dem Text ein wenig Aufmerksamkeit widmen, den Ian Gillan dazu geschrieben hat. Intelligent und witzig werden die Kandidaten der aktuellen Zeitgeschichte vorgeführt, die uns mit Heilsversprechen, göttlicher Zukunft und dem gelobten Land locken wollen. Was juckt mich das, meint Gillan - kann ich doch einfach hier sitzen und meine Knochen werfen - sinnbildlich für das Vorhersagen einer Zukunft, die ja eh kommt, ob man sie nun kennt oder nicht. Ein bisschen rockiger wird's schon auf dem zweiten Titel, 'Drop The Weapon', der gleich ins Tanzbein geht. Machen wir uns nichts vor, Hard Rock wie zu Zeiten von "In Rock" und "Machine Head" erwarten wir keinen mehr. Aber auch mit dem altersmilden Stil trifft die Band einen Nerv, Steve Morses Riff funktioniert hier genial, und Ian Paice und Roger Glover shuffeln sich locker und lässig durch den Titel und verleihen ihm dabei eine bestechende Leichtigkeit. Und schließlich finden wir dann im tollen Solo-Wettstreit zwischen Steves Gitarre und Don Aireys Keyboards die typische DEEP PURPLE-DNA wieder, ohne die wir uns die Band einfach nicht vorstellen können. Natürlich vermissen wir irgendwie auch die exaltierten Screams von Ian Gillan, mit denen er seit seinem Einstieg bei DEEP PURPLE 1969 in weniger als einem halben Jahrzehnt den Grundstein für mehrfach ruinierte Stimmbänder gelegt hat. Aber fast scheint es so, als würde seine Stimme im weit fortgeschrittenen Rentenalter immer besser werden. Markant ist sie allemal, und mehr als je zuvor ist Gillans Gesang Ruhepol und Seele der Titel. Nach dem amüsanten 'We're All The Same In The Dark' kommt dann das erste große Highlight des Albums. Zwar ist Steves aufdringliche Gitarrenfiedelfigur in 'Nothing At All' in meinen Ohren ein absoluter kompositorischer Fehlschlag, aber dafür hat sich hier Don Airey klar in den Mittelpunkt der Band gespielt. Schon seine Reprisen auf Steves Gitarrenleads sind auf einem anderen Level, und sein Solo nach knapp drei Minuten ist eine Wucht! In striktem Metrum und mit übermenschlich anmutendem Tempo flitz Don durch barocke Akkorde und Kadenzen, dass es zum Niederknien ist. Dieses Solo wurde entweder von Johann Sebastian Bach höchstselbst komponiert, oder er zieht gerade seinen Hut vor Don Airey. Klar geht es nicht ohne fluffige Rock 'n' Roll-Nummern wie 'No Need To Shout' (klasse! und klasse Text!) und dem coolen 'What The What', aber für mich zeigen DEEP PUPRLE auf den anderen Titeln der zweiten Albumhälfte, beginnend mit 'Step By Step' eine neue - und eine alte - Stärke, die man so nicht erwartet hätte: Wesentlich ruhiger als gewohnt, teils mit einer meditativen Ausstrahlung wie 'The Power Of The Moon', fangen die Kerle im hohen Alter nochmal an, richtig progressiv zu komponieren. Sicherlich erkennt man hier auch die Handschrift von Produzent Bob Ezrin wieder, der schon auf "Now What?!" und "Infinite" mit DEEP PURPLE gearbeitet hat, und der unter anderem auch für seine Arbeiten mit PINK FLOYD ("The Wall" und andere) bekannt ist. Gab es schon vorher gute und große Momente, so findet das Album mit 'Remission Possible' und dem dystopischen 'Man Alive' seinen absoluten Höhepunkt. Tik tok tik tok. Unsere Uhr läuft ab. Ians Sprechpassagen wie auch die mehrstimmig eingesungenen Teile erreichen eine wahnsinnige Intensität, und auch ansonsten ist der Titel genial komponiert. Ich bin geflasht. Ganz ehrlich. Auch der Bonustitel 'Dancing In My Sleep' ist mit Funk und Elektronikeffekten total PURPLE-untypisch, funktioniert aber klasse. Mit dieser Selbst-Neuerfindung könnte ich mir noch unzählige DEEP PUPRLE-Alben vorstellen. Ich fürchte aber, mit "Whoosh!" könnte die Band vollendet haben, was "Infinite" angedeutet hat. Mit der Neueinspielung von 'And The Address', Schlusstitel der Standardfassung des Albums, schließt sich der Kreis (die unendliche, geometrische Figur) zum Erstling "Shades Of Deep Purple". Unwahrscheinlich, dass das kein Statement sein soll. Vielleicht spielt die Band deswegen so befreit auf, da sie weiß, dass sie längst nichts mehr falsch machen kann. Aber wer kann schon ausschließen, dass die fünf in einigen Jahren nicht nochmal richtig Bock haben. Ob sie noch Kohle brauchen? Kann ich mir nicht vorstellen. Haben sie uns noch was zu sagen? Unbedingt! Und wenn die Ära dann doch nun zu Ende geht, wäre das großartige Alterswerk ein würdiger Abschluss. Und ich fühle mich geehrt, dass ich dazu etwas schreiben durfte. Gesamtwertung: 9.0 Punkte ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | |
Trackliste | Album-Info |
01. Throw My Bones (3:39) 02. Drop The Weapon (4:24) 03. We're All The Same In The Dark (3:45) 04. Nothing At All (4:43) 05. No Need To Shout (3:31) 06. Step By Step (3:35) 07. What The What (3:33) 08. The Long Way Round (5:40) 09. The Power Of The Moon (4:09) 10. Remission Possible (1:39) 11. Man Alive (5:36) 12. And The Address (3:36) 13. Dancing In My Sleep (3:52) | Band Website: www.deeppurple.com Medium: CD Spieldauer: 51:42 Minuten VÖ: 07.08.2020 |
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